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DOI: 10.1055/a-1384-8934
Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) nach Langzeitbeatmung infolge SARS-CoV-2-Infektion
Erste ErfahrungenWeaning from Mechanical Ventilation in Patients with SARS-CoV-2 Infection after Prolonged Mechanical VentilationFirst ExperienceZusammenfassung
Ziel Es sollte untersucht werden, ob Unterschiede im Weaning bei Langzeitbeatmung infolge einer SARS-CoV-2-Infektion bestehen.
Methode Es wurden für den Zeitraum Januar bis Juli 2020 Patientendaten aus dem Weaning-Register des Institutes für Lungenforschung (ILF) ausgewertet. Hierbei wurden nur abgeschlossene Weaning-Fälle aus dem eigenen Zentrum berücksichtigt.
Ergebnisse Insgesamt konnten 28 Patienten ausgewertet werden, 11 wurden wegen Langzeitbeatmung nach SARS-CoV-2-Infektion behandelt, 17 Patienten hatten keine SARS-CoV-2-Infektion. 81,2 % der SARS-CoV-2-Patienten und 76,4 % der SARS-CoV-2-negativen Patienten konnten erfolgreich von der Beatmung entwöhnt werden. Die Mortalität lag bei 18,2 % in der SARS-CoV-2-positiven Gruppe und 11,8 % in der SARS-CoV-2-negativen Gruppe. Bei den Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion handelte es sich hauptsächlich um Männer mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen und Raucheranamnese. Ein ARDS war hier die häufigste Ursache der akuten respiratorischen Insuffizienz.
Schlussfolgerung Patienten mit Langzeitbeatmung im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion können erfolgreich vom Respirator entwöhnt werden. Männliche Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen und Raucheranamnese scheinen häufiger von einer prolongierten Entwöhnung vom Respirator betroffen zu sein.
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Abstract
Aim With the emergence of a new virus and the associated pandemic, the ICU started to see a brand new kind of patient with severe ARD. As with any disease, sometimes the discontinuation of mechanical ventilation for any reason can be difficult. As a center specializing in weaning patients after prolonged mechanical ventilation, we wanted to compare our results with weaning patients who had prolonged mechanical ventilation for other reasons than those of patients who had prolonged mechanical ventilation due to SARS-CoV-2 infection.
Methods We obtained our data from WeanNet register, the weaning register of the German Institute for Lung Research (ILF). In our analysis, we included only patient data from January until July 2020, which was recorded in our in-house study files.
Results Our analysis included data on 28 patients; 11 were treated with prolonged mechanical ventilation due to SARS-CoV-2 pneumonia, 17 had no SARS-CoV-2 infection. 81.2 % of SARS-CoV-2 patients were successfully weaned from invasive ventilator therapy compared to 76.4 % of patients without SARS-CoV-2. Mortality in the SARS-CoV-2 group was 18.2 % compared to 11.8 % in the other group. Patients with SARS-CoV-2 infections were predominantly males with preexisting cardiovascular disease or a history of nicotine abuse. ARDS was the most common cause of respiratory failure which led to primary intubation.
Conclusion Even though we were only able to analyze a small number of patient histories due to the novelty of the disease, we were able to show that patients with prolonged mechanical ventilation after SARS-CoV-2 infection can be equally successfully weaned compared to patients with prolonged mechanical ventilation due to other diseases. Risk factors for prolonged mechanical ventilation after a severe case of SARS-CoV-2 infection seemed to be male gender, nicotine abuse and cardiovascular disease.
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Einleitung
Im Vergleich zu anderen pneumotropen Virusinfektionen (z. B. saisonale Influenza) finden sich bei Infektionen durch SARS-CoV-2 (Abk. für severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) mehr schwere Verläufe, eine höhere Letalität und eine ungefähr doppelt so lange Beatmungszeit [1]. Über den Verlauf eines prolongierten Weanings bei SARS-CoV-2-Patienten ist bisher nur wenig bekannt. Eine italienische Studie zeigte bei insgesamt 391 ausgewerteten Patienten eine erfolgreiche Entwöhnung bei nur 53 % der SARS-CoV-2-Patienten. Die ICU-Mortalität betrug 36 % [2]. Es ist anzunehmen, dass durch die in Deutschland ansteigende Zahl invasiv beatmeter SARS-CoV-2-Patienten der Bedarf an Entwöhnungskapazitäten für diese prolongiert beatmeten Patienten zunehmen wird [3].
