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DOI: 10.1055/a-1160-9478
Unterlassene Notfallbehandlung eines akuten allergischen Kontaktekzems
Failure to Provide Emergency Treatment for Acute Allergic Contact Dermatitis- Zusammenfassung
- Abstract
- Klinischer Fall
- Konsequenzen für die Patientin
- Stellungnahme der Pflegedienstleitung der Notaufnahme des angeschuldigten Klinikums
- Beurteilung durch die Schlichtungsstelle
- Gesundheitsschaden
- Medizinische und rechtliche Interpretation
- Literatur
Zusammenfassung
Bei einer Patientin traten nach der Färbung der Augenbrauen mit einem vermutlich Paraphenylendiamin-haltigen Produkt eine großflächige Gesichtsrötung und eine periorbitale Schwellung auf. Bei der Vorstellung in der interdisziplinären Notaufnahme eines nahegelegenen Klinikums wurde auf eine Therapie verzichtet und die Patientin an einen niedergelassenen Dermatologen verwiesen. Erst mit Verzögerung und nach weiterer Verschlechterung des Hautbefundes wurde in einem anderen von der Patientin konsultierten Klinikum eine allergologische Notfalltherapie mit einem systemischen Glukokortikosteroid und einem Antihistaminikum eingeleitet.
Die Schlichtungsstelle beurteilte die Unterlassung der Notfalltherapie als einen ärztlichen Behandlungsfehler. Bei Einbezug der Kenntnis der zeitlichen Entwicklung der Erkrankung durch eine allergische Verursachung, die dem Dienstarzt bekannt war, wäre bei Einsatz einer Kortikoidtherapie das Krankheitsgeschehen wesentlich zu beeinflussen und eine deutliche Verkürzung des Krankheitsverlaufs zu erwarten gewesen.
Klinisch schwere akute allergische Kontaktekzeme bedürfen einer medizinischen Notfalltherapie, wozu neben einer Entfernung und Meidung möglicherweise auslösender Allergene auch eine topische und ggf. systemische antiinflammatorische Therapie gehört. Die Unterlassung dieser Notfalltherapie kann eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung und damit einen Behandlungsfehler darstellen. Die Versorgung dermatologischer Notfälle durch Nichtdermatologen entbindet diese nicht von der Pflicht zu einer Notfallbehandlung, wie sie unabhängig von der Spezialisierung von jedem Arzt erwartet werden muss. Interdisziplinäre Notfallambulanzen sollten Möglichkeiten der konsiliarischen Unterstützung durch Dermatologen vorsehen.
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Abstract
Following eyebrow tinting with a product containing presumably paraphenylenediamine, extensive facial redness and periorbital swelling developed in a female patient. At the presentation in the interdisciplinary emergency room of a nearby hospital, the patient was not treated, but referred to a dermatologist in private practice. Only after a delay and after further deterioration of the skin findings, an allergological emergency therapy with a systemic glucocorticosteroid and an antihistamine was initiated in another hospital consulted by the patient.
The Independent Medical Expert Council (IMEC) assessed the failure to provide emergency therapy as a medical treatment error. If the knowledge of the temporal development of the disease due to an allergic cause known to the emergency physician had been taken into account, the use of corticoid therapy would have had a significant influence on the course of the disease, and a significant shortening of the patient’s signs and symptoms could have been expected.
Clinically severe acute allergic contact dermatitis requires medical emergency therapy, which includes not only the removal and avoidance of potentially triggering allergens, but also topical and, if necessary, systemic anti-inflammatory therapy. Failure to provide this emergency therapy may constitute a breach of medical care duties and thus a treatment error. The care of dermatological emergencies by non-dermatologists does not release them from the obligation to provide emergency treatment as it must be expected from every physician irrespective of his specialization. Interdisciplinary emergency departments should provide for possibilities of consiliary support by dermatologists.
