CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen 2020; 82(11): 920-930
DOI: 10.1055/a-1241-3983
Originalarbeit

Verbleib der Absolventinnen und Absolventen der Modellstudiengänge in den Gesundheitsfachberufen in Nordrhein-Westfalen: Ergebnisse zu Beschäftigungsmerkmalen und Kompetenzen in der Berufspraxis

Graduates of the Model Study Courses in the Health Professions in North Rhine-Westphalia: Employment Characteristics and Competencies in Professional Practice
1   Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Hochschule für Gesundheit Bochum, Bochum
,
Christian Grebe
2   Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit, Fachhochschule Bielefeld, Bielefeld,
,
Christoph Bräutigam
3   Forschungsschwerpunkt Arbeit und Wandel, Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule, Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen
,
Rüdiger Hoßfeld
4   Stabsstelle Qualität in Studium und Lehre, Hochschule für Gesundheit Bochum, Bochum
,
Änne-Dörte Latteck
2   Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit, Fachhochschule Bielefeld, Bielefeld,
,
Anke Helmbold
5   Fachbereich Gesundheitswesen, Katholische Hochschule Nordrhein Westfalen, Köln
,
Stefan Heim
6   Medizinische Fakultät, RWTH Aachen University, Aachen
,
Marcellus Bonato
7   Fachbereich Gesundheit, Münster, Fachhochschule Münster
,
Jörg große Schlarmann
8   Hochschulbereich Gesundheit, praxisHochschule – Standort Rheine, Rheine
,
Renate Adam-Paffrath
9   Lehrgebiet Pflege und Gesundheit, Fliedner Fachhochschule Düsseldorf, Düsseldorf
,
Sascha Sommer
1   Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Hochschule für Gesundheit Bochum, Bochum
,
Elke Oetken
10   Schule für Logopädie, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen
,
Nina Jacobs
6   Medizinische Fakultät, RWTH Aachen University, Aachen
,
Anke Mijatovic
5   Fachbereich Gesundheitswesen, Katholische Hochschule Nordrhein Westfalen, Köln
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Ziel Ziel des Artikels ist es, zentrale Ergebnisse aus der landesweiten Studie zum Verbleib der Absolventen aus den 12 Modellstudiengängen in den Gesundheitsfachberufen in Nordrhein-Westfalen zu referieren. Untersuchungsziel der Studie ist es, den beruflichen Verbleib nach dem Abschluss eines berufsqualifizierenden Modellstudiums zu beschreiben und Merkmale sowie Rahmenbedingungen der beruflichen Situation darzustellen. Im Mittelpunkt des Artikels stehen Erkenntnisse zu den Merkmalen der Haupterwerbstätigkeit der Absolventen und zur Anwendung der im Studium vermittelten Kompetenzen im Berufsalltag.

Methodik Insgesamt 515 Absolventen aus den Modellstudiengängen Pflege (N=244), Physiotherapie (N=97), Logopädie (N=95), Ergotherapie (N=47) und Hebammenkunde (N=32) haben sich im Frühsommer 2018 an einer Online-Querschnitt-Befragung beteiligt. In die Befragung eingeschlossen waren alle Abschlussjahrgänge zwischen Wintersemester 2013/2014 und Sommersemester 2017. Ergänzend wurden Arbeitgeber (N=109) befragt, die Absolventen aus den genannten Studiengängen eingestellt haben.

Ergebnisse Die Absolventen sind v. a. im Krankenhaus und in ambulanten Therapiepraxen tätig. Acht von 10 Absolventen (84%) erbringen vornehmlich klientennahe Aufgaben. 71% dieser klientennah arbeitenden Absolventen erbringen im Vergleich zu fachschulisch ausgebildeten Personen ergänzend besondere Aufgaben. Die Absolventen schätzen sich in allen untersuchten Kompetenzdimensionen durchschnittlich als handlungssicher ein. Die Arbeitgeber nehmen in allen Kompetenzdimensionen bei den Absolventen einen „Kompetenzvorsprung“ im Vergleich zu fachschulisch Ausgebildeten wahr.

Schlussfolgerungen Die Resultate der Verbleibstudie unterstützen die Empfehlung, die Studiengänge aller untersuchten Gesundheitsfachberufe berufsgesetzlich zu verankern und ihren Regelbetrieb an den Hochschulen einzuführen.


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Abstract

Aim The aim of this article was to present key results of the graduates’ survey VAMOS. The study examined the professional status of the graduates of 12 model study courses in the health professions in North Rhine-Westphalia. The focus of the article was on the employment characteristics of the current main jobs and the application of the academic competencies in everyday professional life.

Methods In the early summer of 2018 (April to June), 515 graduates of the model study courses in nursing (N=244), physiotherapy (N=97), speech therapy (N=95), occupational therapy (N=47), and midwifery (N=32) were included in an online cross-sectional survey. Graduating classes between the winter semester 2013/2014 and the summer semester 2017 were included. In addition, employers (N=109) were interviewed who hired graduates from the model study courses.

Results The main jobs of the graduates were mostly located in hospitals and outpatient therapy practices. Eight out of ten graduates (84%) performed tasks in direct contact with patients as the main part of their employment. In 71% of these cases, the regular tasks were combined with extended activities in comparison to colleagues without an academic degree. On average, the graduates felt confident in all competency dimensions examined in this study. In all dimensions, employers perceived a “competence advantage” for graduates compared to colleagues without an academic degree.

Conclusion The results of this graduate survey support the current recommendation to have the study programs in the five health care professions governed by professional laws and to enable the programs to be carried out at universities.


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Einleitung

Der Versorgungsbedarf einer ansteigenden Zahl chronisch und mehrfacherkrankter Menschen bedingt anspruchsvollere Anforderungsprofile in den Gesundheitsfachberufen [1] [2]. Das Fachpersonal in Pflege, Hebammenwesen, Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie ist aufgefordert, interprofessionell und sektorenübergreifend mit anderen Berufsgruppen zusammenzuarbeiten [1] [3]. Hinzu kommt die Notwendigkeit, evidenzbasiert zu handeln und Beratungsaufgaben vor dem Hintergrund steigender Informationsbedürfnisse der Klienten/Patienten wahrzunehmen [1]. Die hochschulische Erstqualifizierung, wie sie im europäischen Ausland weitgehend üblich ist, wird daher auch in Deutschland als Element zukunftsfähiger Ausbildungsstrukturen angesehen, um den veränderten Anforderungen in den Gesundheitsfachberufen gerecht zu werden [1] [4].

