Rofo 2021; 193(05): 537-543
DOI: 10.1055/a-1393-6668
Health Policy and Evidence Based Medicine

Risiko radiologischer Mitarbeiter für eine COVID-19-Infektion in einer Hoch- und Niedrigrisikoregion in Deutschland: Lehren aus der „ersten Welle“

Article in several languages: English | deutsch
Thomas Finkenzeller
1   Department of Radiology and Neuroradiology, Hospital Weiden, Germany
,
Stephan Lenhart
1   Department of Radiology and Neuroradiology, Hospital Weiden, Germany
,
Mark Reinwald
2   Department of Hematology and Oncology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane, Brandenburg a. d. Havel, Germany
,
Stefan Lüth
3   Clinic for Gastroenterology, Diabetology & Hepatology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane, Brandenburg a. d. Havel, Germany
,
Lena Marie Dendl
4   Department of Radiology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane, Treuenbrietzen, Germany, Department of Radiology, Johanniter Specialty Clinic Treuenbrietzen, Treuenbrietzen, Germany
8   Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane, Brandenburg a. d. Havel, Germany
,
Christian Paetzel
1   Department of Radiology and Neuroradiology, Hospital Weiden, Germany
,
5   Institute for Information Engineering, Ostfalia University of Applied Sciences, Wolfenbüttel, Germany
,
Frank Klawonn
6   Biostatistics, Helmholtz Centre for Infection Research, Braunschweig, Germany
,
Alexander Von Meyer
7   Institute for Laboratory Medicine, Medical Microbiology and Technical Hygienics, Munich Municipal Hospital Group, München, Germany
,
Andreas G. Schreyer
8   Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane, Brandenburg a. d. Havel, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel Durch die aktuelle COVID-19-Pandemie kommt es stellenweise zu einer Überlastung des Gesundheitssystems. Analog zu den Mitarbeitern im Gesundheitswesen (Healthcare workers, HCW) auf Intensiv- oder COVID-Stationen ist auch das Personal in der Radiologie durch häufigen direkten Kontakt mit infektiösen Patienten einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Ziel unserer Arbeit war es, an 2 Klinikstandorten in Deutschland mit jeweils hoher bzw. geringer Prävalenz von COVID-19 in der Bevölkerung die Seroprävalenz von IgG-Antikörpern (AK) gegen SARS-CoV-2 bei radiologischem Personal zu evaluieren und in Bezug zum übrigen Klinikpersonal zu setzen. Zusätzlich sollten die Anzahl verschiedener radiologischer Untersuchungen der COVID-19-positiven Patienten (C+) ausgewertet werden und ein Überblick über das Risiko einer berufsbedingten Infektion des radiologischen Personals mit COVID-19 erfolgen.

Material und Methoden Die Auswertung erfolgte nach der ersten Welle der COVID-19-Pandemie zwischen März und Juli 2020 in einer Region mit einer der höchsten Prävalenzen (776–1570/100 000) in Deutschland (Klinikum A). Zusätzlich wurde das Klinikum B in einem Gebiet mit niedriger Prävalenz (65/100 000) evaluiert. An beiden Kliniken wurde die IgG-Seroprävalenz des gesamten Personals bestimmt und eine Subgruppenanalyse der Radiologie der beiden Standorte vorgenommen. Die Anzahl der mittels PCR gesicherten COVID-19-Patienten sowie deren radiologische Untersuchungen wurde erfasst.

Ergebnisse Am Klinikum A waren nach insgesamt 2723 radiologischen Patientenkontakten bei 594 C+-Patienten 24 % (n = 6) der medizinisch-technischen Mitarbeiter und 13,3 % (n = 2) des ärztlichen Personals der Radiologie IgG-positiv. Dies entsprach den Positivraten der HCW auf COVID- bzw. Intensivstationen des Klinikums. Am häufigsten wurden bei C+-Patienten konventionelle Thoraxaufnahmen (3,17/Patient) und CT-Untersuchungen(1,15/Patient) durchgeführt. Am Klinikum B mit 50 C+-Patienten und 64 Gesamtkontakten lag bei keinem Mitarbeiter der Radiologie ein positiver Antikörpertest vor. Am häufigsten wurden ebenfalls konventionelle Thorax- (1,04/Patient) und CT-Untersuchungen (0,2/Patient) durchgeführt.