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Klinischer Fall
Aus den von der Schlichtungsstelle herangezogenen Krankenunterlagen, auch der vor- und nachbehandelnden Ärzte, ergab sich folgender Krankheits- und Behandlungsverlauf:
Einen Tag nach der Färbung der Augenbrauen der Patientin mit dem Produkt „Refectocil“ ([Tab. 1]) trat eine Rötung sowie Schwellung des Augenbrauenbereichs auf, die die Patientin mit Fenistil-Gel sowie intern Cetirizin selbst behandelte. Aufgrund der Zunahme der Beschwerden mit großflächiger Gesichtsrötung und Schwellung im Augenlidbereich sowie Kopfschmerz erfolgte abends eine Eigenvorstellung in der Zentralen Notaufnahme eines wohnortnahen Klinikums. Laut Klinikumsbericht bestand keine Beeinträchtigung der Vitalfunktionen. Der den Befund erhebende Arzt stellte eine allergische Reaktion (Rötung) im Augenbereich fest und erachtete eine Notfallbehandlung nicht für notwendig, sondern empfahl die ambulante hautfachärztliche Weiterbehandlung. Am Folgetag konsultierte die Patientin einen niedergelassenen Hautarzt, der die Diagnose „allergische Kontaktdermatitis Augenbrauen“ stellte und die Patientin mit Fusicutan Plus und einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung versorgte. Aufgrund weiterer Verschlechterung der Symptomatik erfolgte wieder einen Tag später die Vorstellung in der Notaufnahme einer weiteren Klinik mit dem Befund einer Rötung des gesamten Gesichtes und Augenlidschwellung. Als Notfallmedikation wurde i. v. Soludecortin 250 mg, Fenistil 4 mg, Ranitic 50 mg injiziert und nach ärztlicher Rücksprache die Patientin an die nächstgelegene Universitätsklinik für Dermatologie weitergeleitet, wo die Diagnose „vesikuläre, exsudative Kontaktdermatitis mit therapiebedingt rückläufiger Anschwellung der Lider“ erhoben wurde. Der Behandlungsplan für die weitere Therapie mit oral Prednisolon, Cetirizin, Pantoprazol sowie Lokaltherapie Prednitop-Salbe/Schwarztee-Umschläge wurde für weitere 10 Tage erteilt. Die Nachbehandlung erfolgte mit Arbeitsunfähigkeit für weitere 5 Tage durch den Hausarzt. Eine folgenfreie Abheilung wurde hausärztlich einen Monat später dokumentiert.
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Kann enthalten: |
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Konsequenzen für die Patientin
Die Patientin bemängelte die ärztliche Notfallbehandlung in der Zentralen Notfallaufnahme des zuerst konsultierten Klinikums und vertrat die Auffassung, dass die Unterlassung einer Akuttherapie des Gesichtsekzems zu einer zunehmend ausgeprägten schmerzhaften Hautentzündung geführt habe. Bei Einleitung einer rechtzeitigen Notfallbehandlung sei die weitere Zunahme des Befundes mit notärztlicher Versorgung in anderen Klinika zu umgehen gewesen. Eine Fotodokumentation ihrerseits wurde vorgelegt.
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Stellungnahme der Pflegedienstleitung der Notaufnahme des angeschuldigten Klinikums
Eine ärztliche Stellungnahme wurde von der Notaufnahme des angeschuldigten Klinikums nicht vorgelegt, da eine ärztliche Dokumentation mit klinischen Befunden außer einer Handnotiz ohne Datum nicht vorhanden sei, sodass ein pflegerisches Gedächtnisprotokoll anhand des Dienstplanes erstellt worden sei. Die Patientin sei in den Abendstunden durch den diensthabenden Arzt befundet und die Diagnose einer allergischen Reaktion der Augenbrauen gestellt worden. Eine Notfalltherapie sei als nicht erforderlich angesehen worden. Eine patientenseits „geforderte Kortisonspritze“ sei abgelehnt und ihr die ambulante hautärztliche Weiterbetreuung vorgeschlagen worden.
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Beurteilung durch die Schlichtungsstelle
In Würdigung der medizinischen Dokumentation und der Stellungnahme der Beteiligten gelangte die Schlichtungsstelle zu folgender Bewertung des Sachverhaltes:
Aufgrund einer akuten allergischen Kontaktdermatitis des Gesichts bei vorbestehender Typ 4-Sensibilisierung gegenüber Haarfärbemittel stellte sich die Patientin nach erfolgloser Eigenbehandlung mit Antiallergika in der Zentralen Notfallaufnahme des wohnortnahen Klinikums vor. Entsprechend der Stellungnahme des Klinikums wurde durch den diensthabenden Arzt eine notfallmäßige Behandlung einschließlich interner Kortikoidtherapie als nicht erforderlich beurteilt und mit dem Verweis auf eine ambulante hautfachärztliche Vorstellung die Patientin aus der Notaufnahme entlassen.
