Der Klinikarzt 2019; 48(08/09): 316
DOI: 10.1055/a-1000-5371
Diskurs
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hinführung

Stellenwert der Homöopathie
Winfried Hardinghaus
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Publication Date:
19 September 2019 (online)

Erwarten Sie bitte nicht, verehrte Leserinnen und Leser, dass ich mich in den kommenden Zeilen radikal auf die Seite der Homöopathie-Gegner beziehungsweise umgekehrt auf die der Homöopathie-Befürworter schlage. Ich habe nur vor, auf die nachfolgend abgedruckte Gegenstellungnahme von Dr. Bernhard Zauner, die sich auf das von Prof. Jutta Hübner aus Jena im Februar herausgegebene Heft im klinikarzt 1 + 2 2019 „ Komplementäre Therapie in der Klinik“ bezieht, aufmerksam zu machen und Sie sozusagen auf die kontroverse Erklärung einzustimmen oder, besser gesagt, emotionslindernd hinzuführen. Nichtsdestoweniger freuen wir uns, wenn sich aufgrund der klinikarzt -Vorgabe eine intensive und unsere tägliche Arbeit befruchtende Diskussion ergibt.

Der Herangehensweise von Zauner (Vizepräsident der Ärztegesellschaft für klassische Homöopathie und National Vice president der LMHI), an dessen Seriosität selbstverständlich niemand zweifelt, kann ich in Teilen nicht gut folgen. Dies besonders, was das Mittel seiner zahlreich zitierten Studien anbelangt, speziell dann auch nicht die besonders hervorgehobene aktuelle Metaaanalyse von Mathie at al. (2014). Der Autor schränkt selbst, so liest man am Schluss dieser hier zitierten Veröffentlichung, seine vorsichtig positiven Ansätze wissenschaftlich nochmal ein: „Die Gesamtqualität der Evidenz war gering oder unklar, was ausreichende Schlussfolgerungen verhinderte“.

Und auch dass Homöopathie so beliebt ist, ist ja noch kein Beweis für ihre Wirksamkeit. Schade, dass Zauner nicht näher auf mögliche zusätzliche weiche Wirkfaktoren von Homöopathie wie Zeit, Verständnis, Kommunikation oder sogar Placebo eingeht. Warum eigentlich? Ich ahne es.

Kleinki et al. im klinkarzt -Beitrag „Homöopathie und evidenzbasierte Medizin – Nutzen und potenzielle Risiken“ aus dem oben genannten Heft hingegen disqualifiziert Homöopathie wissenschaftlich vor allem unter den bekannten molekular-chemischen Ansätzen und wendet sich von vornherein gegen postulierte Wirkhypothesen wie Energie- und Informationsübertragung. Ich glaube, er hält das alles für reinen Hokuspokus. Warum eigentlich? Ich ahne es.

Meine eigene Patientin mit der belastbaren Diagnose Leberzirrhose ging zur Heilpraktikerin und ließ ihre schlechten Leberwerte behandeln. In der Zeit der 3-monatigen dortigen Therapie normalisierten sich die bis dahin grottenschlechten Laborwerte tatsächlich. Möglicherweise gab es andere Gründe dafür als die verabreichten Homöopathika. Die Lebensweise z. B., die es mir zugegeben nicht gelang, bei der ansonsten kooperativen Patientin zu beeinflussen. Die Privatkrankenkasse lehnte die Übernahme von rund 10 000 € Behandlungskosten der Heilpraktikerin ab. Dies allerdings zu meiner Überraschung nicht etwa wegen einer fehlenden Evidenz für die Homöopathie an sich, sondern sie bezog sich auf fehlende Hinweise für die Wirksamkeit der hier gewählten i.v.-Applikation gegenüber einer erheblich preiswerteren oralen und dabei, so der medizinische Dienst der Krankenkasse, genauso wirksamen Therapie. Für mich ein neuer Gesichtspunkt, der in beiden Beiträgen im Übrigen nicht bewertet wird.

Ich selbst habe als Arzt mit der Homöopathie keine Erfahrung. Deutlich mehr hingegen Natalie Grams, Mitautorin des zitierten klinikarzt -Beitrages, früher selbst Heilpraktikerin, heute Kommunikationsmanagerin der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften. Sie gibt sich geläutert und ist inzwischen zu der Erkenntnis gekommen: „Für eine gute Medizin braucht es keine Magie“. In demselben Interview in der „Zeit“-Beilage “Chrismon“ 08/2019 entgegnet Sven Gottschling: „Medizin hat auch mit Magie zu tun“.

Hier kann ich meinem palliativmedizinischen Kollegen aus eigener Erfahrung beipflichten: Es gibt – Gott sei Dank – immer wieder Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht oder noch nicht verstehen. Dazu mögen durchaus über Medizin inklusive Homöopathie hinausgreifende, z. B. auch spirituelle, Kräfte gehören. Besonders in der Palliativmedizin am Ende des Lebens, das möchte ich an dieser Stelle einmal persönlich hinzufügen, kann gerade deren Berücksichtigung hilfreich sein.

Eine ganzheitlich ausgerichtete Medizin, und um die geht es in jedem Fall, möge uns doch alle, Betroffene wie Behandler, eskortieren und vielleicht kann das sogar eine Wegstrecke lang die Homöopathie.

Winfried Hardinghaus