Key words
staging - treatment effects - treatment planning
Einleitung
Immuntherapeutika sind Pharmaka, die durch molekulare Modulation immunologischer Prozesse
die gezielte Therapie von Tumoren ermöglichen [1]. Diese haben innerhalb der letzten Jahre zunehmend Einzug in die personalisierte
Krebstherapie gehalten, sodass sie mittlerweile einen festen Stellenwert in Erst-
und Zweitlinientherapien sowie in späteren Therapieschemata innehaben. Darüber hinaus
ist eine Vielzahl von Präparaten aktuell in der präklinischen Entwicklung und klinischen
Erprobung (Phase 0–III). Sie ermöglichen teils langjährige progressions- bzw. rezidivfreie
Krankheitsverläufe bei vormals schwer chemotherapeutisch zugänglichen oder refraktären
Tumoren, wie dem metastasierten Melanom. Die wichtigsten Tumorentitäten, für die der
therapeutische Outcome durch den Einsatz von Immuntherapeutika verbessert werden konnte,
sind das maligne Melanom, Nierenzellkarzinom, Hodgkin-Lymphom, Bronchialkarzinom (insbesondere
das nichtkleinzellige Bronchialkarzinom, NSCLC), Plattenepithelkarzinom der Kopf-/Hals-Region,
Kolonkarzinom und Urothelkarzinom [2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]. Neuere Studien konnten zudem einen Vorteil des kombinierten Einsatzes konventioneller
Chemotherapien und neuer Immuntherapeutika beim NSCLC zeigen [8]
[9]
[10].
Die Wirkungsweise der aktuell im klinischen Einsatz befindlichen Substanzen basiert
auf einer Modulation der T-Zell-Aktivierung, die der Immunevasion der Tumorzellen
entgegenwirkt. Die hierzu aktuell vorwiegend genutzten molekularen Zielstrukturen
sind das „cytotoxic T-lymphocyte-antigen 4“ (CTLA-4), der „programmed death 1 receptor“
(PD-1) sowie einer seiner Liganden, der „programmed death ligand 1“ (PD-L1/2) [11]
[12]. [Tab. 1] gibt eine Übersicht über aktuell zugelassene Substanzen.
Tab. 1
Aktuell zugelassene Immuncheckpoint-Inhibitoren mit molekularer Zielstruktur und klinischem
Einsatzgebiet (Stand 04/2019).
|
Substanzname
|
Zielstruktur
|
Indikationen
|
|
Nivolumab
|
PD-1
|
NSCLC, malignes Melanom, Plattenepithelkarzinom der Kopf-Hals-Region, RCC, Urothelkarzinom,
Morbus Hodgkin
|
|
Pembrolizumab
|
PD-1
|
NSCLC, malignes Melanom, RCC, Urothelkarzinom, Morbus Hodgkin
|
|
Ipilimumab
|
CTLA-4
|
malignes Melanom, RCC
|
|
Atezolizumab
|
PD-L1
|
NSCLC, Urothelkarzinom
|
|
Durvalumab
|
PD-L1
|
NSCLC
|
Hochauflösende bildgebende Verfahren, wie die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztomografie
(MRT), stellen aktuell die klinisch am besten etablierten Biomarker zur Überprüfung
des Ansprechens von Immuntherapien dar. Hierbei ergeben sich jedoch 2 therapiespezifische
Eigenheiten, die das radiologische Monitoring der betreffenden Patienten erschweren:
Zum einen kann es unter immunmodulatorischer Therapie zu atypischen Ansprechmustern
kommen. Hierzu zählen neben einem divergenten Therapieansprechen (sogenannte „Mixed
Response“) das in einzelnen Therapieverläufen zu beobachtende verzögerte Therapieansprechen
nach initialer Zunahme der Tumorgröße (sogenannter „Pseudoprogress“) ([Abb. 1]). Dieser Pseudoprogress ist bedingt durch die anfängliche Zunahme vorbestehender
Tumorläsionen hinsichtlich Größe und/oder Anzahl [13]. Die Invasion von Immunzellen mit Veränderung des Tumormikroenvironments wird diesem
Phänomen ursächlich zugeschrieben, aber auch ein echter Tumorprogress im Intervall
zwischen Ausgangsbildgebung und Wirkeintritt ist eine mögliche Erklärung. In Einzelfallberichten
wird jedoch auch ein rascher fulminanter Tumorprogress nach Therapiestart ohne sekundäres
Tumoransprechen beschrieben (sogenannte „Hyperprogression“).
