Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1429-9757
Bullöses Sweet-Syndrom nach einem Zeckenstich
Bullous Sweet’s Syndrome after a Tick BiteZusammenfassung
Wir berichten über einen Patienten, der eine Woche nach einem Zeckenstich Fieber und Papulovesikel entwickelte. Eine disseminierte Borrelien-Infektion sowie eine blasenbildende Erkrankung konnte ausgeschlossen werden. Sowohl klinisch als auch histologisch bestätigte sich ein bullöses Sweet-Syndrom, sodass eine systemische Steroidtherapie begonnen wurde. Darunter besserten sich die Beschwerden des Patienten rasch.
Die Umfelddiagnostik ergab weder Hinweise auf eine hämatologische Erkrankung noch auf eine Medikamenteneinnahme als Auslöser. Dieser Fall deutet darauf hin, dass auch Arthropodenstiche als Trigger für ein Sweet-Syndrom in Betracht gezogen werden können.
#
Abstract
We report about a patient who developed papulovesicular lesions after a tick bite. A disseminated infection with borrelia and a bullous disease could be ruled out. Clinically as well as histologically we diagnosed a bullous Sweetʼs syndrome. Thus we induced a systemic therapy with corticosteroids under which the symptoms improved rapidly. Further diagnostic showed no indication of either an underlying hematological malignancy or a medicamentous trigger. This casuistry suggests that a bite of arthropodes has to be taken into consideration as a possible trigger for a Sweet’s syndrome.
#
Einleitung
Das Sweet-Syndrom wurde erstmalig von Douglas Sweet im Jahre 1964 beschrieben und zählt zu den neutrophilen Dermatosen [1]. Die kutane Manifestation ist durch asymmetrische, disseminierte, erythematöse, schmerzhafte Nodi, Papeln oder Plaques charakterisiert.
Das Sweet-Syndrom tritt typischerweise idiopathisch, medikamenteninduziert oder paraneoplastisch auf. Die idiopathische Variante ist mit Infekten oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert, die paraneoplastische Variante tritt meistens im Rahmen einer akuten myeloischen Leukämie auf [1] [2] [3] [4]. Die hier vorgestellte Kasuistik zeigt, dass ein vorheriger Zeckenstich die Diagnosestellung initial erschweren kann.
#
Kasuistik
Der heute 57-jährige Patient wurde bei febrilen Temperaturen und schmerzenden Erythemen mit Papulovesikeln an den Armen zur stationären Diagnostik und Therapie aufgenommen ([Abb. 1]). Der Patient berichtete, einen Monat vor der stationären Aufnahme einen Zeckenstich am linken Unterarm erlitten zu haben.




Eine Woche nach dem Zeckenstich hätten sich eine Rötung sowie pseudovesikuläre Hautveränderungen in der Umgebung gebildet. Anschließend breiteten sich die Vesikel und Papeln auf den ganzen Arm aus. Zwei Wochen später sei es zu einer Schwellung und Schmerzen der Fußgelenke, des LWS-Bereichs, der Knie und der Hüfte gekommen. Weiterhin berichtete der Patient über nächtliche Fieberschübe bis 38,2 °C. Ca. 3 Wochen nach dem Zeckenstich wurde durch den Hausarzt eine Therapie mit Doxycyclin (200 mg 1 × tgl.) ohne Symptomverbesserung für 4 Tage (bis zur stationären Aufnahme) eingeleitet. Bläschen und Erytheme seien bereits sicher vor der Doxycyclin-Einnahme aufgetreten. Der Patient gab an, vor dem Auftreten der Hauterscheinung weder neue Medikamente eingenommen noch an einem Infekt gelitten zu haben.
Bei Verdacht auf eine beginnende disseminierte Borrelien-Frühinfektion wurde die antibiotische Therapie mit Cefuroxim (750 mg 3 × tgl. i. v.) fortgesetzt und 14 Tage durchgeführt.