Das Lungenversagen bei SARS-CoV-2 verläuft in Teilen ähnlich eines ARDS aus anderer Ursache. Wichtige Unterschiede bestehen darin, dass in der Frühphase der Erkrankung noch eine gute Compliance der Lunge besteht und daher die zusätzliche Atemarbeit für den Patienten trotz bestehender z. T. schwerer Hypoxämie noch kompensierbar ist. Gleichzeitig ist bei niedrigem Lungengewicht und wenig Atelektasen das rekrutierbare Lungenvolumen gering, sodass der optimale Zeitpunkt der Intubation und invasiven Beatmung noch nicht geklärt ist und von vielen zusätzlichen Faktoren abhängt (respiratorischer Stress, Begleiterkrankungen, Komplikationen, Alter). Diese Frühphase wird hypothetisch als Low Phase bezeichnet [4]. Bei Persistenz bzw. Progredienz der Erkrankung zeigt sich das Bild eines klassischen ARDS [5]. Die invasive Beatmung ist dann kaum zu vermeiden, sofern keine Kontraindikation vorliegt (Patientenwille, Aussichtslosigkeit). In Italien lag während der ersten Welle im März 2020 die Intubationsrate teilweise bei 88 % [6]. Auch bei der ARDS-Behandlung infolge SARS-CoV-2 (cARDS) ist auf eine protektive Beatmung mit niedrigem Atemzugvolumen, niedrigem Plateaudruck und einem höheren PEEP zu achten. Es sollte eine Bauchlagerung insbesondere bei bilateralen Infiltraten durchgeführt werden [7] [8] [9] [10]. In der ProVent-Covid-Analyse bei 530 beatmeten SARS-CoV-2-Patienten war der PEEP im Mittel bei 14 cm H2O, die Sterblichkeit lag bei 35 %. Die Hälfte aller Patienten wurde intermittierend in Bauchlage ventiliert [11]. Altersabhängig zeigt sich bei SARS-CoV-2 eine sehr hohe Mortalität unter invasiver Beatmung [1]. Eine extrakorporale Therapie (ECMO) ist bei SARS-CoV-2-Infektion in Erwägung zu ziehen, wenn andere Therapiemaßnahmen ausgeschöpft sind [5]. Die Mortalität an der ECMO liegt bei knapp 40 % [12].
Aktuelle Zahlen belegen, dass 37 % der hospitalisierten Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion auf einer Intensiveinheit behandelt werden müssen, 22 % erhalten eine Beatmungstherapie. Die Sterblichkeit beatmeter Patienten beträgt 22–23 % [3].
Eine strukturierte Entwöhnung oder Liberalisation von der Beatmung (Weaning) wird häufig in dafür spezialisierten Einrichtungen (Weaning-Zentren) durchgeführt [13]. 2007 wurde innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) das Netzwerk WeanNet gegründet [14]. Derzeit gibt es ungefähr 50 zertifizierte Zentren in Deutschland. In einer Registerstudie aus dem WeanNet von 2020 wurden insgesamt 11 424 Patienten mit prolongiertem Weaning ausgewertet. 7346 Patienten wurden von der Beatmung entwöhnt (64,3 %), 2236 davon mithilfe einer nichtinvasiven Beatmung. An der invasiven Beatmung verblieben 2420 Patienten (21,2 %), 1648 Patienten (14,5 %) verstarben im Weaning-Zentrum [15]. Bereits 2016 konnte gezeigt werden, dass Patienten im prolongierten Weaning eine Reihe von Komorbiditäten (v. a. kardiovaskuläre Erkrankungen, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus oder Adipositas) aufwiesen. Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und neuromuskulären Erkrankungen als führender Ursache für die mechanische Beatmung wurden im Vergleich zu anderen Ursachen seltener vollständig vom Respirator entwöhnt. Günstiger zeigte sich die Prognose bei ARDS und postoperativer respiratorischer Insuffizienz. Der Altersdurchschnitt der Patienten im Register lag zuletzt bei 71 Jahren [16]. Weaning-Zentren sind auch für die Planung und Kontrolle einer außerklinischen Beatmung verantwortlich [17].
In der vorliegenden Arbeit berichten wir über erste Erfahrungen mit prolongiertem Weaning in unserer Klinik bei nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion als Ursache der prolongierten Beatmung.
