Phlebologie 2020; 49(06): 325-331
DOI: 10.1055/a-1277-3596
Schwerpunktthema

Die Anatomie des retroperitonealen und pelvinen Venensystems

Article in several languages: deutsch | English
Tobias Hirsch
1   Praxis für Innere Medizin und Gefäßkrankheiten, Venen-Kompetenz-Zentrum®, Halle (Saale)
,
Albrecht Klemenz
2   Institut für Anatomie und Zellbiologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Venenleiden sind nicht auf die Extremitäten beschränkt. Einerseits können Erkrankungen der Beinvenen wie Varikose und Phlebothrombose auch die Venen der Beckenorgane und des Retroperitoneums mit betreffen, andererseits sind pelvine und abdominelle Symptome mitunter auch phlebogen erklärbar. Als Pendant zur chronischen venösen Insuffizienz der Beinvenen hat sich der Begriff des chronischen pelvinen Stauungssyndroms etabliert, der die Komplexität der Störung weder anatomisch noch funktionell adäquat erfasst.

Die klinische Diagnostik und die Bildgebung, insbesondere die Duplexsonografie der retroperitonealen Venen, sind erheblich schwieriger als die der Beinvenen. Darüber hinaus sind die Gefäße sehr variantenreich. Die fundierte Kenntnis der Anatomie der pelvinen und retroperitonealen Gefäße ist unersetzlich, um die möglichen Befunde deuten zu können. Das Wissen um die wichtigsten embryologischen Entwicklungsschritte erleichtert das Verständnis pathophysiologischer Mechanismen.


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Einleitung

Varikose und Phlebothrombose sind häufige Erkrankungen, die in der überwiegenden Zahl der Fälle die Extremitäten, am häufigsten die unteren betreffen. Dennoch können sich diagnostische Exploration und mögliche therapeutische Ansätze nicht auf die Venen der Extremitäten beschränken. Proximale Thrombosen weisen oft eine Beteiligung der Beckenvenen und der unteren Hohlvene auf. Krampfadern können ihren Ursprung auch im Bereich pelviner Venen haben.

Bei näherer Betrachtung ist festzustellen, dass die Beinvenen nicht nur mit der Vena cava inferior, sondern auch mit den Venen des Urogenitalsystems eine funktionelle Einheit darstellen. Darin liegt begründet, warum das Betätigungsfeld des Phlebologen sich nicht allein auf die Extremitäten beschränkt, sondern auch abdominelle Symptome zum Gegenstand haben kann.

Die aktuell überwiegend verwendete Krankheitsbezeichnung des pelvinen Stauungssyndroms (pelvic congestion syndrom) erfasst die Komplexität der damit verbundenen Störungen nur unzureichend. Weder liegen ihr nur Stauungsvorgänge zugrunde, noch handelt es sich ausschließlich um pelvine Venen. Vielmehr ist sogar häufiger eine Insuffizienz als pathophysiologische Ursache zu identifizieren. Und diese betrifft nicht nur pelvine, sondern auch retroperitoneale Venen.

Der enge Zusammenhang zwischen den Beinvenen und den retroperitonealen Venen bis hinauf zu den Nierenvenen liegt in der Embryonalentwicklung begründet.


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Aus der Embryologie erschließt sich der funktionelle Zusammenhang zwischen den Beinvenen und den retroperitonealen Venen

Eine Besonderheit des Venensystems der Extremitäten besteht darin, dass die paarigen Bein- und Beckenvenen sowie auch die gonadalen Venen und die Nierenvenen in die unpaare untere Hohlvene (Vena cava inferior, VCI) einmünden. Die parallel verlaufende Aorta abdominalis teilt sich ihrerseits in ihre beiden Extremitätenäste. Während die VCI rechts der Aorta abdominalis gelegen ist, finden sich die Beinvenen nicht derselben Logik folgend auch an den Beinen rechts der begleitenden Arterie, sondern beidseits medial. Daraus resultieren zahlreiche Überkreuzungen der eng benachbarten Gefäße, welche aufgrund der topografischen Beziehungen hämodynamische Auswirkungen zur Folge haben können. Auch die gonadalen Venen haben keinen symmetrischen Verlauf. Während die rechte Gonadalvene (V. ovarica bzw. V. testicularis) in die VCI einmündet, drainiert die linke Gonadalvene in die linke Nierenvene. Das Verständnis dieser Architektur ergibt sich aus der embryologischen Entwicklung.

