Pneumologie 2020; 74(04): 196-197
DOI: 10.1055/a-1123-2300
Pneumo-Fokus

Resistente Tuberkulose: kurze oder lange Behandlung?

Abidi S. et al.
Standardised shorter regimens versus individualised longer regimens for multidrug-resistant TB.

Eur Respir J 2019;
 

    Jedes Jahr erkranken weltweit fast 600 000 Menschen an einer Rifampicin- oder Multidrug-resistenten Tuberkulose (RR/MDR-Tuberkulose). Die WHO-Leitlinien von 2016 beinhalten 2 Therapieoptionen: ein standardisiertes 9 – 12-monatiges Protokoll für Patienten mit wahrscheinlicher Empfindlichkeit für Fluorchinolone sowie eine individuelle Therapie über ≥ 20 Monate. Für den Erfolg der kurzen Behandlung war die Resistenzlage gegen Einzelkomponenten entscheidend.


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    Für die Metaanalyse standen internationale Daten aus 48 Studien zur Verfügung. 81 % hatten eine hohe, 17 % eine mäßige und 2 % eine geringe methodische Qualität. 3378 Patienten erhielten die kurze und 13 104 Patienten die lange Behandlung. In die Hauptanalyse flossen Daten von 2625 und 2717 Erkrankten ein. Eine RR/MDR-Tuberkulose war in Kultur oder molekulardiagnostisch belegt. Die unterschiedlichen Medikamentenprotokolle orientierten sich an den WHO-Empfehlungen von 2016 und 2018. Die Autoren verglichen die Abbruchraten, Therapieversagen/Rezidive und die Mortalität. Bei der multivariaten Analyse wurden Alter, Geschlecht, HIV-Status, eine Vorbehandlung mit Erstlinienmedikamenten und die Erkrankungsschwere berücksichtigt. Eine extensive Tuberkulose lag bei positivem Sputum, bilateralen Lungenbefunden und Kavernen vor.

    HIV-positive Patienten und Erkrankte mit Kavernen erhielten häufiger das lange Protokoll. Die kurze Strategie fand sich öfter, wenn der Sputumabstrich positiv war, bei bilateralen Erkrankungen und einer Vorbehandlung. Verglichen mit ökonomisch reichen Ländern erfolgten die kürzeren Therapien sehr viel häufiger in einkommensschwächeren Weltregionen (98,4 % vs. 16,6 %). Die Prävalenzen für Resistenzen gegen Pyrazinamid, Prothionamid/Ethionamid und Ethambutol unterschieden sich in den Gruppen nicht.

    Die gepoolte Analyse ergab für das kurze und lange Behandlungsprotokoll Unterschiede:

    • Therapieansprechen 80 % vs. 75,3 %,

    • Abbruchrate 4,2 % vs. 14,6 %,

    • Therapieversagen/Rezidiv 3,6 % vs. 2,7 %,

    • Tod 7,6 % vs. 4,6 %.

    Die multivariate Analyse bestätigte die höhere Compliance, den Einfluss der Therapiedauer auf die Mortalität in den ersten 12 Monaten jedoch nicht. Die höhere Wahrscheinlichkeit für Therapieversagen/Rezidiv bei der kurzen Therapie war insgesamt grenzwertig signifikant, bestätigte sich aber bei Resistenzen gegen spezifische Medikamente mit unterschiedlichen Risikodifferenzen:

    • Pyrazinamid RD 0,12 (95 %-KI 0,07 – 0,16),

    • Prothionamid/Ethionamid RD 0,07 (95 %-KI 0,01 – 0,16) und

    • Ethambutol RD 0,09 (95 %-KI 0,04 – 0,13).

    Eine Subanalyse schloss Patienten ein, die nach den 2018 geänderten WHO-Leitlinien in den kürzeren Protokollen Moxifloxacin oder Levofloxacin bekamen. Verglichen mit der langen Behandlung bestand eine höhere Sterblichkeit (OR 2,5). Das Konfidenzintervall schloss allerdings den Nullwert ein (95 %-KI – 0,01 – 0,22).

    Fazit

    Das kürzere, standardisierte Protokoll wurde bei Fluorchinolon-empfindlichen Patienten häufiger konsequent durchgeführt. Bei einer Unempfindlichkeit gegen die Begleitsubstanzen waren eine Ineffektivität und Rezidive allerdings häufiger. Die Autoren weisen darauf hin, dass auch innerhalb der Forschergruppe die Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit der phänotypischen Resistenzprüfung diskutiert wurde. Der Zugang zu sicheren Suszeptibilitätstests müsse verstärkt werden.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    09. April 2020

    © Georg Thieme Verlag KG
    Stuttgart · New York