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Methode
Es wurden Registerdaten der Patienten unseres Zentrums aus dem Weaning-Register des Institutes für Lungenforschung (ILF) für die Auswertung retrospektiv berücksichtigt. Alle Patienten im prolongierten Weaning werden in das Register eingeschlossen, sofern die Einschlusskriterien erfüllt sind und eine Patienteneinwilligung in schriftlicher Form vorliegt.
Weaning-Register: Einschlusskriterium ist eine invasive Beatmung über Tubus oder Tracheostoma, die trotz mindestens 3 Spontanatmungsversuchen nicht beendet werden kann oder nach einem Spontanatmungsversuch mindestens 7 Tage weitergeführt werden muss. I.d.R. zeigt sich bei Patienten im prolongierten Weaning eine invasive Beatmungsdauer von mehr als 2 Wochen vor Einschluss in das Register. Die Eingabe in die Datenbank erfolgt elektronisch und umfasst Punkte wie Alter, Geschlecht, Performance-Status (ECOG) vor der Beatmung, Ursache der akuten respiratorischen Insuffizienz sowie Daten zum Weaning-Verlauf, Komplikationen im Weaning-Prozess und Status des Patienten am Behandlungsende. Spontanatmungsversuchen (spontaneous breathing trials, SBT) von individuell geplanter Dauer kommen hierbei eine entscheidende Bedeutung zu [18] [19]. Das Ergebnis nach abgeschlossener Behandlung wird in verschiedene Kategorien unterteilt. Die Einteilung 1–3b gilt als erfolgreiche Entwöhnung, 3c als nicht erfolgreiche Entwöhnung [14]. Als Weaning-Ende gilt der letzte Tag, an dem eine maschinelle Atemunterstützung erfolgte (s. [Tab. 1]).
1 |
Einfaches Weaning |
Erfolgreiches Weaning nach dem ersten Spontanatmungsversuch (SBT) und Extubation |
2 |
Schwieriges Weaning |
Erfolgreiches Weaning spätestens beim 3. Spontanatmungsversuch (SBT) oder innerhalb von 7 Tagen nach dem ersten SBT |
3a |
Prolongiertes Weaning |
Erfolgreiches Weaning nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT mit Extubation (3aI) oder verbleibender Trachealkanüle (3aII) |
3b |
Prolongiertes Weaning |
Erfolgreiches Weaning nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT und Einsatz von NIV, welche selbstständig fortgesetzt werden muss (3bI) oder mit außerklinischer Pflege (3bII) |
3c |
Prolongiertes Weaning |
Erfolgloses Weaning mit Fortsetzung einer außerklinischen invasiven Beatmung (3cI) oder erfolgloses Weaning mit Tod des Patienten in der Klinik (3cII) |
In der ersten Jahreshälfte 2020 wurden in unserer Klinik insgesamt 16 Patienten mit einem Lungenversagen durch eine pulmonale SARS-CoV-2-Infektion invasiv beatmet. 3 Patienten konnten innerhalb kurzer Zeit entwöhnt und extubiert werden, sodass hier nach der Definition der aktuellen Leitlinie kein prolongiertes Weaning vorlag [21]. Eine weitere Patientin wurde zur extrakorporalen Therapie in ein ECMO-Zentrum verlegt und daher nicht in der Auswertung berücksichtigt. Ein Patient wurde im Rahmen einer Reanimation notfällig intubiert und verstarb innerhalb von 24 h an Multiorganversagen, sodass auch hier kein prolongiertes Weaning vorlag. Die verbliebenen 11 SARS-CoV-2-positiven Patienten (davon 8 zur Beatmungsentwöhnung aus externen Intensivstationen verlegt) erfüllten die Kriterien für ein prolongiertes Weaning und wurden in das Weaning-Register (WeanNet) eingeschlossen. Es lag ein positives PCR-Ergebnis (SARS-CoV-2) vor, alle Patienten waren kontrolliert beatmet über Tubus oder Tracheostoma.
Im gleichen Zeitraum wurden weitere 17 Patienten unserer Klinik in das Register eingeschlossen, die keine SARS-CoV-2-Infektion aufwiesen. In die Auswertung im Rahmen der vorliegenden Arbeit gelangten nur vollständig abgeschlossene, aus dem Weaning-Zentrum entlassene Fälle (s. [Abb. 1]).



Folgende Parameter wurden untersucht: Alter, Geschlecht, Status bei Entlassung (entwöhnt, nicht entwöhnt von der Beatmung, Tod), die Ursache der respiratorischen Insuffizienz, die Dauer der Beatmung bis zur vollständigen Entwöhnung vom Respirator sowie vorliegende Komorbiditäten und Risikofaktoren.