Als Folge von Erprobungsregelungen (Modellklauseln), die der Gesetzgeber in den Berufsgesetzen der Pflege [5] [6], der Therapieberufe sowie der Hebammenkunde [7] geschaffen hat, ist die hochschulische Erstqualifizierung auch in Deutschland möglich geworden. In Nordrhein-Westfalen (NRW) wurden seit Wintersemester 2010/2011 an 7 Hochschulen 12 berufsqualifizierende Modellstudiengänge angeboten. Fünf der Studiengänge hatten die Fachrichtung Pflege. Darüber hinaus wurden 3 Logopädie- und 2 Physiotherapiestudiengänge sowie jeweils einer mit den Fachrichtungen Ergotherapie und Hebammenkunde angeboten. Gemeinsames Merkmal der Studiengänge ist, dass die Gesamtverantwortung für die Berufsqualifizierung bei den Hochschulen und nicht bei Berufsfachschulen liegt. Im Rahmen der Modellstudiengänge erwerben Studierende einen staatlichen Berufs- und einen Bachelorabschluss. Ein Qualifikationsmehrwert im Vergleich zur fachschulischen Ausbildung ist hierbei in der curricularen Konzeption der Studiengänge zu sehen. Die Hochschulcurricula greifen gezielt die veränderten Anforderungen der Versorgung auf, indem sie u. a. auf „die Anwendung wissenschaftlichen Wissens“ im Kontext klinischen Handelns, die „Fähigkeit zum Aufbau und zur Reflexion von Arbeitsbündnissen“ und die „Förderung von interprofessionellem Lernen und Handeln“ als wesentliche Kompetenz- und Bildungsziele fokussiert sind [8]. Ziel ist es, berufsqualifizierende Studiengänge anzubieten, die zu beruflicher Handlungskompetenz befähigen, um pflegerische, therapeutische oder hebammenkundliche Prozesse in allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung und unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Evidenz durchführen und reflektieren zu können. Als Einsatzbereich für die Absolventen werden v. a. „komplexe Aufgabenbereiche“ in der direkten Versorgung von Klienten/Patienten gesehen [1]. Die Evaluation der Modellstudiengänge in NRW im Jahre 2014 belegte eine erfolgreiche Kompetenzvermittlung und zeigte den Bedarf für die Untersuchung von Fragen zum beruflichen Verbleib der Studienabsolventen auf [9].

Um Aussagen zum Absolventenverbleib treffen zu können, wurde durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Verbleibstudie VAMOS gefördert (Projektlaufzeit: 2017–2019) [10]. Die Studie wurde ausgeführt von den 7 Hochschulen mit Modellstudiengängen, dem Institut für Bildungs- und Versorgungsforschung im Gesundheitsbereich (InBVG), dem Institut Arbeit und Technik (IAT) und dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ).

Bisher haben sich bundesweit 3 empirische Untersuchungen mit der Frage des beruflichen Verbleibs von Absolventen aus Modellstudiengängen beschäftigt. Daten von Absolventen aus NRW sind hierbei lediglich in der Untersuchung von Baumann und Kugler enthalten, die insgesamt 273 Pflegeabsolventen aus 14 Hochschulen im gesamten Bundesgebiet zum Verbleib und zur Zufriedenheit mit der beruflichen Arbeitssituation befragt haben [11]. In einer Online-Befragung des Hochschulverbunds Gesundheitsfachberufe (HVG) wurden zudem 143 Absolventen aus therapeutischen Modellstudiengängen außerhalb des Bundeslands NRW nach ihrer Berufstätigkeit und Berufszufriedenheit befragt [12] [13]. Für die Berufsgruppe der Hebammen ist in einer qualitativen Studie der berufliche Verbleib der ersten Absolventenkohorte der hessischen Hochschule Fulda beschrieben worden (N=8) [14].

Mit den Ergebnissen der Studie VAMOS liegen erstmals umfangreiche Daten für alle Berufsgruppen und Modellstudiengänge in NRW aus Absolventen- und Arbeitgeberperspektive vor [10]. Im vorliegenden Artikel werden ausgewählte quantitative Ergebnisse geschildert, die einen Beitrag zur Beurteilung der Studiengänge im Hinblick auf zentrale Beschäftigungsmerkmale und Bildungsparameter in Form des Einbringens der Kompetenzen in die Versorgung liefern können. Leitend waren hierbei folgende Fragestellungen [10]:

Arbeitsfelder und Aufgabenbereiche

  1. In welchen Arbeitsfeldern bzw. Settings arbeiten die Absolventen?

  2. Übernehmen die Absolventen besondere Aufgabenbereiche und, falls ja, um welche handelt es sich dabei?

    Ausprägung und Nutzung der Kompetenzen

  3. Wie schätzen die Absolventen selbst ihr Kompetenzniveau ein?

  4. In welchem Maße bringen die Absolventen ihre erworbenen Kompetenzen in ihre berufliche Praxis ein?

  5. Wie werden die spezifischen Kompetenzen der hochschulisch qualifizierten Absolventen von Seiten der Arbeitgeber eingeschätzt und eingesetzt?


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Methodik

Befragung der Absolventen

Die Perspektive der Absolventen wurde mittels einer als standardisierte Onlinebefragung angelegten Querschnittserhebung im Zeitraum von April bis Juni 2018 erhoben. Die Zielpopulation umfasste alle 1124 Studierenden der 12 Modellstudiengänge in NRW mit Studienabschluss bis spätestens Sommersemester 2017. Die Befragten erhielten von ihren Hochschulen individuelle Zugangscodes zur Teilnahme an der Befragung. Für die Datenerhebung wurde LimeSurvey in Version 2.73 eingesetzt. Die Datenanalyse erfolgte mit SPSS in Version 24 sowie in R.

