Schlüsselwörter
Mammakarzinom - metastasiert - Chemotherapie - Taxane
Einführung
Seit Mitte der 1990er-Jahre stehen Substanzen aus der Wirkstoffklasse der Taxane für die Behandlung des Mammakarzinoms zur Verfügung. Ihre breite klinische Entwicklung und insbesondere ihre hohe Wirksamkeit führten dazu, dass sich Taxane neben den Anthrazyklinen als wichtigste Zytostatikagruppe in der Therapie des Mammakarzinoms etabliert haben und in allen Therapielinien (kurativ wie palliativ) für den Fall, dass eine Indikation zur Chemotherapie besteht, fest etabliert sind [1], [2]. Eine Konsequenz hieraus besteht darin, dass im Falle eines Erkrankungsrezidivs nur im seltenen Fall eine taxannaive Erkrankung vorliegt. Es ist jedoch an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass Taxane sowohl nach vorangegangener Taxantherapie im Sinne einer Re-Challenge als auch bei taxannaiven Patientinnen eingesetzt werden können. Wenn die Entscheidung für den Einsatz eines Taxans gefallen ist, stellt sich die Frage, welches der 3 zugelassenen Taxane – Paclitaxel, Docetaxel oder nab-(nanopartikel-Albumin-gebundenes-)Paclitaxel – in welcher Therapiesituation zu bevorzugen ist.
Gegenstand der vorliegenden Publikation ist die Diskussion, in welchen Szenarien Taxane auch in der metastasierten Situation eingesetzt werden sollten bzw. können und welches Taxan in welcher Situation zu empfehlen ist. Hierzu wurden Studiendaten und Publikationen zu den 3 Substanzen zusammengestellt, auf deren Basis im weiteren Sinne ein Algorithmus präsentiert werden kann, der bei der Therapieentscheidung hilfreich sein könnte.
Allgemeine Prinzipien zur Chemotherapie des metastasierten Mammakarzinoms
Allgemeine Prinzipien zur Chemotherapie des metastasierten Mammakarzinoms
Die Indikation zur Durchführung einer palliativen Chemotherapie kann in folgenden Situationen gesehen werden:
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Bei Patientinnen mit metastasiertem hormonrezeptor-(HR-)positivem Mammakarzinom, welche ungeeignet für eine endokrine Intervention erachtet werden aufgrund von (wiederholter) Resistenz gegenüber endokriner Therapie oder einer raschen (und daher potenziell lebensbedrohlichen) Erkrankungsprogression mit einer hohen Notwendigkeit zum Erreichen einer Erkrankungsremission,
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bei Patientinnen mit metastasiertem triple-negativem Mammakarzinom (TNBC), welche aufgrund des Fehlens prädiktiver Faktoren für eine HER2-zielgerichtete oder endokrine Therapie mit einer Chemotherapie therapiert werden können und
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bei Patientinnen mit metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom, welche eine zielgerichtete Therapie erhalten sollen, bei der die Chemotherapie Teil des (zugelassenen) Therapieregimes ist.
Grundsätzlich muss dabei bedacht werden, dass sich der Hormonrezeptorstatus im Laufe der Erkrankung ändern kann [1]. Vor diesem Hintergrund kann eine Überprüfung des Rezeptorstatus (insbesondere bei ungewöhnlichem klinischem Verlauf) notwendig werden. Änderungen der Tumorbiologie des Primärtumors (die sowohl durch tatsächliche Änderungen des Rezeptorstatus als auch durch klonale Selektion oder analytisch bedingt sein können) sind in bis zu 30% der Fälle beschrieben.
Bei Patientinnen mit HR-negativen bzw. endokrin nicht empfindlichen und HER2-negativen Mammakarzinomen, bei denen eine Indikation zur Chemotherapie gestellt wird, andererseits jedoch ein niedriger Remissionsdruck vorliegt, ist die Monotherapie über alle Therapielinien hinweg die Behandlung der ersten Wahl [1]. Zur Anwendung kann dabei eine Reihe von Substanzen kommen:
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Taxane (Paclitaxel/Docetaxel/nab-Paclitaxel)
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Anthrazykline (Epirubicin/Doxorubicin/[PEG-]liposomales Doxorubicin, Mitoxantron)
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Platin (Carboplatin/Cisplatin)
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Vinorelbin
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Capecitabin
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Eribulin
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Gemcitabin
Bei hohem Remissionsdruck kann es sinnvoll sein, eine Polychemotherapie (Poly-CTX) einzusetzen. In einer kontrovers zu sehenden Cochrane-Analyse [2] wird einer Polychemotherapie zwar ein signifikanter Vorteil für Gesamtansprechrate (ORR), Zeit bis zum Progress (TTP) und Überleben attestiert, dieser Vorteil ist allerdings mit einer zum Teil erheblich gesteigerten Toxizität erkauft. Es ist außerdem wichtig anzuerkennen, dass erstens der Einsatz einer Polychemotherapie keinesfalls systematisch untersucht und damit evidenzbasiert ist, dass aber auch andererseits die Definition eines „hohen“ vs. „niedrigen“ Remissionsdruckes nicht eindeutig definiert ist, auch wenn es bei der 4. Advanced Breast Cancer Fourth International Consensus Conference im November 2019 in Lissabon erste Ansätze dazu gab. In diesen wird eine viszerale Krise als schwere Organdysfunktion beschrieben, die anhand der Symptome, Laborbefunde und eines schnellen Progresses der Erkrankung beurteilt wird. Eine Kombinationschemotherapie sollte vor allem Patientinnen mit raschem Progress der Erkrankung, lebensbedrohlicher Metastasierung oder Bedarf einer sehr schnellen Krankheitskontrolle angeboten werden [3].
Die Wahl einer konkreten Systemtherapie kann von verschiedenen Faktoren abhängen [1]. Dazu gehören:
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ER/PR-, HER2-, PD-L1- und gBRCA-Status,
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vorangegangene Behandlungen (sowie ihre Nebenwirkungen),
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rezidivfreies Intervall nach der (neo-)adjuvanten Therapie,
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Aggressivität der Erkrankung,
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Lokalisation der Metastasen,
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geschätzte Überlebenszeit,
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Begleiterkrankungen und Organfunktionen,
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Erwartungen und Vorlieben des Patienten.
Relevante Zytostatika in der metastasierten Situation
Relevante Zytostatika in der metastasierten Situation
Die folgenden ausgewählten zytotoxischen Substanzen werden für den Einsatz beim metastasierten Mammakarzinom empfohlen [4].
