Schlüsselwörter
GKV-Routinedaten - medizinische Inanspruchnahme - Beobachtungszeitraum - Leistungs-/Abrechnungsdatum - Tod
Key words
Claims data - health services utilization - observation period - date of service provision/payment - death - administrative claims
Einleitung
Die Ermittlung der Leistungsinanspruchnahme von Versicherten der gesetzlichen
Krankenkassen (GKV) in einem definierten Beobachtungszeitraum ist keine triviale
Aufgabe. Die zeitraumbezogene Zuordnung von Leistungen kann sich je nach verwendeter
Datenquelle und betreffendem Versorgungsbereich unterscheiden. Während die
Daten in einem Wissenschaftlichen Data Warehouse (WDWH) bereits vorstrukturiert
sind, können sie im Rahmen einer projektbezogenen Datenanforderung (minimal
data set) der Fragestellung einer Studie entsprechend definiert werden.
In der Regel gilt, dass die zur Verfügung gestellten Daten
ausschließlich bereits abgerechnete Leistungen enthalten. Der zeitliche
Verzug bei der Abrechnung von Leistungen bestimmt somit wesentlich die
Verfügbarkeit dieser Leistungen in den Abrechnungsdaten der GKV.
Zusätzlich ist zu beachten, dass die Daten auch bei der jeweiligen
Krankenkasse mit einer zeitlichen Verzögerung vorliegen. Diese kann bis zu
acht Monate nach Quartalsende (z. B. bei vertragsärztlichen
Leistungen) betragen [1].
In den bereitgestellten Daten können, abhängig von den verwendeten
Datenstrukturen der jeweiligen Krankenkasse, nur das Abrechnungsdatum, nur das
Leistungsdatum oder beide Angaben enthalten sein. Für Analysen der
Inanspruchnahme ist das Leistungsdatum bzw. der Leistungszeitraum die geeignetere
Kennzahl. Der Abrechnungszeitpunkt liegt natürlicherweise hinter dem
Leistungszeitpunkt bzw. dem Ende eines Leistungszeitraums. Diese zeitliche Differenz
zwischen Leistungs- und Abrechnungsdatum birgt sowohl bei Analysen bis zu einem
Indexereignis, z. B. dem Tod eines Versicherten (VS), als auch bei
jahresbezogenen Beobachtungszeiträumen die Gefahr der Fehlschätzung
der Inanspruchnahme ([Abb. 1]).
Abb. 1 Zuordnung von Leistungen zum Beobachtungszeitraum und
resultierende Fehlschätzung.
Unseres Wissens liegen bisher keine Ergebnisse zur exemplarischen Quantifizierung der
Abweichungen von Leistungs- und Abrechnungsdatum für Deutschland vor.
Insbesondere in Bezug zum Tod, zu (anderen) versichertenindividuellen Zeitpunkten
oder dem Jahreswechsel als Ende eines Beobachtungszeitraums ist es notwendig, sich
dies bewusst zu machen und eine Strategie zum Umgang in den eigenen Analysen zu
entwickeln.
Bisher finden sich in der Literatur lediglich Hinweise darauf, wie es zu zeitlichen
Differenzen zwischen Abrechnungs- und Leistungsdatum bzw. Leistungszeitraum kommen
kann. So weisen Horenkamp-Sonntag et al. im Kapitel „Prüfung,
Datenqualität und Validität von GKV-Routinedaten“ darauf
hin, dass es aus unterschiedlichen Gründen zu zeitlichen
Implausibilitäten kommen kann und diese gemäß der Guten
Praxis Sekundärdatenanalyse [2]
geprüft und je nach Fragestellung berücksichtigt werden sollten
[3].
Ziel dieser Untersuchung ist es daher, das aus dem Auseinanderfallen von Leistungs-
und Abrechnungsdatum in Krankenkassenroutinedaten resultierende Risiko von
Fehleinschätzungen der Inanspruchnahme in verschiedenen Leistungsbereichen
in Bezug zum Tod als Indexereignis sowie in Bezug zum Jahreswechsel zu
quantifizieren, Erklärungsansätze für nach dem Tod
abgerechnete Leistungen darzulegen und mögliche Lösungsstrategien
aufzuzeigen.
Methodik
Wir führten eine Analyse zeitlicher Differenzen zwischen
Leistungsinanspruchnahme und -abrechnung im Hinblick auf 2 Zeitpunkte durch: das
Todesdatum sowie den Jahreswechsel 2015/2016.
Die Analysen mit Bezug zum Todesdatum wurden differenziert nach (a) Abrechnungen nach
dem Tod, (b) Leistungen nach dem Tod sowie (c) Leistungen in den letzten 6
Lebensmonaten mit Abrechnung nach dem Tod. Die analysierten Leistungsbereiche
umfassten dabei ambulante Behandlungsfälle und die entsprechenden
Gebührenordnungspositionen (GOP), ambulante Verordnungen (VO) von
Arzneimitteln (AM), Heil- und Hilfsmitteln sowie Krankenhausfälle und
stationär durchgeführte Operationen/Prozeduren (OPS).