Zur Erfassung der Handlungssicherheit in beruflichen Situationen wurden, ausgehend von den konsentierten „gemeinsamen Qualifizierungszielen“ der Modellstudiengänge [15], mit den Health Professionals Competence Scales (HePCoS) reliable und konstruktvalide Messinstrumente entwickelt. Diese Skalen weisen eine interne Konsistenz (Cronbach’s Alpha) zwischen 0,79 und 0,95 auf [16]. Jede Skala erfasst mit einem Punktwert zwischen 0 und 100 die Ausprägung der Handlungssicherheit als Selbsteinschätzung in jeweils einer von acht Kompetenzdimension. Zudem wurde die Einschätzung der Kompetenznutzung der Absolventen erfragt (in Anlehnung an [17]).

Aufgabenprofile der Absolventen wurden in einem induktiven Verfahren aus verschiedenen Angaben (Klientennähe der Tätigkeit, Setting, besondere über die Aufgaben der Berufskollegen hinausgehende Aufgaben, angestellte vs. selbstständige Tätigkeit, Wahrnehmung einer Vorgesetztenfunktion, erforderliches Qualifikationsniveau der Tätigkeit, Tätigkeitsbeschreibung als Freitext) entwickelt und die Profile den Befragten anschließend deduktiv durch 2 unabhängige Personen zugeordnet. Vorwiegend klientennahe Erwerbstätigkeiten wurden dabei in 2 Profile untergliedert. Zum einen in solche, die sich hinsichtlich der Aufgabenbereiche nicht oder nur unwesentlich von den Aufgaben fachschulisch qualifizierter Kollegen unterscheiden. Zum anderen in solche Erwerbstätigkeiten, bei denen der geringere Teil der Tätigkeit aus besonderen Aufgaben besteht, die im Vergleich zu den jeweiligen Fachkollegen in höherem Maße übernommen werden (z. B. klinisch-fachliche Expertise, Prozesssteuerung, Beratung, Schnittstellenmanagement, wissenschaftliche Recherche, Projektarbeit, Qualitätsmanagement, Konzeptentwicklung, Leitungsaufgaben).

N=518 Absolventen loggten sich in die Onlinebefragung ein, von denen 3 die Befragung bereits vor der ersten Frage abbrachen. In die Analyse flossen somit N=515 Absolventen ein. Von diesen entfielen 244 auf die Pflege, 97 auf die Physiotherapie, 95 auf die Logopädie, 47 auf die Ergotherapie und 32 auf die Hebammenkunde. Der Bruttorücklauf betrug 45,8%. Die Rücklaufquote lag je nach Studienrichtung zwischen 40,0% (Hebammenkunde) und 53,7% (Physiotherapie). Die Verteilung der Abschlussjahrgänge unterschied sich in keiner der Studienrichtungen signifikant (p>0,05, Chi2-Tests) von der Grundgesamtheit. Im arithmetischen Mittel (± Standardabweichung) hatten die Absolventen ihr Bachelorstudium 1,9±1,1 Jahre vor dem Befragungszeitpunkt abgeschlossen. Die Abschlussnoten in der Stichprobe unterschieden sich signifikant um 0,1 Notenpunkte von jenen der Grundgesamtheit in der Pflege (p=0,001) und in der Physiotherapie (p=0,029, jeweils Mann-Whitney-U-Tests), nicht jedoch in den übrigen 3 Studienrichtungen.


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Befragung der Arbeitgeber

Die Erfassung der Perspektive der Arbeitgeber erfolgte mittels einer standardisierten Online-Befragung, die von Juli bis Dezember 2018 durchgeführt wurde. Die Entwicklung des Erhebungsinstruments erfolgte auf Basis einer Literaturrecherche, die zum einen Interessen, Anforderungen und Erwartungen von Arbeitgebern im Kontext der Beschäftigung akademisch qualifizierter Mitarbeiter in Gesundheitsfachberufen und zum anderen fördernde und hemmende Faktoren im Einstellungs-, Einmündungs- und Entwicklungsprozess von Absolventen zum Gegenstand hatten. Der Fragebogen gliederte sich in mehrere Themenfelder mit jeweils mehreren Items und fragte die Einschätzungen der Arbeitgeber überwiegend mittels Rating-Skalen (bspw. „trifft voll zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“) ab. Das Instrument war für alle Berufe mit Ausnahme einiger Formulierungen (insb. Berufsbezeichnungen) einheitlich. Für die Datenerhebung wurde die Software SoSci Survey genutzt.

Die Befragung der Arbeitgeber beschränkte sich auf jene Einrichtungen und Unternehmen, die Absolventen der Modellstudiengänge in NRW eingestellt hatten. In der Befragung der Absolventen (s. o.) wurden die Teilnehmenden gebeten, anonym ihre Arbeitgeber zu nennen. Auf dieser Basis wurden per Internetrecherche die jeweils passenden Ansprechpartner sowie deren Telefonnummern und E-Mail-Adressen zusammengestellt. Lediglich etwa 20% der Absolventen machten Angaben zu Arbeitgebern. Daher wurde ergänzend auf Informationen der beteiligten Hochschulen/Modellstudiengänge über die beim Studium kooperierenden Praxiseinrichtungen sowie auf ergänzende Informationsquellen zurückgegriffen. Potenzielle Befragungsteilnehmer wurden telefonisch kontaktiert und über das Vorhaben informiert. Konnte der Arbeitgeber die Beschäftigung von Studienabsolventen bestätigen und äußerte die Bereitschaft zur Teilnahme, wurde ein Link zum Fragebogen per E-Mail verschickt. Insgesamt beteiligten sich 109 Arbeitgeber, die zu mehr als der Hälfte aus dem Berufsfeld der Pflege stammten, während die 4 weiteren Berufe Anteile zwischen etwa 10 bis 14% erreichten. Bei den Institutionsarten dominierten das Krankenhaus, das durch mehr als 6 von 10 Befragten repräsentiert wurde, sowie die (Therapie)Praxis mit mehr als einem Viertel am Gesamtrücklauf. Aufgrund der geringen Zahl der einbezogenen Arbeitgeber wird eine Ergebnisdarstellung nicht differenziert nach Berufen vorgenommen. Die Datenanalyse erfolgte mit der Software SPSS.

