Husten ist ein wichtiger Schutz- und Reinigungsmechanismus der Atemwege [1]. Klinisch wird der Husten nach seiner Dauer klassifiziert: akut (< 2 Wochen), subakut (2 – 8 Wochen) und chronisch (> 8 Wochen) [1]. Überdies wird unterschieden zwischen produktivem und nicht produktivem (trockenem Reiz-) Husten [1]. Chevalier Jackson bezeichnete Husten als „Wachhund“ der Lunge. Daher ist chronischer Husten unbedingt abklärungs- und behandlungswürdig.
In der Atemphysiotherapie differenziert man zudem zwischen produktiv-effektivem Husten (= schnelle Sekretelimination bei geringer Hustenarbeit) und produktiv-ineffektivem Husten (= verzögerte und/oder unvollständige Sekretelimination bei hoher Hustenarbeit).
Dieser Artikel soll einen Einblick in das atemphysiotherapeutische Konzept zur Behandlung von chronischem Husten geben. Dieser kann als gemeinsames Symptom nahezu aller Atemwegserkrankungen und Störungen des Larynx auftreten – z. B. Bronchiektasie, COPD, Asthma, eosinophile Bronchitis, Lungenfibrose, upper airway cough syndrom (UACS), gastro-ösophagealer Reflux (GÖR) und Vocal Cord Dysfunction (VCD). Aber trotz intensiver Abklärung kann in ca. 20 % keine eindeutige Ursache gefunden werden, sodass dann von chronischem idiopathischem Husten (CIC) und chronisch refraktärem Husten (CRC) gesprochen wird. [1].
Chronischer Husten ist nicht etwa ein dauerhaftes Banalsymptom, sondern stellt eine ernst zu nehmende Erkrankung dar. Das gilt sowohl für nicht produktiven Reizhusten [1] als auch für produktiv-ineffektiven Husten mit langandauernden Hustenattacken. Persistiert Husten über längere Zeit, kann dies mit einer hohen kardiovaskulären und muskulo-skelettalen Belastung einhergehen ([Abb. 1], [Tab. 1]).
Abb. 1 Kardiovaskuläre Belastung in den Hustenphasen. Während der Kompressions- und Expulsionsphase wird die Blutzufuhr zum rechten Vorhof durch Pleura-Druckanstieg gedrosselt (Vorlastsenkung). Gleichzeitig steigt der Druck auf die Klappen der Vena jugularis interna (VJI). In der darauffolgenden Inspirations- und Holdphase überfüllt der venöse Rückstau in Kombination mit dem subatmosphärischen Pleura-Druck die hochelastischen Hohlvenen. Dies kann insbesondere Patienten mit pulmonaler Hypertonie und Cor pulmonale belasten [2].
Tab. 1
Mögliche Folgen von chronischem Husten in der Kompressions-/Expulsionsphase.
Kardiovaskulär
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Muskuloskelettal
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Lunge
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Kompressionsphase zentrale Blutdruckspitzen
erhöhte Herzbelastung
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Kompressionsphase
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Muskelfaserrisse
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Knorpelläsionen
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Rippenfrakturen
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Hernien
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Narbenhernien
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Stressinkontinenz
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Kompressionsphase
Expulsionsphase
Mechanische Atemwegskompression
Mögliche Folgen:
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Eine Studie der FU Berlin konnte bei Patienten mit chronischem Husten eine Klappeninkompetenz der Vena jugularis interna (VJI) nachweisen. Physiologisch verhindern diese Venenklappen bei intrathorakalem Druckanstieg einen intrakranialen venösen Rückstrom des Blutes mit Erhöhung des intrakranialen Druckes [3]. Klappeninkompetenz der VJI birgt beim Husten Gefahr von zentralen Blutdruckspitzen. Diese können zu Schwindel, Kopfschmerzen, subkonjunktivalen Blutungen und in seltenen Fällen sogar zum Apoplex führen ([Tab. 1]).
Neben diesen rein physischen Beeinträchtigungen kann chronischer Husten auch die Lebensqualität erheblich mindern [4]. Betroffene ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück und meiden Konzerte und andere öffentliche Veranstaltungen. Der Verlust nächtlicher Schlafqualität kann tagsüber zu starker Müdigkeit führen und langfristig negative psychische Veränderungen bewirken. Stressinkontinez bei Betroffenen kann ein weiteres unangenehmes Begleitsymptom bei chronischem Husten sein. Somit kommt zu der ohnehin beeinträchtigenden Hustensymptomatik noch eine weitere, oft beschämend erlebte Komponente hinzu. Bei Sprechberufen kann chronischer Husten zur Arbeitsunfähigkeit führen.