Das Gefäßsystem entwickelt sich in mehreren Stadien bereits ab der dritten Gestationswoche. Aus einem Kapillarnetz bildet sich zunächst ein retikuläres Netzwerk. In einem späteren Stadium entwickeln sich die primitiven Arterien und Venen. In dieser Entwicklungsstufe wird das Blut aus dem kaudalen Teil des Körpers über ein passager angelegtes embryonales Venensystem drainiert – das sogenannte Kardinalvenensystem. Es besteht aus den paarigen Kardinalvenenstämmen sowie den ebenfalls paarigen Sub- und Suprakardinalvenen.

Die beiden Schenkel des Systems kommunizieren über 2 Anastomosen. Die distale Anastomose der Kardinalvenenstämme wird als iliakale Anastomose bezeichnet. Aus ihr und distalen Anteilen der Kardinalvenen bilden sich bis zur 7. Entwicklungswoche die Iliakalvenen. Eine weitere Anastomose findet sich als sub-suprakardinale Anastomose im sogenannten renalen Segment. Aus ihr gehen im Laufe der Entwicklung die beidseitigen Nierenvenen hervor.

Die Kardinalvenenstämme selbst bilden sich auf beiden Seiten vollständig zurück. Eine bemerkenswerte Besonderheit besteht darin, dass sich auf der linken Seite auch die Suprakardinalvene zurückbildet, während sie sich rechtsseitig zur infrarenalen Vena cava inferior entwickelt, die fortan als unpaare Vene verbleibt. Der proximale Anteil der VCI entwickelt sich wiederum aus der rechtsseitigen Subkardinalvene. Am Ende der Embryonalentwicklung verbleiben so von den initial symmetrischen 6 paarigen Kardinalvenen lediglich der distale Anteil der rechten Suprakardinalvene und der proximale Anteil der rechten Subkardinalvene als VCI sowie die kaudalen Anteile der Subkardinalvenen als Vv. ovaricae bzw. Vv. testiculares [1] [2] [3] ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Die V. cava inferior sowie die Becken- und Beinvenen gehen aus dem embryonalen Kardinalvenensystem hervor. Links: Die paarig angelegten Kardinalvenen (blau), Suprakardinalvenen (violett) und Subkardinalvenen (rot) mit sub-suprakardinaler Anastomose im sog. renalen Segment (proximal) (*) sowie iliakaler Anastomose (distal) (**). Mitte und rechts: Die Kardinalvenen bilden sich fast komplett zurück. Lediglich die proximale Subkardinalvene rechts und die distale Suprakardinalvene rechts verbleiben und bilden die V. cava inferior. Aus der renalen Anastomose entwickeln sich die beiden Nierenvenen (schwarz). Die distalen Subkardinalvenen verbleiben als Gonadalvenen (nach Avery [3]).

Die Entschlüsselung dieser komplizierten Entwicklungsschritte führt den Phlebologen zu 3 wichtigen Erkenntnissen: Sie erlaubt Rückschlüsse darauf, wie sich das symmetrische Venensystem der Beine bei einer unpaaren unteren Hohlvene entwickelt, sie erklärt die Besonderheit, dass die linke Eierstock- bzw. Hodenvene über die linke Nierenvene („renales Segment“) in die VCI drainiert, während die rechte direkt in die VCI einmündet. Von besonderer Bedeutung aber ist schließlich, dass die Entwicklungsschritte auch die zahleichen interindividuellen Varietäten erklären, welche Folge gestörter bzw. veränderter Wachstumsphasen sind.


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Distales Gefäßsegment: Beckenvenen und untere Hohlvene

In der Leiste münden die epifaszialen Venen, die V. saphena magna (VSM) sowie die häufig ebenfalls kaliberstarke V. saphena accessoria anterior (VSAA) in die V. femoralis ein. Im Gegensatz zu dieser in der Literatur häufig verwendeten vereinfachten Darstellung münden u. a. auch die Vv. pudendae externae in den Hitus saphenus ein. Auf diese Weise kommunizieren die epifaszialen Beinvenen zusätzlich mit den Venengeflechten im kleinen Becken, die den Organen und dem Halteapparat der Urogenitalorgane zuzuordnen sind.

Die tiefen Beinvenen verlaufen streng axial und werden beidseits in Abhängigkeit von der Etage als V. femoralis (VF, ehemals V. femoralis superficialis) bzw. V. femoralis communis (VFC) bezeichnet. Die Femoralvenen finden beidseits ihre Fortsetzung in den Iliakalvenen (Vv. iliacae externae, VvIE, bzw. Vv. iliacae communes, VvIC), die in Höhe des Bauchnabels gemeinsam die untere Hohlvene bilden. Im Rahmen der Ultraschalldiagnostik spielt diese Topografie dahingehend eine Rolle, dass gerade nicht im kleinen Becken, sondern deutlich proximal der Leiste paramedian rechts nach der Beckengabel bzw. der unteren Hohlvene gesucht werden muss.