Schlussfolgerung Mitarbeiter der Radiologie haben ein ähnlich hohes Risiko, sich mit COVID-19 zu infizieren, wie Mitarbeiter auf COVID- bzw. Intensivstationen.

Kernaussagen:

  • Das Risiko einer COVID-19-Erkrankung steigt mit der Anzahl der Kontakte zu Infizierten.

  • Radiologisches Personal hat ein ähnlich hohes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion wie Pflegekräfte und Ärzte auf COVID-Stationen.

  • Hygienekonzepte und Ressourcen müssen für weitere Infektionswellen angepasst werden.

  • Bei seropositiven Mitarbeitern kann ggf. eine Meldung als berufsbedingte Erkrankung erwogen werden.

Zitierweise

  • Finkenzeller T, Lenhart S, Reinwald M et al. Risk to Radiology Staff for Occupational COVID-19 Infection in a High-Risk and a Low-Risk Region in Germany: Lessons from the „First Wave“. Fortschr Röntgenstr 2021; 193: 537 – 543


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Einleitung

Die durch das SARS-Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) verursachte „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) führt seit Ende 2019 weltweit mit Millionen von Infizierten und teils schwer verlaufenden Erkrankungen zu einer Überlastung der Gesundheitssysteme vieler Länder [1]. Die Patienten und auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen („Healthcare Worker“, HCW) vor einer Infektion mit dem Virus während der Behandlung zu schützen, war und ist eine schwierige Aufgabe in der Bekämpfung der Pandemie. Radiologisches Personal steht bei der Bewältigung einer solchen Pandemie in vorderster Linie und ist durch die hohe Anzahl an Kontakten mit Infizierten und potenziell ansteckenden Patienten im Rahmen der beruflichen Tätigkeit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Berufsbedingte Übertragungen des Virus können dabei sowohl von Patienten, aber auch von HCW zu HCW und über Kontaktflächen oder Aerosole erfolgen [2].

Die Seroprävalenz von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 erlaubt Rückschlüsse auf eine überstandene COVID-19-Infektion [3] [4] und ermöglicht es, Risikobereiche innerhalb des diagnostischen Ablaufs zu finden. Hierdurch können Arbeitsabläufe und Vorsichtsmaßnahem optimiert und Übertragungen im Krankenhaus minimiert werden [5].

Mitarbeiter in der Radiologie haben im klinischen Routinebetrieb analog zu Ärzten und Pflegenden (HCW) im Stationsbetrieb direkten Patientenkontakt mit Infizierten. Im Gegensatz zu HCW im stationären Bereich ist jedoch die Anzahl der direkten Patientenkontakte von radiologischem Personal durch die dokumentierten radiologischen Untersuchungen an COVID-19-positiven Patienten auch retrospektiv relativ genau nachvollziehbar.

Um die Gefährdung von Mitarbeitern der Radiologie (Sekretariat, medizinisch-technische Mitarbeiter, Ärzte) durch den direkten Kontakt mit COVID-19-positiven Patienten zu evaluieren, haben wir die Daten von 2 Klinikverbünden in unterschiedlich schwer von der COVID-19-Pandemie betroffenen Regionen in Deutschland evaluiert. Diese hatten einen Großteil des Klinikpersonals mehrzeitig auf die vorhandene Seroprävalenz von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 getestet und die Daten in Bezug auf einzelne Arbeitsbereiche und Abteilungen der Kliniken analysiert. Dabei wurden die Daten eines Klinikverbundes in der zum Untersuchungszeitpunkt am höchsten durchseuchten Region der nördlichen Oberpfalz (Bayern) (bis zu 1570 Fälle/100 000 Einwohner) ausgewertet. Als Vergleichskollektiv wurde die Radiologie in einer gering betroffenen Region (65/100 000) im Nordosten Deutschlands (Brandenburg) untersucht. Ziel der Arbeit war es, die mutmaßlich stattgehabte Ansteckung des radiologischen Personals während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie zu evaluieren und die Daten dabei in ein Verhältnis zu direkten Patientenkontakten, die den radiologischen Untersuchungen an COVID-19-positiven Patienten entsprechen, zu setzen.


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Material und Methoden

Studienorte

Wir analysierten das radiologische Personal hinsichtlich des Antikörperstatus und klinischer Symptome einer COVID-19-Erkrankung im Rahmen einer laufenden Studie des Klinikpersonals an 2 unterschiedlich stark von der COVID-19-Pandemie betroffenen Standorten in Deutschland.