Abb. 1 Beispiel einer Pseudoprogression bei Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom
(NSCLC) unter Immuntherapie: Im Follow-up 1 zeigt sich im Vergleich zur Baseline-Untersuchung
eine geringe Zunahme des Primärtumors, eine Größenzunahme einer perirenalen Weichteilmetastase
sowie eine neu detektierbare Weichteilmetastase perisplenisch, im Sinne eines unbestätigten
„progressive disease“ (iUPD). Im Verlauf waren alle Läsionen größenrückläufig im Sinne
eines „stable disease“(iSD), somit konnte der Progress nicht bestätigt werden. Nach
RECIST 1.1 wäre nach dem Follow-up 1 bei PD in der Regel ein Therapieabbruch erfolgt.
Die Wahrscheinlichkeit eines transienten Pseudoprogresses ist im Verhältnis zu einem
echten Tumorprogress deutlich geringer. Anhand der aktuell vorliegenden Studienlage
ist die Häufigkeit des Pseudoprogresses variabel und scheint mit dem speziellen Immuntherapeutikum,
der Kombination der Präparate und der Tumorentität assoziiert zu sein. Insgesamt ist
die Datenlage noch als gering anzusehen, da sich die klinischen Studien vorrangig
auf die Sicherheit und Wirksamkeit der neuen Immuntherapeutika fokussierten, mit RECIST
1.1 als primärem Outcome-Parameter evaluiert wurden und ein späteres Therapieansprechen
mitunter nicht mehr erfasst wurde. Entsprechend sind Pseudoprogresse, falls angegeben,
bei vielen der Studien uneinheitlich definiert. In einem Übersichtsartikel von Chiou
und Burotto [13] wird die Häufigkeit eines Pseudoprogresses beim metastasierten malignen Melanom
mit ca. 10 % angegeben. So zeigte sich bei Wolchok et al. [14] beim malignen Melanom unter Ipilimumab (anti-CTLA-4) ein transienter Pseudoprogress
mit anschließendem Therapieansprechen in 9,7 % und in einer Studie von Hodi et al.
[15] ein Pseudoprogress unter Nivolumab (anti-PD-1) in 10 % der Fälle. In einer anderen
Studie von Hodi et al. [16] wurde unter Pembrolizumab (anti-PD-1) bei Patienten mit fortgeschrittenem malignem
Melanom ein initialer Pseudoprogress mit anschließend deutlichem Therapieansprechen
in 5 % und einem verzögerten, langsamen Therapieansprechen in 3 % der Fälle berichtet.
Gegenüber dem malignen Melanom ist die momentane Datenlage zum Pseudoprogress unter
Immuntherapie für die weiteren Tumorentitäten spärlich und basiert teilweise auf Fallberichten:
So berichteten Tanizaki et al. [17] über 2 Patienten mit einem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) und einem
Pseudoprogress unter Nivolumab bei histopathologisch im Anschluss nachgewiesener kompletter
Response der Lebermetastasen. Hingegen beobachteten kürzlich Nishino et al. [18] in einer NSCLC-Studie unter Nivolumab kein atypisches Therapieansprechen (0 von
56 Patienten). Eine größere Studie zur Behandlung des NSCLC mit Pembrolizumab kam
auf 16/495 Patienten (3,2 %), die einen Pseudoprogress aufwiesen [5]. Andere Studiendaten beschreiben die Häufigkeit eines Pseudoprogresses beim Nierenzellkarzinom
mit 1,8 % (3 von 168 Patienten) [19] und beim Harnblasenkarzinom mit 1,5 % (1 von 65 Patienten) [20]. Anhand der verfügbaren Daten kann davon ausgegangen werden, dass Pseudoprogressionen
in der Regel innerhalb der ersten 3 Monate nach Beginn einer Immuntherapie auftreten,
späte Progresse (> 6 Monate nach Therapiestart) sollten in aller Regel als tatsächliche
Krankheitsprogressionen gewertet werden; systematische Studien zum Auftrittszeitpunkt
von Pseudoprogression in Abhängigkeit von Tumorentität oder Therapieregime fehlen
jedoch bis dato. Eine Übersicht über die Pseudoprogressionsraten nach Erkrankung und
Therapieregime findet sich in [Tab. 2].