Von Seiten des Klinikums konnte kein Nachweis einer Dokumentation der notfallmäßigen Konsultation erbracht werden. Ein klinischer Befund sowie eine ärztliche Beschreibung des Ausmaßes der Hautveränderungen waren nicht aktennachweislich. Dies stellt einen Dokumentationsmangel dar. Somit konnte zur Bewertung, ob eine notfallmäßige Akutbehandlung indiziert war, nur der weitere zur Notfallbehandlung führende Verlauf der Beschwerdesymptomatik herangezogen werden. Prinzipiell war die Notaufnahme des Klinikums entsprechend der interdisziplinären Leistungsstruktur und Leistungsbeschreibung zur Behandlung allergischer Notfälle einschließlich der Haut geeignet. Laut Definition „medizinischer Notfall“ der Fachgesellschaften sind die geschilderten sowie fotodokumentierten Hautveränderungen besonders durch die Lokalisation Gesicht/Augenlidbereich sowie bei Angabe einer Verschlechterung trotz Eigenbehandlung mit Antiallergika als akut therapiebedürftig einzuordnen. Bei Einbezug der Kenntnis der zeitlichen Entwicklung der Erkrankung durch eine allergische Verursachung, die dem Dienstarzt bekannt war, wäre bei Einsatz einer Kortikoidtherapie, die verzögert durch die Zentrale Notaufnahme des zweitkonsultierten Klinikums erfolgte, das Krankheitsgeschehen wesentlich zu beeinflussen und eine deutliche Verkürzung des Krankheitsverlaufs zu erwarten gewesen. Die ärztliche Entscheidung zur Unterlassung einer befundgerechten Akuttherapie wurde neben dem Dokumentationsmangel als Fehler ärztlichen Handelns bewertet. Es hätte bereits bei Erstkonsultation eine systemische Kortikoidtherapie erfolgen müssen.
Die nachfolgende ärztliche Behandlung durch die Zentrale Notaufnahme des zweitkonsultierten Klinikums mit direkter persönlicher Weiterleitung an eine Universitätshautklinik ist als Beispiel der Möglichkeiten der interdisziplinären Notfallversorgung darzustellen.
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Gesundheitsschaden
Bei korrektem Vorgehen wäre umgehend eine Akuttherapie eingeleitet worden. Durch das fehlerhafte Vorgehen kam es zu folgenden zusätzlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen: Behandlungsverzögerung von ca. 1 ½ Tagen mit Unwohlsein und Verschlimmerung des akuten Gesichtsekzems bis zur Zuschwellung des rechten Auges.
Die Schlichtungsstelle hielt Schadensersatzansprüche für begründet und empfahl, die Frage einer außergerichtlichen Regulierung zu prüfen.
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Medizinische und rechtliche Interpretation
Paraphenylendiamin (PPD) ist ein wichtiges Kontaktallergen, das hauptsächlich zur Haarfärbung verwendet wird [1], jedoch auch in sog. „Henna-Tattoos“ vorkommt [2]. In einer bevölkerungsbasierten europäischen Studie fand sich eine Prävalenz der PPD-Sensibilisierung in der Allgemeinbevölkerung von 0.8 % (95 % Konfidenzintervall 0,6 – 1,0 %) [3]. Demgegenüber wurden im Patientenkollektiv des Informationsverbundes Dermatologischer Kliniken (IVDK) von 4314 in den Jahren 2008 – 2013 mit PPD getesteten Patienten bei 271 (6.3 %) positive Reaktionen auf PPD beobachtet [4]. 80 % der Patienten berichteten über eine Haarfärbung und in der Folge ein allergisches Kopfhautekzem. Ein signifikanter Anteil vom Markt genommener gefährlicher Kosmetikprodukte in Deutschland zeigte hohe Konzentrationen von PPD (bis 10,9 %) [5].
Dass allergische Kontaktekzeme auf PPD sehr schwer verlaufen und zur Hospitalisierung bis hin zur intensivmedizinischen Behandlung zwingen können [6], ist bekannt. Gerade bei der Applikation von PPD-haltigen Farben im Periorbitalbereich können ausgeprägte Ödeme auftreten [7]. Neben einem allergischen Kontaktekzem sind auch eine Kontakturtikaria [8] und ein Erythema exsudativum multiforme [9] auf PPD möglich.
In dem bei der Patientin angewandten Haarfärbemittel war vermutlich neben einem PPD-Derivat (2-Chlor-p-Phenylendiamin) laut INCI-Liste des Herstellers ([Tab. 1]) auch Toluen-2,5-Diamin (TDA) enthalten. Kreuzreaktionen zwischen PPD und TDA sind häufig. Die Kreuzreaktivität ergibt sich aus der fast identischen Molekularstruktur der beiden Chemikalien [10]. Auch Haarfarben, die als „PPD-frei“ beworben werden, können das kreuzreagierende TDA enthalten [11].