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Ergebnisse
Das Durchschnittsalter der Patienten lag im Median zwischen 70 und 71 Jahren, sowohl bei den SARS-CoV-2-positiven Patienten (70,5 Jahre) als auch bei den SARS-CoV-2-negativen Patienten (70,2 Jahre). In der Datenbank des Weaning-Registers lag das Alter der mehr als 11 000 eingeschlossenen Patienten im Mittel bei 71 Jahren [15], die SARS-CoV-2-Patienten wiesen demnach eine ähnliche Altersstruktur auf. Mehr als Dreiviertel der SARS-CoV-2-positiven Patienten waren männlichen Geschlechts (78 % vs. 53 %). Die Tage an der invasiven Beatmung bis zum Einschluss in das Weaning-Register waren in der SARS-CoV-2-positiven Gruppe mit 21,7 Tagen im Durchschnitt 3,7 Tage länger als bei den SARS-CoV-2-negativen Patienten ([Tab. 2]). Demgegenüber war die Zeit an der Beatmung im Entwöhnungsprozess bis zum Weaning-Ende in der SARS-CoV-2-positiven Gruppe kürzer, im Mittel um 2,9 Tage (21,9 vs. 24,8 Tage).
Von den 11 Patienten mit SARS CoV-2-Infektion konnten 9 (81,2 %) erfolgreich ohne weiterführende maschinelle Unterstützung entwöhnt werden, 2 Patienten verstarben im Weaning-Zentrum. Bez. der Hauptursache für den Beginn der maschinellen Beatmung fand sich bei > 80 % der SARS-CoV-2-Patienten ein ARDS (s. [Abb. 2]).



In der SARS-CoV-2-negativen Gruppe waren typischerweise Pneumonie und COPD die häufigsten Ursachen für die akute respiratorische Insuffizienz (s. [Abb. 2]). Wenn man COPD, Pneumonie und Sepsis zusammenfasst, war dies in über 50 % der SARS-CoV-2-negativen Patienten der Grund der Intubation.
In der SARS-CoV-2-negativen Gruppe konnten > 75 % der beatmeten Patienten stabil vom Respirator entwöhnt werden (76,4 %). 2 Patienten wurden invasiv beatmet in die außerklinische Beatmung entlassen, 2 Patienten überlebten den Klinikaufenthalt nicht (s. [Tab. 3]).
In der Analyse der Komorbiditäten zeigte sich ein Überwiegen der kardiovaskulären Begleiterkrankungen (arterielle Hypertonie, KHK, Linksherzinsuffizienz). In der Gruppe der SARS-CoV-2-positiven Patienten waren Herzerkrankungen und positiver Raucherstatus mit > 80 % am häufigsten, Diabetes mellitus fand sich bei 45 % der SARS-CoV-2-Patienten. In der Gruppe der SARS-CoV-2-negativen Patienten waren Herzerkrankungen ebenfalls am häufigsten vertreten (65 %), gefolgt von Lungenerkrankungen (52 %) und positiver Raucheranamnese (47 %). Hier gab es nur einen Diabetiker (s. [Abb. 3]).



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Diskussion
Die ersten Erfahrungen mit SARS-CoV-2-erkrankten Patienten im prolongierten Weaning zeigen, dass es sich um ältere Menschen (Durchschnittsalter 70,5 Jahre) handelt. Dies deckt sich mit Daten des Weaning-Registers vor Ausbruch der Pandemie, hier war der Altersdurchschnitt bisher 71 Jahre [15] [16]. Es fand sich ein erhöhter Anteil an Männern bei SARS-CoV-2-erkrankten Patienten (78 %). Männer scheinen generell häufiger im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion beatmet werden zu müssen, in der ProVent-Studie waren es 75 % [11]. Die Mortalität der SARS-CoV-2-Patienten betrug in der aktuellen Betrachtung 18,2 % und war damit höher als in der SARS-CoV-2-negativen Gruppe (11,2 %) und auch höher als die Gesamtsterblichkeit in deutschen Weaning-Zentren [16]. Entsprechend dem Verlauf einer schweren SARS-CoV-2-Infektion war die Ursache für die invasive Beatmung in fast allen Fällen ein ARDS. Bisher fand sich ein ARDS als Ursache des prolongierten Weanings in den letzten Jahren nur bei 3 % der Fälle [15]. Die Erklärung liegt vermutlich in dem speziellen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion: Während sich bei anderen Erregern von Pneumonien seltener ein ARDS entwickelt, zeigt sich bei SARS-CoV-2 sehr häufig ein Lungenversagen mit nachfolgenden Konsolidierungen bis hin zur Fibrosierung [22] [23]. Die Ursachen hierfür sind nicht bekannt. Nach bisherigen Erkenntnissen spielen neben der direkten alveolären Schädigung durch die Virusinfektion beatmungsassoziierte Traumata analog zum klassischen ARDS eine Rolle, ebenso die bisher wenig bekannte P-SILI (Patient Self-Induced Lung Injury), die über eine Hyperventilation bei Eigenatmung eine Überdehnung der Alveolen zu verursachen scheint [24]. Inwieweit eine genetische Disposition zur raschen Fibrosierung (mitunter innerhalb weniger Tage) beiträgt, ist nicht geklärt.