Tab. 2
Pseudoprogress-Raten verschiedener Studien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.
|
Tumorentität
|
Patientenanzahl
|
Checkpoint-Inhibitor
|
Pseudoprogress
|
Studie
|
|
malignes Melanom
|
n = 227
|
Ipilimumab
|
9,7 %
|
Wolchok et al. 2009
|
|
n = 327
|
Pembrolizumab
|
7,3 %
|
Hodi et al. 2015
|
|
n = 107
|
Nivolumab
|
10,3 %
|
Hodi et al. 2014
|
|
NSCLC
|
n = 495
|
Pembrolizumab
|
3,2 %
|
Garon et al. 2015
|
|
n = 56
|
Nivolumab
|
0,0 %
|
Nishino et al. 2016
|
|
n = 292
|
Nivolumab
|
5,4 %
|
Borghaei et al. 2015
|
|
Nierenzellkarzinom
|
n = 168
|
Nivolumab
|
1,8 %
|
Motzer et al. 2015
|
|
Harnblasenkarzinom
|
n = 65
|
Atezolizumab
|
1,5 %
|
Powles et al. 2014
|
|
Plattenepithelkarzinom
|
n = 32
|
Pembrolizumab/Nivolumab
|
0,0 %
|
Saâda-Bouzid et al. 2017
|
|
n = 60
|
Pembrolizumab
|
1,7 %
|
Seiwert et al. 2016
|
Abgesehen von der Pseudoprogression zeigen die an den genannten Zielstrukturen wirksamen
Substanzen neben positiven Therapieeffekten auch autoimmunologische Nebenwirkungen,
wie die Immuntherapie-assoziierte Pneumonitis, reaktive Lymphadenopathie, Sarkoidose-ähnliche
Reaktionen, Kolitis oder Hypophysitis. Diese können je nach Ausprägung therapielimitierend
wirken und müssen radiologisch bestmöglich korrekt interpretiert und nicht als Tumorprogress
fehlinterpretiert werden ([Abb. 2], [Tab. 3]). Bezüglich der verschiedenen Manifestationen in den unterschiedlichen Organen verweisen
wir auf entsprechende ausführliche Review-Artikel [21]
[22].
Abb. 2 Immunassoziierte Nebenwirkungen: Pneumonitis, Hypophysitis und Arthritis des Kiefergelenks.
* = vorherige Steroid-Medikation; ** = nach Absetzen der Steroid-Medikation.
Tab. 3
Inzidenz und medianer Eintritt wichtiger Nebenwirkungen von Immuncheckpoint-Inhibitoren
am Beispiel der Pneumonitis und Kolitis.
|
Nebenwirkung
|
Substanz(klasse)
|
Nebenwirkungsrate
|
medianer Wirkungseintritt (in Monaten)
|
|
Pneumonitis
|
Nivolumab/Pembrolizumab
|
2,7 % [20]; 3,6 % [21]
|
4–6 [20]
|
|
Atezolizumab
|
1,3 % [21]
|
4–6 [20]
|
|
Ipilimumab
|
0,4 % [22]
|
1–3 [22]
|
|
Kombinationstherapie PD1/PD-L1 + Ipilimumab
|
10 % [20]
|
2–8 [20]
|
|
Kolitis
|
Nivolumab/Pembrolizumab
|
1–2 % [23]
[24]
|
3 [25]
[26]
|
|
Ipilimumab
|
8–22 % [27]
|
1–6 [26]
|
iRECIST
Radiologische Kriterien für das Response-Monitoring wurden innerhalb klinischer Studien
unter definierten Therapiebedingungen entwickelt; die Übertragbarkeit in die klinisch-radiologische
Routine ist aufgrund verschiedener Faktoren, wie notwendige Therapiepausen, Dosismodifikationen,
individuelle Therapiekonzepte oder fehlende klinische Informationen bzw. Voraufnahmen,
limitiert. Dennoch sollte das Therapiemonitoring unter Immuntherapie auch im klinischen
Alltag möglichst akkurat und unter Berücksichtigung möglicher atypischer Ansprechmuster
oder autoimmunologischer Therapienebenwirkungen erfolgen. Hierbei kann eine adaptierte
Anwendung der etablierten RECIST 1.1- oder iRECIST-Kriterien im klinischen Routinesetting
hilfreich sein und eine objektivere Beurteilung des Therapieansprechens ermöglichen.
So wird dies schon heute mitunter von den entsprechenden Kostenträgern angefordert,
wenn eine Kostenübernahme für eine individuelle Krebstherapie beantragt wird.
Die unter Immuntherapien im Vergleich zu konventionellen Zytostatika atypischen Ansprechmuster
würden nach den klassischen Response-Kriterien (wie RECIST 1.1) mitunter fälschlicherweise
als Tumorprogress interpretiert und somit zu einem ungerechtfertigten Therapieabbruch
führen. Daher erfolgte im Jahre 2009 in Anlehnung an die WHO-Kriterien die Entwicklung
der so genannten immune-related Response-Criteria (irRC), die 2013 an RECIST 1.0 und
2014 an RECIST 1.1 angepasst wurden [6]
[7]
[8]. Im Jahre 2017 wurden von der offiziellen RECIST-Working-Group die iRECIST-Kriterien
veröffentlicht, die eine Weiterentwicklung der RECIST 1.1-Kriterien in Hinblick auf
atypische Ansprechmuster unter Immuntherapien darstellen [23].