Für die Behandlung des akuten allergischen Kontaktekzems stehen eine Reihe von Behandlungsmodalitäten zur Verfügung, von denen nur wenige ausführlich in qualitativ hochwertigen randomisierten, kontrollierten Studien (RCTs) untersucht wurden [12]. Die Wahl der Therapie sollte sich nach der Akuität und dem Schweregrad des Ekzems sowie der Morphologie der Läsionen richten. Am Anfang steht die Erkennung und die Entfernung bzw. Meidung des auslösenden Allergens nach dem Prinzip des „cessat causa, cessat effectus“ [12].
Bei einer akuten Kontaktdermatitis werden topisch Bäder, Umschläge, feuchte Verbände und das Einweichen mit Lösungen, die adstringierend und austrocknend wirken, empfohlen [12]. Dies kann eine einfache physiologische Kochsalzlösung sein, aber auch Aluminiumacetat-enthaltende Lösungen (Burrow-Lösung) und synthetische Tannine-enthaltende Lösungen werden erfolgreich angewandt. Abgesehen von der Verringerung der Exsudation helfen diese feuchten Verbände und Umschläge, getrocknete Krusten und Schuppen aufzuweichen und zu entfernen. Der kühlende Effekt ist ebenfalls vorteilhaft. Bullae sollten steril eröffnet werden, ohne das Dach zu entfernen. Topische Antiseptika werden in Fällen einer Superinfektion eingesetzt. Wegen des Risikos einer Sensibilisierung und einer bakteriellen Resistenzentwicklung wird antiseptischen Lösungen wie Chlorhexidin oder Octenidin gegenüber topischen Antibiotika der Vorzug gegeben.
Topische Kortikosteroide stellen die Hauptsäule der antiinflammatorischen Behandlung des allergischen Kontaktekzems dar [12]. Systemische Kortikosteroide können bei ausgedehnter oder schwerer akuter Kontaktdermatitis, wie sie nach Exposition zu PPD auftreten kann, und bei Exazerbationen chronischer Kontaktekzeme erforderlich sein. I. d. R. werden sie kurzfristig in einer Dosierung von 0,5 – 1 mg/kg Prednisolon-Äquivalent/Tag mit rascher Dosisreduktion gegeben [12]; ihre langfristige Anwendung ist bei der Kontaktdermatitis aufgrund ihrer bekannten Nebenwirkungen nicht angezeigt.
Systemische Immunsuppressiva wie Azathioprin, Methotrexat, Cyclosporin und andere kommen wegen ihres verzögerten Wirkungseintritts beim akuten allergischen Kontaktekzems nicht zum Einsatz, sondern sind den chronischen schweren Ekzemen vorbehalten [13].
Mit der Übernahme der Notfallbehandlung der Patientin in der Notaufnahme hatte das angeschuldigte Krankenhaus einen Behandlungsvertrag nach § 630a BGB abgeschlossen; es war damit zur Erbringung der versprochenen Behandlung verpflichtet. Die Behandlung hat dabei nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist (§ 630a Abs. 2 BGB).
Ein Behandlungsfehler liegt nicht erst vor, wenn eine Maßnahme „zwingend“ geboten war, sondern bereits dann, wenn ihr Unterbleiben dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderläuft [14]. „Mit dem fachlichen Standard ist derjenige Standard gemeint, der von Angehörigen des jeweiligen Fachs bei Durchführung der jeweiligen Behandlung einzuhalten ist, also eine Behandlung, wie sie ein durchschnittlich qualifizierter, gewissenhafter und aufmerksamer Behandler des jeweiligen Fachgebietes nach dem jeweiligen Stand von medizinischer Wissenschaft und Praxis an Kenntnissen, Wissen, Können und Aufmerksamkeit zu erbringen in der Lage ist“ [14]. Nun handelte es sich bei dem Arzt in der Notaufnahme des angeschuldigten Krankenhauses nicht um einen Facharzt für Dermatologie. Zwar wird von dem in der Notaufnahme tätigen Arzt kein dermatologisches Fachwissen erwartet werden können, jedoch muss er die Grundlagen allergischer Reaktionen und deren Behandlung kennen, wie sie unabhängig von jeder Spezialisierung von jedem Arzt erwartet werden muss. In diesem Sinne äußerte sich die Schlichtungsstelle, als sie darauf hinwies, dass die Hautveränderungen der Patientin besonders durch die Lokalisation Gesicht/Augenlidbereich sowie durch die Angabe einer Verschlechterung trotz Eigenbehandlung mit Antiallergika als akut therapiebedürftig einzuordnen waren und eine Verweisung an den niedergelassenen Hautarzt ohne Notfalltherapie eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung darstellte. Zu den berufsrechtlichen Pflichten des Arztes gehört es auch, rechtzeitig andere Ärzte hinzuzuziehen oder ihnen die Patientin oder den Patienten zur Fortsetzung der Behandlung zu überweisen, soweit dies für die Diagnostik und Therapie erforderlich ist und insbesondere, wenn sie fachlich überfordert sind [15], wie dies bei dem zweitkonsultierten Klinikum korrekt erfolgte.
