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DOI: 10.1055/a-1297-4338
Kinder- und Jugendmedizin

Vielfalt der Kinder- und Jugendmedizin


Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
im letzten Heft unseres Jahrgangs 2020 der Zeitschrift Kinder- und Jugendmedizin möchten wir wieder einmal einen Einblick in die Vielfalt der Kinder- und Jugendmedizin ermöglichen! Von häufigen Erkrankungen wie Asthma, chronischer Bronchitis und Allergien über die häufigste Stoffwechselerkrankung, die Adipositas, wird über die noch immer durchaus lästige Erkrankung der Läuse-Infestierung bis zum Thema Subdurales Hämatom im Kindesalter ein Bogen gespannt bis hin zum pädagogischen Konzept bei den neuen Kinderkrankheiten, zu denen wir Verhaltensstörungen, pädagogische Krisen und Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen zählen.
Subdurale Hämatome entstehen im Kindesalter insbesondere im Säuglings- und frühen Kindesalter überwiegend traumatisch. Sie sind neben Verkehrsunfällen und Stürzen sowie geburtstraumatischen Verletzungen häufig Folge eines Schütteltraumas. Die Arbeit von Herrn Oberarzt Dr. Bernhard, dem Leiter der Kinderschutzambulanz der Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche in Leipzig, weist auf die Bedeutung einer ausführlichen Anamnese und Untersuchung, hinsichtlich des Vorliegens weiterer Verletzungen bei Kindeswohlgefährdung, als Hinweis auf ein nicht akzidentelles Entstehen von subduralen Hämatomen hin. Fallbeiträge aus der Adipositas-Arbeitsgruppe der Leipziger Unikinderklinik beschreiben einerseits ein konservatives Adipositas-Therapieprogramm, das interdisziplinär und ambulant durchgeführt und inzwischen durch eine gesetzliche Krankenkasse vollständig finanziert wird. Es ist wichtig zu betonen, dass der modulare Aufbau eine einjährige Interventionszeit sowie eine dreijährige Nachsorge einschließt und auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Trotz aller Skepsis ist es erfreulich, dass immerhin ⅔ der eingeschlossenen Patientinnen und Patienten über das erste Therapiejahr eine Stabilisierung bzw. Reduktion des BMI-SDS erreichen können.
Die Bedeutung der bariatrischen Chirurgie im Kindes- und Jugendalter wird in Deutschland andererseits noch immer unterschätzt. Wir selbst sind durchaus ebenfalls noch immer eher kritisch und zurückhaltend eingestellt und betrachten deshalb die Chancen und Risiken der bariatrischen Chirurgie im Kindes- und Jugendalter auch in unserer eigenen Einrichtung mit Skepsis und Selbstkritik:
Um bariatrische Chirurgie im Kindes- und Jugendalter durchführen zu können, bedarf es eines multidisziplinären Teams aus bariatrischen Chirurgen, Pädiatern, Ernährungstherapeuten und Psychologen sowie Sozialarbeitern. Die psychosoziale Situation des insbesondere jugendlichen Patienten mit Adipositas ist ein zentrales Anliegen. In verzweifelnden Fällen mit einer hochgradigen Adipositas im Jugendalter halten wir einen bariatrisch-chirurgischen Eingriff, z. B. auch beim Vorliegen von Komorbiditäten wie Typ-2-Diabetes, schwerer Hypertonie, einem OSAS (obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndrom) für indiziert und als ersten Therapieschritt für möglicherweise lebensrettend.
In der Arbeit der Kollegen vom Lehrstuhl für präventive Pädiatrie der Technischen Universität München geht es um ergospirometrische Belastungsuntersuchungen in der Pädiatrie. Die Kollegen haben an einem kleinen Pilotprojekt 100 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 14,2 Jahren im Rahmen einer sportwissenschaftlichen Kooperationsarbeit untersucht. Es wird geschlussfolgert, dass Fahrradergometer-Untersuchungen im Jugendalter, insbesondere bei kardiologischer Indikation, durchgeführt werden und indiziert sind. Allerdings werden auch Jugendliche bezüglich der Frage der Sporttauglichkeit, im Rahmen von Leistungssport, untersucht und 12 der 100 Patienten wurden wegen allgemeinpädiatrischer, z. B. onkologischer Grunderkrankungen untersucht. Als Voraussetzung für strukturierte Sportprogramme bei chronisch Kranken und insbesondere bei Jugendlichen mit vorbekannten Herzerkrankungen, sind kardiopulmonal Belastungsuntersuchungen indiziert.
Prof. Hermann Feldmeier vom Institut für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie erklärt uns einmal mehr die Infektionsepidemiologie, Diagnostik, Therapie und Prävention der Pediculosis capitis. Diese ist bekanntermaßen die häufigste parasitäre Hauterkrankung von Kindern und kann das Leben in Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen belasten. Interessanterweise sind Mädchen bekanntermaßen deutlich häufiger betroffen als Jungen. Das Persistieren und Wiederaufflammen von Epidemien in entsprechenden Einrichtungen ist gefürchtet. Auf der anderen Seite ist erfreulich wieder einmal zu lesen, dass es hochwirksame und sichere Therapeutika gibt, die auch epidemische Ausbrüche von Kopflaus-Infestationen zum Erliegen bringen können und dem Betroffenen helfen. Schließlich hat Herr Chefarzt Dr. Michael Kroll, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Asklepios Fachklinikums Stadtroda, seine pädagogischen Konzepte für die pädiatrische Elternberatung in einem Beitrag für unsere Zeitschrift zusammengefasst. Die Herausgeber der Kinder- und Jugendmedizin stimmen mit Herrn Dr. Kroll überein, dass die „neuen Kinderkrankheiten“ in psychosomatischen, psychologischen und insbesondere mit Verhaltensauffälligkeiten assoziierten psychosozialen Themen zu finden sind. Eltern müssen in pädagogischen Ansätzen entlastet werden. Bei Verhaltensstörungen im Jugendalter gibt es kein Allheilrezept und keine Mustervorgehensweisen, sondern ganz im Gegenteil muss sowohl das Vorgehen der Therapeuten als auch der Familie ständig hinterfragt und unterstützt werden.
Wir wünschen den Leserinnen und Lesern viel Vergnügen, einen guten Erkenntnisgewinn und sind den Autorinnen und Autoren für die Beiträge außerordentlich dankbar.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
14. Dezember 2020
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