Da das Todesdatum in den uns zur Verfügung stehenden Abrechnungsdaten nicht
als vordefiniertes Datenfeld existierte, wurde es aus dem Datum des
Versicherungsendes mit dem Tod als Austrittsgrund aus der Krankenkasse abgeleitet.
Die den Analysen zugrunde liegende Population ist Teil einer Studienpopulation, die
für ein laufendes Forschungsprojekt selektiert wurde: Für dieses
wurden Versicherte herangezogen, die ein Todesdatum im Jahr 2016 hatten, mindestens
2 Jahre vor ihrem Tod durchgängig bei der datenliefernden Krankenkasse
versichert und zum Zeitpunkt des Todes mindestens 19 Jahre alt waren. Für
unsere Analysen wurden Versicherte eingeschlossen, die im Zeitraum Juli bis Dezember
2016 verstorben waren (N=47 610). Ausgewertet wurden die jeweiligen
Abrechnungsdatensätze der Jahre 2015, 2016 und 2017.
Auf Grundlage der in den jeweiligen Leistungsbereichen unterschiedlich
ausgeprägten Leistungs- und Abrechnungszeiträume haben wir folgende
Definitionen für die Leistungsinanspruchnahme und Abrechnung formuliert: Als
Zeitpunkt der Abrechnung wurde das Abrechnungsquartal für (1) ambulante GOP
und (2) ambulante Behandlungsfälle, (3) der Abrechnungsmonat für
ambulante Arzneimittelverordnungen (Arzneimittel-VO), (4) das Abrechnungsdatum bei
Heil- und Hilfsmittelverordnungen (Heilmittel-VO, Hilfsmittel-VO) und das
Entlassungsdatum des stationären Behandlungsfalls bei (5)
Krankenhausfällen und (6) stationären OPS festgelegt ([Tab. 1]). Als eine Abrechnung nach dem Tod
wurde entsprechend die Abrechnung eines ambulanten Falls ab dem Quartal nach dem
Todesquartal für (1) ambulante GOP und (2) ambulante Fälle
definiert. Für (3) ambulante Arzneimittel-VO wurde die Abrechnung ab dem
Monat nach dem Todesmonat und für (4) ambulante Heil- und Hilfsmittel-VO das
Abrechnungsdatum nach dem Todesdatum herangezogen. Für (5)
Krankenhausfälle und (6) stationäre OPS wurde – weil das
Abrechnungsdatum des Falls in den Daten nicht verfügbar war – ein
Entlassungsdatum nach dem Todesdatum als Abrechnung nach dem Tod definiert ([Tab. 1]).
Tab. 1 Definition der zeitlichen Bezüge für
Leistungs- und Abrechnungszeitpunkte.
|
Ambulante GOP
|
Ambulante Fälle
|
Arzneimittel-VO
|
Heil- und Hilfsmittel- VO
|
Krankenhaus-Fälle
|
Stationäre OPS
|
Abrechnungs-zeitpunkt
|
Ende des Abrechnungsquartals
|
Ende des Abrechnungs-monats
|
Abrechnungsdatum
|
Entlassungsdatum des stationären Falls
|
Abrechnung nach Tod
|
Abrechnung im Folgequartal nach Sterbequartal
|
Abrechnung im Folgemonat nach Todesmonat
|
Abrechnungsdatum nach Todesdatum
|
Entlassungsdatum nach dem Todesdatum
|
Leistungs-zeitpunkt
|
Leistungsdatum für ambulante GOP
|
Ende des Behandlungsfalls
|
Datum der Arzneimittel-abgabe
|
Ende der Leistung
|
Entlassungsdatum
|
Leistungsdatum
|
Leistung nach Tod
|
Leistungsdatum einer ambulanten GOP nach dem Todesdatum
|
Ende des Behandlungsfalls nach dem Todesdatum
|
Arzneimittelabgabe nach dem Todesdatum
|
Ende der Leistung nach dem Tod
|
Entlassungsdatum nach dem Todesdatum
|
Leistungsdatum nach dem Todesdatum
|
Als Zeitpunkt der Leistungsinanspruchnahme wurde (1) das Leistungsdatum für
ambulante GOP, (2) das Ende der Behandlung für ambulante
vertragsärztliche Behandlungsfälle, (3) das Datum der
Arzneimittelabgabe in der Apotheke für ambulante Arzneimittel-VO, (4) das
Ende der Leistung für Heil- oder Hilfsmittel-VO, (5) das Entlassungsdatum
als Behandlungsende eines Krankenhausfalls und (6) das Leistungsdatum einer
stationären OPS definiert ([Tab. 1]).
Als eine Leistung nach dem Tod wurde entsprechend definiert: (1) ein Leistungsdatum
einer ambulanten GOP nach dem Todesdatum, (2) ein nach dem Todesdatum endender
ambulanter Behandlungsfall, (3) eine Arzneimittelabgabe nach dem Todesdatum, (4) ein
Leistungsendedatum für Heil- oder Hilfsmittel nach dem Todesdatum, (5) ein
Entlassungsdatum nach dem Todesdatum für Krankenhausfälle und (6)
für stationäre OPS ein Leistungsdatum nach dem Todesdatum ([Tab. 1]).
