Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2021; 56(10): 666-678
DOI: 10.1055/a-1226-4720
Topthema
CME-Fortbildung

Perioperativer Umgang mit der Dauermedikation bei kardialen Vorerkrankungen

Proper Perioperative Handling of Continuous Medication in Patients with Cardiac Comorbidities
Tobias Ninke
,
Erich Kilger

Zusammenfassung

Arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz und koronare Herzerkrankung kann man in Deutschland als Volkskrankheiten betrachten. Somit ist der Anästhesist täglich mit Patienten konfrontiert, die kardial wirksame Medikamente einnehmen. Welche soll man perioperativ weiter verabreichen und welche besser pausieren? Dieser Beitrag stellt hierzu internistische Behandlungskonzepte und den perioperativen Umgang mit kardialen Medikamenten vor.

Abstract

Cardiac comorbidities place a significant burden on the German population. Every third adult is diagnosed with arterial hypertension (AHT). In 2017 congestive heart failure (CHF) pertained approximately 2,5 million of mandatory health-insured patients. Coronary artery disease (CAD) is diagnosed in 28,3% of men and 19,1% of women older than 65 years.

For optimal perioperative care it is important to have a sound knowledge of current treatment strategies of cardiac comorbidities. This helps in gaining an optimal risk stratification of the individual patient. It also ensures an optimal anesthesiological perioperative care for the patient at hand. Recommendations for the perioperative discontinuation or continuation of cardiac active drugs vary between countries and responsible medical societies.

This article provides an in-depth review of the current medical therapies for cardiac conditions like AHT, CHF or CAD. The varying recommendations for the perioperative discontinuation/continuation of these therapies are also reviewed.

Kernaussagen
  • Kenntnisse über die aktuellen internistischen Behandlungskonzepte kardialer Vorerkrankungen erleichtern dem Anästhesisten die Beurteilung und Risikostratifizierung des Patienten. Außerdem ermöglicht dieses Hintergrundwissen eine sinnvolle sowie patientenfokussierte peri- und postoperative Betreuung.

  • Bei der Behandlung der arteriellen Hypertonie (aHT) sind ACE-Hemmer Medikamente der 1. Wahl und können mit Diuretika kombiniert werden. β-Blocker sind bei der aHT den ACE-Hemmern unterlegen.

  • Zur Behandlung der Herzinsuffizienz werden als Basistherapie eine Kombination aus β-Blockern und ACE-Hemmern bzw. AT-II-Blockern eingesetzt. Eine Ergänzung dieser Basistherapie bei Patienten mit erniedrigter LVEF erfolgt anhand eines Stufenschemas.

  • Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren werden eingesetzt bei Patienten mit Herzinsuffizienz, die trotz einer Therapie mit ACE-Hemmern weiterhin Symptome zeigen und eine LVEF < 35% haben.

  • Als Medikamente der Wahl zur Behandlung einer KHK werden β-Blocker und Ca2+-Antagonisten eingesetzt.

  • Perioperativ sollen ACE-Hemmer/AT-II-Blocker bei Patienten mit Herzinsuffizienz nach Möglichkeit fortgeführt werden. Ansonsten sind diese Medikamente perioperativ zu pausieren.

  • Die Einnahme von β-Blockern soll perioperativ fortgeführt werden. Auch Statine sollten aufgrund ihrer protektiven und pleiotropen Effekte perioperativ fortgeführt werden.

  • Eine vorbestehende Einnahme von Nitraten sollte perioperativ nicht abrupt beendet werden.

  • Digitalisglykoside weisen eine lange Halbwertszeit auf. Sie perioperativ abzusetzen, kann zu einer Tachyarrhythmia absoluta führen.

  • Postoperativ sollte die patienteneigene Therapie mit kardial wirksamen Medikamenten nach Möglichkeit zeitnah und ohne Verzögerungen wieder aufgenommen werden.



Publication History

Article published online:
26 October 2021

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