Die hierfür primär verwendeten Bildmodalitäten sind die CT und MRT, wobei für eine
möglichst gute Reproduzierbarkeit kontrastmittelgestützte Untersuchungen mit einer
axialen Schichtdickte von ≤ 5 mm bevorzugt werden. Bzgl. der Details hinsichtlich
der Definition von Ziel- und Nicht-Zielläsionen (Target- und Non-Target-Läsionen)
verweisen wir hier auf die entsprechenden zugrunde liegenden Arbeiten [23]
[24]. Grundlegend erfolgt analog zu RECIST 1.1 bei iRECIST in der Ausgangsuntersuchung
(Baseline) die einmalige Festlegung von Target- und Non-Target-Läsionen. Als Target-Läsionen
(TL) eignen sich gut messbare, solide Tumormanifestationen mit einer Mindestgröße
im Längsachsendurchmesser („long axis diameter“; LAD) von ≥ 10 mm und Lymphknotenmetastasen
mit einem Kurzachsendurchmesser („short axis diameter“; SAD) von ≥ 15 mm. Von den
potenziellen Targets können bis zu 5 Läsionen pro Patienten bzw. 2 Läsionen pro Organ
als Target-Läsionen definiert werden ([Abb. 3]). Non-Target-Läsionen (Non-TL) sind als Läsionen mit ungenügend reproduzierbarer
Quantifizierbarkeit definiert und werden qualitativ ohne absolute Messung erfasst.
Abb. 3 Schematische Darstellung der Response-Evaluation mittels iRECIST.
Das Auftreten neuer Tumorläsionen wird in iRECIST unterschiedlich zu RECIST 1.1 gehandhabt.
Bei RECIST 1.1 führen neu aufgetretene Tumorläsionen zur Feststellung eines „progressive
disease (PD)“. Demgegenüber erfolgt bei iRECIST eine Differenzierung in neue messbare
und nicht messbare Läsionen. Zwar bewirken auch hier Tumorläsionen analog zu RECIST
1.1 einen Tumorprogress, jedoch muss dieser zunächst nicht bestätigte Tumorprogress
(iUPD = „unconfirmed progressive disease“) bei iRECIST im Falle eines klinisch stabilen
Tumorleidens durch eine vorgezogene Verlaufskontrolle innerhalb von 4–8 Wochen statt
nach 6–12 Wochen bestätigt werden (iCPD = „confirmed progessive disease“).
Neue, nicht sicher tumoröse Läsionen, wie z. B. reaktive Lymphknoten, sollten zunächst
als „Findings“ klassifiziert werden, sodass die Behandlung weitergeführt werden kann.
Falls diese jedoch in der nächsten Follow-up-Untersuchung als Tumorläsionen bestätigt
werden, wird der Zeitpunkt des Krankheitsprogresses (PD) retrospektiv auf die Untersuchung
des erstmaligen Auftretens dieser Läsionen zurückdatiert.
Therapieansprechen
Das Gesamtansprechen auf eine Therapie wird durch Kombination der Veränderung der
Target- (TL) und Non-Target-Läsionen (Non-TL) zum einen, sowie der Detektion neuer
messbarer oder nicht messbarer Tumorläsionen definiert und unterschieden in:
-
komplette Remission (iCR = „complete response“): Vollständiges Verschwinden aller
Target-Läsionen (TL) und Non-Target-Läsionen (Non-TL) bzw. Größenreduktion pathologisch
vergrößerter Lymphknoten auf unter 10 mm Kurzachsendurchmesser (SAD).
-
partielle Remission (iPR = „partial response“): Reduktion der Tumorlast der Target-Läsionen
um mindestens ≤ 30 % verglichen mit der Ausgangsuntersuchung oder bei kompletter Remission
der Target-Läsionen, jedoch fortbestehender Abgrenzbarkeit 1 oder mehrerer Non-Target-Läsionen.
-
stabiler Krankheitsverlauf (iSD = „stable disease“): Weder die Kriterien der iCR noch
die der iPR wurden erfüllt.