Taxan-Rechallenge
Bei adjuvant mit Anthrazyklinen und/oder Taxanen vorbehandelten Patientinnen können Taxane (z. B. nab-Paclitaxel oder Paclitaxel q1w oder Docetaxel q3w) erneut eingesetzt werden [4], [6], insbesondere dann, wenn das therapiefreie Intervall länger als 12 Monate andauert. Beträgt das therapiefreie Intervall weniger als 12 Monate, so kann in der metastasierten Situation neben den bereits genannten Optionen Capecitabin, Vinorelbin und Eribulin auch durchaus ein Taxan als Erstlinientherapie zum Einsatz kommen, sollte ein erhöhter Remissionsdruck bestehen [7].
Taxane in Kombination mit Bevacizumab
Taxane in Kombination mit Bevacizumab
Eine Kombination des Angiogenesehemmers Bevacizumab ist sowohl bei Capecitabin als auch bei Paclitaxel möglich, in der Erstliniensituation zugelassen und kann in der Behandlung des HER2-negativen, metastasierten Mammakarzinoms die Ansprechraten verbessern und das progressionsfreie Überleben (PFS) verlängern [7], [8]. Außerdem wurde in einer kombinierten Analyse der Phase-III-Erstlinienstudien eine leichte Verbesserung der 1-Jahres-OS-Raten beobachtet, vor allem bei den Patientinnen mit TNBC [8]. Die Kombination aus Taxan und Bevacizumab kann auch eingesetzt werden, wenn das therapiefreie Intervall mehr als 12 Monate beträgt [9].
Taxan plus Immuntherapie
Die Phase-III-Studie IMpassion130 untersuchte den Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab + nab-Paclitaxel im Vergleich zu Placebo + nab-Paclitaxel als First-Line-Therapie bei Patientinnen mit bisher unbehandeltem, inoperablem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem TNBC [10]. In der ITT-Population zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die Hinzunahme von Atezolizumab hinsichtlich des medianen PFS mit 7,2 vs. 5,5 Monate unter alleinigem nab-Paclitaxel (HR 0,8; 95%-KI: 0,69 – 0,92; p = 0,002). Auch das mediane OS war unter der Kombination mit 21,3 Monaten länger als unter der alleinigen Chemotherapie mit 17,6 Monaten (HR 0,84; 95%-KI: 0,69 – 1,02; p = 0,08). Bei den Patientinnen mit PD-L1-Expression war der Vorteil ausgeprägter mit einer Risikoreduktion für Krankheitsprogression oder Tod von 38%. Die finale OS-Analyse zeigt einen Gesamtüberlebensvorteil in der Kohorte der Patientinnen mit der PD-L1-Expression von 25 vs. 18 Monaten zugunsten der Kombination [11]. In der auf dem SABCS 2018 vorgestellten Analyse der Effektivität in Immunbiomarker-Subgruppen zeigte sich, dass vor allem Patientinnen mit PD-L1-Expression auf den tumorinfiltrierenden Immunzellen (PD-L1-IC +) von der Hinzunahme des Immuncheckpoint-Inhibitors profitierten [12]. Der PD-L1-IC-Status war in hohem Maße für die Wirksamkeit der Kombinationstherapie Atezolizumab + nab-Paclitaxel prädiktiv. Auf diesen Ergebnissen basierend wurde die Kombination Atezolizumab + nab-Paclitaxel im August 2019 von der europäischen Arzneimittelagentur EMA als Erstlinientherapie beim PD-L1 positiven metastasierten TNBC zugelassen.
Beim ESMO 2019 wurden von Schmid et al. vielversprechende Daten zur Kombination aus Paclitaxel + Carboplatin gefolgt von EC mit dem PD-1-Antikörper Pembrolizumab in der neoadjuvanten Situation vorgestellt. Hier zeigte sich neben der höheren pCR-Rate sogar ein frühes Überlebenssignal zugunsten der immuntherapiehaltigen Therapie [13]. Interessanterweise konnte kein prädiktiver Effekt der PD-L1-Expression bez. der pCR beobachtet werden. Ganz aktuelle Daten vom SABCS 2019 in der neoadjuvanten Situation bestätigten überraschenderweise diese Daten bei Patientinnen mit deutlich fortgeschrittenen Tumoren nicht. In der deutlich kleineren NeoTRIP-Studie erhielten die Patientinnen 8 Zyklen einer anthrazyklinfreien Chemotherapie aus nab-Paclitaxel/Carboplatin an den Tagen 1 und 8 mit/ohne Atezolizumab [14]. Hier zeigte sich interessanterweise keine Erhöhung der pCR (sekundärer Endpunkt) durch die Zugabe des PD-L1-Antikörpers, sodass weitere Daten abgewartet werden müssen, bevor endgültige Schlüsse bez. der besten Kombinationsstrategie gezogen werden können. Dieses ist insbesondere aufgrund der teilweise schweren Nebenwirkungen der Therapie zu beachten [15].
Taxan im Rahmen einer Polychemotherapie
Taxan im Rahmen einer Polychemotherapie
Wird eine Polychemotherapie für notwendig erachtet, ist die Datenlage nach Anthrazyklin- und Taxanvorbehandlung begrenzt. Inwieweit sich die Kombinationen aus Anthrazyklin/Cyclophosphamid und Anthrazyklin/Taxankombinationen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unterscheiden, kann nicht abschließend beurteilt werden [1]. Als weitere Alternative für anthrazyklin- und taxanvorbehandelte Patientinnen steht die Kombination Vinorelbin/Capecitabin zur Verfügung [16]. Bei Taxan-naiven Patientinnen haben sich die Kombinationen Gemcitabin/Paclitaxel [17], Docetaxel/Capecitabin [18] oder Gemcitabin/Carboplatin [19] als wirksam erwiesen. Aktuell wurden die vielversprechenden Daten für die Kombination aus nab-Paclitaxel und Carboplatin bei teilweise anthrazyklin- und taxanvorbehandelten Patientinnen veröffentlicht [20]. Daten zum direkten Vergleich von Polychemotherapien mit Kombinationen von Chemotherapie und Bevacizumab liegen nicht vor.
Taxane der ersten Generation: Paclitaxel und Docetaxel
Taxane der ersten Generation: Paclitaxel und Docetaxel
Taxane sind zytotoxische Substanzen, die an Tubulin binden und zur Stabilisierung von Mikrotubuli beitragen [21]. Ihre Wirksamkeit beim frühen und fortgeschrittenen Mammakarzinom ist mit hoher Evidenz belegt. Taxanbasierte Behandlungsregimes haben sich in der Therapie des frühen und metastasierten Mammakarzinoms Metaanalysen zufolge als signifikant wirksamer erwiesen als taxanfreie Regimes [7], [22], [23], [24].