Innerhalb der ersten Tage auf der dermatologischen Station zeigte sich eine deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes sowie Schwellung und Erytheme der Fußknöchel beidseits ([Abb. 3]). Zusätzlich entwickelte der Patient im Verlauf wieder Fieberschübe, sodass wir differenzialdiagnostisch eine Sepsis in Betracht zogen, die abgenommenen Blutkulturen fielen jedoch negativ aus. Laborchemisch zeigten sich ein deutlicher Anstieg des C-reaktiven Proteins (CRP) (initial 73 mg/l; Normwert < 5,0 mg/l), eine Lymphopenie (1,13 GPt/l; Normwert 1,5–4,0 GPT/l) und eine leichte normochrome, normozytäre Anämie (Hämoglobin i. B. 8,1 mmol/l; Normwert 8,6–12,1 mmol/l). Die Gesamtleukozytenzahl und die Granulozytenzahl zeigten sich durchweg normwertig. Weiterhin erfolgte differenzialdiagnostisch ein Abstrich der Bläschen an beiden Unterarmen auf Varicella-Zoster-Virus und Herpes-simplex-Virus, welcher negativ ausfiel. Serologisch zeigte sich kein Hinweis auf eine kürzliche Infektion mit Cytomegalovirus, Epstein-Barr-Virus, Herpes simplex, Parvovirus B19, Enteroviren, Treponema pallidum oder Rickettsien. Eine blasenbildende Erkrankung wurde mittels direkter Immunfluoreszenz ausgeschlossen, es zeigten sich gering erhöhte Autoantikörper gegen BP 230 in der Konzentration 26,4 RE/ml (Normwert < 20,0 RE/ml). Da der Nachweis von Autoantikörperablagerungen im Gewebe negativ blieb, wurde ein bullöses Pemphigoid ausgeschlossen.


Die entnommene Histologie zeigte ein subepidermales Ödem bei weitgehend orthokeratotischer Epidermis, eine ausgeprägte perivaskulär akzentuierte Entzündungsreaktion mit Erythrozytenextravasaten, Neutrophilenansammlungen, Vaskulitiszeichen, interstitieller Leukozytoklasie und begleitend zahlreiche eosinophile Granulozyten. Die Entzündung setzte sich bis in das mittlere Korium fort ([Abb. 4] und [Abb. 5]).




Aufgrund des klinischen und histologischen Befundes stellten wir die Diagnose eines bullösen Sweet-Syndroms. Der Patient wurde mit einer systemischen Steroidtherapie mit 1 mg/kg Körpergewicht/Tag Prednisolon behandelt. Hierunter zeigte sich eine rasche Besserung der Hautbefunde, des Fiebers, des Allgemeinzustandes und der Schmerzen des Patienten ([Abb. 2]).
Als Auslöser des Sweet-Syndroms kommt am ehesten der anamnestisch berichtete Zeckenstich in Frage. Als Hinweis auf eine Borrelien-Infektion zeigten sich serologisch Immunglobulin G-Antikörper gegen Borrelien; IgM-Antikörper waren hingegen nicht nachweisbar. Dies schließt eine akute Borrelien Reinfektion nicht aus, kann sie allerdings auch nicht beweisen.
Für andere mit einem Sweet-Syndrom assoziierte Erkrankungen wie die akute myeloische Leukämie oder andere hämatologische Erkrankungen [1] fanden sich im Differenzialblutbild und der Immunfixation kein Anhalt, sodass der Zeckenstich als der wahrscheinlichste Triggerfaktor gesehen werden muss.
#
Diskussion
Bei einem Sweet-Syndrom in zeitlichem Zusammenhang mit einem Zeckenstich kann der initiale Fokus der diagnostischen Überlegungen auf einer Borrelien-Erkrankung liegen. Der Patient wies keine Leukozytose oder Neutrophilie auf. Im Verlauf waren aber die diagnostischen Kriterien von von den Driesch durch das Erfüllen der beiden Hauptkriterien (passende morphologische Hautveränderungen und passende Histologie) sowie der 2 Nebenkriterien (Fieber > 38 °C und gutes Ansprechen auf systemische Steroide) gegeben [7].
Gegen den initialen Verdacht einer disseminierten Borrelien-Infektion sprach im Verlauf allerdings das fehlende Ansprechen auf eine antibiotische Therapie, der fehlende IgM-Antikörpernachweis gegen Borrelien sowie die Histologie.
Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose des bullösen Sweet-Syndroms sind bullöse Autoimmunerkrankungen. Bei diesem Patienten zeigten sich in der direkten Immunfluoreszenz keine charakteristischen Autoantikörperablagerungen entlang der Basalmembranzone. Allerdings ließen sich in niedriger Konzentration Autoantikörper gegen Anti-BP-230 im ELISA nachweisen. Da die Spezifität des Testes nicht ganz bei 100 % liegt, könnte es sich um eine unspezifische Reaktion handeln [8]. Allerdings zeigt die bullöse Verlaufsform des Sweet-Syndroms eine deutliche Entzündungsreaktion an der Basalmembranzone mit subepidermaler Spaltbildung. Es wäre also durchaus denkbar, dass sich im Rahmen der Entzündung auch eine Immunreaktion gegen BP 230 ausbildete. Bisher ist nicht belegt, dass dies bei weiteren Fällen eines bullösen Sweet-Syndroms beobachtet wurde. Allerdings ist bei bullösen Formen des Lichen planus eine Immunreaktivität gegenüber der Basalmembranzone auch mit Antikörper gegen BP 180 und BP 230 beschrieben [9] [10]. Die Erkrankung wird dann als Lichen ruber pemphigoides bezeichnet. Ob sich dies auch für das Sweet-Syndrom belegen lässt, bleibt zu beobachten. Zusammenfassend konnte ein bullöses Pemphigoid ausgeschlossen und die BP-230 Antikörper als immunologische Begleitreaktion gewertet werden.
Zusätzlich zu den Papulovesikeln wies der Patient Arthralgien sowie an ein Erythema nodosum erinnernde Läsionen im Bereich der Achillessehne beidseits auf ([Abb. 3]). Da sich keine Hinweise für eine rheumatische Erkrankung zeigten, sahen wir diese Symptomatik als bekannte Begleiterscheinungen des Sweet-Syndroms an [1].
Der Triggerfaktor des Sweet-Syndroms könnte möglicherweise ein Zeckenstich des Patienten sein. In der Literatur ist eine weitere Kasuistik beschrieben, in der ein Sweet-Syndrom nach einem Insektenstich auftrat [11]. Einen medikamentösen Auslöser sehen wir in diesem Fall als unwahrscheinlich an, da der Patient keine mit dem Sweet-Syndrom assoziierten Medikamente einnahm [2].
Auch ein als Auslöser eines Sweet-Syndroms infrage kommendes Malignom oder eine hämatologische Erkrankung konnten beim Patienten nicht diagnostiziert werden.
Der Patient wies allerdings ein 3-fach erhöhtes Calprotectin (157,5 µg/g Stuhl; Normwert: < 50 µg/g Stuhl) im Stuhl auf, und bullöse Varianten des Sweet-Syndroms sind teilweise mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert [5] [6] [12]. Bei fehlender gastrointestinaler Symptomatik und negativem immunologischen Test auf Blut im Stuhl werteten wir diese Erhöhung allerdings als eine unspezifische Begleitreaktion. Wir empfahlen, eine Früherkennungs-Koloskopie im Verlauf durchzuführen.
#
#
Interessenkonflikt
Stefan Beissert: Advisory board: Abbvie Deutschland GmbH & Co, Actelion Pharmaceuticals GmbH, Allmirall-Hermal GmbH, Amgen
GmbH, Celgene GmbH, Galderma Laboratorium GmbH, Janssen-Cilag GmbH, Leo Pharma GmbH, Lilly Deutschland GmbH, Menlo Therapeutics, MSD Sharp & Dohme GmbH, Novartis Pharma GmbH, Pfizer Pharma GmbH, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, UCB Pharma GmbH. Speaker honorarium: Novartis Pharma GmbH, Abbvie, MSD, Pfizer, Janssen-Cilag, Roche-Posay, Actelion, GSK, BMS, Celgene, Allmirall, Hexal-Sandoz.