Auf die eingangs geschilderte embryonale Entwicklung ist zurückzuführen, dass die paarigen Beingefäße in unpaare Gefäße des Stammes übergehen. Die von der Aorta abgehende rechtsseitige A. iliaca communis überkreuzt dabei die aus dem linken Bein stammende und in die rechts der Aorta befindliche VCI einmündende V. iliaca communis links ([Abb. 2]). Dadurch befindet sich diese zwischen 2 harten Widerlagern (dorsal Lendenwirbelsäule, ventral A. iliaca communis dextra), wodurch eine Einengung bewirkt werden kann. Im Bereich dieser Kreuzung findet sich bei 15–22 % untersuchter Probanden eine Einengung bzw. eine septenartige Wandveränderung als Folge der chronischen mechanischen Beanspruchung. Diese führt zu einer Endothelproliferation und Intimahyperplasie. In einigen Fällen lassen sich auch siebartige Veränderung im Lumen feststellen. Durch diese Besonderheit, die nach den Erstbeschreibern, den Innsbrucker Anatomen May und Thurner, benannt wurde, wird erklärt, warum proximale Thrombosen bis zu 8-mal häufiger links auftreten als rechtseitig (May-Thurner-Syndrom) [4] [5] [6].

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Abb. 2 Präparat des kleinen Beckens. Die Harnblase und die Genitalorgane sind entfernt. Aufgrund der altersbedingten Aortenelongation des Körperspenders ist die Aortenbifurkation leicht nach rechts oben rotiert. Die A. iliaca communis (AIC) rechts überkreuzt die V. cava inferior am Übergang zur V. iliaca communis (VIC) links.

Die V. iliaca externa stellt die Fortsetzung der geradlinig verlaufenden tiefen Beinvenen proximal des Leistenbandes dar. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den Zuflüssen der V. iliaca interna nicht um leicht identifizierbare, geradlinig verlaufende Gefäße. Die Venen im kleinen Becken, z. B. die V. obturatoria (VO) und Äste der Vv. pudendae internae und externae (VPI, VPE) sowie der Vv. gluteae (VG), weisen im distalen Verlauf eine stark gewundene Morphologie auf und kommunizieren mit den Venenplexus der Urogenitalorgane ([Abb. 3]). Zusätzlich verfügen sie durch anatomische Lücken wie den Canalis obturatorius ([Abb. 3]) und den Canalis inguinalis auch über Verbindungen zu den epifaszialen Beinvenen. Auf diese Weise ist die V. iliaca interna, die mit der V. iliaca externa im kleinen Becken konfluiert, ebenfalls am Transport des Blutes vom medialen Oberschenkel (VO), aus dem Perineal- (VPI, VPE) sowie aus dem Gesäßbereich (VG) [7] beteiligt.

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Abb. 3 Blick auf das rechtsseitige kleine Becken am sagittalisierten Präparat. Canalis obturatorius mit V. obturatoria als Beispiel für einen „pelvic escape point“ (Refluxursprung für venöse Insuffizienz der Beine aus dem kleinen Becken). Rechts im Bild Äste der V. iliaca interna, die u. a. den Vv. gluteae und pudendae internae zuzuordnen sind. AIE = A. iliaca externa; VIE = V. iliaca externa.

In der angelsächsischen Literatur werden diese anatomischen Durchtrittspunkte, die die Verbindung zwischen den epifaszialen Beinvenen und den pelvinen Venen darstellen, als „pelvic leak points“ bzw. „pelvic escape points“ bezeichnet.

Die Kenntnis dieser anatomischen Durchtritte ist essenziell, um die Behandlung nichtsaphenogener Varizen zu planen (siehe Phlebologie 4/20 [8]).


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Proximales Gefäßsegment: gonadale Venen und Nierenvenen

Neben der oben beschriebenen Bildung des kavalen und iliakalen Venensystems aus den embryonalen Kardinalvenen ist für das Verständnis des retroperitonealen Venensystems die Kenntnis eines weiteren vorgeburtlichen Entwicklungsschrittes von Bedeutung. In der unmittelbaren Nachbarschaft der Nierenanlage bildet sich in den ersten Embryonalwochen die sogenannte steroidogene Zone aus. Aus dieser Organanlage gehen die Nebennieren und die Hoden bzw. Eierstöcke hervor, denen gemeinsam ist, dass sie Steroidhormone (Kortisol, Östrogen, Testosteron etc.) produzieren. Im Zuge der weiteren Entwicklung entfernen sich die Keimdrüsen zwar von der Nierenanlage, während die Nebennieren direkt an den Nieren verbleiben, doch bleibt die vaskuläre Versorgung erhalten. Damit lässt sich erklären, warum die vergleichsweise langen Gonadalvenen (V. ovarica bzw. V. testicularis) rechts im Bereich der proximalen V. cava inferior einmünden und links sogar in die Nierenvene.