Im Ergebnis wurden bei der Betrachtung mit Bezug zum Todesdatum jeweils Anteil und
Anzahl der Leistungen, die nach dem Tod abgerechnet wurden, sowie Anteil und Anzahl
der Versicherten mit entsprechenden Leistungen in unserer Studienpopulation
ausgewiesen. Dabei beziehen sich die Angaben zum Anteil der Versicherten immer auf
die Grundgesamtheit der Studienpopulation (N=47 610). Die Angaben
zum Anteil der Leistungsarten (GOP, ambulante Fälle, VO,
Krankenhausfälle, OPS) beziehen sich immer auf die Summe der in den letzten
6 Lebensmonaten vor dem Todesdatum (für Heil- und Hilfsmittel,
Krankenhausfälle, stationäre OPS) bzw. vor dem Todesmonat
(für AM-VO) bzw. vor dem Todesquartal (für ambulante
ärztliche Leistungen) erbrachten bzw. abgerechneten Leistungen.
Bei der Betrachtung mit Bezug zum Jahreswechsel 2015/2016 basieren die
Angaben zum Anteil der Versicherten auf der Anzahl derjenigen Versicherten, die
tatsächlich Leistungen aus dem jeweiligen Leistungsbereich in 2015 in
Anspruch genommen haben. Die Angaben zum Anteil der Leistungsarten (GOP, ambulante
Fälle, VO, OPS), die erst nach dem Jahreswechsel 2015/2016
abgerechnet wurden, beziehen sich auf die Summe der in 2015 bis zum Jahresende
erbrachten Leistungen. Für Krankenhausfälle sind diese Berechnungen
auf unserer Datenbasis nicht möglich, da Leistungs- und Abrechnungsdatum
identisch sind.
Ergebnisse
Die Ergebnisse sind für alle Leistungsbereiche und die beiden Zeitpunkte
Todesdatum und Jahreswechsel 2015/2016 in [Tab. 2] dargestellt.
Tab. 2 Abrechnungen und Leistungen nach dem Tod bzw. nach dem
Jahreswechsel.
N=47 610 Versicherte (VS) (verstorben 01.07.2016
bis 31.12.2016)
|
Ambulante GOP
|
Ambulante Fälle
|
Arzneimittel
|
Heilmittel
|
Hilfsmittel
|
Krankenhaus-Fälle
|
Stationäre OPS
|
GOP % (n)
|
VS % (n)
|
Fälle % (n)
|
VS % (n)
|
VO % (n)
|
VS % (n)
|
VO % (n)
|
VS % (n)
|
VO % (n)
|
VS % (n)
|
Fälle % (n)
|
VS % (n)
|
OPS % (n)
|
VS % (n)
|
Bezugspunkt Todesdatum
|
1.1
|
Abrechnungen nach dem Tod
1
|
0,4% (20 799)
|
3,7% (1 778)
|
0,5% (2 244)
|
3,7% (1 782)
|
1,1% (14 564)
|
8,5% (4 029)
|
31,1% (44 015)
|
25,4% (12 070)
|
28,2% (99 098)
|
57,6% (27 445)
|
0,2% (154)
|
0,3% (153)
|
0,2% (1 143)
|
0,3% (139)
|
1.2
|
...davon mit Abrechnungen innerhalb von 3 Monaten nach dem Tod
2
|
71,8% (14 936)
|
76,5% (1 361)
|
67,3% (1 510)
|
76,5% (1 363)
|
93,3% (13 590)
|
95,9% (3 862)
|
93,4% (41 092)
|
95,9% (11 573)
|
92,5% (91 651)
|
97,2% (26 676)
|
100,0% (154)
|
100,0% (153)
|
100,0% (1 143)
|
100,0% (139)
|
1.3
|
Abrechnungen in 2016 in den letzten 6 Lebensmonaten
3
|
5 378 469
|
46 631
|
466 502
|
46 635
|
1 348 646
|
44 992
|
97 300
|
15 167
|
252 437
|
33 385
|
89 524
|
36 899
|
490 876
|
34 841
|
2.1
|
Leistungen nach dem Tod
1,4
|
0,3% (11 074)
|
6,6% (3 137)
|
1,6% (6 368)
|
10,9% (5 191)
|
0,8% (10 472)
|
8,7% (4 147)
|
0,1% (160)
|
0,1% (71)
|
9,8% (30 921)
|
39,1% (18 623)
|
0,2% (154)
|
0,3% (153)
|
0,02% (81)
|
0,11% (52)
|
2.2
|
…davon mit Leistungen innerhalb von 3 Monaten nach dem
Tod2
|
89,3% (9 892)
|
97,2% (3 048)
|
88,1% (5 613)
|
95,9% (4 979)
|
99,3% (10 403)
|
99,3% (4 116)
|
93,8% (150)
|
91,5% (65)
|
98,5% (30 446)
|
99,3% (18 489)
|
100,0% (154)
|
100,0% (153)
|
100,0% (81)
|
100,0% (52)
|
3
|
Leistungen in 2016 in den letzten 6 Lebensmonaten3
|
4 333 192
|
46 528
|
394 072
|
46 522
|
1 261 095
|
45 928
|
121 346
|
17 473
|
283 983
|
35 651
|
89 524
|
36 899
|
476 192
|
34 762
|
4.1
|
Leistungen in den letzten 6 Lebensmonaten
3,4
mit Abrechnung nach dem Tod
1
|
0,4% (15 902)
|
2,9% (1 371)
|
0,3% (1 181)
|
2,2% (1 046)
|
1,0% (12 492)
|
7,3% (3 472)
|
35,8% (43 428)
|
25,2% (11 982)
|
25,1% (71 211)
|
48,3% (23 015)
|
n.v.