Die anderen Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
-
Literatur
- 1 Cohen PR. Sweetʼs syndrome – a comprehensive review of an acute febrile neutrophilic dermatosis. Orphanet J Rare Dis 2007; 2: 34
- 2 Villarreal-Villarreal CD, Ocampo-Candiani J, Villarreal-Martínez A. Sweet Syndrome: A Review and Update. Actas Dermosifiliogr 2016; 107: 369-378
- 3 Voelter-Mahlknecht S, Bauer J, Metzler G. et al. Bullous variant of Sweetʼs syndrome. Int J Dermatol 2005; 44: 946-947
- 4 Endo Y, Tanioka M, Tanizaki H. et al. Bullous Variant of Sweetʼs Syndrome after Herpes Zoster Virus Infection. Case Rep Dermatol 2011; 3: 259-262
- 5 Nasa M, Sharma Z, Lipi L. et al. Sweetʼs Syndrome in a Case of Ulcerative Colitis-Case Report and Review of Literature. J Assoc Physicians India 2019; 67: 84-85
- 6 Marzano AV, Ishak RS, Saibeni S. et al. Autoinflammatory skin disorders in inflammatory bowel diseases, pyoderma gangrenosum and Sweetʼs syndrome: a comprehensive review and disease classification criteria. Clin Rev Allergy Immunol 2013; 45: 202-210
- 7 von den Driesch P. Sweetʼs syndrome (acute febrile neutrophilic dermatosis). Journal of the American Academy of Dermatology 1994; 31: 535-556
- 8 Esmaili N, Mortazavi H, Kamyab-Hesari K. et al. Diagnostic accuracy of BP180 NC16a and BP230-C3 ELISA in serum and saliva of patients with bullous pemphigoid. Clin Exp Dermatol 2015; 40: 324-330
- 9 Hsu S, Ghohestani RF, Uitto J. Lichen planus pemphigoides with IgG autoantibodies to the 180 kd bullous pemphigoid antigen (type XVII collagen). Journal of the American Academy of Dermatology 2000; 42: 136-141
- 10 Ogg GS, Bhogal BS, Hashimoto T. et al. Ramipril-associated lichen planus pemphigoides. British Journal of Dermatology 1997; 136: 412-414
- 11 Pankert A, Najaf M, Kuen C. et al. Papeln und Kopfschmerz – wie passt das zusammen?. DGNeurologie 2020; 3: 390-394
- 12 Giannoni M, Rizzetto G, Sapigni C. et al. Bullous Sweet’s syndrome in a patient with ulcerative colitis: a rare case report. Acta Dermatovenerol Alp Pannonica Adriat 2020; 29: 153-155
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
06 May 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Cohen PR. Sweetʼs syndrome – a comprehensive review of an acute febrile neutrophilic dermatosis. Orphanet J Rare Dis 2007; 2: 34
- 2 Villarreal-Villarreal CD, Ocampo-Candiani J, Villarreal-Martínez A. Sweet Syndrome: A Review and Update. Actas Dermosifiliogr 2016; 107: 369-378
- 3 Voelter-Mahlknecht S, Bauer J, Metzler G. et al. Bullous variant of Sweetʼs syndrome. Int J Dermatol 2005; 44: 946-947
- 4 Endo Y, Tanioka M, Tanizaki H. et al. Bullous Variant of Sweetʼs Syndrome after Herpes Zoster Virus Infection. Case Rep Dermatol 2011; 3: 259-262
- 5 Nasa M, Sharma Z, Lipi L. et al. Sweetʼs Syndrome in a Case of Ulcerative Colitis-Case Report and Review of Literature. J Assoc Physicians India 2019; 67: 84-85
- 6 Marzano AV, Ishak RS, Saibeni S. et al. Autoinflammatory skin disorders in inflammatory bowel diseases, pyoderma gangrenosum and Sweetʼs syndrome: a comprehensive review and disease classification criteria. Clin Rev Allergy Immunol 2013; 45: 202-210
- 7 von den Driesch P. Sweetʼs syndrome (acute febrile neutrophilic dermatosis). Journal of the American Academy of Dermatology 1994; 31: 535-556
- 8 Esmaili N, Mortazavi H, Kamyab-Hesari K. et al. Diagnostic accuracy of BP180 NC16a and BP230-C3 ELISA in serum and saliva of patients with bullous pemphigoid. Clin Exp Dermatol 2015; 40: 324-330
- 9 Hsu S, Ghohestani RF, Uitto J. Lichen planus pemphigoides with IgG autoantibodies to the 180 kd bullous pemphigoid antigen (type XVII collagen). Journal of the American Academy of Dermatology 2000; 42: 136-141
- 10 Ogg GS, Bhogal BS, Hashimoto T. et al. Ramipril-associated lichen planus pemphigoides. British Journal of Dermatology 1997; 136: 412-414
- 11 Pankert A, Najaf M, Kuen C. et al. Papeln und Kopfschmerz – wie passt das zusammen?. DGNeurologie 2020; 3: 390-394
- 12 Giannoni M, Rizzetto G, Sapigni C. et al. Bullous Sweet’s syndrome in a patient with ulcerative colitis: a rare case report. Acta Dermatovenerol Alp Pannonica Adriat 2020; 29: 153-155