Gemäß iRECIST ist bei bildgebend zunehmender Tumorlast und klinisch stabilen Tumorleiden
zur Differenzierung eines echten Tumorprogresses von einem Pseudoprogress mit potenziell
für den Patienten vorteilhaftem Krankheitsverlauf initial zu attestieren ein:
-
unbestätigter Tumorprogress (iUPD = „unconfirmed progressive disease“) bedingt durch
eine Zunahme der Summe aller TL um mindestens ≥ 20 % (mindestens ≥ 5 mm) im Vergleich
zum Zeitpunkt mit der geringsten TL-Summe im Verlauf (sogenannter „Nadir“; bei fehlender
Tumorreduktion mitunter identisch mit der Baseline), einem eindeutigen Progress der
Non-TL („unequivocal progression“) oder durch das Auftreten von neuen messbaren und/oder
nicht messbaren Tumorläsionen.
Ein unbestätigter Tumorprogress sollte bei klinisch möglichem Pseudoprogress in der
nächsten Verlaufskontrolle innerhalb eines verkürzten Intervalls von 4–8 Wochen reevaluiert
werden, um diesen Pseudoprogress von einem „echten“ Progress zu differenzieren:
-
bestätigter Tumorprogress („confirmed progressive disease“, iCPD), wenn die Target-Läsionen-Summe
weiter steigt (mindestens ≥ 5 mm) und/oder die Non-Target-Läsionen progredient sind
und/oder die in der Voruntersuchung neu abgrenzbaren messbaren bzw. nicht messbaren
Läsionen in Größe und Anzahl zunehmen.
Falls sich der Tumorprogress in der anschließenden Verlaufskontrolle nicht bestätigt,
bleibt der Patient im Stadium des unbestätigten Tumorprogresses (iUPD = „unconfirmed
progressive disease“), bis er einen weiteren Progress zeigt (iCPD) oder eine Reduktion
auf das Ausgangsniveau aufweist im Sinne eines iSD, eine Reduktion von über 30 % im
Vergleich zur Baseline im Sinne des iPR oder eine komplette Remission (iCR) erreicht.
Die anschließenden weiteren Verlaufskontrollen sollten dann wieder innerhalb der regulären
Intervalle erfolgen, beispielsweise nach 8, 16 und 24 Wochen.
Response-Evaluation unter Immuntherapie: Empfehlungen und Orientierung für die klinische
Praxis
Response-Evaluation unter Immuntherapie: Empfehlungen und Orientierung für die klinische
Praxis
Onkologische Bildgebung außerhalb von Studienprotokollen
In Anlehnung an RECIST 1.1 und iRECIST stellt die hochauflösende CT den Standard für
onkologische Staging-Untersuchungen des Körperstamms dar; die Bildgebung des Neurokraniums
oder der Extremitäten hingegen erfolgt standardmäßig durch die MRT. Grundlegend sollte
die entsprechende aktuelle AWMF-Leitlinie für die entsprechende Tumorentität als Orientierungshilfe
für Indikationsstellung, Wahl der Bildgebungsmodalität sowie des Untersuchungsprotokolls
und -intervalls dienen. Da moderne MR-Tomografen die intermodale Vergleichbarkeit
zwischen MRT und CT zunehmend verbessern, kann in der Nachsorge, insbesondere bei
langen, rezidivfreien Verläufen, ein Wechsel von der CT zur MRT erwogen werden. Als
Bildgebungsintervalle unter Immuntherapie können orientierend an iRECIST folgende
Zeitpunkte angedacht werden (siehe hierzu auch die Expertenmeinung weiter unten),
bei klinischer Verschlechterung jederzeit, sonst:
-
bei iSD, iPR und iCR reguläres Follow-up-Intervall nach 8–12 Wochen und
-
bei iUPD verkürztes Follow-up-Intervall von 4–8 Wochen.
Hierbei ist zu beachten, dass der „Tag 0“ der initialen Bildgebung häufig nicht dem
Tag des realen Therapiestarts entspricht. Diesbezüglich ist zu empfehlen, dass die
Bildgebung, die als Baseline-Untersuchung dient, so aktuell wie möglich, zumindest
nicht älter als 4 Wochen sein sollte, da sonst bis zum Therapiestart ggf. Tumorgrößenveränderungen
und/oder neue, durch diese dann nicht erfasste Tumorläsionen auftreten, die im ersten
Follow-up zu Fehlinterpretationen führen können.