Paclitaxel
Das Taxan Paclitaxel wurde im Jahr 1995 erstmals für die Behandlung von Patientinnen mit Mammakarzinom zugelassen [25]. Paclitaxel ist schlecht wasserlöslich und benötigt die Lösungsvermittler Cremophor und Ethanol. Cremophor wird einerseits für die nicht lineare Pharmakokinetik von konventionellem Paclitaxel verantwortlich gemacht [26], [27]. Auf der anderen Seite verursacht der Lösungsvermittler schwere Hypersensitivitätsreaktionen [25], [26], [28], [29] und trägt möglicherweise auch zu der unter Paclitaxel-Therapie auftretenden Neutropenie und peripheren Neuropathie bei [30]. Um Hypersensitivitätsreaktionen zu vermeiden, ist eine Vormedikation mit Kortikosteroiden und H1- und H2-Antagonisten notwendig [28], [29]. Paclitaxel wird heute bevorzugt in Behandlungsschemata mit wöchentlichen Paclitaxel-Gaben („Paclitaxel weekly“) eingesetzt [4], [31], da sich das wöchentliche Schema bei Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom gegenüber der zugelassenen 3-wöchentlichen Dosierung hinsichtlich ORR und OS als signifikant überlegen erwiesen hat [32].
Das kürzlich publizierte 10-Jahres-Update der adjuvanten Studie E1199 definierte speziell für Patientinnen mit TNBC einen neuen Behandlungsstandard [33]. Die Studie hatte die Wirksamkeit verschiedener Taxanregime bei rund 5000 nodalpositiven oder nodalnegativen High-Risk-Patientinnen mit Mammakarzinom, darunter etwa 1000 Patientinnen mit TNBC, untersucht. Die Frauen hatten adjuvant 4 Zyklen Doxorubicin und Cyclophosphamid (AC) q3w erhalten, gefolgt von entweder Paclitaxel oder Docetaxel, jeweils q1w oder q3w. In der Gesamtpopulation waren die Regime Paclitaxel q1w und Docetaxel q3w (s. u.), verglichen mit Paclitaxel q3w, mit einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens und Docetaxel mit einem marginal verbesserten Gesamtüberleben assoziiert. Es gab im Hinblick auf das krankheitsfreie Überleben oder Gesamtüberleben keinen signifikanten Unterschied zwischen den kombinierten Paclitaxel-Armen und den kombinierten Docetaxel-Armen. Ebenso wenig wurden signifikante Unterschiede zwischen den kombinierten Armen q1w und q3w dokumentiert. Die 1025 Patienten mit einem TNBC, die Paclitaxel q1w erhalten hatten, wiesen jedoch einen Überlebensvorteil von rund 10% gegenüber den auf andere Weise behandelten Frauen auf (Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeit 75,1 vs. 65,6% [Paclitaxel q3w] bzw. 68,6% [Docetaxel q1w] bzw. 68,7% [Docetaxel q3w]). Wöchentlich verabreichtes Paclitaxel erwies sich damit als das wirksamste in der Studie untersuchte Regime bei Frauen mit TNBC [34].
Docetaxel
Das Taxan Docetaxel, das ebenfalls 1995 die EU-Zulassung für die Behandlung von Patientinnen mit Mammakarzinom erhielt, benötigt die Lösungsverstärker Ethanol und Polysorbat 80, damit eine ausreichende Löslichkeit erreicht wird [34]. Eine 3-tägige Vorbehandlung mit Dexamethason wird empfohlen, um Flüssigkeitsretentionen und Überempfindlichkeitsreaktionen zu vermindern. Die Infusion erfolgt über 1 Stunde alle 3 Wochen. Die wöchentliche Verabreichung von Docetaxel bietet gegenüber der dreiwöchentlichen Gabe keine Vorteile hinsichtlich Effektivität und Toxizität [35], [36], [37], [38].
In der Analyse der Langzeitdaten der bereits erwähnten E1199-Studie zeigte das Regime mit 4 × AC gefolgt von 4 × Docetaxel insbesondere bei Patientinnen mit HR-positivem Mammakarzinom die höchste Wirksamkeit [33].
Im direkten Vergleich erwiesen sich die beiden Taxane der ersten Generation bei unterschiedlichem Toxizitätsprofil als vergleichbar wirksam [33], [39]. Typische schwerwiegende Nebenwirkungen, die gleichermaßen bei Paclitaxel und Docetaxel auftraten, waren Alopezie, Stomatitis, hämatologische Toxizität mit febriler Neutropenie und periphere Polyneuropathie, wobei letztere unter Paclitaxel q1w häufiger auftrat als unter Paclitaxel q3w [32]. Insgesamt waren Grad 3/4 hämatologische Toxizität, Mukositis, Diarrhö und Fatigue unter Docetaxel häufiger als unter Paclitaxel [39].
Taxan der zweiten Generation: nab-Paclitaxel
Taxan der zweiten Generation: nab-Paclitaxel
Neben den konventionellen Taxanen Docetaxel und Paclitaxel ist nab-Paclitaxel – eine lösungsmittelfreie, kolloidale Suspension von Paclitaxel und humanem Serumalbumin – als Monotherapie in Europa seit 2008 zugelassen für die Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms, bei denen die Erstlinientherapie für metastasierende Krankheit fehlgeschlagen ist und für die eine standardmäßige anthrazyklinenthaltende Therapie nicht angezeigt ist [4] · Aufgrund seiner patentierten Nanopartikel-Formulierung braucht nab-Paclitaxel keinen Lösungsvermittler. Somit ist auch keine Prämedikation zur Prophylaxe schwererer Hypersensitivitätsreaktionen notwendig. Die Infusion erfolgt über 30 Minuten [40].
Verglichen mit konventionellem Paclitaxel wird bei nab-Paclitaxel durch Nutzung von Albumin als Transportprotein die Aufnahme des Zytostatikums aus dem intravasalen Raum wesentlich verbessert [41], was zu einer linearen Pharmakokinetik und dosisabhängigen Antitumoraktivität führt. Nab-Paclitaxel verteilt sich 4-mal schneller und 10-mal stärker im peripheren Gewebe als konventionelles Paclitaxel [42]. Zudem weist der Paclitaxel-Albumin-Komplex eine besonders hohe Affinität zum Protein secreted Protein, acidic and rich in Cysteine (SPARC) auf, das auf der Oberfläche von Brustkrebszellen vermehrt exprimiert wird [43], sodass nab-Paclitaxel auch ein zielgerichteter Mechanismus zur Anreicherung im Tumorgewebe zugeschrieben wird.