|
n.v.
|
0,2% (1 094)
|
0,3% (136)
|
4.2
|
…davon mit Abrechnung innerhalb von 3 Monaten nach dem Tod
2
|
73,2% (11 639)
|
74,2% (1 017)
|
67,6% (798)
|
68,3% (714)
|
94,7% (11 824)
|
96,8% (3 361)
|
93,5% (40 597)
|
96,4% (11 552)
|
93,3% (66 475)
|
97,2% (22 374)
|
n.v.
|
n.v.
|
100,0% (1 094)
|
100,0% (136)
|
4.3
|
Leistungen in den letzten 6 Lebensmonaten3,4 mit
Abrechnung mehr als 3 Monate nach dem Tod
|
0,1% (4 263)
|
0,8% (354)
|
0,1% (383)
|
0,7% (332)
|
0,1% (668)
|
0,2% (111)
|
2,3% (2 831)
|
2,5% (430)
|
1,7% (4 736)
|
1,8% (641)
|
n.v.
|
n.v.
|
0,0% (0)
|
0,0% (0)
|
Bezugspunkt Jahreswechsel 2015/2016
|
5.1
|
Leistungen in 2015
4
mit Abrechnung nach 2015
|
0,2% (10 890)
|
2,3% (1 082)
|
0,2% (1 224)
|
2,2% (999)
|
0,6% (10 041)
|
6,1% (2 767)
|
17,8% (27 601)
|
49,7% (8 653)
|
18,2% (56 924)
|
61,0% (18 956)
|
n.v.
|
n.v.
|
3,3% (7 129)
|
2,1% (1 003)
|
5.2
|
…davon mit Abrechnung innerhalb der ersten 3 Monate im
Jahr 2016
|
65,1% (7 091)
|
79,4% (859)
|
77,0% (942)
|
80,2% (801)
|
96,6% (9 701)
|
97,8% (2 705)
|
100,0% (27 599)
|
100,0% (8 652)
|
100,0% (56 917)
|
100,0% (18 956)
|
n.v.
|
n.v.
|
93,5% (6 663)
|
98,2% (985)
|
5.3
|
Leistungen in 2015, die nach dem 1. Quartal 2016 abgerechnet
wurden
|
0,1% (3 799)
|
0,5% (223)
|
0,0% (282)
|
0,4% (198)
|
0,0% (340)
|
0,1% (62)
|
0,0% (2)
|
0,0% (1)
|
0,0% (7)
|
0,0% (0)
|
n.v.
|
n.v.
|
0,2% (466)
|
0,1% (18)
|
5.4
|
Leistungen in 2015
|
6 586 625
|
46 295
|
639 652
|
46 350
|
1 703 832
|
45 580
|
155 248
|
17 425
|
313 107
|
31 053
|
n.v.
|
n.v.
|
217 247
|
20 242
|
GOP Gebührenordnungsposition; n.v. nicht
verfügbar; OPS Operationen- und
Prozedurenschlüssel; VS Versicherte; VO
Verordnung (bei Arzneimitteln: Abgabe).
1
Arzneimittel nach dem Todesmonat,
Fälle/GOP nach dem Todesquartal,
Heilmittel/Hilfsmittel/OPS nach dem Todestag.
2
Arzneimittel innerhalb der 3 Folgemonate nach dem Tod,
Fälle/GOP innerhalb des Folgequartals
nach dem Tod.
3
Arzneimittel Todesmonat und 6 Monate zuvor,
Fälle/GOP Todesquartal und 2 Quartale
zuvor, Heilmittel/Hilfsmittel/OPS letzte
6 Lebensmonate.
4
Arzneimittel Abgabedatum, Fälle Ende des
Behandlungsfalls, GOP/OPS Leistungsdatum,
Heilmittel/Hilfsmittel Ende der Leistung.