Studienregion Klinikum A (Südosten Deutschlands) – hohe Prävalenz

Das Klinikum A (774 Betten an 2 Standorten) soll die Referenz für die Situation in einem Hochrisikogebiet für COVID-19 darstellen. Es versorgt etwa 280 000 Einwohner einer zwischen März und Juli 2020 von der Pandemie schwer betroffenen Region in Deutschland im ländlichen Nordostbayern [6]. Diese umfasst den Landkreis Tirschenreuth (1570 Fälle/100 000 Einwohner) ebenso wie die in der Prävalenzstatistik des RKI (Robert-Koch-Institut) vom Juli 2020 auf Platz 3 und 4 folgenden Landkreise Wunsiedel (909/100 000) und Neustadt/Waldnaab (860/100 000). Die Stadt Weiden als Sitz der versorgenden Hauptklinik (796/100 000) rangierte im Juli 2020 deutschlandweit an siebter Stelle, noch vor dem zeitlich ersten deutschen „Corona-Hotspot“ Heinsberg (776/100 000) [7]. In den Gesundheitseinrichtungen dieser Region wurden zwischen März und Juli 2020 mehr als 1450 Patienten mit Verdacht auf COVID-19 stationär behandelt, bei 594 wurde hierbei die SARS-CoV-2-Infektion mittels PCR gesichert ([Tab. 1]).

Tab. 1

Zusammenfassung der wichtigsten Daten zur Beschreibung der beiden untersuchten Regionen in Deutschland für Klinikum A (hohe Prävalenz) und Klinikum B (niedrige Prävalenz) bezüglich der COVID-19-Pandemie für den Untersuchungszeitraum von März bis Juli 2020.

Klinikum A

Südosten Deutschlands

hohe Prävalenz

Klinikum B

Nordosten Deutschlands

niedrige Prävalenz

Bundesland

Bayern

Brandenburg

versorgte Population (n)

280 000

177 000

COVID-19-Fälle/100 000 in der vom Klinikum versorgten Region (Range)

776–1570

65

PC- gesicherte COVID-19-Fälle am Klinikum

594

50


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Studienregion Klinikum B (Nordosten Deutschlands) – niedrige Prävalenz

Das Klinikum B repräsentiert einen Gesundheitsversorger für etwa 177 000 Einwohner im Nordosten Deutschlands (Brandenburg). Dabei waren am Sitz des evaluierten Vergleichsklinikums im Untersuchungszeitraum bis zum Juli 2020 lediglich 65 positive COVID-19-Fälle bekannt. Von März bis Juli wurden am Klinikum B (566 Betten) lediglich 50 Patienten aus der gesamten Region mit PCR-gesicherter SARS-CoV-2-Infektion stationär behandelt.


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Radiologische Einrichtungen am Klinikum A und B

Die radiologische Abteilung am Klinikum A besteht aus 16 ärztlichen Mitarbeitern, 29 medizinisch-technischen Radiologie-Assistenten (MTRA) bzw. medizinischen Fachangestellten (MFA) an 2 Standorten und 5 Mitarbeiterinnen im Sekretariat ([Tab. 2]). Am Hauptklinikum von A (649 Betten) ist, wie am zweiten Standort (145 Betten), jeweils ein CT installiert. Am Vergleichsklinikum B liegt eine ähnliche Verteilung mit 10 Ärzten und 28 MTRA vor. Auch die Geräteausstattung ist ähnlich wie am Klinikum A, wobei jedoch 2 CT-Scanner an einem Standort zur Verfügung stehen.

Tab. 2

Zusammenfassung der wichtigsten Daten zur Charakterisierung der beiden evaluierten radiologischen Institute am Klinikum A (hohe Prävalenz) und Klinikum B (niedrige Prävalenz) bezüglich Geräteausstattung und Personal (Untersuchungszeitraum März bis Juli 2020).

