Schlüsselwörter
Malignom - Rheumatologie - Paraneoplasie - Myositis - Tumorsuche
Key words
Malignancy - Rheumatology - Paraneoplasia - Myositis - Tumorsuche
Einleitung
Das primäre Ziel der Vorstellung beim Rheumatologen ist die
Bestätigung oder der Ausschluss einer entzündlich rheumatischen
Erkrankung (RMD) und Hilfe zu finden. Aufgrund der häufig unspezifischen
Symptome und begrenzten ärztlichen Untersuchungszeit [10] gelingt auch erfahren rheumatologischen
Fachärzten (FÄ) nicht immer eine korrekte Diagnosestellung bei
klassischen und häufigen rheumatischen Erkrankungen wie der rheumatoiden
Arthritis [6]. Malignome gehen in etwa
8% der Fälle mit paraneoplastischen Syndrome einher [2]. Das Erkennen der typischen Charakteristika
der paraneoplastischen Syndrome kann dann eine genauere Abklärung und
rechtzeitige kurative Therapie ermöglichen. Wir möchten in dieser
Übersichtsarbeit daher einige rheumatologische paraneoplastische Syndrome
vorstellen.
Rheumatologische paraneoplastische Syndrome
Essentiell für die Diagnose eines paraneoplastischen Syndroms ist eine
kausale Beziehung zwischen den muskuloskelettalen Symptomen und dem
zugrundeliegenden Malignom. Zur Begründung von Kausalität haben
sich hier und in anderen Bereichen der Medizin die 9 Bradford Hill Kriterien
etabliert. In dieser Übersichtsarbeit sollen daher Syndrome vorgestellt
werden die diese Kriterien am ehesten erfüllen. [Tab. 1] zeigt diagnostische Hinweise auf
ein rheumatisches paraneoplastisches Syndrom.
Tab. 1 Hinweise auf ein rheumatisches paraneoplastisches
Syndrom [29].
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Bei Myositiden: Nachweis von Anti-TIF-1γ,
Anti-NXP-2 Autoantikörpern,
ausgeprägte Muskelbeteiligung (sehr hohe
Kreatinkinasewerte), ausgeprägte
Hautbeteiligung mit Ulzerationen bei fehlender
Organbeteiligung,
Paraneoplastische Arthritis (PA)
Die paraneoplastisches Arthritis ist besonders schwierig zu erkennen, da neben
der Polyarthritis bei bis zu 23% ein positiver Rheumafaktor und bei
11% der Patienten positive anti-citrullinierte Proteine (ACPAs)
vorliegen [13]. Eine asymmetrische
Gelenkbeteiligung (91%), vorwiegend männliche Beteiligung und
ein schlechtes Therapieansprechen auf Disease-modifying anti-rheumatic drugs
(DMARDS) lassen auf die paraneoplastische Genese schließen.
Palmare Fasziitis mit Polyarthritis (PFPAS)
Die PFPAS bietet im Vergleich zur PA durch die Entzündung der
palmaren/plantaren Faszien ein markanteres Erscheinungsbild Die
symmetrische, schmerzhafte Schwellung der Hände mit betonter palmarer
Gewebeverhärtung „woody hands“ führt
häufig zu fortschreitenden Flexionskontrakturen ähnlich dem
Morbus Dupuytren. Bei über der Hälfte der bekannten
Fälle liegt ein Ovarialkarzinom bzw. ein anderes urogenitales Karzinom
vor [18]
[23].
Pankreatische Pannikulitis mit Polyarthritis (PPP)
Eine Polyarthritis zusammen mit Pannikulitis, die einem Erythema nodosum
ähnelt, tritt häufig bei Patienten mit Pankreatitis und stark
erhöhten Lipasewerten auf [24] Am
häufigsten betroffen sind Knie-, Sprung-, Hand- und
Metacarpophalangealgelenke. Beim Azinuszellkarzinom kommt es häufig auch
zum PPP mit hohen Lipasewerten. Hier geht das PPP mit einer schlechten Prognose
einher [36].
Remitting seronegative symmetrical synovitis with pitting edema
(RS3PE)
Charakteristisch für das Syndrom sind symmetrische Weichteilschwellungen
des Hand- und Fußrückens Niedrigdosierte Kortikosteroide
führen zu sehr gutem Therapieansprechen. Schlechtes Therapieansprechen
ist hinweisend auf das Vorliegen eines Malignoms, das bei etwa einem Drittel der
Patienten vorliegt [15]. Serologisch
konnten bei Patienten einer japanischen Kohorte erhöhte Serum Matrix
Metalloproteinase 3 (MMP-3) Spiegel nachgewiesen werden [25].
Tumorinduzierte Osteomalazie (TIO)
Das Syndrom wird durch seltene mesenchymale ossäre Tumorentitäten
(40%) oder Weichtteiltumore (55%) verursacht, wobei etwa
8% maligne sind [12]. Tumorzellen
setzen fibroblast growth factor 23 (FGF 23) frei, der durch Bindung an
Rezeptoren proximaler Nierentubuluszellen zu vermehrter Phosphatsekretion
führt [9]. Laborchemisch liegt
eine Hypophosphatämie, Hyperphosphaturie, erhöhte alkalische
Phosphatase und ein normwertiger bis erniedrigter 1,25-Dihydroxycholecalciferol
Spiegel vor. Klinisch kommt es zu Knochenschmerzen, Spontanfrakturen,
Muskelschwäche und Fatigue.
Paraneoplastische Vaskulitis
Die kutane leukozytoklastische Vaskulitis ist die häufigste Form der
Vaskulitis, die mit malignen Erkrankungen und palpablen Purpura der unteren
Extremitäten einhergeht [8]
[33]. In mehr als der Hälfte der
Fälle liegt eine hämatoonkologische Systemerkrankung zu Grunde
[4]
[7]. Bei 3 Patienten wurde das Vollbild
einer Pupura Schönlein-Hennoch mit Arthritis und IgA-Ablagerungen
dokumentiert [26].