Das physiotherapeutische Ziel ist eine Minderung der Hustenlast. Die daraus resultierenden kardiovaskulären und muskuloskelettalen Belastungen sollen reduziert werden. Idealerweise bedeutet dies auch eine positive Einflussnahme auf die Lebensqualität.
In der atemphysiotherapeutischen Behandlung werden daher zur Hustenkontrolle Techniken zur Selbsthilfe geschult, die sich am vorliegenden funktionellen Problem orientieren (Definition: Pathophysiologische Störung, die zur Einschränkung einer Organfunktion führt). Funktionelle Probleme, die produktiv-ineffektivem Husten zugrunde liegen können, sind z. B. tracheo-bronchiale Instabilität (excessive dynamic airway collapse EDAC), bronchiale/laryngeale Hyperreagibilität, Insuffizienz des Bauchmuskelkorsetts, unvollständiger Glottisschluss oder mangelnde Inspirationsfähigkeit.
Physiotherapeutische Befundaufnahme und Erstellung eines Interventionsplans
Physiotherapeutische Befundaufnahme und Erstellung eines Interventionsplans
Zu Beginn der Behandlung wird eine Hustenanamnese erhoben ([Tab. 2]) und werden mithilfe von Inspektion und funktionellen Tests die zugrunde liegenden funktionellen Probleme ermittelt. Im Idealfall geschieht dies unter Einbeziehung ärztlicher diagnostischer Informationen. Auf Basis der Untersuchungsergebnisse wird gemeinsam mit dem Patienten ein Interventionsplan erstellt und die angestrebten Techniken werden mit ihrem angenommenen Wirkungsmechanismus erklärt.
Tab. 2
Fragen zur Hustenanamnese.
Die Hustenanamnese erfragt bspw.:
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Was kann Atemphysiotherapie für Patienten mit chronischem Husten leisten?
Was kann Atemphysiotherapie für Patienten mit chronischem Husten leisten?
Anhand des Hustenreflex-Schemas zur Patienteninformation nach D. Pfeiffer-Kascha ([Abb. 2]) werden die atemphysiotherapeutischen Interventionen zur Selbsthilfe veranschaulicht. Diese umfassen Hustenreizvermeidung, Hustenreizunterdrückung und Minderung der mechanischen Hustenbelastung.
Abb. 2 Schema zur Patienteninformation nach Dorothea Pfeiffer-Kascha.
Obwohl die Atemphysiotherapie zwischenzeitlich in nationalen Leitlinien erwähnt wird, ist ihre Evidenzlage nach wie vor sehr gering.
Die hier vorgestellten atemphysiotherapeutischen Techniken zur Vermeidung und Kontrolle von chronischem Husten basieren auf langjährigen klinischen Erfahrungen – diese werden nun Schritt für Schritt erklärt.
Schritt 1
Hustenreizvermeidung an 3 Beispielen
Betroffene sollen ein Verständnis entwickeln für die funktionellen Probleme, die ihrem Husten zugrunde liegen. Mithilfe der Hustenanalyse sollen sie die für sie typischen Auslösemechanismen erkennen und lernen diese zu vermeiden.
Beispiel a) Tracheobronchiale Instabilität − Funktionelles Problem: z. B. Elastizitätsverlust der Pars membranacea
Bei tracheobronchialer Instabilität kann Hustenreiz bereits durch eine forcierte Exspiration, auch Lachen ausgelöst werden ([Abb. 3]). Bei der Inspektion zeigen sich Vorwölbungen der Supraklavikulargruben, die sich beim funktionellen Press- bzw. Hustentest verstärken.
Abb. 3 Elastizitätsverlust der Pars membranacea.
Reizminderung auf Hustenrezeptoren mittels Stabilisierung des Tracheobronchiallumens durch Erhaltung des intrabronchialen Drucks über den intrathorakalen Druck (pneumatische Schienung).
Betroffene lernen mithilfe einer PEP-Atmung (Positive Expiratory Pressure), einem Kollaps in den Atemwegen vorzubeugen. Durch ausreichend hohen PEP werden die Atemwege pneumatisch geschient. So kann der intrabronchiale Druck gegenüber dem steigenden intrathorakalen Druck erhalten werden. Die dosierte Lippenbremse ([Abb. 4]) als gängigste PEP-Atmung erreicht nur einen relativ geringen PEP.
Abb. 4 Dosierte Lippenbremse − PEP ca. 5 cmH2O.
Dieser kann bei Bedarf z. B. durch ein angepasstes Strohhalmstück ([Abb. 5]) erhöht werden.