In der Phase-III-Zulassungsstudie wurden 460 Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom inkludiert. Etwa 80% davon waren in der adjuvanten oder metastasierten Situation mit Anthrazyklin vorbehandelt. In dieser Studie konnte unter der Behandlung mit nab-Paclitaxel (260 mg/m2, d1, q3w, ohne Prämedikation), verglichen mit konventionellem, lösungsmittelhaltigem Paclitaxel (175 mg/m2, d1, q3w) und üblicher Standard-Prämedikation mit Antihistaminika und Dexamethason, eine Verbesserung der Ansprechrate (33 vs. 19%; p = 0,001, primärer Endpunkt) und der Zeit bis zur Progression (TTP: 23,0 vs. 16,9 Wochen; p = 0,006) gezeigt werden. Bei Patientinnen in der 2. oder 3. Therapielinie war sogar ein Überlebensvorteil evident (56,4 vs. 46,7 Wochen; p = 0,024) [44].
Nab-Paclitaxel erwies sich insgesamt als gut verträglich. Grad-3/4-Neutropenien traten seltener auf als unter konventionellem Paclitaxel (Grad 4: 9 vs. 22% p < 0,001), doch entwickelten Patientinnen im nab-Paclitaxel-Arm häufiger eine sensorische Neuropathie (Inzidenz Grad 3: 10 vs. 2% im Kontrollarm mit Paclitaxel [p < 0,001]; keine Neuropathie Grad 4 beobachtet). Anders als im Paclitaxel-Arm war die Neurotoxizität unter nab-Paclitaxel mit Dosisreduktionen und Therapieunterbrechungen gut beherrschbar und bildete sich auch rascher zurück (mediane Zeit bis zur Verbesserung auf ≤ Grad 2: 22 vs. 79 Tage für Paclitaxel) [45].
Eine Phase-II-Studie belegte den besten therapeutischen Index – optimales Gesamtüberleben bei minimierten Nebenwirkungen – für nab-Paclitaxel (150 mg/m2; d 1/8/15, q4w) im Vergleich zu Docetaxel q3w [46]. Bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom, die nab-Paclitaxel in einer Dosierung von 300 mg/m2 (d1 q3w) oder 100 mg/m2 bzw. 150 mg/m2 wöchentlich (d 1/8/15, q4w) oder Docetaxel in der Dosierung von 100 mg/m2 (d1 q3w) erhalten hatten, erwies sich das Sicherheitsprofil der wöchentlichen und 3-wöchentlichen Gabe von nab-Paclitaxel als vergleichbar [46], [47]. Im Hinblick auf die Effektivität (Gesamtansprechrate) zeigte nab-Paclitaxel in wöchentlicher Dosierung von 100 und 150 mg/m2 eine höhere Gesamtansprechrate gegenüber Docetaxel (45% und 49% vs. 35% [p = 0,224]). Auch in Hinblick auf das PFS zeigte nab-Paclitaxel in der wöchentlichen Dosierung von 150 mg/m2 Vorteile gegenüber Docetaxel (Beurteilung durch unabhängigen Radiologen, medianes PFS 12,9 vs. 7,5 Monate, HR 0,495, p = 0,0065) [46], [47]. Alle Patientinnen mit vorheriger Anthrazyklintherapie profitierten hinsichtlich des Gesamtüberlebens von der Therapie mit nab-Paclitaxel, ganz gleich, ob die Vorbehandlung in der metastasierten oder adjuvanten Situation erfolgt war [44], [48].
Eine weitere randomisierte Phase-III-Studie bei 799 Patientinnen untersuchte, inwieweit nab-Paclitaxel 150 mg/m2 vs. Paclitaxel 90 mg/m2 q3/4 w mit Bevacizumab in der Erstlinientherapie beim HER2-negativen Mammakarzinom kombiniert werden sollte [49]. Die beim SABCS 2017 vorgestellte finale Auswertung der Studie zeigte zwar keinen signifikanten Unterschied in Bezug auf das PFS oder das Gesamtüberleben zwischen beiden Studienarmen bei, wie zu erwarten, höherer dosisbedingten Toxizität im nab-Paclitaxel-Arm. Interessanterweise war jedoch das Gesamtüberleben (als sekundärer Endpunkt der Studie) tendenziell besser zugunsten des nab-Paclitaxel-Arms (21 vs. 15 Monate, HR = 0,74, 95%-KI: 0,51 – 1,07) in der klinisch besonders problematischen triple-negativen Subgruppe. Beim HR+/HER2− Mammakarzinom war der Effekt eher entgegengesetzt. Die sicherlich zu hoch gewählte Dosierung von nab-Paclitaxel und die hohe Rate an vorzeitigen toxizitätsbedingten Therapieabbrüchen könnte als eine mögliche Erklärung für diese Ergebnisse insbesondere bei der günstiger verlaufenden HR+/HER2− Erkrankung gewertet werden [50].
Die GeparSepto-Studie, eine prospektive randomisierte Phase-III-Studie bei etwa 1200 Frauen mit frühem Brustkrebs, verglich die wöchentliche neoadjuvante Verabreichung von konventionellem Paclitaxel (80 mg/m2) mit nab-Paclitaxel (erst 150 mg/m2, dann nach einer Zwischenauswertung reduziert auf 125 mg/m2) über 12 Wochen. Nach Studienabschluss zeigte sich, dass die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR, ypT0 ypN0) unter nab-Paclitaxel in der Gesamtpopulation um absolut 9% besser war als unter konventionellem Paclitaxel (38,4 vs. 29%, Odds Ratio 1,53; p < 0,001). Die beiden Studienarme waren weitestgehend vergleichbar im Hinblick auf die Inzidenz einer höhergradigen Hämatotoxizität. Unter nab-Paclitaxel entwickelten 10% der Patientinnen eine periphere sensorischer Neuropathie ≥ Grad 3 gegenüber 3% im Paclitaxel-Arm [51].
Eine Subgruppenanalyse ergab zudem, dass der Benefit für Frauen mit TNBC besonders ausgeprägt war: Die Rate an pathologischen kompletten Remissionen stieg bei diesen Patientinnen von 26 auf 48% (p = 0,00027), wurde also nahezu verdoppelt [51]. Trotz der Dosisreduktion von 150 mg/m2 (nP150) auf 125 mg/m2 (nP125) nab-Paclitaxel zeigte sich hinsichtlich der pCR keine Verschlechterung der pCR (bei den TNBC Patientinnen 46,9% für nP150 vs. 49,3% für nP125). Die sensorische Neuropathie Grad 3/4 konnte durch die Dosisreduktion auf nP125 auf 8% für nP125 gesenkt werden (vs. 15% für nP150). Sensorische Neuropathien Grad 4 traten unter nP125 nicht auf [52], [53].
Inzwischen wurden die ersten Überlebensdaten als sekundärer Endpunkt der Studie publiziert. Es zeigte sich ein signifikant längeres krankheitsfreies Überleben nach 49 Monaten der medianen Nachbeobachtungzeit (HR = 0,66, 95%-KI: 0,51 – 0,89). Der Vorteil durch nab-Paclitaxel war in allen untersuchten Subgruppen zu beobachten. Wahrscheinlich aufgrund der kurzen Nachbeobachtungszeit konnte noch kein signifikanter Unterschied beim Gesamtüberleben beobachtet werden [54].
