Mit Ausnahme der aktiven Substanzen Delta-9-Tetrahydrocannabinol und weiterer Cannabinoide bestehen qualitativ große Ähnlichkeiten zwischen Marihuana und Tabak. Die meisten epidemiologischen Studien wiesen auf eine Assoziation von chronischen respiratorischen Symptomen und Marihuana-Konsum hin. Der Effekt auf die Lungenfunktion blieb aber offen. Die COLD-Studie (Canadian Obstruktive Lung Disease Study mit 5291 Personen ≥ 40 Jahre ergab die Häufigkeit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) bei Konsumenten von Marihuana (M), Tabak (T), Marihuana und Tabak (MT) sowie bei Personen, die beide Substanzen nie geraucht hatten (NS). Als Raucher galten Teilnehmer, die ≥ 365 und/oder ≥ 50 Joints konsumiert hatten. Ein starker Abusus bestand bei > 20 Joint- oder Packungs-Jahren. Joint-Jahre ergaben sich aus dem Produkt tägliche Joints × Konsum-Jahre. Die CanCOLD-Studie enthielt ein Subset von 1285 Patienten mit einer COPD (FEV1/FVC < 0,7), die jede 18 Monate eine Spirometrie erhielten, um die Abnahme der Lungenfunktion in Abhängigkeit vom Raucherstatus zu untersuchen.
Die Verteilung der Rauchertypen war in den Studien vergleichbar. Ein ausschließlicher Marihuana-Konsum war selten (COLD 17 % und CanCOLD 14 %). 83 % und 86 % rauchten sowohl Tabak als auch Marihuana. Zudem bestand in der MT-Gruppe ein deutlich stärkerer Konsum. Die kumulative Exposition betrug in COLD 17,02 Joint-Jahre (MT) vs. 7,23 (M). Der Unterschied war in CanCOLD mit 16,68 vs. 5,45 Joint-Jahren noch ausgeprägter. Unter Berücksichtigung der Nikotinexposition war ein Marihuana-Konsum mit der Wahrscheinlichkeit für eine COPD assoziiert:
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1 – 5 Joint-Jahre OR 1,39 (95 %-KI 0,96 – 2,02)
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> 5 – 20 Joint-Jahre OR 1,28 (95 %-KI 0,84 – 1,95) und
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> 20 Joint-Jahre OR 2,45 (95 %-KI 1,55 – 3,88).
Für starke Marihuana-Konsumenten war die Risikosteigerung signifikant. Die schädlichen Konsequenzen von Marihuana zeigten sich auch in einer stärkeren Abnahme der Lungenfunktion. Im Vergleich zu Personen, die nie geraucht hatten, nahm die FEV1 bei starken Tabakrauchern (21,1 ml/Jahr) und bei starken Marihuana-Rauchern (29,6 ml/Jahr) deutlicher ab. Sowohl in der M- als auch in der T-Gruppe profitierten die Teilnehmer von einem Rauchstopp, der die pulmonale Verschlechterung verlangsamte.
Ein Marihuana-Konsum amplifiziert die schädlichen Effekte des Nikotinkonsums, belegt am gesteigerten Risiko für eine COPD und die FEV1-Abnahme, meinen die Autoren. Frühere Untersuchungen hatten teilweise nur marginale Auswirkungen gezeigt. Tan et al. führen dies u. a. auf heterogene Studiendesigns und vor allem jüngere Teilnehmer zurück. Die signifikante Assoziation von kumulativen Joint-Jahren und COPD spräche für die nikotinunabhängige Schädigung durch Marihuana. Es bestehe ein dringender Bedarf an größeren Langzeitstudien. Die Annahme, Marihuana sei eine Jugenddroge ist falsch: In den USA seien Cannabinoide nach Tabak die häufigsten von Älteren konsumierten illegalen Substanzen.
Marihuana ist nicht nur eine Jugenddroge. In der USA konsumieren viele ältere Menschen neben Tabak auch regelmäßig Cannabinoide. Bildquelle: guruXOX – stock.adobe.com
Dr. med. Susanne Krome, Melle