Hypertrophe Osteoarthropathie (Marie-Bamberger) (HOA)
Die klassische Paraneoplasie wird insbesondere durch thorakale Malignome und
insbesondere Bronchialkarzinome hervorgerufen [11]
[17]. Durch vermehrte Produktion von
vascular endothelial growth factor (VEGF) kommt es zur Differenzierung des
Periosts zu Osteoblasten [22]. Hierdurch
kommt es zu den typischen Trommelschlegel-fingern (), -zehen, Arthritis,
Arthralgien, Knochenschmerzen vor allem in Tibia und Femur durch
Osteoproliferationen die in Szintigrafie und Positronenemissionstomografie (PET)
dargestellt werden können [21].
Malignom-assoziierte Myositis (CAM)
Inflammatorische Myopathien (IIM) umfassen eine heterogene Gruppe von
Muskelerkrankungen [16] und gehen mit
einem unterschiedlichen Malignomrisiko einher [28]. Die Untergruppe der Dermatomyositiden geht im Unterschied zu den
anderen teilweise schlecht definierten IIM mit einem deutlichen erhöhten
Malignomrisiko einher [28]. Das
Malignomrisiko von Dermatomyositis Patienten mit Anti-TIF1γ ist um das
27-fache erhöht [34].
TIF-1γ ubiquitiniert das Tumorsuppressorgen p53, reguliert es dadurch
herunter, was zu einer verminderten Apoptose von Tumorzellen führt. Das
vermehrte Vorkommen von TIF-1γ in Haut und Muskelzellen
unterstützt die äthiopathogenetische Bedeutung von
TIF-1γ [30]. Antikörper
gegen das nukleäre Matrixprotein 2 (NXP2) gehen ebenfalls mit einem etwa
4-fach erhöhtem Malignomrisiko im Vergleich zur
Normalbevölkerung einher [1]. Das
Fehlen spezifischer Antikörper bei IIM Patienten geht auch mit einem
erhöhten Malignomrisiko einher [35]. Rheumatologen sind sich einig, dass ein Malignom Screening
generell bei IIM Patienten erfolgen sollte [5]. Es gibt Evidenz die ein blindes Screening von IIM Patienten
unterstützt [14] und klare
Algorithmen für das Screening bei IIM Patienten [31]. Die größte
Wahrscheinlichkeit für ein Malignom liegt ein Jahr nach und 1 Jahr vor
Symptombeginn und dehnt sich auf etwa 3 bis 5 Jahre vor/nach
Symptombeginn aus [32].
Das Erkennen eines paraneoplastischen Syndroms und die korrekte
weiterführende Abklärung wird aufgrund der geringen
Datenlage und mangelnden Empfehlungen komplex bleiben. [Tab. 2] listet die besprochenen
Syndrome und spezielle Charakteristika zusammenfassend auf. Innovative
Entwicklungen wie „Liquid-Biopsy“ [3], die mittels Blutprobe
Malignomdetektion ermöglichen und klinische
Entscheidungsunterstützungssysteme, die passiv Informationen
verarbeiten und Ärzte auf auffällige Befunde aufmerksam
machen [27] könnten das
klinische Vorgehen in Zukunft vereinfachen.
Tab. 2 Rheumatische paraneoplastische Syndrome und deren
Charakteristika [19]
[20]
[29].
Syndrom
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klinische Beschwerden/Besonderheiten
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Labor
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assoziierte Tumorentität
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Paraneoplastische Arthritis
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asymmetrische Arthritis, M>F
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23% RF, ACPA 11%
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Hämatoonkologisch (ca. ein Drittel), Adenokarzinome
der Lunge, Mammakarzinome
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Palmare Fasziitis mit Polyarthritis
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F>M, „woody hands“
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Ovarialkarzinom (in fast 40%), andere Tumoren des
weiblichen Urogenitaltrakts
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Remitting seronegative symmetrical synovitis with pitting
edema
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periphere dorsale Weichteilschwellung
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MMP-3 Erhöhung
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divers, ca. 30% paraneoplastisch bedingt
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Pankreatische Pannikulitis mit Polyarthritis
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Pankreatitis, Erythema nodosum, Arthritis
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Lipase Erhöhung
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Azinuszellkarzinom des Pankreas
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Tumorinduzierte Osteomalazie
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Knochenschmerzen, Spontanfrakturen, Muskelschwäche
und Fatigue
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Hypophosphatämie, Hyperphosphaturie, erhöhte
alkalische Phosphatase
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Sehr seltene mesenchymale, auch benigne Tumoren
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Paraneoplastische Vaskulitis
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palpable Purpura der unteren Extremitäten
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Hämatoonkologisch, Bronchialkarzinom, Mammakarzinom,
urogenitale Malignome
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Hypertrophe Osteoarthropathie
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gutes Ansprechen auf NSAR
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Malignome des Thorax
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Malignom-assoziierte Myositis
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Dermatomyositis mit ausgeprägter Hautbeteiligung
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Anti-TIF-1γ, Anti-NXP-2 Nachweis
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Ovarialkarzinom, Pankreaskarzinom, Magenkarzinom, kolorektale
Karzinome
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F Frauen, M Männer, RF Rheumafaktor, ACPA Antikörper
gegen citrullinierte Proteine, TIF-1γ anti-transcription
intermediary factor 1 gamma, NXP-2 nuclear matrix protein 2, MMP-3
Matrix Metalloproteinase-3, NSAR nichtsteroidale Antirheumatika.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an
Menschen oder Tieren.