Im Rahmen einer weiteren großen neoadjuvanten Studie von Gianni et al. (ETNA) wurde ein anderes Scheduling der taxanhaltigen Chemotherapie bei Patientinnen mit „luminal-B-like“- oder TN-Tumoren gewählt. Den Patientinnen wurde präoperativ entweder Paclitaxel 90 mg/m2 oder nab-Paclitaxel 125 mg/m2 jeweils d 1,8,15 q4w gefolgt von 4 Zyklen EC (Epirubicin, Cyclophosphamid) oder FEC (5-Fluorouracil, Epirubicin, Cyclophosphamid) alle 3 Wochen appliziert. Hier zeigte sich nur ein Trend zur höheren Effektivität der nab-Paclitaxel-haltigen Chemotherapie. Die pCR (kein invasiver Tumor in der Brust und Lymphknoten) lag bei 22,5% im nab-Paclitaxel-Arm und 18,6% im Paclitaxel-Arm. Auch beim TNBC war nur ein Trend zur höheren pCR zu beobachten (41,3% vs. 37,3%) [55]. Ob ein anderes Scheduling der Taxantherapie und damit eine geringere Kumulativdosis und Dosisintensität der beiden Taxane eine alleinige Erklärung für die Ergebnisse liefert, kann nicht abschließend beurteilt werden, da die pCR im Standardarm bei TN-Patientinnen auch deutlich über der in der GeparSepto-Studie lag. Beim ASCO 2019 wurden erstmals auch die Überlebensdaten der Studie präsentiert. Beim 5-Jahres ereignisfreien (EFS-) als auch Gesamtüberleben (OS) zeigte sich nur ein nicht signifikanter positiver Trend zugunsten des nab-Paclitaxel-haltigen Armes [56].
Als geeigneter Kombinationspartner für nab-Paclitaxel bei Frauen mit TNBC hat sich Carboplatin erwiesen. Eine Auswertung der prospektiven Phase-II-ADAPT-TN-Studie zeigte dass 4× nab-Paclitaxel 125 mg/m2 in der Kombination mit Carboplatin AUC2 d1,8 q3w bei Patientinnen mit TNBC zu einer nahezu doppelt so hohen Rate an pathologischen Komplettremissionen bei besserer Verträglichkeit führte, als in der Kombination mit Gemcitabin (29 vs. 46%) [57]. Eine weitere (neo-)adjuvante anthrazyklinhaltige Chemotherapie war verpflichtend im Fall einer non-pCR. Auch wenn kein signifikanter Unterschied beim ereignisfreien 3-Jahres-Überleben beobachtet wurde, zeigte sich in der explorativen Analyse, dass die Frauen mit einer pCR vor allem nach der nab-Paclitaxel/Carboplatin-haltigen Chemotherapie und/oder hoher PD-L1-Expression nicht von einer weiteren anthrazyklinhaltigen Chemotherapie profitiert hatten [58]. Diese Ergebnisse sollen im Rahmen von weiteren prospektiven Studien validiert werden.
Auch eine Auswertung der neoadjuvanten GeparSixto-Studie zum Überleben von Patientinnen mit Hochrisiko-Mammakarzinomen ergab, dass die Hinzunahme einer Platinverbindung zur anthrazyklin-/taxanhaltigen Chemotherapie bei Patientinnen mit TNBC einen Benefit erbrachte. Die pCR konnte durch die Hinzunahme von Carboplatin bei diesen Patientinnen deutlich gesteigert werden, sodass daraus ein Überlebensvorteil resultierte [59].
Angesichts der sehr interessanten Ergebnisse der GeparSepto- als auch der ADAPT-TN-Studie blieb jedoch bis dato die Frage des optimalen Schemas und Dosierung von nab-Paclitaxel unklar. Hierzu wurden ganz aktuell beim SACS2019 von Blohmer et al. die Daten der neoadjuvanten Phase-II-GeparX-Studie von vorgestellt. Es resultierte eine signifikant höhere pCR (39 vs. 44.9%), jedoch auch höhere Toxizität zugunsten des Schemas nab-Paclitaxel 125 mg/m2 d 1,8,15 q3w vs. des nab-Paclitaxel 125 mg/m2 d1,8 q3w-Armes (beim TNBC in beiden Armen in Kombination mit Carboplatin AUC2). Dieser Unterschied war vor allem auf die TNBC-Kohorte zurückzuführen mit einer pCR von 60 vs. 50% [60]. In der Zusammenschau der 3 Studien GeparSepto, ADAPT-TN und GeparX zeigt sich, dass sich die pCR-Rate bei neoadjuvanter Therapie mit nab-Paclitaxel/Carboplatin durch die Hinzunahme von Anthrazyklinen um etwa 5% steigern lässt bzw. durch die Hinzunahme von Platin zu nab-Paclitaxel-EC um ca. 10%. Diese Ergebnisse werfen sicherlich einige Fragen bez. der Patientinnenselektion für die 4-fach-Kombinationen auf, die im Rahmen von weiteren prospektiven Studien untersucht werden sollten.
Ein positiver Effekt der Kombination von nab-Paclitaxel und Carboplatin (verglichen mit anderen Optionen einer Polychemotherapie, die wie Gemcitabin/Carboplatin oder nab-Paclitaxel/Gemcitabin bei TNBC diskutiert werden) wurde auch in der Phase-II-Studie tnAcity in der Erstlinienbehandlung eines metastasierten TNBC gezeigt. In dieser Studie erreichte die Kombination aus nab-Paclitaxel und Carboplatin (125 mg/m2/Carbo AUC2 d1,8 q3w) sowohl die höchste Ansprechrate (72 vs. 39/44% in beiden anderen Armen) als auch das längste mediane PFS von 7,4 Monaten (vs. 5,4 bzw. 6 Monate) und OS von 16,4 Monaten (vs. ca. 12 Monate in beiden anderen Studienarmen). Diese Zahlen erscheinen angesichts der taxanhaltigen Vorbehandlung der Patientinnen im adjuvanten Setting (56% im nab-Pac-/Carbo-Arm) durchaus vielversprechend und indirekt mit der Option wöchentliches Paclitaxel plus Bevacizumab bei TNBC von der Effektivität vergleichbar, falls der Remissionsdruck hoch ist. Stellt man die Toxizitäten gegenüber, wäre bei der Kombinationstherapie beim o. g. Scheduling eher sogar mit weniger peripherer Neuropathie Grad 3 – 4 als beim wöchentlichen Paclitaxel plus Bevacizumab (5 vs. 18%), jedoch (wie auch zu erwarten) mit höherer Hämatotoxizität (42% Neutropenie [NP] und 5% febrile Neutropenie [FN] vs. 18% NP und 2% FN) zu rechnen. Inwieweit diese Toxizitätsdaten in der metastasierten Situation akzeptabel sind, sollte sicher von Fall zu Fall individuell entschieden werden.