Aufgrund der schweren und teilweise persistierenden pulmonalen Funktionseinschränkung ist daher bei Überleben der Akutphase ein längerer Entwöhnungsprozess wahrscheinlich, insbesondere bei älteren, männlichen und vorerkrankten Patienten. Die meisten SARS-CoV-2-Patienten (81,2 %) wiesen kardiovaskuläre Vor- und Begleiterkrankungen auf und waren überwiegend Raucher oder Exraucher. Auch Diabetiker waren häufig zu finden.
Die Dauer des Entwöhnungsprozesses betrug bei SARS-CoV-2 im Durchschnitt 21,9 Tage. Zum Vergleich: In den Jahren 2012–2018 betrug die Weaning-Dauer in unserem Zentrum im Schnitt 21,2 Tage. Wenn die gesamte Zeit am Respirator betrachtet wird, wurden die SARS-CoV-2-Patienten insgesamt 43,6 Tage beatmet, die SARS-CoV-2-negativen Patienten 42,8 Tage. Unsere SARS-CoV-2-Patienten unterschieden sich demnach im Falle einer prolongierten Entwöhnung nicht wesentlich von anderen Weaning-Patienten bez. der Dauer der Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung (s. [Abb. 4]).



Es ist anzunehmen, dass sich aus der Zunahme der pandemiebedingten Beatmungsfälle eine große Anzahl an Patienten mit prolongierter Beatmungsentwöhnung entwickeln wird. Bei einer Beatmungszeit von mehr als einem Monat belastet dies die Kapazitäten einer Intensivstation in hohem Maße. Auch nach Beendigung des Weaning-Prozesses ist eine weitere stationäre Betreuung für einen längeren Zeitraum erforderlich (s. [Abb. 4]).
Einschränkungen in den Aussagen sind durch die geringe Patientenzahl bedingt. Die hier beobachteten Patienten wurden in der Phase der akuten respiratorischen Insuffizienz nicht mit Dexamathason behandelt, da dies zu diesem Zeitpunkt keine empfohlene Maßnahme war. Steroide kamen nur in Einzelfällen (z. B. vorbestehende Indikation, bronchiale Obstruktion) zum Einsatz. Inwieweit die Behandlung mit Dexamethason nach der Recovery-Studie zu einer Verminderung von Langzeitverläufen an der Beatmung führt, bleibt abzuwarten [25]. Daten zum Langzeitüberleben nach Beatmung liegen nicht vor, da die Erkrankung bis zum Ende des Jahres 2019 unbekannt war. Bei Patienten mit stationär behandelter SARS-CoV-2-Erkrankung sollte nach 8–12 Wochen eine Nachuntersuchung bez. Langzeitfolgen erfolgen [26].
Weitere Untersuchungen mit größeren Patientengruppen sind erforderlich, um die Versorgung von langzeitbeatmeten SARS-CoV-2-Patienten weiter zu verbessern.
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Fazit
Bei einer durch SARS-CoV-2 verursachten Langzeitbeatmung ist in der Mehrzahl der hier ausgewerteten Fälle eine Entwöhnung von der maschinellen Beatmung gelungen (81,2 %). Es sollte daher auch bei Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion die Verlegung in ein spezialisiertes Weaning-Zentrum erwogen werden. Männliche Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen und Raucheranamnese scheinen häufiger von einer prolongierten Entwöhnung in Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Erkrankung betroffen zu sein.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 02 January 2021
Accepted: 03 February 2021
Article published online:
19 April 2021
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