Modalitäten

Klinikum A

Klinikum B

CT

2 (an 2 Standorten)

2

MRT

2

2

Angiografie

2

1

konventionelle stationäre und mobile Röntgenarbeitsplätze

7

7

Personal

ärztliche Mitarbeiter

16

10

davon auf AK getestet

15

10

medizinisch-technische Mitarbeiter

29

28

davon auf AK getestet

25

28

Sekretariat

5

4

davon auf AK getestet

5

4


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Hygienekonzepte beider Standorte

Zu Beginn der Pandemie in Deutschland existierten keine klaren Leitlinien und Vorgaben zum Umgang mit infizierten Patienten und zum Schutz der Mitarbeiter. Ab Anfang März wurden alle Mitarbeiter am Klinikum A mit Patientenkontakt angewiesen, sich durch das Tragen von persönlicher Schutzkleidung (personal protective equipment, PPE) vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen. In der Radiologie war ab dem 09.03.2020 das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) für alle Mitarbeiter verpflichtend. Bei Untersuchungen von Patienten mit COVID-Verdacht (V. a. COVID) oder nachgewiesener Infektion (COVID+) war das Tragen von FFP2-Masken („filtering face piece“) obligatorisch, soweit diese verfügbar waren. In CT und Angiografie sollten zusätzlich Schutzbrillen oder „Face-Shields“ für einen vermehrten Schutz der Augen sorgen. Einmalkittel bzw. Wechselkittel bei direktem Kontakt zum Patienten sowie das Tragen von Einmal-Handschuhen waren verpflichtend. Eine Teilung des Personals in verschiedene Teams war aufgrund des rasanten Anstiegs der Fallzahlen innerhalb einer Woche Mitte März ebenso wenig möglich wie eine dauerhafte Zuteilung zu einzelnen radiologischen Untersuchungsmodalitäten. Diese Situation wurde durch eigene Erkrankungen und Verdachtsfälle des radiologischen Personals zusätzlich aggraviert.

V. a.-COVID- und COVID+-Patienten wurden an einem speziell für sie bestimmten Röntgenplatz untersucht. Da zum Zeitpunkt der Pandemie an der Klinik A an beiden Standorten jeweils nur ein CT-Scanner zur Verfügung stand, wurde versucht, CT-Untersuchungen bei diesen Patienten zu minimieren, sofern klinisch vertretbar. Dies war jedoch aufgrund des hohen Patientenaufkommens und der limitierten Zahl an zur Verfügung stehenden PCR-Tests nur in begrenztem Maß möglich. Auch war ein Teil der PCR-Tests trotz eindeutiger Klinik für eine Infektion negativ, sodass die CT zur weiteren Abklärung der Infektion herangezogen werden musste. Eine Wischdesinfektion der Geräte nach jedem dieser Patienten war obligatorisch. MRT-Untersuchungen von COVID-Patienten wurden immer am gleichen Scanner durchgeführt, der zweite war für nichtinfizierte Patienten reserviert.

Am Klinikum B wurden analoge Hygieneanordnungen zu Klinikum A durchgeführt. Da hier 2 CT-Geräte in Betrieb waren, wurden COVID+-Patienten lediglich an einem der beiden Scanner dediziert untersucht. Zusätzlich wurde entsprechend radiologischer Organisationsempfehlungen [8] [9] versucht, eine Durchmischung des radiologischen Personals zwischen verschiedenen Geräten und Modalitäten zu vermeiden.


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Analyse radiologischer Untersuchungen an COVID-positiven Patienten

Für die Auswertung unserer Studie untersuchten wir alle Patienten, die zwischen dem 01.03.2020 und dem 30.06.2020 am Klinikum A und B medizinisch behandelt wurden und durch einen PCR-Test eine nachgewiesene COVID-19-Infektion hatten. An beiden Kliniken wurden durch das jeweilige Controlling alle Patienten mit PCR-Nachweis während ihres stationären Aufenthalts identifiziert und die Anzahl aller radiologischen Untersuchungen an diesen Patienten numerisch erfasst. Dabei wurde eine anonymisierte und kumulative Liste erstellt, aus der hervorging, wieviel konventionelle radiologische Untersuchungen, CT-Untersuchungen sowie MRT- und angiografische Untersuchungen jeweils durchgeführt wurden. Da am Klinikum A im Hochrisikogebiet die sonografischen Untersuchungen bei COVID+-Patienten durch die behandelnden Ärzte auf den Stationen durchgeführt wurden, um Patiententransporte in die Radiologie zu minimieren, waren diese Daten retrospektiv nicht auswertbar.