Bei im Verlauf möglichem Pseudoprogresses und klinisch stabilen Patienten oder mangelnden
Therapieoptionen erscheint ein verkürztes Intervall von 4–8 Wochen nach Feststellung
eines iUPD vertretbar. Der konkrete Zeitpunkt sollte sich nach hiesiger Expertenmeinung
am Patientenbefinden und der vermuteten Diagnose richten: Bei vermutetem echtem Progress
eher nach 4 Wochen, bei vermutetem Pseudoprogress eher nach 6–8 Wochen, um ein mögliches
späteres Ansprechen nicht zu verpassen. Bei klinischer Verschlechterung sollte aber
unverzüglich eine erneute Bildgebung durchgeführt werden.
Response-Evaluation im Verlauf
Grundlegend wäre eine Verwendung von iRECIST in der Routinebefundung unter Immuntherapien
als wünschenswert zu erachten, doch ist im klinischen Setting eine direkte Übertragung
häufig, bedingt durch vielfältige Limitationen, leider nicht möglich. So stellen fehlende
klinische Informationen (z. B. zu Therapiestart- oder pausen), personalisierte Therapiekonzepte,
Paralleleffekte (wie Abscopal-Effekt bei paralleler Strahlentherapie an einer anderen
Lokalisation) oder fehlende und unzureichende Voraufnahmen ein inhärentes Problem
des langfristigen Therapiemonitorings für Radiologen dar. So könnte beispielsweise
ein Patient bei nicht vorliegender Diagnostik zum Zeitpunkt des besten Therapieansprechens
mit der geringsten Tumorlast (sogenannter „Nadir“) im Vergleich zur vorherigen Bildgebung
fälschlich als „stable disease (SD)“ gewertet werden, obwohl er unter Kenntnis der
nicht vorliegenden Bildgebung eigentlich eine relevante Zunahme der Tumorlast im Sinne
eines „progressive disease (iUPD)“ aufweisen würde.
Nach hiesiger Expertenmeinung sollte das Therapiemonitoring unter Immuntherapie wenn
möglich dennoch auch im klinischen Alltag möglichst in Anlehnung an die iRECIST-Kriterien
in Bezug auf die Definition und Anzahl der Target-Läsionen und Non-Target-Läsionen,
die Dokumentation der TL und Non-TL und das Verfahren mit neuen Läsionen durchgeführt
werden. Dies würde konkret im klinischen Alltag eine Messung von den maximal 5 Target-Läsionen
und Nennung der weiteren TL und Non-TL-Läsionen, ggf. in Gruppen zusammengefasst,
bedeuten. Dies ist zwar aktuell in den meisten Befunden schon enthalten, jedoch häufig
in einer wenig strukturierten und nicht immer RECIST-konformen Art und Weise (z. B.
Messung von Läsionen < 10 mm mit konsekutiv hoher Messvarianz, Messung jeweils unterschiedlicher,
teils abweichender oder mehr als 5 Läsionen). Dieses Problem würde sich durch eine
strukturierte Auflistung der TL und Non-TL miniminieren lassen. Dies würde in den
Folgeuntersuchungen bei erneuter Messung der vordefinierten Läsionen und Angabe der
aktuellen Messwerte eine zeitliche Einsparung und Vereinfachung gegenüber einer Befunderstellung
bedeuten, bei der abweichende, mitunter auch mehr als 5 Läsionen selektiert und jeweils
erneut gemessen werden und mit Seriennummer und Tischposition in Prosabefunden aufgelistet
werden. Hierzu erscheinen spezielle onkologische Softwarelösungen vorteilhaft, die
eine vereinfachte und zeitlich effizientere, iRECIST-konforme Response-Evaluation
ermöglichen. Alternativ sind heute schon semi-automatische Analysen des Ansprechens
auf „time-point“-Basis mithilfe von kostenlosen RECIST-Kalkulatoren online durchführbar
(wie Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) unter www.befundung.drg.de/de). Den Experten ist hierbei bewusst, dass diese optimierte Befunderstellung mit onkologischen
Softwarelösungen aktuell aber noch zahlreiche Limitationen ausweist, wie mitunter
nicht mögliche oder nur suboptimale IT-Integration in vorhandene radiologische Befundungssysteme,
und dass die hohen Anschaffungskosten nicht in der Vergütung durch die Krankenkassen
berücksichtig werden, sodass dies nicht als Standard für die Routinebefundung vorausgesetzt
werden kann.