Wie bereits erwähnt, können gemäß den Ergebnissen der IMpassion130-Studie Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem TNBC und PD-L1-Expression auf den tumorinfiltrierenden Immunzellen (PD-L1-IC +) von der Hinzunahme des Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab zu nab-Paclitaxel profitieren [10], [12].
Einsatz von nab-Paclitaxel
Einsatz von nab-Paclitaxel
Es besteht kein Zweifel daran, dass Taxane, die im Laufe der Jahre immer weiterentwickelt wurden, beim frühen und metastasierten Mammakarzinom zur State-of-the-Art-Chemotherapie gehören [4], [31], [61]. Welche Taxane in der metastasierten Situation unter welchen Bedingungen eingesetzt werden, ist Gegenstand aktueller Diskussionen.
Da Taxane der ersten Generation mittlerweile seit rund 20 Jahren auf dem Markt sind, liegen intensive klinische Erfahrungen für den Einsatz dieser Wirksubstanzen vor, die in diesem Ausmaß für nab-Paclitaxel nicht vorhandeln sind. Nab-Paclitaxel hat sich seit seiner Zulassung im Jahr 2008 in der Behandlung des Mammakarzinoms jedoch zweifellos etabliert. Mittlerweile wurden seit der Zulassung in Deutschland etwa 15 600 Patientinnen mit Mammakarzinom und etwa 8600 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und nicht kleinzelligem Lungenkarzinom mit nab-Paclitaxel behandelt [62]. Beim Mammakarzinom wird es in der Praxis inzwischen neben der 3-wöchentlichen Gabe in der Dosierung von 260 mg/m2 bevorzugt in einer Dosierung von wöchentlich 125 mg/m2 über 3 Wochen mit einer Woche Therapiepause (qw3/4) eingesetzt [63]. Im Hinblick auf den Einsatz und die zu wählende Dosierung von nab-Paclitaxel in der metastasierten Situation bei Frauen mit HER2-negativem und endokrin nicht empfindlichem Mammakarzinom schließen wir uns einer bereits im Jahr 2012 von einem Expertenpanel formulierten Empfehlungen an [63] und verweisen auf die im März 2019 publizierten Leitlinien der AGO, Kommission Mamma.
Bei nicht vorbehandelten Patientinnen, bei denen keine Kombinationsbehandlung aus Chemotherapie und Bevacizumab gewünscht ist, sollte zunächst eine Anthrazyklin-Monotherapie eingesetzt werden, gefolgt von beispielsweise nab-Paclitaxel. Bei Patientinnen, die bereits mit einem Anthrazyklin vorbehandelt sind – unabhängig davon, ob im (neo-)adjuvanten oder metastasierten Setting –, kann nachfolgend nab-Paclitaxel eingesetzt werden. Dabei richtet sich die zu wählende Dosierung nach dem Gesundheitszustand (Performance-Status) der Patientin.
Bei Patientinnen, die im Vorfeld eine (neo-)adjuvante Anthrazyklin- und/oder Taxantherapie erhalten haben und einen guten Performance-Status und ein krankheitsfreies Intervall von über 12 Monaten aufweisen, kann nab-Paclitaxel im Sinne einer Re-Induktion in einer Dosierung von 150 mg/m2 (d1, 8, 15, q28d) eingesetzt werden, während bei adjuvant vorbehandelten Frauen mit eingeschränktem Performance-Status die Dosis auf 125 mg/m2 (d1, 8, 15, q28d) reduziert werden sollte.
Bei Patientinnen, die in der Erstlinie eine anthrazyklin- und/oder taxanbasierte Therapie erhalten haben und einen guten Performance-Status aufweisen, wird nab-Paclitaxel in der reduzierten Dosierung von 125 mg/m2 (d1, 8, 15, q28d) empfohlen, im Falle eines eingeschränkten Performance-Status in der noch weiter reduzierten Dosierung von 100 mg/m2 (d1, 8, 15, q28d). Alternativ kann eine Kombination aus Taxan oder Capecitabin plus Bevacizumab verabreicht werden [4]. Falls im Rahmen der Kombinationstherapie nab-Paclitaxel als Taxan gewählt wird, sollte die reduzierte Dosierung von 125 mg/m2 (d1, 8, 15, q28d) eingesetzt werden.
Allgemein sollte nab-Paclitaxel grundsätzlich nach Versagen der Erstlinientherapie eingesetzt werden. Dabei gelten die oben erwähnten Dosierungsempfehlungen. Bei einem Einsatz in späteren Therapielinien sollte eine reduzierte Dosierung von 100 oder 125 mg/m2 gewählt werden.
Nab-Paclitaxel mit seiner speziellen Formulierung zeigt ein besseres therapeutisches Profil als die lösungsmittelbasierten Taxane der ersten Generation. Aus diesem Grund ist das Taxan der 2. Generation auch Bestandteil moderner neoadjuvanter und biomarkergestützter Studienkonzepte.
Taxane der 1. Generation haben den Nachteil, dass Lösungsvermittler notwendig sind, um eine adäquate Löslichkeit der Zytostatika zu erreichen. Die Lösungsvermittler sind häufig Ursache für Hypersensitivitätsreaktionen und weitere unerwünschte Effekte und machen eine Prämedikation notwendig [34]. Falls Dexamethason eingesetzt wird, besteht zusätzlich das Risiko einer Erhöhung der Glukosetoleranz und der Suppression der Nebennierenrinde [64], [65], [66]. Dexamethason induziert darüber hinaus wahrscheinlich CYP3A und beeinflusst somit den Metabolismus der Taxane [67].
Das Taxan der 2. Generation – nab-Paclitaxel – benötigt aufgrund seiner speziellen Formulierung unter Nutzung des Transportproteins Albumin keinen Lösungsvermittler. Negative Effekte einer Kortikosteroid-Prämedikation entfallen deshalb. Dies könnte sich langfristig als Vorteil für dieses moderne Taxan erweisen, auch und gerade als möglicher Kombinationspartner für zukünftige immunonkologische Therapiekonzepte. Andererseits muss darauf hingewiesen werden, dass die klinische Erfahrung mit den Taxanen der 1. Generation sehr umfangreich ist (für das Mammakarzinom wie auch andere onkologische Erkrankungen). Zwar sind die Medikamentenkosten im Zusammenhang mit nab-Paclitaxel auf den ersten Blick höher als bei den generischen Taxanen der 1. Generation, jedoch relativieren sich diese dadurch, dass die Kosten für Begleitmedikationen entfallen [68].