Abb. 5 Strohhalmstücke – PEP 5-55 cm H2O (je nach Durchmesser, Länge und Knick). Messung Prof. U. H. Cegla bei einem Fluss von 0,75 l/s
Um bei Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) eine forcierte Exspiration zu vermeiden, werden Bewegungsmuster analysiert und ggf. angepasst. Dies kann geschehen durch Tempoanpassungen z. B. beim Gehen und Treppensteigen ([Abb. 6]). Dabei sollte man Patienten den Vorteil von individuell abgestimmten Belastungsintervallen mit vorgeplanten Pausen erklären und den Erfolg spüren lassen.
Abb. 6 Treppensteigen inkl. PEP-Atmung.
Auch Sprechdisziplin ist ein wichtiger Faktor, der häufig eingeübt werden muss, z. B. ausreichend viele Atem- und Sprechpausen einzuplanen und Sprechkarenz bei körperlicher Belastung einzuhalten.
Beispiel b) Bronchiale Hyperreagibilität, z. B. Husten als Asthma-Äquivalent – Funktionelles Problem: erniedrigte Reizschwelle der Hustenrezeptoren
Ursachen können Entzündungen/Reizungen und Schädigungen der Bronchialschleimhaut sein, aber auch kontinuierliche Austrocknung und Auskühlung des respiratorischen Flimmerepithels durch überwiegende Mundatmung und häufige, hastige Sprechweise. Die Beeinträchtigung ist i. d. R. deutlich gravierender, wenn zusätzlich ein Atemmuster mit überwiegend thorakalen Atemexkursionen und erhöhter Atemfrequenz (> 18/min) zu beobachten ist.
Anheben der Hustenrezeptorenreizschwelle durch Reizminderung und Regeneration des respiratorischen Flimmerepithels.
Die Stabilisierung des Temperatur- und Feuchtigkeitsmilieus der Bronchialschleimhaut wird physiologischen durch die optimale Klimatisierungs- und Reinigungsfunktion der oberen Atemwege gewährleistet.
Therapieschwerpunkte:
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Umstellung des Atemmusters von Mund- auf Nasenatmung
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Umstellung von thorakalen auf ruhige, diaphragmale Atemexkursionen
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Beruhigung der Atemfrequenz mit physiologischen Atempausen
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Techniken zur Anfeuchtung der Nasen- und Bronchialschleimhaut
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Techniken zum Abschwellen und zur Pflege der Nasenschleimhaut
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Verhaltensänderungen beim Sprechen und beim Sport und in kalter Luft ([Abb. 7])
Abb. 7 Minderung von Kältereizen durch Erwärmung der Einatmungsluft.
Beispiel c) Laryngiale Hyperreagibilität, z. B. VCD (vocal cord dysfunction) – funktionelle intermittierende Atemstörungen, die durch meist inspiratorische, paradoxe, massive Atemnot induzierende Schlussbewegungen der Stimmbänder hervorgerufen wird [5].
Funktionelles Problem: Diskutiert wird eine Art „laryngeale Hyperreagibilität“, die mit Husten einhergehen oder auch durch Husten getriggert werden kann.
Kontrolle einer adäquaten atemsynchronen Stimmlippenbewegung über Selbstmanagement
Nach Aufklärung zu Auslösemechanismen und ihrer Beeinflussbarkeit durch Selbstmanagement-Techniken inkl. Hustenvermeidungsstrategien kommen folgende Techniken zum Öffnen der Stimmlippen zum Einsatz, z. B.:
Abb. 8 Technik: gähnende Einatmung mit geschlossenem Unterkiefer und Mund zur Weitstellung des Pharynx durch Absenken des Mundbodens.
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PEP-Atmung, z. B. Lippenbremse, BA-Tube
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Hecheln zur Unterbrechung des Glottisschlusses durch extrem hohe AF und kleinen AZV
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Retraining des physiologischen Atemmusters mit Umstellung auf Nasenatmung sowie aktiven und passiven Entspannungstechniken zur mentalen Beruhigung und Detonisierung der Atemhilfsmuskulatur.
Schritt 2
Hustenreizunterdrückung: Bei Stimulation der Hustenrezeptoren sollte der bewusst wahrgenommene Hustenreiz möglichst frühzeitig unterdrückt werden. Die Techniken zur Hustenreizunterdrückung verlangen Übung und Selbstdisziplin. Auch wenn nur ein Teil der Hustenattacken erfolgreich beherrscht werden kann, bedeutet dies für die Betroffenen eine Minderung kardiovaskulärer und muskuloskelettaler Belastungen und vermittelt gleichzeitig das Gefühl einer zunehmenden Kontrolle über die Situation.
