Allgemeine Homöopathische Zeitung 2020; 265(02): 3
DOI: 10.1055/a-1103-0711
Editorial

Homöopathie und Wissenschaft – wer fürchtet wen?

Forschung in der Homöopathie findet auf vielen verschiedenen Ebenen statt: Zur Wirkung und Wirkungsweise der Homöopathie mittels Grundlagenforschung und placebokontrollierten klinischen Studien. Letztere werden dann in Metaanalysen zusammengefasst und bewertet. Darüber hinaus findet auch Versorgungsforschung statt, die zunehmend wichtiger wird, da sie besser auf den medizinischen Alltag zu übertragen ist. Forschung zur Homöopathie wird immer wieder kritisch und auch leider unqualifiziert betrachtet und diskutiert. Dieses beruht besonders auf unvollständigem Wissen und selektiver Wahrnehmung, aber vielleicht auch auf Angst der Kollegen und Wissenschaftler vor einem Paradigmenwandel in der Medizin. Offenbahrt die Homöopathieforschung in schwer ertragbarer Weise, dass einige Phänomene nicht gut mit unserem aktuellen Wissenschaftsverständnis zu vereinbaren sind?

Der Artikel von Diana Steinmann zeigt, dass die Homöopathie die Forschung nicht scheut, sondern trotz sehr begrenzter Mittel eine breite Vielfalt an Studien nachweisen kann. Dabei werden neben dem aktuellen Stand auch die verschiedenen Formen der Studien, ihre Wertigkeit und Aussage betrachtet. Somit sind wir nach dem Lesen gut gerüstet, Diskussionen zu diesem oft kontroversen Thema fundiert zu bestreiten. Die unter den medizinischen Fachkollegen herrschende Unwissenheit zu diesem Thema hat zurzeit direkte Auswirkungen auf die Zusatzbezeichnung Homöopathie, die in einigen Bundesländern bereits aus der Weiterbildungsordnung gestrichen wurde. Vielleicht gelingt es sogar mit diesem sehr übersichtlichen Artikel, fachfremde Kollegen besser über die aktuelle Studienlage zu informieren, sodass Entscheidungen zur Weiterbildung in der Homöopathie qualifizierter getroffen werden. Informieren Sie sich und tragen Sie Ihr Wissen weiter, bleiben Sie mit den Kollegen aller Fachdisziplinen in Kontakt. Durch persönliche Kontakte und Austausch lassen sich oft Akzeptanz und Toleranz erreichen. Wichtig für uns und unsere Patienten ist es, Therapiefreiheit und ein breites medizinischen Spektrum zu erhalten.

Forschung in der Homöopathie bedeutet aber auch Forschung zu unseren homöopathischen Säulen, wie die Arzneimittelprüfung. Durch hohe Auflagen an Medikamentenstudien, die heute auch die Arzneimittelprüfungen betreffen, werden zunehmend Verreibestudien zur Erweiterung unserer Werkzeuge, wie den Arzneimittelsymptomen, genutzt, da diese leichter durchzuführen sind. Rocco Kirch versucht in seiner Studie, der Wertigkeit und Reproduzierbarkeit dieser Prüfungen näherzukommen und diese kritisch zu hinterfragen.

Einen ebenso wichtigen Beitrag zur Zuverlässigkeit unserer Arzneimittelsymptome können Verifikationen leisten. Bereits in Heft 6 / 2019 der AHZ erschien ein wichtiger Impulsartikel dazu von Christian Lucae. Dieses Thema aufnehmend können sie hier im Heft eine Verifikation von Daniela Albrecht zu Symptomen von Rhus venenata lesen. Vielleicht hatten Sie in Ihrer Praxis auch einen erfolgreichen Fall mit einer der kleineren Arzneien und würden ihn hier veröffentlichen. Dann scheuen Sie sich nicht, diesen einzusenden. Wir unterstützen Sie gerne dabei.

Ein weiterer sehr interessanter Ansatz wird von Sandra Schmitt, Wilhelm Mosgöller und Christian Endler mit ihrer Studie zur Anamnese verfolgt. Wie die oft schwierige Fallaufnahme von Säuglingen durch eine bereits zuvor bei der Mutter erfolgte pränatale Anamnese zu verbessern sein könnte, wurde in einem umfassenden Studiendesign untersucht. Damit könnten unsere anamnestischen Möglichkeiten erweitert werden.

Abschließend finden Sie einen vielschichtigen Erfahrungsbericht von Ina Chammah, der das Thema des letzten Heftes nochmals aufgreift: den Darm und die Psyche. Die immer weiter anwachsenden Probleme der Psychomatosen und somatoformen Darmstörungen und ihre langwierigen und schwierigen Behandlungen werden anhand von Praxisfällen vorgestellt, der Schwerpunkt dabei auf die Unterstützung durch Symbioselenkung gelegt. Ein interessanter Aspekt, der unsere therapeutischen Möglichkeiten erweitert und uns etwas über den Tellerrand blicken lässt.

Sollten Sie für Ihren Arbeitskreis noch nach einer gemeinsamen Lektüre suchen, dann nutzen Sie doch das vorliegende und auch die zurückliegenden AHZ-Hefte. Gemeinsames Lesen und Diskutieren macht mehr Spaß und vertieft das Wissen noch nachhaltiger. Nach kurzweiliger und hoffentlich interessanter Lektüre des Heftes freue ich mich, wenn Sie an unserem aktuellen Diplompunktetest teilnehmen.

Daniela Albrecht



Publication History

Article published online:
20 March 2020

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Stuttgart · New York