Neuropathie
Periphere sensorische und motorische Neuropathien sind sicherlich die am häufigsten zu diskutierende Nebenwirkungen taxanhaltiger Chemotherapieprotokolle. Die Frequenz der Neuropathie Grad 3 – 4 (schwere Einschränkung der der Selbstversorgung) wird vor allem für das wöchentliche (nab-)Paclitaxel in höherer Dosierung und wöchentlich appliziertes Paclitaxel mit einer Inzidenz von 10 – 30% angegeben ([Tab. 1]). Die meisten Fälle sind reversibel, in einigen Fällen, kommt es jedoch zur Chronifizierung. In bis zu 80% der Fälle werden leichte Symptome sogar noch bis zu 2 Jahre nach Abschluss der taxanhaltigen Chemotherapie berichtet [69]. Rechtzeitige Identifikation der Risikofaktoren (wie z. B. schlecht eingestellter Diabetes mellitus, Alkoholkonsum, Immunerkrankungen) stellt die beste Strategie zur Vermeidung dieser Komplikationen dar.
Tab. 1 Auswahl der Zytostatika zum Einsatz beim metastasierten Mammakarzinom (Zulassungsstatus Stand August 2019).
Substanz
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Einsatzgebiet
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Toxizitätsspektrum
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Anmerkungen
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A = Anthrazykline, T = Taxane
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Doxorubicin
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i. v. Therapie, 3-wöchentlich oder wöchentlich
v. a. Erstlinie bei HER2-neg., HR-pos. und bei triple-negativen (ER/PR/HER2-Mamma-Ca.) (TNBC)
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Alopezie, Kardiotoxizität, Myelosuppression, Mukositis, Übelkeit und Erbrechen
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LVEF durch adjuvante Anthrazyklintherapie reduziert
kumulative A-Dosis beachten
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Epirubicin
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i. v. Therapie, 3-wöchentlich oder wöchentlich
v. a. Erstlinie bei HER2-neg., HR-pos. und bei TNBC
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Alopezie, Myelosuppression, Kardiomyopathie, aber geringere Kardiotoxizität als Doxorubicin, Übelkeit und Erbrechen
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LVEF durch adjuvante Anthrazyklintherapie reduziert
kumulative A-Dosis beachten
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Mitoxantron
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i. v. Therapie
v. a. spätere Linien bei HER2-neg., HR-pos. und bei TNBC
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Alopezie, Übelkeit und Erbrechen
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Docetaxel
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i. v. Therapie, 3-wöchentlich
V. a. Erstlinie bei HER2-neg., HR-pos. und bei TNBC, bei HER2-pos. in Kombination mit Anti-HER2-Therapie
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Alopezie, Diarrhö, Mukositis, dosislimitierende Myelosuppression, Übelkeit und Erbrechen, dosisabhängige periphere Neuropathie (in der Dosierung 100 mg/m2 als Monotherapie in 2 – 30% der Fälle [Grad 3 – 4])
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Hypersensitivitätsreaktionen seltener als bei Paclitaxel
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Paclitaxel
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i. v. Therapie, vorzugsweise wöchentlich
v. a. Erstlinie bei HER2-neg., HR-pos. und bei TNBC, bei HER2-pos. in Kombination mit Anti-HER2-Therapie
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dosislimitierende Myelosuppression, dosisabhängige und dosislimitierende, kumulative periphere Polyneuropathien (3-wöchentliche Dosierung 175 mg/m2: 2 – 13%, wöchentliche Dosierung 80 mg/m2: 17 – 30% Grad 3 – 4)
allergische Reaktionen wg. Cremophor
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Antiallergische Prämedikation erforderlich. Keine direkte Korrelation Dosis – antitumorale Wirkung. Kombination mit Bevacizumab möglich.
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nab-Paclitaxel
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i. v. Therapie, 3-wöchentlich oder wöchentlich
bei erwachsenen Patienten, bei denen die Erstlinientherapie der metastasierten Erkrankung fehlgeschlagen ist und für die eine standardmäßige Anthrazyklin-enthaltende Therapie nicht angezeigt ist (bei HER2-pos. in Kombination mit Anti-HER2-Therapie)
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Alopezie, Myelosuppression, periphere Polyneuropathie in 9 – 22% der Fälle (Grad 3 – 4) [5]
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keine Prämedikation erforderlich
nach A-Vorbehandlung, auch nach T-Vorbehandlung und therapiefreiem Intervall von mehr als 12 Monaten
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pegyliertes liposomales Doxorubicin
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i. v. Therapie, 3-wöchentlich oder wöchentlich
bei Patientinnen mit erhöhtem kardialen Risiko in der Erstlinie und nach A-Vorbehandlung sowie nach A- und T-Vorbehandlung
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Alopezie, Myelosuppression, PPE
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geringere Kardiotoxizität als bei nicht liposomal verkapseltem Doxorubicin
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liposomales Doxorubicin
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i. v. Therapie, 3-wöchentlich oder wöchentlich
nach A-Vorbehandlung, bei erhöhtem kardialen Risiko
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Alopezie, Übelkeit und Erbrechen
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geringere Kardiotoxizität als bei nicht liposomal verkapseltem Doxorubicin
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Capecitabin
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p. o. Erstlinie und nach A-Vorbehandlung sowie nach A- und T-Vorbehandlung
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PPE, Übelkeit und Erbrechen
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Nach A-Vorbehandlung sowie nach A- und T-Vorbehandlung. Kombination mit Bevacizumab möglich
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Vinorelbin
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i. v. oder p. o. Therapie
nach A- und T-Vorbehandlung
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Myelosuppression, dosisabhängige Neurotoxizität
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nach A- und T-Vorbehandlung
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Eribulin
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i. v. Therapie
nach A- und T-Vorbehandlung
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Alopezie, Myelosuppression, periphere Neuropathie, Übelkeit und Erbrechen
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nach A- und T-Vorbehandlung
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Carboplatin
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i.v. Therapie wöchentlch oder 3-/4-wöchentlich
TNBC mit BRCA-Mutation
TNBC mit BRCA-Mutation
ggf. in Kombination mit Gemcitabin (Cave: Off Label Use)
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Übelkeit und Erbrechen
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Cisplatin
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i.v. Therapie 3-wöchentlich beim TNBC in Kombination mit Gemcitabin (Cave: Off Label Use)
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Alopezie, Myelosuppression, Nephrotoxizität, Neurotoxizität, Ototoxizität, Übelkeit und Erbrechen
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Gemcitabin
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i. v. Therapie 3-/4-wöchentlich In Kombination mit einem Taxan nach adjuvanter A-Therapie, beim TNBC in Kombination mit Cisplatin oder Carboplatin
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grippeähnliche Symptome und periphere Ödeme, Myelosuppression
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Es gibt leider keine zielgerichteten gesicherten Prophylaxestrategien. Die effektivste therapeutische Maßnahme stellt eine rechtzeitige Therapieunterbrechung bzw. Dosismodifikation dar. Mehrere Studien bzw. deren Metaanalysen haben in der letzten Zeit unterschiedlichste Präventionsstrategien (sowohl medikamentöse als auch diverse Vitamine, Ca/Mg etc.) untersucht. Aufgrund der sehr heterogenen Ergebnisse dieser Untersuchungen gibt es bis dato keine von allen akzeptierte Prophylaxe und Therapiestrategie.