Die Gefäße sind lang und beim Menschen aufgrund der aufrechten Körperhaltung einer besonderen orthostatischen Belastung ausgesetzt. Dies spielt eine besondere Rolle bei reduzierter oder fehlender Anlage von Venenklappen (normal 2–3). 13–15 % der Frauen verfügen über gar keine Venenklappen in der linksseitigen Ovarialvene. Die daraus resultierende venöse Insuffizienz wird verstärkt durch erhöhten intraabdominalen Druck wie etwa im Rahmen einer aktuellen oder wiederholten Schwangerschaft, aber auch durch äußere Kompression. Bei jeder zweiten Frau ist eine insuffiziente linksseitige Ovarialvene nachzuweisen [9]. Die Ovarialvenen sind häufig aber auch mehrfach angelegt, und es kann eine Vielzahl von Varianten beobachtet werden. Miles et al. fanden in Autopsien an 13 von 100 Individuen Varianten wie Doppelanlagen der Ovarial- und/oder Nierenvenen, Einmündungen der rechten Ovarialvene ebenfalls in die rechte Nierenvene, Verbindungen zwischen linker Ovarialvene und VCI etc. [10].

Der embryologische Zusammenhang zwischen der linken V. ovarica bzw. V. testicularis und der Nierenvene hat eine weitere funktionell relevante topografische Wirkung zur Folge. Die linksseitige Gonadalvene mündet links der Aorta in die Nierenvene ein. Die Nierenvene überkreuzt die Aorta, um ihrerseits rechts der Aorta in die VCI einzumünden. Aus dieser Kreuzung kann ähnlich dem May-Thurner-Syndrom eine Kompression der linksseitigen Nierenvene resultieren. Diese kann zu einem symptomatischen Rückstau in die Niere selbst oder in die Ovarial- bzw. Hodenvene führen. Dabei sind verschiedene Morphologien möglich: Die linke Nierenvene überkreuzt die Aorta und unterkreuzt die A. mesenterica superior (AMS), welche einen spitzwinkligen Abgang aus der Aorta aufweisen kann. Diese häufigste Variante wird als „vorderes Nussknacker-Phänomen“ bezeichnet ([Abb. 4]). Möglich ist auch eine Unterkreuzung der Aorta vor der Wirbelsäule als Widerlager („hinteres Nussknacker-Phänomen“) ([Abb. 5]). Wenn aus dieser Über- bzw. Unterkreuzung eine symptomatische Kompression der linken Nierenvene resultiert, spricht man vom vorderen bzw. hinteren Nussknacker-Syndrom.

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Abb. 4 Situs retroperitonealis in Höhe der Nierengefäße. Die V. renalis links überkreuzt die Aorta abdominalis – die Anatomie, die einem „vorderen Nussknacker-Phänomen“ zugrunde liegt. Im Seitenvergleich auffällig ist die erweiterte V. ovarica links, die im distalen Verlauf mehrlumig wird. Nebenbefundlich eine ausgeprägte Aortenelongation. AMS = Stumpf der A. mesenterica superior.
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Abb. 5 Als Variante unterkreuzt die V. renalis links die Aorta abdominalis („hinteres Nussknacker-Phänomen“).

Diese anatomische Variante wird signifikant häufiger bei Patienten mit einer Varikozele beobachtet [11]. Es sei erwähnt, dass die Nierenvenen weitere Varianten aufweisen können. So sind auch Mehrfachanlagen anzutreffen und zirkumaortale Verläufe. Dabei ist die rechtsseitige Nierenvene variantenreicher als die linksseitige [12] [13].

Der venöse Abstrom sämtlicher Urogenitalorgane erfolgt nicht über lineare Gefäße wie an den Extremitäten. Stattdessen sind diese von venösen Netzwerken (Plexus) umgeben: dem Plexus ovaricus, dem Plexus pampiniformis der Hoden sowie auch dem Plexus venosus prostaticus und dem Plexus venosus vesicalis. Diese Geflechte kommunizieren über zahlreiche Anastomosen untereinander sowie über die V. obturatoria, die Vv. pudendae interna und externa und die Vv. gluteae mit der V. iliaca interna (siehe oben, ausführlich in Ausgabe 1/2021: Delfrate Roberto, Pelvine Insuffizienzpunkte).