|
Berechnungshinweise: Leistungsarten (GOP/Fälle/VO/OPS)
1.1 %(n)=n / [n(1.1) + n(1.3)]
2.1 %(n)=n / [n(2.1) + n(3)]
4.1 %(n)=n / n(3)
5.1 %(n)=n / n(5.4)
|
1.2 %(n)=n / n(1.1)
2.2 %(n)=n / n(2.1)
4.2 %(n)=n / n(4.1)
5.2 %(n)=n / n(5.1)
|
Versicherte (VS)
1.1 %(n)=n / 47 610
2.1 %(n)=n / 47 610
4.1 %(n)=n / 47 610
5.1 %(n)=n / n(5.4)
|
1.2 %(n)=n / n(1.1)
2.2 %(n)=n / n(2.1)
4.2 %(n)=n / n(4.1)
5.2 %(n)=n / n(5.1)
|
Abrechnungen nach dem Tod
Im Leistungsbereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung wurden
– bezogen auf die in den letzten 6 Lebensmonaten abgerechneten
Leistungen – 0,4% der GOP und 0,5% der
Behandlungsfälle nach dem Tod abgerechnet. Am höchsten war der
Anteil der nach dem Tod abgerechneten Leistungen bei Heilmitteln
(31,1%), gefolgt von Hilfsmitteln (28,2%). Arzneimittel-VO
wurden zu 1,1% und Krankenhausfälle sowie stationäre OPS
zu jeweils 0,2% nach dem Tod abgerechnet. Bezogen auf unsere
Studienpopulation betraf dies zwischen 0,3% (Krankenhausfälle,
stationäre OPS) und 57,6% (Hilfsmittel) der Versicherten ([Tab. 2], Zeile 1.1). Von diesen nach dem
Tod abgerechneten Leistungen wurde der überwiegende Teil in den 3
Monaten bzw. im Folgequartal nach dem Todesdatum abgerechnet ([Tab. 2], Zeile 1.2).
Leistungen nach dem Tod
Für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Tod, für die ein
konkretes Datum herangezogen werden konnte, ergibt sich – bezogen auf
die in den letzten 6 Lebensmonaten in Anspruch genommenen Leistungen –
ein etwas anderes Bild: anteilig war die Leistungsinanspruchnahme bei
Hilfsmitteln mit 9,8% am höchsten, gefolgt von ambulanten
ärztlichen Behandlungsfällen mit 1,6%, Arzneimittel-VO
mit 0,8% und ambulanten GOP mit 0,3% der Leistungen. Für
die Inanspruchnahme nach dem Tod wurden in den Leistungsbereichen
Krankenhausfälle (0,2%), Heilmittel (0,1%) und
stationäre OPS (0,02%) die geringsten Anteile ermittelt. Bezogen
auf unsere Studienpopulation betraf dies zwischen 0,1%
(stationäre OPS) und 39,1% (Hilfsmittel) der Versicherten ([Tab. 2], Zeile 2.1). Der
überwiegende Teil der nach dem Tod erbrachten Leistungen fällt
in den Zeitraum von 3 Monaten nach dem Tod ([Tab. 2], Zeile 2.2).
Es wirkt zunächst inkonsistent, dass unsere Berechnungen für
ambulante Fälle mehr Leistungen ([Tab.
2], Zeile 2.1) als Abrechnungen nach dem Tod ([Tab. 2], Zeile 1.1) ergaben. Für
die Ermittlung der Leistungen nach dem Tod konnte ein konkretes Datum
(Behandlungsende des ambulanten Falls; [Tab.
1]) herangezogen werden, während für Abrechnungen nach
dem Tod mit Quartalsdifferenzen in Bezug zum Tod gerechnet wurde, da hier
lediglich das Abrechnungsquartal verfügbar war. Dies führt zu
einer Unterschätzung der Abrechnungen nach dem Tod in diesem
Leistungsbereich.
Leistungen in den letzten 6 Lebensmonaten mit Abrechnung nach dem Tod
Von den Leistungen mit Leistungsdatum innerhalb von 6 Monaten vor dem Tod wurden
0,2% der stationären OPS, 0,3% der ambulanten
Fälle, 0,4% der ambulanten GOP und 1,0% der
Arzneimittel-VO erst nach dem Tod abgerechnet. Bei den Heil- und Hilfsmitteln
waren die Anteile mit 35,8 und 25,1% deutlich höher. Bezogen auf
unsere Studienpopulation betraf dies zwischen 0,3% (stationäre
OPS) und 48,3% der Versicherten (Hilfsmittel; [Tab. 2], Zeile 4.1). Der
überwiegende Teil der Leistungen wurde in den folgenden 3 Monaten bzw.
im Folgequartal nach dem Versterben abgerechnet ([Tab. 2], Zeile 4.2). Lediglich jeweils
0,1% der ambulanten GOP, der ambulanten Fälle sowie der
Arzneimittel-VO wurden erst später als 3 Monate (bzw. nach dem ersten
Quartal) nach dem Tod abgerechnet. Im Gegensatz dazu wurden im Leistungsbereich
der Heil- und Hilfsmittel bis zu 2,3% der VO in einem Zeitraum von 3
Monaten nach dem Tod noch nicht abgerechnet ([Tab. 2], Zeile 4.3).