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Evaluation der Antikörper des medizinischen Personals

In den letzten beiden Wochen des Julis 2020 wurden an beiden untersuchten Kliniken nach den Richtlinien der Good Clinical Practice (GCP) gemäß der Deklaration von Helsinki Blutabnahmen bei den Mitarbeitern der radiologischen Institute durchgeführt. Die Evaluation erfolgte im Rahmen der Testung des gesamten Klinikpersonals auf SARS-CoV-2-Antikörper. Die Teilnahme war freiwillig, die Datenerhebung erfolgte pseudonymisiert. Ein positives Ethikvotum zur wissenschaftlichen Evaluation der Ergebnisse sowie die schriftliche Einverständniserklärung der untersuchten Mitarbeiter lagen vor (Klinikum A: BLÄK-Nummer 20 043; Klinikum B: E-01–20 200 409).

Den Teilnehmern wurde standardisiert Blut entnommen. Am Klinikum A erfolgte die Auswertung mit dem Immunoassas-Elecsys®-Anti-SARS-CoV-2-Test (Roche Diagnostics, Deutschland), der kombiniert IgM- und IgG-Antikörper misst, am Klinikum B mit Euroimmun-Anti-SARS-CoV-2-ELISA (Euroimmun Medizinische Labordiagnostika, Lübeck, Deutschland) bezüglich des Vorhandenseins von IgG- und IgA-Antikörpern. Aufgrund der eingeschränkten Spezifität der IgA-Antikörper bei einer SARS-CoV-2-Infektion [10] [11] wurden für die Vergleichbarkeit der Ergebnisse beider Häuser die Ergebnisse des kombinierten IgM/IgG/IgA-Tests (Klinikum A) und des separat erfassten IgG- und IgA-Tests (Klinikum B) evaluiert.

Zusätzlich wurde jeweils ein Fragebogen an die Mitarbeiter ausgegeben, in dem evaluiert wurde, ob und inwieweit die Teilnehmer typische klinische Symptome einer COVID-19-Infektion aufwiesen.


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Ergebnisse

COVID-19-positive Patienten

Am Klinikum A wurden im Untersuchungszeitraum zwischen März und Juni 2020 insgesamt etwa 1450 Patienten mit COVID-19 oder Verdacht auf COVID-19 stationär behandelt und 594 davon mittels PCR-positiv getestet. Der erste Patient wurde am 04.03.2020 stationär aufgenommen ([Tab. 3]).

Tab. 3

Kontakte mit der Radiologie von COVID-19-positiven Patienten und Evaluation der einzelnen angeforderten Untersuchungen an beiden evaluierten Kliniken (Untersuchungszeitraum März bis Juli 2020).

Klinikum A

Klinikum B

Betten Klinikum

774

566

Aufnahmetag des ersten COVID-19-positiven Patienten

04.03.2020

30.03.2020

COVID-19-positive Patientenkontakte mit der Radiologie

Kontakte/Aufnahmen pro COVID-19-positiver Patient

Kontakte/Aufnahmen pro COVID-19-positiver Patient

Gesamtkontakte

2723

4,58

64

1,28

Röntgen

1885

3,17

52

1,04

CT

683

1,15

10

0,2

MRT

149

0,25

0

0

Angio (DSA)

6

0,01

0

0

Sono

n/a

n/a

2

0,04

ärztliches Personal Radiologie

15

10

Antikörper-positive Ärzte (IgG)

2

13,3 %

0

0,0 %

MTRA/MFA Radiologie

25[*]

30

Antikörper-positive MTRA/MFA (IgG)

6

24,0 %

0

0,0 %

Sekretariat/Schreibdienst Radiologie

5

4

Antikörper-positive Sekretariate (IgG)

0

0,0 %

0

0,0 %

* am Klinikum A 25 von 29 freiwillig getestet.


Am Klinikum B wurden im Untersuchungszeitraum insgesamt 50 PCR-positive COVID-19-Patienten stationär betreut. Der erste positive Patient wurde am 30.03.2020 stationär aufgenommen.


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Radiologische Untersuchungen an PCR-positiven Patienten

Im Untersuchungszeitraum wurden durch das radiologische Personal der Klinik A bei 594 PCR-positiven COVID-19-Patienten insgesamt 2723 Untersuchungen durchgeführt ([Tab. 3]). Im Durchschnitt wurden am Klinikum A pro Patient 3,17 konventionelle Röntgenuntersuchungen (n = 1885), 1,15 Computertomografien (n = 683), 0,25 Magnetresonanztomografien (n = 149) und 0,01 Angiografien (DSA) (n = 6) durchgeführt. Sonografien wurden bei V. a.-COVID-19- oder bei COVID+-Patienten durch die jeweils behandelnde Fachabteilung auf Station durchgeführt, um die Transportwege der Patienten im Krankenhaus zu minimieren. Daher erfolgt hier keine statistische Auswertung.