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Der Stellenwert der Duplexsonografie

Die diagnostische Bildgebung der pelvinen und retroperitonealen Venen fokussiert auf die drainierenden größeren Gefäße: die V. iliaca interna und die Vv. ovaricae bzw. testiculares, wohingegen die einzelne Zuordnung der intrapelvinen Venen sehr schwierig ist. In der Ultraschalluntersuchung mit einer Vaginalsonde lassen sich die pelvinen Geflechte im Falle einer pathologischen Erweiterung darstellen ([Abb. 6]). Die Zuordnung zu den einzelnen Ästen der V. iliaca interna ist dabei nicht möglich. Darmgasüberlagerung und abdominelles Fett erschweren die Exploration.

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Abb. 6 Periuterine und perimetrale Varikose in der Farbduplexsonografie mit der Sektorsonde (endo/vaginal 2,9–9,7 MHz). Darstellung des Refluxes im Pressversuch (Quelle: Beate Scheufler, Halle).

Der Nachweis von Reflux ist einer der wesentlichen Vorteile der Duplexsonografie gegenüber den Methoden der radiologischen Bildgebung. Aufgrund der retroperitonealen Lage der Gefäße ist die Anlotung nur mit einer Konvexsonde niedrigerer Frequenz sinnvoll. Beim nüchternen Patienten lassen sich die proximale VCI, die Aorta und die Nierenvenen sowie die A. mesenterica superior (AMS) in der Regel deutlich darstellen. Es empfiehlt sich ein Lagewechsel aus der liegenden in die stehende Position, um eine falsch positive Kompression der linken Nierenvene durch die AMS ausschließen zu können ([Abb. 7a, b]).

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Abb. 7a Abdominale Anlotung in der Querschnittsdarstellung mit der Konvexsonde (5 MHz). Zwischen der Aorta (AO) und der A. mesenterica superior (SMA) kommt die linke Nierenvene (LRV) im Längsschnitt zur Darstellung. b Im Längsschnitt stellt sich der spitzwinklige Abgang der A. mesenterica superior dar, die die linke Nierenvene (hier quer angeschnitten) überkreuzt. Im Falle einer hämodynamisch wirksamen Kompression der Nierenvene spricht man vom „vorderen Nussknacker-Syndrom“.

Eine physiologische Gonadalvene ist im Allgemeinen nicht darstellbar. Eine insuffiziente linksseitige Eierstock- oder Hodenvene hingegen kann auf über 6 mm erweitert sein. In diesen Fällen ist es möglich, sie bei der stehenden Patientin links der Aorta auf dem Musculus psoas major darzustellen. Kennzeichnend ist das unmittelbar nach dem Aufstehen zur Aorta farbgleiche Signal, das den Reflux anzeigt ([Abb. 8a, b]).

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Abb. 8a In der stehenden Position lässt sich in der paramedianen Querschnittsdarstellung die V. ovarica links mit weitem Lumen neben der Aorta darstellen. Der rote Farbdoppler, der die gleiche Flussrichtung wie die Aorta anzeigt, belegt den Reflux. b Paramediane Längsschnittdarstellung der linken V. ovarica. Ein Durchmesser > 6 mm im Stehen gilt als pathognomonisch für eine Insuffizienz der Ovarialvene.

Die Beckenvenen lassen sich mithilfe einer Konvexsonde ebenfalls darstellen ([Abb. 9]). Eine gefüllte Harnblase kann dabei nützlich sein. Die Pudendalvenen, die Obturatorvene und die Glutealvenen sind sonografisch nicht zu identifizieren. Als indirekter Hinweis auf eine Insuffizienz können erweiterte perimetrale Venenlumina sowie ein Farbumschlag im Valsalva-Manöver angesehen werden. Hierbei können neben der Verwendung einer Vaginalsonde spezielle technische Ultraschallmodalitäten nützlich sein, die einen langsamen richtungsunabhängigen Fluss zur Darstellung bringen, wie B-Flow (General Electric) oder Superb Microvascular Imaging (Canon).

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Abb. 9 Darstellung der proximalen Aa. und Vv. iliacae communes. Die AIC rechts überkreuzt die VIC links. Beim liegenden Patienten ist grundsätzlich ein leichter Kollaps der Venen darzustellen. Dieser lässt nicht automatisch auf eine hämodynamisch relevante Kompression im Sinne des Vorliegens eines May-Thurner-Syndroms schließen (16-jährige Probandin, keine Beschwerden).