Der Umgang mit den erhobenen Daten erfolgte sowohl in der Befragung der Absolventen als auch der Arbeitgeber nach vorheriger datenschutzrechtlicher Prüfung durch die Datenschutzbeauftragten der beteiligten Institute und Hochschulen.


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Ergebnisse

Arbeitsfelder und Aufgabenbereiche der Absolventen

Ein Teil der Absolventen gab an, zum Befragungszeitpunkt zugleich mehreren Erwerbstätigkeiten nachzugehen (etwaiges weiteres Studium nicht mitgerechnet). Dies ist am häufigsten unter den Hebammen (40% der Absolventen) und in der Physiotherapie (31,5%) der Fall, seltener in der Pflege (20%), Logopädie (14%) und Ergotherapie (12%). Im Folgenden beziehen sich Angaben zu Beschäftigungsverhältnissen bzw. selbstständigen Erwerbstätigkeiten jeweils ausschließlich auf die Haupterwerbstätigkeit, womit jene mit den meisten Wochenarbeitsstunden gemeint ist.

93,3% der Hebammen, 92,9% der Ergotherapeuten, 86,9% der Logopäden, 86,5% der Physiotherapeuten sowie 78,0% der Pflegenden üben Haupterwerbstätigkeiten aus, die vorwiegend durch klientennahe Aufgaben gekennzeichnet sind ([Abb. 1]). In allen 5 Berufsgruppen handelt es sich dabei deutlich überwiegend um Tätigkeiten, bei denen die klientennahen Aufgabenbereiche zusätzlich um „besondere“ Aufgabenbereiche ergänzt werden, die durch die Absolventen in einem stärkeren Maße als durch deren Fachkollegen übernommen werden. Unter den vorwiegend klientennah arbeitenden Absolventen ist dies bei 84,6% der Ergotherapeuten, bei 80,6% der Logopäden, bei 75,0% der Hebammen, bei 72,7% der Physiotherapeuten und bei 62,9% der Pflegenden der Fall.

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Abb. 1 Aufgabenprofile der Haupterwerbstätigkeit (N), laut Angabe der Absolventen.

Wissenschaftliche Tätigkeiten und wissenschaftliche Assistenztätigkeiten finden sich unter den Haupterwerbstätigkeiten in der Ergotherapie gar nicht, in den übrigen Berufsgruppen machen diese beiden Profile jeweils zusammengenommen ca. 6–7% aus. Vorwiegend durch Lehrtätigkeiten gekennzeichnete Profile finden sich nur in der Logopädie und der Pflege, wo sie 2,4 bzw. 2,8% der Haupterwerbstätigkeiten ausmachen. In der Pflege spielen zudem noch Erwerbstätigkeiten mit vorwiegend manageriellen bzw. administrativen Tätigkeiten eine Rolle (6,4%).

In allen Studienrichtungen ließ sich ein dominierendes Setting identifizieren, in dem der Großteil der Absolventen ihre Haupterwerbstätigkeiten ausübt. Unter Hebammen (53,3%) und Pflegenden (55,8%) ist dies das Krankenhaus, in der Ergotherapie (50,0%), der Logopädie (60,7%) und der Physiotherapie (47,2%) dominieren angestellte Tätigkeiten in einer Therapiepraxis.

Nach Auskunft der Arbeitgeber finden sich die Studienabsolventen überwiegend in klientennahen Verantwortungsbereichen und oftmals auf gleichen Positionen wie fachschulisch Ausgebildete. 80,0% der Arbeitgeber setzen die Absolventen für reguläre Aufgaben ein, also solchen, die auch von fachschulisch qualifizierten Berufsangehörigen wahrgenommen werden ([Abb. 2]). Über die Hälfte (51,1%) gibt an, den Studienabsolventen zur Bearbeitung besonderer Aufgaben eine Teilfreistellung von regulären Aufgaben zu ermöglichen. Bei den besonderen Aufgaben, die sich von denen fachschulisch qualifizierter Personen unterscheiden, werden insbesondere genannt: „Expertentätigkeiten für spezifische fachliche Themen“ (38,9%), Aufgaben bei der „Konzeptentwicklung, -implementierung und -evaluierung“ (36,7%), sowie Aufgaben im Rahmen von „Projektarbeit“ (35,6%). Für „wissenschaftliche Recherche“ werden die Studienabsolventen ebenfalls von gut einem Drittel der Arbeitgeber eingesetzt (34,4%). Verschiedene andere Aufgaben ergänzen das Spektrum.

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Abb. 2 Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Absolventen aus Arbeitgebersicht [N=89] (Mehrfachnennungen waren möglich).

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Ausprägung und Nutzung der Kompetenzen der Absolventen

Auf den HePCoS-Skalen zur Selbsteinschätzung der beruflichen Handlungskompetenz erreichen bzw. übertreffen alle Berufsgruppen bis auf wenige Ausnahmen im Median die Schwelle von 66,7 Punkten, was einer durchschnittlichen Einstufung von „eher sicher“ entspricht ([Tab. 1]). Ausnahmen bilden in der Ergotherapie die Subskala „Praxisanleitung“ in der Kompetenzdimension „Anleiten und Schulen“ (55,6) sowie die Skalen „Qualität sichern und entwickeln“ in der Logopädie, Physiotherapie (jeweils 62,5) und Hebammenkunde (61,8) sowie die Skala „Wissenschaftliche Erkenntnisse recherchieren, bewerten und kommunizieren“ in der Ergotherapie (61,9). Eine besonders hohe Handlungskompetenz gaben die Absolventen in der Dimension „Interprofessionell handeln“ an (76,2 bis 85,7, je nach Berufsgruppe). Auch in der Dimension „Planen, Steuern und Evaluieren therapeutischer/ pflegerischer/ hebammenkundlicher Prozesse“ wurden zwischen 73,3 und 80,0 Punkte erreicht. Der Medianscore auf der Subskala „Schulen und Anleiten von Klient/innen“ lag in der Logopädie, Physiotherapie und Pflege bei 80,0 Punkten.