Als mögliche Therapie des neuropathischen Schmerzes haben sich Medikamente wie Gabapentin, Pregabalin, Duloxetin und trizyklische Antidepressiva bewährt. Beim Management der Polyneuropathie sollten die aktuellen Empfehlungen beachtet werden [15], [70]. Aktuell laufen mehrere Untersuchungen, um die genetischen Risikofaktoren für das Auftreten der Polyneuropathie zu identifizieren.
Prädiktive Faktoren für den Taxaneinsatz
Bis dato gibt es keine validierten prädiktiven Marker für den Einsatz der Taxane in der frühen bzw. in der späten Situation. Mehrere Studien in der adjuvanten Situation haben sich auf Ki-67, SPARC, tau-Proetin als Marker fokussiert, die meisten zeigen tatsächlich eine höhere Effektivität der anthrazyklin-/taxanbasierten Chemotherapie gegenüber dem alleinigen Anthrazyklineinsatz (z. B. CEF) bei Patientinnen mit HR+/HER2− und höherem Ki-67 (oder HER2-positivem Mammakarzinom) [71], [72]. Es bleibt jedoch unklar, inwieweit diese Ergebnisse speziell für Taxane oder allgemein für die generell höhere Chemosensitivität dieser Tumoren gelten sollten. Es gibt leider keine belastbaren Daten für die prädiktiven Faktoren für den Einsatz in der metastasierten Situation.
Einsatz von Taxanen beim metastasierten Mammakarzinom nach den Empfehlungen der AGO 2019
Einsatz von Taxanen beim metastasierten Mammakarzinom nach den Empfehlungen der AGO 2019
Im März 2019 hat die AGO, Kommission Mamma, ihre aktualisierten Empfehlungen zum Einsatz einer Chemotherapie bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom vorgestellt [4]. Speziell für den Einsatz von Taxanen gelten dabei die folgenden Empfehlungen:
Für die Erstlinienbehandlung des HER2-negativen/HR-positiven metastasierten Mammakarzinoms sollte (AGO++-Empfehlung) eine Monotherapie mit den Taxanen Paclitaxel (q1w) oder Docetaxel (q3w) durchgeführt werden. Eine Monotherapie mit nab-Paclitaxel kann durchgeführt werden (+-Empfehlung). Falls bei den Patientinnen eine Polychemotherapie eingesetzt wird, etwa bei hohem Remissionsdruck, sollte bevorzugt (AGO++-Empfehlung) eine Kombination aus Anthrazyklin plus Taxan oder Taxan + Gemcitabin (nach adjuvant verabreichtem Anthrazyklin) eingesetzt werden. Paclitaxel + Capecitabin sowie Docetaxel + Capecitabin nach adjuvanter Athrazyklinbehandlung können zum Einsatz kommen (+-Empfehlung).
Soll im Rahmen der Erstlinienbehandlung Bevacizumab eingesetzt werden, empfiehlt sich aus der Gruppe der Taxane Paclitaxel (q1w) als Kombinationspartner (+-Empfehlung). Für Docetaxel (q3q) und nab-Paclitaxel hat die Kommission Mamma der AGO, lediglich eine +/−-Empfehlung vergeben. Auch in der Zweitlinie erhält die Kombination Bevacizumab plus Taxan eine +/−-Empfehlung.
Sind die Patientinnen bereits mit einem Anthrazyklin vorbehandelt, werden im Rahmen einer palliativen Chemotherapie beim HER2-negativen/HR-positiven metastasierten Mammakarzinom Paclitaxel (q1w), Docetaxel (q3w) und nab-Paclitaxel sowie Capecitabin gleichermaßen von der AGO empfohlen (++-Empfehlung). Das ist im Falle von nab-Paclitaxel wie auch Capecitabin etwas irritierend, denn im Unterschied zu den über mittlerweile über 25 Jahre in der Klinik und in den entsprechenden Studien eingesetzten Taxanen der ersten Generation ist die Evidenzlage aufgrund der geringeren Patientenzahlen niedriger mit LoE 2b bzw. B anstelle von LoE 1a bzw. A bei Paclitaxel und Docetaxel. Nach Anthrazyklin und Taxanvorbehandlung kann eine Taxan-Re-Challenge durchgeführt werden (AGO+-Empfehlung), wobei nicht spezifiziert wird, welches Taxan bevorzugt eingesetzt werden sollte. Voraussetzung ist, dass die Patientin nach adjuvanter Gabe mindestens 1 Jahr rezidivfrei war.
Bei Frauen mit metastasiertem TNBC wird unabhängig von einer BRCA1/2-Keimbahnmutation bei Indikation einer Polychemotherapie nab-Paclitaxel plus Carboplatin (vs. Gemcitabin/Carboplatin) und Gemcitabin/Cisplatin (vs. Paclitaxel/Gemcitabin) mit einem „+“ empfohlen. Neu ist die +-Empfehlung, in der Erstlinie nab-Paclitaxel bei PD-L1-IC-Positivität (PD-L1-IC +) mit dem Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab zu ergänzen. Hierfür muss bei Patientinnen die PD-L1-Expression auf den tumorinfiltrierenden Immunzellen gemessen werden.
Zusammenfassung
Die Indikation zur palliativen Chemotherapie besteht in der metastasierten Situation bei Patientinnen mit HR-positivem, HER2-negativem Mammakarzinom, wenn eine endokrine Therapie nicht oder nicht mehr infrage kommt, bei Frauen mit TNBC [73] sowie bei Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom, die eine zielgerichtete Therapie erhalten sollen, bei der die Chemotherapie Teil des Therapieregimes ist. Alle 3 für die Behandlung des Mammakarzinoms zugelassenen Taxane Paclitaxel, Docetaxel und nab-Paclitaxel können im metastasierten Setting eingesetzt werden. Die im März 2019 aktualisierten Leitlinien der AGO, Kommission Mamma, haben den einzelnen Taxanen für verschiedene Therapiesituationen einen unterschiedlichen Empfehlungsgrad zugeordnet, der die Therapieentscheidung für den klinischen Alltag wesentlich erleichtert.