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Fazit

Die Exploration der Beinvenen endet nicht am Leistenband. Neben dem Anschluss der oberflächlichen und tiefen Beinvenen an die Vena cava inferior über die Vena iliaca externa existieren zahlreiche Verbindungen zum pelvinen Venensystem und zur Vena iliaca interna sowie zu den Gonadal- und Nierenvenen.

Um die Vortestwahrscheinlichkeit einer radiologischen Diagnostik zu erhöhen, ist die sonografische Exploration mit einer Konvexsonde durchzuführen. Die Untersuchung ist zeitaufwendig und stark patientenabhängig, zudem erfordert sie Erfahrung und gute Kenntnisse der Anatomie.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Glovicki P. Development and anatomy of the venous system. In: Gloviczki P. (ed.) Handbook of venous and lymphatic disorders. 4th edition. Boca Raton: 2017: 15-26
  • 2 Schünke M, Schulte E, Schumacher U. et al. Prometheus LernAtlas der Anatomie. Stuttgart: 2005: 12-13
  • 3 Avery LB. Developmental Anatomy, revised. 7th edn. Philadelphia: WB Saunders; 1974
  • 4 May R, Thurner J. Ein Gefässsporn in der Vena iliaca comm. sinistra als wahrscheinliche Ursache der überwiegend linksseitigen Beckenvenenthrombose. Ztschr f Kreislaufforschg 1956; 45: 912
  • 5 May R, Thurner J. The cause of the predominantly sinistral occurrence of thrombosis of the pelvic veins. Angiology 1956; 8 (05) 419-427
  • 6 Cockett FB, Thomas ML. The iliac compression syndrome. Br J Surg 1965; 52 (10) 816-821
  • 7 Meissner MH, Glovicki P. Pelvic Venous Disorders. In: Almeida JI. Atlas of Endovascular Venous Surgery. 2nd Ed. Elsevier; 2019: 567-599
  • 8 Hirsch T, Wohlgemuth WA. Pelvines Stauungssyndrom: Wie wird die Diagnose gesichert, wer muss behandelt werden. Phlebologie 2020; 49 (04) 222-229
  • 9 Gültaşli NZ, Kurt A, Ipek A. et al. The relation between pelvic varicose veins, chronic pelvic pain and lower extremity venous insufficiency in women. Diagn Interv Radiol 2006; 12 (01) 34
  • 10 Miles RM, Flowers BF, Parsons HL. et al Some surgical implication of the anatomy of the cava-iliofemoral system. Ann Surg 1973; 177 (06) 740-747 . doi:10.1097/00000658-197306000-00013
  • 11 Karazincir S, Balci A, Görür S. et al Incidence of the retroaortic left renal vein in patients with varicocele. J Ultrasound Med 2007; 26 (05) 601-604 . doi:10.7863/jum.2007.26.5.601. PMID: 17460002
  • 12 Hostiuc S, Rusu MC, Negoi I. et al Anatomical variants of renal veins: A meta-analysis of prevalence. Sci Rep 2019; 9 (01) 10802 . doi:10.1038/s41598-019-47280-8. PMID: 31346244; PMCID: PMC6658480
  • 13 Yi S, Ueno Y, Naito M. et al The three most common variations of the left renal vein: a review and meta-analysis. Surg Radiol Anat 2012; 34: 799-804 . https://doi.org/10.1007/s00276-012-0968-1

Korrespondenzadresse

Dr. med. Tobias Hirsch
Praxis für Innere Medizin und Gefäßkrankheiten
Venen-Kompetenz-Zentrum
Halle (Saale)
Deutschland