Tab. 1 Berufliche Handlungskompetenzen (HePCoS), Selbsteinschätzung der Absolventen.

Kompetenzdimension (Messinstrument)

N

Mittelwert

Median

SD

Ergotherapie (HePCoS-T/ HePCoS-U)

Prozesssteuerung

41

68,6

73,3

17,8

Durchführen klientenbezogener Interventionen

41

63,2

66,7

15,4

Beraten und Informieren

44

67,7

70,8

15,4

Praxisanleitung

25

53,9

55,6

21,8

Schulen und Anleiten von Klienten

39

68,5

66,7

12,2

Qualität sichern und entwickeln

33

60,7

66,7

21,2

Wissenschaftliche Erkenntnisse recherchieren, bewerten und kommunizieren

20

55,6

61,9

27,5

Interprofessionell zusammenarbeiten

44

80,8

82,9

17,1

Logopädie (HePCoS-T/ HePCoS-U)

Prozesssteuerung

83

76,7

80,0

15,2

Durchführen klientenbezogener Interventionen

85

74,3

73,3

14,7

Beraten und Informieren

82

72,8

70,8

13,4

Praxisanleitung

61

66,2

66,7

19,9

Schulen und Anleiten von Klienten

84

76,5

80,0

14,7

Qualität sichern und entwickeln

56

61,6

62,5

18,2

Wissenschaftliche Erkenntnisse recherchieren, bewerten und kommunizieren

57

64,6

66,7

20,0

Interprofessionell zusammenarbeiten

76

80,3

76,2

17,8

Physiotherapie (HePCoS-T/ HePCoS-U)

Prozesssteuerung

87

76,0

80,0

15,2

Durchführen klientenbezogener Interventionen

90

71,3

72,2

15,9

Beraten und Informieren

87

69,1

70,8

16,5

Praxisanleitung

56

59,8

66,7

24,9

Schulen und Anleiten von Klienten

86

79,2

80,0

17,4

Qualität sichern und entwickeln

64

58,7

62,5

20,9

Wissenschaftliche Erkenntnisse recherchieren, bewerten und kommunizieren

61

64,9

66,7

23,4

Interprofessionell zusammenarbeiten

68

79,6

77,0

18,1

Hebammenkunde (HePCoS-M/ HePCoS-U)

Prozesssteuerung

29

77,3

80,0

13,2

Durchführen klientenbezogener Interventionen

29

72,6

73,3

17,6

Beraten und Informieren

28

66,5

71,4

15,0

Praxisanleitung

16

72,7

76,7

25,4

Schulen und Anleiten von Klienten

-keine validierte Skala

Qualität sichern und entwickeln

16

61,7

61,8

14,9

Wissenschaftliche Erkenntnisse recherchieren, bewerten und kommunizieren

18

66,2

66,7

19,7

Interprofessionell zusammenarbeiten

22

81,4

84,5

15,4

Pflege (HePCoS-N/ HePCoS-U)

Prozesssteuerung

177

75,5

74,1

17,2

Durchführen klientenbezogener Interventionen

180

75,5

77,8

15,9

Beraten und Informieren

177

68,4

66,7

18,6

Praxisanleitung

151

64,6

66,7

23,0

Schulen und Anleiten von Klienten

177

76,9

80,0

19,1

Qualität sichern und entwickeln

156

64,3

66,7

21,1

Wissenschaftliche Erkenntnisse recherchieren, bewerten und kommunizieren

132

67,7

66,7

23,8

Interprofessionell zusammenarbeiten

174

80,9

85,7

18,6

Hinsichtlich der Nutzung ihrer im Bachelorstudium erworbenen Kompetenzen in der beruflichen Praxis ihrer Haupterwerbstätigkeiten unterscheiden sich die Angaben der Absolventen deutlich zwischen den Studienrichtungen ([Abb. 3]). Auf einer Skala von 0 (gar nicht) bis 4 (in sehr hohem Maße) erreichten die Hebammen ein arithmetisches Mittel von 3,25. In der Physiotherapie lag der Mittelwert bei 2,61, in der Logopädie bei 2,47, in der Ergotherapie bei 2,46 und in der Pflege bei 1,76.

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Abb. 3 Nutzung der im Studium erworbenen Kompetenzen im Rahmen der Haupterwerbstätigkeit (nach Studienrichtung), laut Angabe der Absolventen.

In der Ergotherapie sowie in der Pflege unterscheiden sich dabei jene Absolventen mit Aufgabenprofilen analog fachschulisch qualifizierter Kollegen von Absolventen, deren vorwiegend klientennahe Tätigkeit zusätzlich um „besondere“ Aufgabenbereiche erweitert ist ([Tab. 2]). Letztere weisen in den beiden Berufsgruppen signifikant höhere Mittelwerte für die Nutzung der im Studium erworbenen Kompetenzen in ihrer beruflichen Praxis auf (Pflege: p=0,004; Ergotherapie: p=0,014, Mann-Whitney-U-Test). Dieser Unterschied besteht auch, wenn neben den Haupterwerbstätigkeiten die Nebenerwerbstätigkeiten mit einbezogen werden. Allerdings ist in der Ergotherapie die geringe Fallzahl von Absolventen mit dem Profil „klientennah analog fachschulisch Qualifizierter“ zu beachten.

Tab. 2 Nutzung der im Studium erworbenen Kompetenzen im Rahmen der Haupterwerbstätigkeit in den 2 vorwiegend klientennahen Aufgabenprofilen, laut Angabe der Absolventen.