Jahreswechsel 2015/2016
Das Auseinanderfallen von Leistungs- und Abrechnungsdatum ist auch über
den Jahreswechsel 2015/2016 hinweg in allen Leistungsbereichen deutlich:
18,2% der Hilfsmittel, 17,8% der Heilmittel, 3,3% der
stationären OPS, 0,6% der Arzneimittel-VO und jeweils
0,2% der ambulanten Fälle und der ambulanten GOP wurden in 2015
erbracht, aber erst nach dem Jahresende abgerechnet. Bezogen auf unsere
Studienpopulation betraf dies zwischen 2,1% (stationäre OPS) und
61,0% (Hilfsmittel) der Versicherten, die eine Leistung aus dem
jeweiligen Bereich im Jahr 2015 in Anspruch genommen haben ([Tab. 2], Zeile 5.1). Wieder wurde der
Großteil der Leistungen innerhalb der ersten 3 Monate in 2016
abgerechnet ([Tab. 2], Zeile 5.2). Nach
dem ersten Quartal 2016 wurden noch 0,2% der stationären OPS und
weniger als 0,1% der Leistungen aus der ambulanten
vertragsärztlichen Versorgung und der Arzneimittel-VO abgerechnet, aber
nahezu keine Heil- und Hilfsmittel-VO mehr ([Tab. 2], Zeile 5.3).
Diskussion
Die Auswertung zeigt, dass im Sinne der Fragestellung relevante Abweichungen von
Leistungs- und Abrechnungsdatum in den Daten aller betrachteten Leistungsbereiche
vorkommen (ausgenommen Krankenhausfälle, für die diese Betrachtung
anhand unserer Daten nicht möglich war).
Ein Zeitraum von 3 Monaten bzw. einem Quartal nach einem Indexereignis (hier der Tod)
erscheint in den meisten Leistungsbereichen ausreichend, um die in Anspruch
genommenen Leistungen nahezu vollständig in den Abrechnungsdaten
vorzufinden. Lediglich bei Heil- und Hilfsmitteln sollte ggf. ein
größeres Zeitintervall für die Abrechnung der Leistungen
berücksichtigt werden. Der Einfluss der Abweichungen zwischen Leistungs- und
Abrechnungsdatum in Bezug auf ein Indexereignis ist auch abhängig von der
Studienpopulation und dem betrachteten Ereignis. So können diese weniger
relevant sein für Fragestellungen wie z. B. die Inanspruchnahme
einer Studienpopulation vor und nach Erstdiagnose einer bestimmten Erkrankung, aber
hochrelevant für die Inanspruchnahme vor dem Tod.
In Bezug zum Jahreswechsel (hier 2015 auf 2016) sind die relativen Abweichungen
insgesamt geringer. Heil- und Hilfsmittel-VO aus 2015 wurden nahezu
vollständig im ersten Quartal 2016 abgerechnet. Lediglich wenige
stationäre OPS aus 2015 wurden erst im zweiten Quartal 2016 abgerechnet.
Diese Prozeduren erfolgen bei Krankenhausfällen, die über den
Jahreswechsel verliefen und erst nach dem ersten Quartal 2016 enden.
Berücksichtigt man die zeitliche Verzögerung zwischen Leistung und
Abrechnung hier nicht, kann dies zu einer Unterschätzung der Inanspruchnahme
führen. Insbesondere dann, wenn die datenbereitstellende Krankenkasse die
Leistungen nicht nach dem Leistungsdatum, sondern nach dem Abrechnungsdatum den
jeweiligen Datenjahren zuordnet. Die für den Beobachtungszeitraum
bereitgestellten Daten enthalten dann die innerhalb dessen geleisteten, aber erst
danach abgerechneten Leistungen nicht ([Abb.
1]). Zur Überschätzung kommt es dann, wenn
fälschlicherweise Leistungen aufgrund der Zuordnung über das
Abrechnungsdatum dem Beobachtungszeitraum zugeordnet werden, obwohl diese
früher geleistet wurden ([Abb.
1]).
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Auswertung folgenden
Einschränkungen unterliegt: Für den Zeitpunkt der
Leistungserbringung lag in allen betrachteten Leistungsbereichen ein tagesgenaues
Datum vor. Für den Zeitpunkt der Abrechnung war dies nur bei den Heil- und
Hilfsmitteln der Fall. Für Arzneimittel lag der Abrechnungsmonat und
für ambulante Fälle und ambulante GOP das Abrechnungsquartal vor.
Für stationäre OPS konnte das Entlassungsdatum des Krankenhausfalls
als Surrogat verwendet werden. Die Berechnung der Differenz zwischen Abrechnung der
Leistung und Todesdatum auf Monats- (Arzneimittel) bzw. Quartalsbasis (ambulante
Fälle und GOP) führt somit in unseren Analysen zu einer
Unterschätzung der Anteile an Abrechnungen nach dem Tod in diesen
Leistungsbereichen. Bei den Analysen zu den Leistungen nach dem Tod kann die
Verwendung des Leistungsendes für Heil- und insbesondere für
Hilfsmittel als Zeitpunkt der Leistungsinanspruchnahme zur
Überschätzung der Inanspruchnahme nach dem Tod führen. Des
Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Todesdatum als abgeleitetes
Datenfeld aus dem Datum des Versicherungsendes mit dem Tod als Austrittsgrund aus
der Krankenkasse einer gewissen Unsicherheit unterliegt. Generell ist davon
auszugehen, dass der Austrittsgrund Tod sehr valide dokumentiert ist; eine
höhere Wahrscheinlichkeit von Fehleinträgen besteht bei
Mitversicherten [4]. Bei Horenkamp-Sonntag et
al. wird das Vorhandensein von Abrechnungsfällen/Leistungen nach dem
Tod generell als möglicher Hinweis auf Datenfehler beim Todesdatum genannt
[3]. Eine sehr weitgehende Konsequenz
dieser Überlegung wäre dann der Ausschluss aller Versicherten aus
der Analyse zur Inanspruchnahme vor dem Tod. Im Folgenden legen wir dar, dass es
nachvollziehbare Gründe für Abrechnungsfälle und Leistungen
nach dem Tod gibt, weshalb deren Vorhandensein nicht ausreichend begründet,
das Todesdatum anzuzweifeln.