Am Klinikum B lagen im Untersuchungszeitraum 50 PCR-positive COVID-19-Patienten stationär, wobei lediglich 1,28 radiologische Untersuchungen pro Patienten durchgeführt wurden. Am häufigsten wurden auch hier konventionelle Thoraxaufnahmen (n = 64) mit einem Durchschnitt von 1,04, gefolgt von CT-Untersuchungen (n = 10) mit einem Durchschnitt von 0,2 Untersuchungen pro Patienten durchgeführt.


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Antikörperprävalenz unter den Mitarbeitern

Die Antikörperprävalenz des gesamten Klinikpersonals (n = 277/1838) am Klinikum A inklusive der Klinikverwaltung lag im Juli 2020 bei 15,1 % (95 %-Konfidenzintervall (KI) 13,4–16,7 %), beim Pflegepersonal bei 20,0 % und beim ärztlichen Personal bei 12,0 %. Von den seropositiven Mitarbeitern gaben 60 % Geruchs- bzw. Geschmacksstörungen in den letzten 3 Monaten an. 36,6 % hatten Atemnot, 34,4 % Fieber und 28,6 % berichteten ein allgemeines Schwächegefühl. Nur etwa 20 % hatten Husten oder Halsschmerzen.

Die Subgruppenanalyse für die Radiologie zeigte, dass sich vom radiologischen Personal am Klinikum A insgesamt 84,9 % (45/53) hatten testen lassen. Davon waren 17,8 % seropositiv auf SARS-CoV-2-Antikörper. Am stärksten betroffen waren die medizinisch-technischen Mitarbeiter mit 24 % (6/25). Fünf der Infizierten hatten deutliche Symptome mit Fieber, Husten und in 4 Fällen auch Verlust des Geruchsinns und wurden aufgrund dessen in Quarantäne geschickt, bis sie symptomfrei waren und 2-mal mittels PCR negativ getestet waren. Eine Mitarbeiterin hatte keine Symptome bemerkt und war auch nicht mittels PCR getestet worden. Das ärztliche Personal der Radiologie am Klinikum A war mit 13,3 % (2/15) AK-positiv. Beide Kollegen hatten COVID-typische Symptome mit hohem Fieber, Verlust des Geruchssinns, Appetitlosigkeit und abdomineller Symptomatik.

Am Klinikum B lag bis zum 01.07.2020 die Antikörperprävalenz für Anti-SARS-CoV-2-IgG im gesamten Klinikum bei lediglich 2,1 % (13/585 Mitarbeiter; 95 %-KI 1,2–3,8 %). Bei den positiven Mitarbeitern waren Kopfschmerzen das häufigste Symptom (bei 50 %), gefolgt von Müdigkeit (42 %) und Dyspnoe (33 %) sowie unproduktivem Husten bei 25 %; Geschmacks- oder Geruchsstörungen waren lediglich bei einem der positiven Mitarbeiter (8 %) vorhanden.

Für die Subgruppenanalyse der Mitarbeiter der Radiologie (n = 42) zeigte sich, dass keiner der Mitarbeiter eine Positivität für Anti-SARS-CoV-2-IgG aufwies (0 %).


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Diskussion

Aufgrund der erhöhten Exposition zu Infizierten müssen HCW als Hochrisikogruppe für eine Infektion mit SARS-CoV-2 eingeschätzt werden [12]. Vor allem patientennahe Tätigkeiten wie Intensivpflege oder Physiotherapie und auch häufige und nahe Kontakte wie in der Radiologie führen potenziell zu hohen Infektionsraten des Klinikpersonals. Bei länger dauernden Infektionswellen kann dies sekundär einen Verlust der regionalen Kontrolle in der medizinischen Bewältigung der Pandemie verursachen [13]. Infektionszahlen, die aus Italien und Spanien berichtet wurden, zeigten eine kumulative Prävalenz für eine SARS-CoV-2-Infektion bei HCW von 9–38 % [14] [15].

Berufsbedingte Risiken

Mit erhöhter Prävalenz von COVID-19 in einer Region steigt das individuelle Infektionsrisiko vor allem durch Übertragungen im privaten Umfeld und im öffentlichen Leben [16] [17].