Als weiteres elementares Problem bleibt aber bestehen, dass bei der Mehrzahl der Patienten
in der ambulanten und stationären Krebstherapie kein uniformes Therapieschema wie
im Studien-Setting vorliegt sowie nicht immer eine vollständige Übermittlung aller
notwendigen klinischen Informationen in der Breite zu gewährlisten ist. In der Folge
ist mitunter ein Therapiemonitoring mit einer langfristigen Evaluation analog zu den
iRECIST-Kriterien nicht konsistent und für jeden Tumorpatienten möglich. Dennoch erscheinen
zumindest Bestimmung und Dokumentation der Gesamttumorlast zum jeweiligen Scanzeitpunkt
und eine Beurteilung im Vergleich zur letzten vorliegenden Voruntersuchung in Anlehnung
an iRECIST ohne relevante Zusatzarbeit möglich. Bei diesem Prozedere würde der Zuweiser
eine strukturierte Auswertung für jeden Zeitpunkt erhalten („time point“ basiert im
Vergleich zur letzten Voruntersuchung), hätte aber auch die Möglichkeit, den langfristigen
Verlauf anhand der jeweils auf gleiche Weise erhobenen und dokumentierten Gesamttumorlast
(inklusive „Nadir“) zu analysieren und zu bewerten.
Befundterminologie: Vorsicht mit Schlagwörtern aus dem Studien-Setting
Bei der Befundung onkologischer Untersuchungen von Patienten unter Immuntherapie sollte
beachtet werden, dass die Begriffe „progressive disease“, „partial response“ oder
„stable disease“ innerhalb der etablierten Kriterien eindeutig definiert sind und
eine unkritische Verwendung Fehleindrücke in der interdisziplinären Kommunikation
hervorrufen kann. Um Missverständnisse zwischen onkologisch involvierten klinischen
Disziplinen und Radiologen mit möglicherweise hieraus folgenden ungerechtfertigten
Therapieveränderungen vorzubeugen, sollten diese Begriffe nach Meinung der Autoren
im radiologischen Befundbericht außerhalb von Studien vermieden werden. Stattdessen
sollte eine Festlegung hinsichtlich der Krankheitsdynamik in Anlehnung an bestehende
Kriterien (bei Immuntherapie nach iRECIST und bei konventioneller Chemotherapie nach
RECIST 1.1) getroffen werden, beispielsweise wie folgt:
-
Im Vergleich zu Monat/Jahr zeigt sich ein „stabiles Tumorleiden“ oder ein „stabiler
Befund“, statt iSD.
-
Im Vergleich zu Monat/Jahr zeigt sich „sehr gutes Therapieansprechen“ oder ein „signifikanter
Rückgang der Tumorgröße“, statt iPR.
-
Im Vergleich zu Monat/Jahr zeigt sich erstmalig eine „deutliche Zunahme der Tumorgröße“
oder „in Anzahl und/oder Größe progrediente Tumorläsionen“; optional bei bildgebendem
Verdacht auf Pseudoprogress: „Im Vergleich zu Monat/Jahr zeigt sich eine „deutliche
Zunahme der Tumorgröße, möglicherweise im Rahmen eines Pseudoprogresses“, statt iUPD.
-
Im Vergleich zu Monat/Jahr zeigt sich eine „weitere Zunahme der Tumorgröße“ oder „in
Anzahl und/oder Größe weiter progrediente Tumorläsionen“, statt iCPD.
Hierzu sollte mit den jeweiligen zuweisenden Kollegen je nach lokaler Präferenz ein
gemeinsamer Sprachgebrauch besprochen und angewandt werden.
Krankheitsprogress versus Pseudoprogress
RECIST 1.1 und iRECIST sind für den Einsatz unter definierten klinischen Studienbedingungen
konzipiert worden. Dennoch ist es aufgrund zunehmender Verbreitung der immunmodulatorischen
Therapien auch im praxisradiologischen Alltag relevant, die Möglichkeit eines atypischen
Ansprechens bei der Befundung von Kontrolluntersuchungen zu kennen und bei der Befundinterpretation
zu berücksichtigen. Das Konzept der „unconfirmed progression (iUPD)“, welches in iRECIST
neu eingeführt wurde, um der Möglichkeit eines Pseudoprogresses unter Immuntherapie
Rechnung zu tragen, kann hierbei als Orientierung dienen.
Folgende Aspekte sollten bei der Einschätzung einer möglichen Pseudoprogression bedacht
werden:
-
Unter allen bisher zugelassenen Immuntherapeutika kann es prinzipiell zu Pseudoprogressionen
kommen. Dies kann sich sowohl in einem Größenprogress bestehender Läsionen als auch
in neu aufgetretenen Läsionen gegenüber der Baseline-Untersuchung äußern [25]. Bislang existiert noch kein nichtinvasiver Biomarker (laborchemisch, morphologisch
oder metabolisch), der ad hoc eine sichere, routinemäßige Differenzierung eines Pseudoprogresses
von einem echten Tumorprogress unter Immuntherapie ermöglicht; das radiologische Follow-up
im Verlauf ist hier maßgebend.