Studienrichtung

Aufgabenprofil

N

MW

KI 95%

SD

p

Ergotherapie

analog fachschulisch Qualifizierter

5

1,60

0,92

2,28

0,548

*0,014

besondere zusätzliche Aufgabenbereiche

33

2,67

2,36

2,97

0,854

Logopädie

analog fachschulisch Qualifizierter

13

2,15

1,34

2,97

1,345

0,266

besondere zusätzliche Aufgabenbereiche

59

2,56

2,27

2,85

1,118

Physiotherapie

analog fachschulisch Qualifizierter

21

2,62

2,05

3,19

1,244

0,887

besondere zusätzliche Aufgabenbereiche

56

2,57

2,25

2,89

1,204

Hebammenkunde

analog fachschulisch Qualifizierter

6

3,50

2,93

4,00

0,548

0,656

besondere zusätzliche Aufgabenbereiche

20

3,15

2,66

3,64

1,040

Pflege

analog fachschulisch Qualifizierter

60

1,22

0,93

1,50

1,106

*0,004

besondere zusätzliche Aufgabenbereiche

106

1,70

1,49

1,90

1,062

Wertebereich: 0 (gar nicht) bis 4 (in sehr hohem Maße). *signifikant auf α=0,05- Niveau (Mann-Whitney-U-Tests).

Die Ergebnisse der Befragung der Arbeitgeber zeigen, dass aus ihrer Sicht die Kompetenzen der Absolventen in der beruflichen Praxis erkennbar sind. In allen 7 abgefragten Kompetenzdimensionen trifft dies jeweils für die große Mehrheit (jeweils rund 84 bis 93%) der Arbeitgeber „voll“ oder „eher“ zu.

Im Vergleich mit fachschulisch Qualifizierten hinsichtlich unterschiedlicher Ausprägungen der Kompetenzdimensionen wird deutlich, dass die befragten Arbeitgeber einen Vorteil aufseiten der Absolventen feststellen. Sehr deutliche Vorteile bei den Absolventen werden bei Wissenschaftlichkeit, Prozesssteuerung und Qualitätssicherung gesehen, in denen die Kompetenzen von zwischen 69,5% bis 91,4% der Arbeitgeber als stärker ausgeprägt eingeschätzt werden. Rund die Hälfte der Befragten erkennt ausgeprägtere Kompetenzen der Absolventen in den Bereichen Beratung, interprofessionelle Kooperation und Anleitung, während die andere Hälfte beide Gruppen gleich einschätzt. Lediglich bei der Durchführung klientenbezogener Maßnahmen schätzt eine Mehrheit der Arbeitgeber beide Gruppen gleich ein und es findet sich auch der einzig nennenswerte Anteil an Befragten, die die Kompetenzen der fachschulisch ausgebildeten Beschäftigten als stärker ausgeprägt einschätzen ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Unterschiede der Kompetenzen bei Absolventen und fachschulisch Qualifizierten aus Arbeitgebersicht.

Ergänzend zu den aus den „gemeinsamen Qualifizierungszielen“ abgeleiteten Kompetenzdimensionen wurden weitere Merkmale abgefragt, bei denen die Fähigkeiten der Absolventen in der beruflichen Praxis im Vergleich zu fachschulisch ausgebildeten Personen insgesamt positiv eingeschätzt werden. Insbesondere bei den Merkmalen Evidenzbasierung, Analyse- und Reflexionsvermögen, Aufstiegsorientierung und kritischem Hinterfragen werden die Absolventen als deutlich stärker wahrgenommen. Bei den weiteren Merkmalen werden beide Gruppen mehrheitlich als gleich eingeschätzt, wobei jeweils die Absolventen im Vergleich bessere Werte erreichen als die fachschulisch Qualifizierten. Lediglich bei den „praktischen Fertigkeiten“ ist dies nicht der Fall; hier werden die fachschulisch Ausgebildeten als stärker bewertet.

97,6% der befragten Arbeitgeber äußern sich („voll“ und „eher“) zufrieden mit den Kompetenzen der eingestellten Absolventen. Dass die Kompetenzen den Anforderungen der Berufspraxis entsprechen, finden 90,3%, wobei hier lediglich 15,9% „voll“ zustimmen. Die Befragten sind zudem zu 87,2% der Ansicht, dass sich die akademische Grundqualifikation bewährt. Dass die hochschulisch Qualifizierten einen zusätzlichen Beitrag zur Versorgung leisten können, meinen 88,4% der Befragten.