Publication History

Article published online:
10 November 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Glovicki P. Development and anatomy of the venous system. In: Gloviczki P. (ed.) Handbook of venous and lymphatic disorders. 4th edition. Boca Raton: 2017: 15-26
  • 2 Schünke M, Schulte E, Schumacher U. et al. Prometheus LernAtlas der Anatomie. Stuttgart: 2005: 12-13
  • 3 Avery LB. Developmental Anatomy, revised. 7th edn. Philadelphia: WB Saunders; 1974
  • 4 May R, Thurner J. Ein Gefässsporn in der Vena iliaca comm. sinistra als wahrscheinliche Ursache der überwiegend linksseitigen Beckenvenenthrombose. Ztschr f Kreislaufforschg 1956; 45: 912
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  • 6 Cockett FB, Thomas ML. The iliac compression syndrome. Br J Surg 1965; 52 (10) 816-821
  • 7 Meissner MH, Glovicki P. Pelvic Venous Disorders. In: Almeida JI. Atlas of Endovascular Venous Surgery. 2nd Ed. Elsevier; 2019: 567-599
  • 8 Hirsch T, Wohlgemuth WA. Pelvines Stauungssyndrom: Wie wird die Diagnose gesichert, wer muss behandelt werden. Phlebologie 2020; 49 (04) 222-229
  • 9 Gültaşli NZ, Kurt A, Ipek A. et al. The relation between pelvic varicose veins, chronic pelvic pain and lower extremity venous insufficiency in women. Diagn Interv Radiol 2006; 12 (01) 34
  • 10 Miles RM, Flowers BF, Parsons HL. et al Some surgical implication of the anatomy of the cava-iliofemoral system. Ann Surg 1973; 177 (06) 740-747 . doi:10.1097/00000658-197306000-00013
  • 11 Karazincir S, Balci A, Görür S. et al Incidence of the retroaortic left renal vein in patients with varicocele. J Ultrasound Med 2007; 26 (05) 601-604 . doi:10.7863/jum.2007.26.5.601. PMID: 17460002
  • 12 Hostiuc S, Rusu MC, Negoi I. et al Anatomical variants of renal veins: A meta-analysis of prevalence. Sci Rep 2019; 9 (01) 10802 . doi:10.1038/s41598-019-47280-8. PMID: 31346244; PMCID: PMC6658480
  • 13 Yi S, Ueno Y, Naito M. et al The three most common variations of the left renal vein: a review and meta-analysis. Surg Radiol Anat 2012; 34: 799-804 . https://doi.org/10.1007/s00276-012-0968-1