Für alle Leistungsbereiche mit mehrstufigen Erfassungsvorgängen in
der Datenverarbeitung, wie bspw. die Übertragung ambulanter
vertragsärztlicher Leistungen durch die Kassenärztlichen
Vereinigungen (KVen) an die Krankenkassen, ist eine gewisse
Fehleranfälligkeit anzunehmen [3]. Bei
ambulanten Arzneimittel-VO können z. B. Datenverarbeitungsfehler
beim Einscannen und der digitalen Schrifterkennung der Arzneimittelrezepte auftreten
[3]. Die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt
auch mit der Änderung von Abrechnungsregeln [3].
Weiter existieren für ambulante Abrechnungen vielfach feste
Abrechnungsintervalle. So erfolgen z. B. vertragsärztliche
Abrechnungen zum Quartalsende, Abrechnungen für Heilmittel hingegen
monatlich [5]
[6]. Dies kann Auswirkungen auf
Zeitdifferenzen sowohl zwischen Tod und Inanspruchnahme als auch zwischen Tod und
Abrechnung haben: Für die Inanspruchnahme ist zu vermuten, dass
Leistungserbringer mit Erstellen der Abrechnung bis dahin nicht dokumentierte
Leistungen mit dem Abrechnungsdatum anstelle des ursprünglichen
Leistungsdatums dokumentieren. Leistungen mit einem Datum der Inanspruchnahme nach
dem Todesdatum können so zu einem Großteil im Monat bzw. Quartal des
Versterbens erfolgen. Dies bestätigt sich in einer zusätzlichen
Analyse: bei 80,8% der ambulanten GOP mit einem Leistungsdatum nach dem
Todesdatum erfolgte die Leistung innerhalb des Todesquartals des Versicherten (Daten
nicht dargestellt). Für ambulante Behandlungsfälle und GOP besteht
außerdem die Möglichkeit, aufgrund individueller
Abrechnungsbestimmungen der KVen, Behandlungsfälle aus vorangegangenen
Quartalen in begründeten Einzelfällen bis zum Ablauf einer
KV-spezifischen Frist nach Inanspruchnahme als sogenannte
„Nachzüglerfälle“ abzurechnen [5]
[7].
Ein weiterer Erklärungsansatz für eine Inanspruchnahme nach dem Tod
ist die Auslösung einer Leistung durch eine bevollmächtigte Person
des Versicherten (z. B. Angehöriger oder ambulanter Pflegedienst),
ggf. in Unkenntnis des zwischenzeitlich eingetretenen Todes des Versicherten.
Beispiele hierfür sind das Einlösen eines Arzneimittelrezeptes oder
die Quittierung des Empfangs von Hilfsmitteln. Bei Hilfsmittel-VO zeigte sich in
unseren Analysen ein hoher Anteil an Leistungen nach dem Tod. Eine denkbare
Erklärung ist die zeitliche Verzögerung bei der Rückgabe von
Hilfsmitteln nach dem Versterben eines Versicherten.
Für die Leistungsinanspruchnahme nach dem Tod bei Krankenhausfällen
und stationären OPS ist am ehesten von einer tatsächlich
fehlerhaften Dokumentation auszugehen. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass
die intensivere Kontrolle von Krankenhausabrechnungen zu der deutlich geringeren
Zahl an Abweichungen beiträgt.
Zeigen sich über mehrere Sektoren hinweg Leistungen mit einem Datum nach dem
Todesdatum, kann auch ein Fehler im Todesdatum die Ursache sein. So kann es
z. B. bei der Übermittlung des Todesdatums an die GKV zu Fehlern
kommen. Bei vereinzelt auftretenden Fällen extremer Abweichung, bspw. mit
einem Leistungsdatum mehr als 2 Jahre nach dem Todesdatum, ist auch eine wiederholte
Vergabe eines Versichertenpseudonyms innerhalb der Studienpopulation als
mögliche Erklärung in Betracht zu ziehen.
Diese Erklärungsansätze zeigen, dass Abrechnungen bzw. Leistungen
nach dem Tod einerseits auf erlaubte und nachvollziehbare Dokumentations- und
Abrechnungsmodalitäten zurückgeführt werden können,
andererseits aber auch Folgen von Dokumentations- bzw. Datenverarbeitungsfehlern
sein können. Korrekturdatenlieferungen sind bei inhaltlichen Fehlern in den
Abrechnungsdaten im Datenaustausch zwischen den KVen und den Krankenkassen nicht
zwingend vorgesehen [3]. Bei der Arbeit mit
vorstrukturierten Daten eines WDWH ist außerdem zu beachten, dass hier ggf.
nur einmalige Datenabzüge aus dem produktiven Datawarehouse erfolgen.