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Diskussion

Die hier betrachteten berufsqualifizierenden Modellstudiengänge werden in erster Linie als Antwort auf die Herausforderungen in der Versorgungspraxis gesehen [1] [2]. Primäres Ziel ist es, die Absolventen für klientennahe Tätigkeiten in Arbeitsfeldern der direkten Versorgung zu qualifizieren. Um die Konformität und den Erfolg der Studiengänge im Hinblick auf dieses Ziel einschätzen zu können, wurden die Arbeitsfelder und Aufgabenbereiche der Absolventen analysiert. Die dominierenden Arbeitsfelder therapeutische Praxis und Krankenhaus entsprechen weitgehend denen Berufsangehöriger mit fachschulischer Ausbildung [18]. Ein professionsadäquater Verbleib der Studienabsolventen wird darüber hinaus durch die empirischen Befunde aus den fachspezifischen bundesweiten Untersuchungen zum Verbleib von Modellstudiengangabsolventen bestätigt [11] [12] [1] [14]. Auch hier wird beschrieben, dass die Absolventen vornehmlich in der klientennahen Versorgung verbleiben, mit einem etwas geringeren Anteil in der Pflege. Dies kann als Hinweis auf eine höhere Bindung der therapeutischen und hebammenkundlichen Absolventen an den klientenahen Bereich gedeutet werden. Auch für Logopädieabsolventen eines additiven Bachelorstudiengangs wurde z. B. festgestellt, dass diese größtenteils als Angestellte in Therapiepraxen (weiter-)arbeiten [19]. Gleichsam ist es möglich, dass der Befund auf diversifiziertere Beschäftigungsmöglichkeiten für Pflegeakademiker zurückzuführen ist, die in der Vergangenheit bereits in Folge verschiedener additiver Studiengangformen in den Bereichen Pflegewissenschaft, -management und -pädagogik entstanden sind [20] [21]. Hierdurch gab es in der Pflege eher Möglichkeiten, auch in klientenfernen Arbeitsfeldern tätig zu werden. Im Gegensatz zu Absolventenbefragungen additiver Studiengangformate [20], zeigt sich aber auch bei den Pflegenden in VAMOS nur eine sehr geringe Tendenz, in klientenfernen Settings zu arbeiten. Annahmen, dass die Absolventen nach einem Modelstudium vorwiegend in Arbeitsfeldern in Wissenschaft, Lehre oder Management tätig sein könnten [22], werden in keiner Berufsgruppe bestätigt. Das berufsqualifizierende Studienformat scheint also, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, vornehmlich ein Wegbereiter für Berufslaufbahnen innerhalb des klientennahen Tätigkeitsspektrums zu sein. Die Dauer des Verbleibs in diesem Bereich ist aufgrund der bislang zu kurzen Berufstätigkeit schwer einzuschätzen. Insbesondere die Verbesserung der Vergütungssituation und die Anwendung der hochschulisch erworbenen Kompetenzen scheinen hier wesentliche Faktoren für den längerfristigen Verbleib zu sein [10] [11] [1] [13]. Die festgestellten Aufgabenbereiche können dahingehend interpretiert werden, dass sich die postulierte Ausweitung der Aufgabenprofile und des Kompetenzspektrums für hochschulisch Qualifizierte [1] [2] in der Berufspraxis andeutet. Von Absolventen- und Arbeitgeberseite werden Aufgabenerweiterungen im Vergleich zu fachschulischen Kollegen beschrieben, die sowohl als Indiz für eine wissenschaftlich-fachliche Vertiefung (u. a. Aufgaben als „Expertin bzw. Experte für bestimmte fachliche Themen“ und „wissenschaftlichen Recherche“) als auch für eine überfachliche Verbreiterung (u. a. „Konzeptentwicklung, -implementierung und -evaluierung“, „Projektarbeit“) der Kompetenzen durch das Studium gedeutet werden können. Der mit den Studienprogrammen angestrebte Kompetenzzugewinn, der den Fokus auf die „Wissenschaftsbasierung“ und auf die „institutionelle und gesundheitssystemische Gestaltung“ legt [23], spiegelt sich in der Berufspraxis in unterschiedlichen Aufgabenprofilen von Absolventen und fachschulisch qualifizierten Kollegen wider. Dies scheint Erfahrungen aus europäischen Vergleichsländern zu bestätigen, wo die Übernahme erweiterter Aufgaben und Rollen im Zuge der Akademisierung festzustellen ist [24]. Hierzulande sind die Erweiterungen zwar bisher eher Folge individueller Aushandlungsprozesse und weniger als Folge existierender Stellenprofile zu deuten; allerdings kann aus der Anzahl an Betrieben, die eine (Teil-)Freistellung einräumen, geschlussfolgert werden, dass Ansätze einer betrieblichen Einbindung der Absolventen erkennbar werden. Die Möglichkeiten von job enlargement (Ausweitung des Tätigkeitsfelds durch weitere Aufgaben auf vergleichbarem Anforderungsniveau) und job enrichment (Anreicherung des Tätigkeitsfelds um höherwertige Aufgaben, i.d.R. in Verbindung mit zusätzlichen Entscheidungsbefugnissen) für hochschulisch Qualifizierte [23] deuten sich an. Im Hinblick auf die stärkere Nutzung hochschulisch erworbener Kompetenzen sind diese Möglichkeiten vermutlich v. a. in der Pflege eine wichtige Stellschraube. Die Selbsteinschätzung der Kompetenzen deutet in allen Dimensionen auf eine ausgeprägte Handlungssicherheit der Absolventen in der Berufspraxis hin. In besonders hohem Maße gilt dies für die Dimension der interprofessionellen Zusammenarbeit. Der Befund korrespondiert mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen zu den Modellstudiengängen [8] [12] und spricht für eine erfolgreiche Vermittlungspraxis. Die Fremdeinschätzung durch die befragten Arbeitgeber zeigt, dass die große Mehrheit insgesamt positive Auswirkungen für die Versorgungssituation durch die hochschulisch erworbenen Kompetenzen vermutet. Die Arbeitgeber bestätigen eine gute Passung mit den Anforderungen der Berufspraxis, was auf eine adäquate Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen schließen lässt. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtung, mit Bachelorstudiengängen v. a. für die Beschäftigungsfähigkeit zu sorgen [25], wird ein wesentliches Bildungsziel der Studiengänge erreicht. Den bedeutsamsten Kompetenzvorsprung im Vergleich zu fachschulisch Qualifizierten nehmen die befragten Arbeitgeber beim Recherchieren und Nutzen wissenschaftlicher Erkenntnisse, bei der Prozesssteuerung, und bei der Qualitätssicherung und -entwicklung wahr. Am geringsten scheint der Kompetenzzugewinn durch das Studium bei der Durchführung klientenbezogener Maßnahmen. Hier sollte berücksichtigt werden, dass die Einschätzung der Arbeitgeber vor dem Hintergrund einer erst kurzen Berufstätigkeit der Absolventen gegeben wurde. Die aktuellen Befunde der Kompetenzanalyse stehen insgesamt im Einklang mit den Erkenntnissen aus der ersten Evaluationsphase. Die Vermittlung der den Studiengangzielen entsprechenden Kompetenzen gelingt [8]. Die Ergebnisse zur Nutzung der Kompetenzen in der Berufspraxis deuten allerdings darauf hin, dass eine qualifikationsadäquate Beschäftigung in der klientennahen Versorgung nicht immer erfolgt. Die Herausforderung bei der Integration der hochschulischen Qualifikation z. B. in der Pflege deckt sich mit anderen Befunden aus dem Berufsfeld, die Defizite bei der Aufgabenbeschreibung und Kompetenzzuordnung für hochschulisch qualifizierte Pflegende feststellen [20] [21] [24]. Insbesondere für diese Berufsgruppe scheint es bedeutsam, die Aufgabenprofile zu erweitern, um die erworbenen Kompetenzen adäquat einzusetzen. In den anderen Berufsgruppen erscheint dies weniger relevant. Dies könnte zum einen in der Ausrichtung der Studienmodelle begründet sein. Anders als in der Pflege sind die Modelle im therapeutischen und hebammenkundlichen Bereich weniger auf eine Erweiterung der Aufgaben ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Qualitätsverbesserung der professionstypischen Tätigkeiten [1]. Zum anderen ist die unterschiedliche Bedeutung vermutlich auch berufsgruppenspezifischen Besonderheiten der Arbeitssettings geschuldet. Obwohl Hebammen, wie Pflegende, vorwiegend im Arbeitssetting Krankenhaus tätig sind, besteht schon länger durch Vorbehaltsaufgaben eine traditionell große Handlungsautonomie, die sich vermutlich förderlich auf die Kompetenznutzung auswirkt. In den therapeutischen Berufen wiederum ermöglicht das stark dominierende Arbeitssetting der ambulanten Therapiepraxis im Vergleich zum Krankenhaus einen weniger engen institutionellen Rahmen [26], was vermutlich zur individuellen Nutzung der hochschulisch erworbenen Kompetenzen beitragen kann. Mit Ausnahme der Hebammen machen die Ergebnisse in allen Berufsgruppen deutlich, dass das Kompetenzpotenzial der Absolventen der berufsqualifizierenden Modellstudiengänge noch nicht optimal ausgeschöpft wird.