Neben diesem persönlichen Risiko tragen insbesondere HCW ein deutlich erhöhtes berufsbedingtes Infektionsrisiko, welches mit zunehmenden Kontakten zu Infizierten steigt [13] [18].

In der Radiologie können die Kontakte der einzelnen Mitarbeiter zu COVID+-Patienten relativ genau durch die Auswertung der durchgeführten Untersuchungen nachvollzogen werden. Dies ermöglicht im Vergleich zu anderen Arbeitsbereichen im Krankenhaus und zu anderen betroffenen Regionen eine gute Stratifizierung des Risikos, dem das radiologische Personal ausgesetzt ist. Direkter Patientenkontakt und körperliche Nähe zu Infizierten, z. B. bei konventionellen Thoraxaufnahmen am Patientenbett, CT-Untersuchungen, rektalen oder oralen Kontrastierungen und auch Interventionen, sind anerkannte Risikofaktoren für eine berufsbedingte Infektion mit SARS-CoV-2 [19]. Im Rahmen der Studie am Klinikum A waren als Kontrollgruppe für die Durchseuchung der regionalen Arbeitsbevölkerung auch 988 Mitarbeiter eines benachbarten, nichtmedizinischen Unternehmens untersucht worden, um das Infektionsrisiko der Menschen in der Region im privaten Umfeld besser abschätzen zu können. Die Seroprävalenz für SARS-CoV-2-Antikörper war im Unternehmen mit 3,7 % hochsignifikant (p > 0,0001) niedriger als beim Klinikpersonal mit 15,1 % [20]. Anhand dieser Daten lässt sich in etwa abschätzen, wie hoch das private Risiko im Vergleich zum beruflichen Infektionsrisiko in der gegebenen Region war, ohne natürlich eine eindeutige Zuordnung des jeweiligen Infektionsortes zuzulassen.

Dass das medizinisch-technische Personal mehr betroffen ist als die Ärzte, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass ein direkter Kontakt zum Patienten und eine höhere Zahl an Kontakten das Risiko zusätzlich erhöhen.

Vor allem zur Hochphase der COVID-19-Pandemie bestand durch das fehlende Wissen zur Erkrankung, durch das vielerorts hohe Patientenaufkommen und ggf. Fehlen von persönlicher Schutzkleidung ein deutlich erhöhtes Risiko für die radiologischen Abteilungen der stark betroffenen Kliniken. Die Nutzung von Thoraxaufnahmen und vor allem CT-Untersuchungen zur Diagnosefindung und zur Kontrolle des Krankheitsverlaufs führt zu rezidivierenden Kontakten der radiologischen Mitarbeiter vor allem während der potenziell infektiösen Phase der Patienten. Die infizierten medizinisch-technischen Mitarbeiter am Klinikum A waren vor ihrer Ansteckung hauptsächlich in der Computertomografie eingesetzt, wobei im Verlauf des rapiden Patientenanstiegs Ende März 2020 keine suffiziente Zuordnung der Mitarbeiter zu einzelnen Modalitäten mehr möglich war. Durch die hohe Rate asymptomatisch infizierter Menschen und eine relativ lange Inkubationsdauer lässt sich retrospektiv nicht mehr eindeutig klären, wo sich das Personal infiziert hat.

Auch bei den HCW in dieser Studie hatten 10,1 % aller seropositiven Mitarbeiter keine COVID-19-typischen Symptome angegeben. Asymptomatische Mitarbeiter können als potenzielle „Spreader“ innerhalb der eigenen Abteilung fungieren, sodass hier auch die Übertragung von HCW zu HCW Relevanz erhält. Betroffene Krankenhäuser können dadurch sowohl für die Patienten als auch für das eigene Personal ein Ort der Übertragung bzw. Weiterverbreitung des Virus sein, selbst wenn alle Hygienevorschriften beachtet werden bzw. beachtet werden können [12].