Unspezifische Maßnahmen wie Lutschen von Pastillen, heiße Getränke und Speichel-Schlucken können den Hustenreiz durch Umhüllung der Hustenrezeptoren, Erwärmung der Trachea und Befeuchtung des Pharynx mindern. Darüber hinaus ist das Ziel spezifischer atemphysiotherapeutischer Techniken, über in- und exspiratorische Druck- und Flussveränderungen den Reiz auf die bronchialen Hustenrezeptoren zu senken. Durch ruhiges Ein- und Ausatmen kleiner Atemzugvolumina (AZV) gegen eine Stenose an Mund (Fausttunnel; [Abb. 9]) oder Nase (Nasengabelgriff; [Abb. 10]) sollen Druck- und Flussveränderungen erzeugt werden. Diese Techniken werden mit mehrmaligem Speichelschlucken kombiniert.
Abb. 9 Patienten werden angeleitet, durch die bündig um den Mund geschlossene Faust kleine AZV ein- und auszuatmen. Dabei soll beim Einatmen ein Unterdruck und beim Ausatmen ein Überdruck an den Wangen deutlich sichtbar sein.
Abb. 10 Patienten werden angeleitet, durch den eingeengten Nasenvorhof langsam kleine AZV ein- und auszuatmen. Auch hierbei soll der in- und exspiratorische Druckwechsel im Nasenvorhof spürbar sein.
Schritt 3
Minderung der mechanischen Hustenbelastung: Kommt es trotz aller Bemühungen zum Hustenanfall, werden Techniken zur Dämpfung mechanischer Hustenbelastungen eingesetzt.
Bei tracheobronchialer Instabilität wird zur Stabilisierung der zentralen Atemwege gegen einen Widerstand gehustet. Dieser sog. PEP-Husten wird mithilfe des Fausttunnels geübt. Das Blähen der Wangen beim Husten dient als Kontrollzeichen für einen ausreichend hohen PEP. PEP-Husten kann auch gegen den Widerstand eines Taschentuches oder des Ellenbogens etc. durchgeführt werden ([Abb. 11]).
Abb. 11 Husten gegen Widerstand – die Wangen müssen sich aufblähen. Husten gegen den Fausttunnel eignet sich zur Einweisung in die Technik des PEP-Hustens.
Zur Minderung kardiovaskulärer Belastungen ist bei Hustenattacken auf vertikale Körperposition zu achten. Schonende Techniken zur Sekretelimination sind Huffing und Räuspern ([Abb. 12]).
Abb. 12 Doppel- oder Mehrfachhuffing: Nach geringer Einatmung mit bewusst offener Glottis 2 – 3 kurze Ausatemstöße: „ho-ho-ho-hoff“. PEP-Huffing: Bei tracheobronchialer Instabilität endet man auf dem sog. PEP-Konsonanten „ff“.
Huffing ermöglicht eine exspiratorische Flussbeschleunigung ohne belastende Kompressionsphase. Doppel- oder Mehrfach-Huffing bietet durch kurze, kraftvolle Hintereinanderschaltung zusätzliche Effektivität bei Sekretelimination.
Um muskuloskelettale Belastungen zu reduzieren, sollten Patienten vor der Kompressionsphase Körperpositionen mit aufgerichteter Wirbelsäule und stabilem Fuß-Bodenkontakt einnehmen und sich ggf. mit den Armen abstützen ([Abb. 13]).
Abb. 13 Patienten sollen angeleitet werden, die Wirbelsäule beim Husten aufzurichten – „nach oben husten“ (a) oder bei Hustensalven den Oberkörper abzustützen (b).
Aus dieser optimalen Funktionsstellung kann die Bauchmuskulatur auch bei Hustensalven effektiv arbeiten. Diese leichte Muskel-Vordehnung gewährleistet einen optimalen Wirkungsgrad des Hustendrucks in der Expulsionsphase. Gleichzeitig mindert sie die Gefahr einer zu hohen Muskelquerschnitt-Beteiligung bei der reflexartigen, massiven Ko-kontraktion der sog. „Hustenmuskulatur“. Eine aktiv insuffiziente Funktionsstellung der Bauchmuskulatur kann muskuloskelettale Verletzungen begünstigen ([Abb. 14]).
Abb. 14 Eine aktiv-insuffiziente Funktionsstellung der Bauchmuskulatur kann muskuloskelettale Verletzungen begünstigen.
Die Physiotherapie ist wohl eine der ältesten Formen der personalisierten Patientenbehandlungen. Dennoch ist die wissenschaftliche Evidenz hierfür leider sehr gering. Somit stellen die hier vorgestellten Aspekte v. a. auf langjähriger, klinischer Erfahrung beruhende Therapieansätze dar.
Die angewendeten Techniken müssen immer individuell auf die vorliegende pathophysiologische Störung abgestimmt sein, der Interventionserfolg muss überprüft und die Technik ggf. angepasst werden. Die hier vorgestellten Beispiele zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der atemphysiotherapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung von chronischem Husten [6].