-
Die Wahrscheinlichkeit eines Pseudoprogresses ist insgesamt als deutlich geringer
einzuschätzen als das Vorliegen eines realen Tumorprogresses: beim malignen Melanoms
bis zu 10 %, beim Plattenepithelkarzinom der Kopf-Hals-Region bis zu 2 %, beim NSCLC
zwischen 3 und 5 % sowie beim Nierenzellkarzinom zwischen 1 und 4 % [6]
[15]
[16]
[19]
[26]
[27]
[28]. Da die Response-Raten der Immuntherapien je nach Grunderkrankung zwischen 20 und
40 % liegen, sollte bei der Erwägung der Diagnosestellung eines Pseudoprogresses a
priori die Wahrscheinlichkeit hierfür deutlich geringer eingeschätzt werden als für
einen realen Krankheitsprogress; für den individuellen Tumorpatienten kann aber das
Auftreten eines initial unwahrscheinlicheren Pseudoprogresses langfristig von maßgeblichem
Vorteil für sein Leben mit dem Tumorleiden sein [26]
[29]
[30].
-
Das Ausmaß des Progresses ist kein valider Prädiktor dafür, ob es sich um einen Pseudoprogress
oder einen echten Progress handelt. Insbesondere beim malignen Melanom und NSCLC kann
bei initial ausgeprägtem Tumorprogress einerseits ein Pseudoprogress mit langfristig
günstigem Verlauf, andererseits aber auch ein fulminanter Tumorprogress vorliegen
(sogenannte „Hyperprogression“) [31]
[32]
[33]. So wurden in Einzelfällen im Kontext eines später bestätigten Pseudoprogresses
Größenzunahmen um bis zu 163 % mit konsekutivem Größenregress beschrieben [34].
-
In der Regel tritt eine Pseudoprogression zu Beginn der Therapie auf, nach Meinung
des Expertenpanels in den ersten 6 Monaten bzw. in den ersten beiden Verlaufskontrollen
nach Therapiestart. Späte Befundprogresse, die sich erst mehrere Monate nach Therapiestart
oder nach stattgehabtem Therapieansprechen äußern, sind sehr wahrscheinlich als „echte“
Krankheitsprogression zu werten.
-
Die verfügbare Gerätetechnik ermöglicht die Darstellung kleinster Läsionen, teils
in Verlaufskontrollen auch kleinster vormals okkulter Läsionen. Es sollte bedacht
werden, dass nicht jede neu detektierte Läsion suspekt auf einen Krankheitsprogress
ist und ggf. eine inflammatorische Genese oder autoimmunologische Nebenwirkung im
Rahmen der Tumortherapie zugrunde liegt (Finding bzw. Therapienebenwirkung). Die Feststellung
eines Progresses sollte in Anlehnung an die ausgeführten RECIST 1.1- bzw. iRECIST-Kriterien
erfolgen, die unter Berücksichtigung biologischer und apparativer Messvarianzen definiert
wurden.
-
Bei initial progredienten Läsionen sollte vor allem die klinische Evaluation des Patienten
bei der Entscheidung über eine Therapiefortführung eine zentrale Rolle einnehmen.
In der iRECIST-Guideline wird hierzu klar empfohlen, dass eine Weiterführung der Immuntherapie
zum erstmaligen Zeitpunkt eines Tumorprogresses (iUPD) sehr sorgfältig abgewogen werden
muss und mit dem Patienten nur bei subjektiv stabiler klinischer Situation zu diskutieren
ist.
-
Die Indikationsstellung zur Biopsie zur Differenzierung eines Pseudoprogresses von
einem echten Progress sollte in Anlehnung an iRECIST insbesondere im kurativen Setting
erfolgen, um so eine frühzeitige Therapieadaption im Falle eines echten Progresses
zu ermöglichen. Es muss aber auch attestiert werden, dass es mitunter für den Pathologen
sehr schwierig bis unmöglich sein kann anhand der Gewebeproben eine sichere Differenzierung
vorzunehmen.
Zusammenfassend: Moderne Immuntherapien besitzen mittlerweile einen festen klinischen
Stellenwert in der personalisierten Krebstherapie. In der onkologischen Bildgebung
stellen atypische Therapieansprechmuster sowie ein verändertes Nebenwirkungsspektrum
der Immuntherapeutika mitunter eine Herausforderung dar. Hierbei können jedoch die
in iRECIST implizierten Empfehlungen hilfreich sein und als Richtschnur in der klinischen
Praxis und außerhalb von Studien dienen.