Limitationen der Studie

Die Erfassung der Kompetenzen beruht auf der Selbsteinschätzung der Absolventen und einer Bewertung durch die Arbeitgeberseite. Kompetenzunterschiede zu fachschulisch ausgebildeten Kollegen werden daher vor dem Hintergrund einer relativ kurzen Zeit der Hochschulabsolventen im Beruf und des Fehlens einer Vergleichsgruppe aus äquivalenten Fachschulabsolventen festgestellt. Bei dieser Form der Kompetenzerfassung können Verzerrungen nicht ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der Orientierungs- und Bewährungszeit von Berufseinsteigern sind Unterschiede zu fachschulisch Ausgebildeten, die schon lange im Beruf sind, schwer zu erheben und es ist wahrscheinlich, dass die erworbenen Kompetenzen der Hochschulabsolventen zum Zeitpunkt der Querschnittsbefragung noch nicht vollumfänglich zum Tragen kommen. Inwieweit die befragten Arbeitgeber alle potenziellen Arbeitgeber repräsentieren, kann darüber hinaus nicht beurteilt werden. Für eine systematische Beeinflussung der Ergebnisse liegen keine Hinweise vor, letztlich kann dies aber nicht ausgeschlossen werden. Eine realistische Abschätzung der Grundgesamtheit war bei den Arbeitgebern nicht möglich.


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Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse stützen die empfohlene Überführung der Studiengänge in eine regelhafte hochschulische Erstqualifizierung [8] in den untersuchten Berufsgruppen Pflege, Hebammenkunde, Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie. Die mit den Studiengängen verbundenen Bildungsziele werden erreicht. Ein Kompetenzzugewinn im Vergleich zur fachschulischen Ausbildung wird in der Berufspraxis besonders in den Bereichen des wissenschafts- und evidenzbasierten Handelns und in der kooperativen Zusammenarbeit erkennbar. Die zur Stärkung der Versorgung getätigten Bildungsinvestitionen erzielen den intendierten Effekt. Es erscheint daher folgerichtig, dass ein Studium in der Pflege als reguläre Ausbildungsform ergänzend zur beruflichen Ausbildung gesetzlich verankert wurde. In der Hebammekunde ersetzt das Studium die fachschulische Ausbildung mittelfristig sogar vollständig. Auch in den Therapieberufen sollten nun schnellstmöglich die berufsgesetzlichen Regelungen angepasst werden, damit der im internationalen Vergleich zögerliche Akademisierungs- und Professionalisierungsprozess forciert wird und die Hochschulen Planungssicherheit für die Etablierung entsprechender Programme erhalten. Die Anforderungs- und Aufgabenprofile für hochschulisch Qualifizierte sollten hierbei in einem engen Austausch von Wissenschaft und Versorgungspraxis aufgegriffen und weiter konkretisiert werden. Bei der adäquaten inhaltlichen Ausgestaltung der Praxisanteile ist hierbei nicht nur die Quantität, sondern insbesondere auch die Qualität des Kompetenzerwerbs zu berücksichtigen (z. B. realitätsnahe Simulationsszenarien in Skills-Labs, Projektseminare und Lehrangebote mit Klientenkontakt). Um den festgestellten Kompetenzzugewinn für die Versorgungspraxis besser nutzbar zu machen, sind zudem Veränderungen der Organisations- und Versorgungsstrukturen notwendig. Mehr Stellenprofile mit qualifikationsadäquaten Handlungsspielräumen, die eine eigenverantwortlichere und flexiblere Versorgung ermöglichen, sollten geschaffen werden. Entsprechende Modelle, die hierbei Vorbildfunktion haben könnten, finden sich im europäischen Ausland (u. a. die physiotherapeutische Leistungserbringung im Direktzugang sowie die Erweiterung fachspezifischer Handlungskompetenzen von Pflegenden als „advanced practitioners“) [24] und an deutschen Unikliniken [21]. Arbeitgeber und Politik sind hier gefordert, Rahmenbedingungen herzustellen, die eine qualifikationsadäquate Tätigkeit und Vergütung für eine klientenorientierte Versorgung fördern.


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Interessenkonflikt

Mit einer Ausnahme sind die Autoren Mitglieder der Hochschulen, deren Absolventenverbleib im Rahmen der Studie evaluiert wurde.


Korrespondenzadresse

Sven Dieterich
Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften
Hochschule für Gesundheit Bochum
Gesundheitscampus 6–8
44801 Bochum
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. Oktober 2020

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Abb. 1 Aufgabenprofile der Haupterwerbstätigkeit (N), laut Angabe der Absolventen.
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Abb. 2 Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Absolventen aus Arbeitgebersicht [N=89] (Mehrfachnennungen waren möglich).
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Abb. 3 Nutzung der im Studium erworbenen Kompetenzen im Rahmen der Haupterwerbstätigkeit (nach Studienrichtung), laut Angabe der Absolventen.
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Abb. 4 Unterschiede der Kompetenzen bei Absolventen und fachschulisch Qualifizierten aus Arbeitgebersicht.