Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2020; 27(06): 257
DOI: 10.1055/a-1247-2532
Editorial

Reisen bleibt hoffentlich immer etwas unwägbar

Rainald Fischer

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Reisen war in diesem Jahr mit viel mehr Unwägbarkeiten verbunden, als wir das davor kannten. Flüge wurden kurzfristig abgesagt, Länder verhängten plötzlich Lockdowns, wir gewöhnten uns daran, von Ländern als Risiko- oder Nichtrisikogebiet zu sprechen.

Allerdings war mit Reisen ja schon immer der Wunsch verbunden, etwas Anderes, etwas Neues zu erleben. Und daher war Reisen auch immer schon etwas Unwägbares, auch wenn die Tourismusindustrie sich sehr bemüht hat, soviel wie möglich abzusichern. Daraus entstanden viele vermeintliche Abenteuerreisen, die letztlich trotzdem Pauschaltourismus auf etwas anspruchsvollerem Niveau sind. Das gilt für das organisierte Trekking in Nepal bis hin zur Besteigung des Mount Everest als Flashexpedition in 4 Wochen. Die Unsicherheiten, Unwägbarkeiten entstehen dann eher durch das nicht planbare Wetter, Verletzungen oder Krankheiten.

So zeigt auch das Fallbeispiel von Bron et al. in diesem Heft sehr schön auf, dass eine neu aufgetretene Laktoseintoleranz sogar zu Flugabbrüchen führen kann. Dieser Fall lehrt auch, dass eine einfache differenzierte Anamnese viel technische Diagnostik vermeiden könnte. Das zweite Fallbeispiel macht deutlich, wie schwierig oft eine flugmedizinische Beurteilung gerade im Bereich der Ophthalmologie ist.

Auch die anderen beiden Beiträge der maritimen Medizin und der Flugmedizin behandeln Probleme, die vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so offensichtlich sind. Eine Brandbekämpfung auf dem Schiff erscheint erstmal nicht so kompliziert, aber wenn man sich dann die Bilder mit den engen Durchlässen oder steilen Treppen ansieht, wird klar, dass vermeintlich Einfaches schnell kompliziert werden kann.

Beachten Sie auch den Beitrag im Panorama über den möglichen Zusammenhang von weiblicher Genitalverstümmelung in Äthiopien und vaginalen Fisteln. Vielleicht empfinden Sie dann die Einschränkungen und Veränderungen, die wir gerade bei uns im Rahmen der Pandemie erleben, als gar nicht mehr so gravierend oder vielleicht sogar als „Luxusproblem“.

Vielleicht regt Sie dieser Beitrag auch dazu an, an all die Länder zu denken, die durch die fehlenden Touristen hohe Einnahmeausfälle haben und zu überlegen, wie Sie die Menschen dort unterstützen können.

Es bleibt die Hoffnung auf das kommende Jahr, dass wieder mehr Reisen in fernere Länder möglich sein werden und dass wir wieder Unwägbarkeiten erleben dürfen, die nicht pandemiebedingt sind. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Allen schöne Feiertage und einen guten Start in das Jahr 2021.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. Februar 2021

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