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Abb. 1 Die V. cava inferior sowie die Becken- und Beinvenen gehen aus dem embryonalen Kardinalvenensystem hervor. Links: Die paarig angelegten Kardinalvenen (blau), Suprakardinalvenen (violett) und Subkardinalvenen (rot) mit sub-suprakardinaler Anastomose im sog. renalen Segment (proximal) (*) sowie iliakaler Anastomose (distal) (**). Mitte und rechts: Die Kardinalvenen bilden sich fast komplett zurück. Lediglich die proximale Subkardinalvene rechts und die distale Suprakardinalvene rechts verbleiben und bilden die V. cava inferior. Aus der renalen Anastomose entwickeln sich die beiden Nierenvenen (schwarz). Die distalen Subkardinalvenen verbleiben als Gonadalvenen (nach Avery [3]).
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Abb. 2 Präparat des kleinen Beckens. Die Harnblase und die Genitalorgane sind entfernt. Aufgrund der altersbedingten Aortenelongation des Körperspenders ist die Aortenbifurkation leicht nach rechts oben rotiert. Die A. iliaca communis (AIC) rechts überkreuzt die V. cava inferior am Übergang zur V. iliaca communis (VIC) links.
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Abb. 3 Blick auf das rechtsseitige kleine Becken am sagittalisierten Präparat. Canalis obturatorius mit V. obturatoria als Beispiel für einen „pelvic escape point“ (Refluxursprung für venöse Insuffizienz der Beine aus dem kleinen Becken). Rechts im Bild Äste der V. iliaca interna, die u. a. den Vv. gluteae und pudendae internae zuzuordnen sind. AIE = A. iliaca externa; VIE = V. iliaca externa.
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Abb. 4 Situs retroperitonealis in Höhe der Nierengefäße. Die V. renalis links überkreuzt die Aorta abdominalis – die Anatomie, die einem „vorderen Nussknacker-Phänomen“ zugrunde liegt. Im Seitenvergleich auffällig ist die erweiterte V. ovarica links, die im distalen Verlauf mehrlumig wird. Nebenbefundlich eine ausgeprägte Aortenelongation. AMS = Stumpf der A. mesenterica superior.
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Abb. 5 Als Variante unterkreuzt die V. renalis links die Aorta abdominalis („hinteres Nussknacker-Phänomen“).
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Abb. 6 Periuterine und perimetrale Varikose in der Farbduplexsonografie mit der Sektorsonde (endo/vaginal 2,9–9,7 MHz). Darstellung des Refluxes im Pressversuch (Quelle: Beate Scheufler, Halle).
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Abb. 7a Abdominale Anlotung in der Querschnittsdarstellung mit der Konvexsonde (5 MHz). Zwischen der Aorta (AO) und der A. mesenterica superior (SMA) kommt die linke Nierenvene (LRV) im Längsschnitt zur Darstellung. b Im Längsschnitt stellt sich der spitzwinklige Abgang der A. mesenterica superior dar, die die linke Nierenvene (hier quer angeschnitten) überkreuzt. Im Falle einer hämodynamisch wirksamen Kompression der Nierenvene spricht man vom „vorderen Nussknacker-Syndrom“.
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Abb. 8a In der stehenden Position lässt sich in der paramedianen Querschnittsdarstellung die V. ovarica links mit weitem Lumen neben der Aorta darstellen. Der rote Farbdoppler, der die gleiche Flussrichtung wie die Aorta anzeigt, belegt den Reflux. b Paramediane Längsschnittdarstellung der linken V. ovarica. Ein Durchmesser > 6 mm im Stehen gilt als pathognomonisch für eine Insuffizienz der Ovarialvene.
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Abb. 9 Darstellung der proximalen Aa. und Vv. iliacae communes. Die AIC rechts überkreuzt die VIC links. Beim liegenden Patienten ist grundsätzlich ein leichter Kollaps der Venen darzustellen. Dieser lässt nicht automatisch auf eine hämodynamisch relevante Kompression im Sinne des Vorliegens eines May-Thurner-Syndroms schließen (16-jährige Probandin, keine Beschwerden).
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Fig. 1 The inferior vena cava, the pelvic veins and the leg veins develop from the embryonic cardinal vein system. Left: The paired cardinal veins (blue), the supracardinal veins (purple), and the subcardinal veins (red), with the sub-supracardinal anastomosis in the renal segment (proximal) (*) and the iliac anastomosis (distal) (**). Middle and right: The cardinal veins regress almost completely. Only the proximal subcardinal vein on the right and the distal supracardinal vein on the right remain and form the inferior vena cava. The two renal veins (black) develop from the renal anastomosis. The distal subcardinal veins remain as the gonadal veins (according to Avery [3]).
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Fig. 2 Dissection of the lesser pelvis. The bladder and the genital organs have been removed. The aortic bifurcation is slightly rotated to the top right due to the age-related elongation of the aorta in the donor. The right common iliac artery (A. iliaca communis, AIC rechts) crosses over the inferior vena cava at the transition from the left common iliac vein (V. iliaca communis, VIC links).
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Fig. 3 View of the right side of the lesser pelvis in a sagittal dissection. The obturator canal with the obturator vein can be seen as an example of a pelvic escape point (source of reflux for venous insufficiency in the legs from the lesser pelvis). Tributaries of the internal iliac vein, including the gluteal veins and internal pudendal veins, can be seen to the right. AIE: A. iliaca externa, VIE: V. iliaca externa.
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Fig. 4 Retroperitoneal site at the level of the renal vessels. The left renal vein crosses over the abdominal aorta – the anatomy giving rise to an anterior nutcracker phenomenon. Comparing the two sides, the dilated left ovarian vein (V. ovarica links) is noticeable and shows multiple lumens in its distal course. The marked aortic elongation is an incidental finding. (AMS: stump of the superior mesenteric artery).
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Fig. 5 As a variant, the left renal vein (V. renalis links) crosses under the abdominal aorta – the posterior nutcracker phenomenon.
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Fig. 6 Varicose veins around the uterus and parametrium seen with duplex ultrasound scanning using a sector probe (endo/vaginal 2.9–9.7 MHz). Demonstration of reflux with a Valsalva manoeuvre (Quelle: Beate Scheufler, Halle).
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Fig. 7a Positioning and alignment of a convex probe (5 MHz) on the abdomen for an optimal transverse view. The left renal vein (LRV) can be seen in longitudinal section between the aorta (AO) and the superior mesenteric artery (SMA). b The longitudinal section shows the acute-angled take-off of the superior mesenteric artery, which then crosses the left renal vein (seen here in cross section). When there is a haemodynamically relevant compression of the renal vein, it is known as the anterior nutcracker syndrome.
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Fig. 8a In the standing position, the left ovarian vein with a wide lumen can be seen adjacent to the aorta in the paramedian transverse view. The red Doppler signal, showing the same direction of flow as the aorta, confirms the reflux. b Paramedian longitudinal view of the left ovarian vein (V. ovarica links). A diameter of > 6 mm in the standing patient is considered pathognomic of an incompetent ovarian vein.
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Fig. 9 Demonstration of the proximal common iliac arteries and veins. The right common iliac artery (AIC) crosses over the left common iliac vein (VIC). A mild collapse of the veins can be seen with the patient lying down. This does not automatically mean that there is haemodynamically relevant compression in terms of a May-Thurner syndrome (16-year-old female subject, no symptoms).