Später stattfindende Datenkorrekturen wirken sich nicht auf die Inhalte des
WDWH aus.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Erklärungen für
Leistungen und Abrechnungen nach dem Tod nur ansatzweise erfolgen konnten. Hier
sehen wir weiteren Forschungsbedarf: Dieser betrifft einerseits die Deskription der
Auftrittshäufigkeit in unterschiedlichen Datenquellen und auch in
unterschiedlichen Jahren. Andererseits könnte mittels qualitativer Studien
ein besseres Verständnis der Entstehungs- und Verarbeitungsprozesse von
GKV-Routinedaten erreicht werden. Eine geeignete Methode wäre die
Durchführung von Interviews mit Vertretern aus den einzelnen Schritten der
Datenverarbeitung von der Kodierung in der Versorgungseinrichtung, über die
Abrechnungsverarbeitung bei den KVen und Krankenkassen, bei den in die
Datenverarbeitung einbezogenen Dienstleistern bis hin zu den Rechenzentren bzw.
Datawarehouses, über die die Daten für Forschungszwecke zur
Verfügung gestellt werden. Auf diesem Weg können die zu den
gezeigten Abweichungen führenden Umstände nachvollziehbar gemacht
und angemessenere Lösungsansätze entwickelt werden. Auch lassen sich
aus so gewonnenen Informationen dann möglicherweise exaktere
Validierungsstrategien für das Todesdatum in den GKV-Daten ableiten.
Für alle Routinedatenauswertungen zur Leistungsinanspruchnahme
können die beobachteten Abweichungen von Leistungs- und Abrechnungsdatum
nicht ignoriert werden, da diese zur Über- oder Unterschätzung
der Leistungsinanspruchnahme oder auch zu Fehlinterpretationen hinsichtlich
Beginn, Dauer und Ende von Versorgung führen können.
Entscheidend ist, dass die gewählte Strategie im Umgang mit diesen
Abweichungen im Einklang mit den Forschungszielen steht. Dabei sind aus unserer
Sicht 2 Fragen hilfreich: „Wie schwerwiegend sind die auftretenden
Probleme mit Blick auf die Forschungsfragen?“ und „Was sind die
Auswirkungen der verschiedenen Lösungsansätze?“ Werden
z. B. Gruppen von Versicherten verglichen, die von den Abweichungen
gleichermaßen betroffen sind, dürfte die Auswirkung auf das
Ergebnis eher geringfügig sein. Dies gilt ggf. auch, wenn
jährliche Inanspruchnahme-Kennzahlen ermittelt werden sollen und die
Abweichungen am Anfang und Ende des Beobachtungsjahres gleichermaßen
wirken. Geht es jedoch um die Analyse der Inanspruchnahme bis zum Tod (bzw.
einem alternativen datumsbezogenen Ereignis), kann das Ergebnis derart
verfälscht sein, dass inhaltliche Fehlinterpretationen resultieren
können. Auch bei Projekten, die eine Zeitreihenerfassung vorsehen,
sollten diese Abweichungen für die Festlegung der (frühesten und
spätesten) Datenlieferzeitpunkte berücksichtigt werden.
Ein pragmatischer Umgang mit Leistungen, deren Leistungs- bzw. Abrechnungsdatum
nach dem Tod liegen, besteht darin, diese als erlaubt zu betrachten und somit
konsequent zu berücksichtigen. Bei projektbezogenen Datenlieferungen
kann eine entsprechende Spezifikation in der Datenanforderung erfolgen, wobei
der zeitliche Verzug zwischen Leistungs- und Abrechnungsdatum explizit
berücksichtigt werden muss. Dabei kann bei länger
zurückliegenden Daten die Vollständigkeit eher erreicht werden
als bei sehr aktuellen Daten. Wurde eine entsprechend ausgedehnte Datenlieferung
versäumt, ist eine erneute, korrigierte Datenanforderung anzustreben.
Bei bereits vorstrukturierten Daten (z. B. WDWH) kann eine Erweiterung
der einzuschließenden Zeiträume, um mindestens 1, besser 2
Quartale nach Ende des Betrachtungszeitraums helfen, die aufgezeigten zeitlichen
Differenzen bei der Abrechnung von Leistungen zu berücksichtigen. In
jedem Fall sollten die beschriebenen Abweichungen aber im Zuge der
Plausibilitätsprüfung nach der Datenlieferung abgeklärt
werden. Das entspricht auch den gängigen Empfehlungen zur
Sekundärdatenanalyse [2]
[8]. Eine differenziertere aber
aufwändigere Art, mit den Datumsabweichungen umzugehen, besteht darin,
nicht plausible Datensätze bzw. Versicherte auszuschließen. In
jedem Fall ist bei der Veröffentlichung bzw. Darstellung der Ergebnisse
darauf zu achten, dass im Sinne der Standardisierten Berichtsroutine für
Sekundärdaten Analysen (STROSA) der Umgang mit den Daten (beispielsweise
das Zulassen von Leistungen nach dem Tod) zu berichten ist [9].