Pneumologie 2021; 75(06): 414
DOI: 10.1055/a-1441-1218
Pneumo-Fokus

COVID-19: ECMO bei schwerem ARDS

Schmidt M. et al.
Extracorporeal membrane oxygenation for severe acute respiratory distress syndrome associated with COVID-19: a retrospective cohort study.

Lancet Respir Med 2020;
 

Ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) geht nach aktuellen Beobachtungen bei COVID-19-Patienten mit einem hohen Risiko für Hypoxämie und Tod einher. Da das Verfahren der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) bei ARDS-Patienten mit Lungenversagen teilweise die Prognose verbessern konnte, haben Schmidt und Kollegen nun klinische Charakteristika und Behandlungsergebnisse von COVID-19-Patienten mit ARDS und ECMO-Therapie zusammengetragen.


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Im Rahmen der COVID-19-Pandemie sind seit dem Ausbruch 2019 bis Juli 2020 weltweit über 17 Millionen Fälle gezählt worden. Patienten mit COVID-19 können dabei in schweren Fällen ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) entwickeln und müssen nicht selten über längere Zeit maschinell beatmet werden. Solch ein ARDS geht darüber hinaus – trotz aller Maßnahmen auf der Intensivstation – mit einem stark erhöhten Risiko für schwere Hypoxie und ein baldiges Versterben einher.

Da in den letzten 2 Jahren in einigen Studien bei Patienten mit schwerem ARDS der Einsatz einer extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) die Mortalität von 46 % in der Kontrollgruppe auf 35 % in der ECMO-Gruppe verringern konnte, haben Schmidt und Team von der Sorbonne Universität in Paris, Frankreich, klinische Charakteristika und Outcome von COVID-19-Patienten mit Lungenversagen und ECMO-Therapie im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie zusammengetragen.

Diese retrospektive Kohortenstudie fand auf den vernetzten Intensivstationen der Sorbonne Universität in Paris statt. Geeignet waren erwachsene Patienten mit laborchemisch bestätigter SARS-CoV-2-Infektion, die mittels venovenöser oder venoarterieller ECMO aufgrund eines schweren ARDS behandelt wurden. Sie mussten dabei jeweils die klinischen ARDS-Kriterien sowie eines von 3 Schweregrad-Kriterien erfüllen.

Die wichtigsten Kontraindikationen für eine ECMO waren:

  • Lebensalter über 70 Jahren,

  • schwere Komorbiditäten wie z. B. eine fortgeschrittene Tumorerkrankung oder Leberversagen,

  • Herzversagen,

  • refraktäres Multiorganversagen,

  • oder eine irreversible neurologische Schädigung.

Um klinische Charakteristika und Behandlungsergebnisse zusammentragen und beurteilen zu können, registrierten die Forscher u. a. die folgenden Parameter:

  • Alter,

  • Geschlecht,

  • Body-Mass-Index,

  • Komorbiditäten,

  • SOFA-Score,

  • Zeitpunkt der ersten Symptome,

  • Therapie vor ECMO,

  • Beatmungsparameter.

Als klinischen Endpunkt definierten die Autoren die Wahrscheinlichkeit für das zutreffen von 4 verschiedenen Kategorien. Diese waren:

  1. laufende ECMO-Therapie,

  2. intensivmedizinische Behandlung nach beendeter ECMO-Therapie,

  3. Überleben und Entlassung von der ICU,

  4. Tod.

Die tägliche Wahrscheinlichkeit für jeden der 4 Zustände wurde bis zum 90. Tag nach Beginn der ECMO geschätzt, Enddatum der Nachbeobachtungszeit war der 10. Juli 2020.

ECMO in Erwägung ziehen

Zwischen März und Mai 2020 wurden insgesamt 492 Patienten mit laborchemisch bestätigter COVID-19-Erkrankung auf den Intensivstationen der Sorbonne Universität behandelt. Für 83 Patienten, die im Verlauf mit einer ECMO behandelt worden sind, lagen die vollständigen Daten der Nachuntersuchung bis zum 60. Tag nach ECMO-Beginn vor. Sie waren im Durchschnitt 49 Jahre alt mit einem Interquartilabstand zwischen 41 und 56 Jahren, 73 % von ihnen waren männlich.

Vor der ECMO wurden 94 % der 83 Patienten auf dem Bauch gelagert, der mittlere Beatmungsdruck konnte auf 18 cm H2O (16–21) beziffert werden. 60 Tage nach Beginn der ECMO-Therapie lagen die geschätzten Wahrscheinlichkeiten für jeden der 4 o. g. Zustände bei 6 % für eine laufende ECMO-Therapie, 18 % für eine beendete ECMO und intensivmedizinische Behandlung, 45 % für Überleben und Entlassung von ICU sowie bei 31 % für das Versterben.

In Hinblick auf Komplikationen und unerwünschte Ereignisse registrierten die Forscher schließlich bei 35 Patienten starke Blutungen und bei 4 Patienten einen hämorrhagischen Schlaganfall. 30 Patienten verstarben im Beobachtungszeitraum. Im Vergleich mit verschiedenen Publikationen über die ECMO-Therapie von ARDS-Patienten der vergangenen 2 Jahre kamen Schmidt und Kollegen auf vergleichbare Resultate. Sie empfehlen daher im Falle von zukünftigen Infektionswellen die fallabhängige Erwägung des Einsatzes einer ECMO-Therapie bei Patienten mit schwerem ARDS und Lungenversagen.

Fazit

In dieser retrospektiven Kohortenstudie mit über 80 erwachsenen COVID-19-Patienten mit akutem Lungenversagen und ECMO-Therapie fiel die Schätzung des 60-Tage-Überlebens ähnlich aus wie in entsprechenden Studien mit ARDS-Patienten ohne COVID-19 aus den vergangenen 2 Publikationsjahren. Die Autorinnen/Autoren sprechen daher die Empfehlung aus, im Falle einer erneuten Infektionswelle den Einsatz der ECMO-Therapie bei akutem Lungenversagen fallabhängig in Erwägung zu ziehen.

Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover


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Publication History

Article published online:
11 June 2021

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