Nach § 630f Abs. 1 BGB ist der Behandelnde verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. In der Patientenakte sind sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen (§ 630f Abs. 2 BGB). Dies war im vorliegenden Fall nicht erfolgt, wie die angeschuldigte Klinik mitteilte, sodass auf ein „pflegerisches Gedächtnisprotokoll anhand des Dienstplanes“ zurückgegriffen werden musste. Insofern lag zusätzlich ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht aus dem Behandlungsvertrag vor, die für die Beurteilung der ärztlichen Sorgfaltspflichtverletzung durch die Schlichtungsstelle jedoch nicht wesentlich war, da durch die angeschuldigte Klinik die Unterlassung der Notfallbehandlung eingeräumt worden war.
Klinisch schwere akute allergische Kontaktekzeme bedürfen einer medizinischen Notfalltherapie, wozu neben einer Entfernung und Meidung möglicherweise auslösender Allergene auch eine topische und ggf. systemische antiinflammatorische Therapie gehört. Die Unterlassung dieser Notfalltherapie kann eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung und damit einen Behandlungsfehler darstellen. Die Versorgung dermatologischer Notfälle durch Nichtdermatologen entbindet diese nicht von der Pflicht zu einer Notfallbehandlung, wie sie unabhängig von jeder Spezialisierung von jedem Arzt erwartet werden muss. Interdisziplinäre Notfallambulanzen sollten Möglichkeiten der konsiliarischen Unterstützung durch Dermatologen vorsehen.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Literatur
- 1 Schnuch A, Lessmann H, Frosch PJ. et al. para-Phenylenediamine: the profile of an important allergen. Results of the IVDK. Br J Dermatol 2008; 159: 379-386
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- 3 Diepgen TL, Naldi L, Bruze M. et al. Prevalence of Contact Allergy to p-Phenylenediamine in the European General Population. J Invest Dermatol 2016; 136: 409-415
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- 10 Vogel TA, Heijnen RW, Coenraads P-J. et al. Two decades of p-phenylenediamine and toluene-2,5-diamine patch testing – focus on co-sensitizations in the European baseline series and cross-reactions with chemically related substances. Contact Dermatitis 2017; 76: 81-88
- 11 Ingram JR, Hughes TM, Stone NM. Potential danger of hair dyes marketed as free from para-phenylenediamine. Int J Dermatol 2014; 53: e257-e258
- 12 Antonov D, Schliemann S, Elsner P. Therapy and Rehabilitation of Allergic and Irritant Contact Dermatitis. Contact Dermatitis; 2011: 963-983 Im Internet: http://dx.doi.org/10.1007/978-3-642-03827-3_49
- 13 Elsner P, Agner T. Hand eczema: treatment. J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 34 (Suppl. 01) 13-21
- 14 Lafontaine C. § 630a BGB Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag. In: Junker M, Beckmann RM, Rüßmann H. Hrsg. Juris PraxisKommentar BGB: Schuldrecht: (Teil 3: 631 bis 853). Juris GmbH; 2015
- 15 Musterberufsordnung für Ärzte. 2015 Im Internet: http://dx.doi.org/10.3238/arztebl.2015.mbo_daet2015
- 16 RefectoCil® Augenbrauen- und Wimpernfarben. A-2333 Leopoldsdorf: GW Cosmetics GmbH. Im Internet: https://www.hair-haus.de/fileadmin/downloads/Produktdatenblatt%20fuer%20RefectoCil%20AWF%20%28Schwarze%20blaue%20und%20braune%20Farbtoene%29%204%20%201%20%2013.pdf
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
17 June 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Schnuch A, Lessmann H, Frosch PJ. et al. para-Phenylenediamine: the profile of an important allergen. Results of the IVDK. Br J Dermatol 2008; 159: 379-386
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