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Anerkennung von COVID-19 als Berufserkrankung

Zusammen mit dem Risiko, eine am Arbeitsplatz Krankenhaus akquirierte SARS-CoV-2-Infektion mit potenziellen Langzeitfolgen zu erleiden, führte dies folgerichtig zur Möglichkeit der Anerkennung einer solchen Infektion als Berufserkrankung für Mitarbeiter im Gesundheitswesen [21] und zur Erarbeitung von Leitlinien für eine Testung der HCW [22] [23]. Bis September 2020 wurden knapp 19 000 Berufskrankheiten im Zusammenhang mit COVID-19 bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherungen in Deutschland angezeigt. Etwa 43 % davon waren zu diesem Zeitpunkt bereits anerkannt. Arbeitnehmer sollten bei beruflichem Kontakt mit SARS-CoV-2, entsprechenden Krankheitserscheinungen sowie einem positiven Nachweis des Virus durch einen PCR-Test daran denken, den begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit dem zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung anzuzeigen [24]. Da das Risiko für die Mitarbeiter in radiologischen Abteilungen ähnlich hoch zu sein scheint wie in der Pflege auf COVID-Stationen bzw. Intensivstationen, muss auch hier der Schutz der Mitarbeiter oberste Priorität haben. Die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit betroffenen Kollegen sollten auf die Möglichkeit der Meldung ihrer Infektion an den Arbeitgeber bzw. Betriebsarzt hingewiesen werden, da die Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion noch unklar sind.


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Limitationen der Studie

Die Datenerhebung erfolgte über einen Zeitraum von 4 Wochen, sodass bei einer sich relativ rasch verbreitenden Infektion kein exaktes Datum für die Punkt-Prävalenz der Seropositivität angegeben werden kann, sondern der Zeitraum von Ende Juni bis Ende Juli 2020 betrachtet wird. Die Studie sollte dennoch ausreichend präzise durch das untersuchte Zeitfenster von März bis Juli 2020 das erste Maximum der Pandemie in Deutschland abbilden. Methodisch ist es nicht möglich, private Infektionsquellen von nosokomialen Übertragungen zu differenzieren. Dieses Problem betrifft leider fast alle Studien zu dem Thema. Die im Vergleich zur berufstätigen Bevölkerung derselben Region im nichtmedizinischen Sektor hochsignifikant erhöhten Infektionszahlen der HCW am Klinikum A lassen zumindest eine Einordnung des durch die Arbeit im Krankenhaus bedingten Risikos zu. Jedoch bleibt eine exakte Zuordnung des jeweiligen Infektionsortes der Betroffenen spekulativ. Eine Differenzierung der Risiken des radiologischen Personals abhängig vom Einsatzbereich lässt sich retrospektiv aufgrund der Komplexität der Abläufe und der zahlreichen Infektionsmöglichkeiten während des Arbeitsprozesses leider nicht treffen. Zuletzt sollte als Studienlimitation die Verwendung von 2 unterschiedlichen Antikörpertests an den beiden evaluierten Kliniken erwähnt werden. Da jedoch die Angaben der Hersteller bezüglich Sensitivität und Spezifität nur sehr gering differieren, sollte dies keinen relevanten Effekt auf unsere Auswertung haben.


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Schlussfolgerung

Das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion ist für radiologisches Klinikpersonal ähnlich hoch wie für Pflegekräfte und Ärzte auf dedizierten COVID-19- oder Intensivstationen. Es steigt mit der regionalen Prävalenz der Erkrankung und der Anzahl der Kontakte zu COVID-19-Infizierten. Die Einhaltung von Hygienevorschriften und der persönliche Schutz der Mitarbeiter sind in der Pandemie von großer Bedeutung, insbesondere in Hochrisikogebieten. Langzeitfolgen einer am Arbeitsplatz erworbenen SARS-CoV-2-Infektion sind noch nicht abzuschätzen. Die Betroffenen sind anzuhalten, eine berufsbedingte Infektion als potenzielle Berufserkrankung zu melden. Für weitere Infektionswellen sind an die jeweilige Situation der Kliniken angepasste Arbeitsabläufe und Hygienekonzepte notwendig.

Klinische Relevanz
  • Das Risiko einer berufsbedingten SARS-CoV-2-Infektion ist für radiologisches Personal in Hochrisikoregionen ähnlich hoch wie für Pflegekräfte und Ärzte auf COVID-Stationen.

  • Hygienekonzepte und Ressourcen in der Radiologie müssen für weitere Infektionswellen optimiert werden.

  • Für SARS-CoV-2-seropositve Mitarbeiter im Gesundheitswesen kann eine Anerkennung der Infektion als Berufserkrankung erwogen werden.


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Correspondence

Prof. Andreas G. Schreyer
Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane
Hochstraße 29
14770 Brandenburg a. d. Havel
Germany   
Phone: +49/33 81/41 26 00   
Fax: +49/33 81/41 26 09   

Publication History

Received: 30 November 2020

Accepted: 09 February 2021

Article published online:
10 March 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany