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DOI: 10.1055/a-1469-0327
Infektionen und Hygiene
Infections and hygienic aspectsInfektionen haben seit Anbeginn der Entstehung von einzelligen Lebewesen die Evolution geprägt. Bereits in der „Ursuppe“ lieferten sich Viren und Bakterien einen Kampf. Schätzungsweise 30–50 % der Biomasse ist täglich aufgrund von Infektionen untergegangen. Sowohl Viren als auch Bakterien haben ihre Pathogenität behalten und auf andere vielzellige Organismen, wie den Menschen, ausgedehnt. Die Übertragungsraten pathogener Mikroorganismen haben sich durch Massentierhaltung, Bevölkerungsanstieg und weltweite Mobilität stark erhöht.
Endemische Infektionen, Infektionsepidemien und Pandemien begrenzten noch vor 100 Jahren das durchschnittliche Lebensalter auf die Hälfte unserer heutigen Lebenserwartung. Antibiotika wurden vor 70 Jahren in die Routine der Medizin eingeführt. Virusmedikamente existieren erst seit einigen Jahrzehnten für nur wenige Virenspezies.
Die aktuelle Coronapandemie hat eindrücklich gezeigt, wie anfällig unsere heutige Gesellschaft für infektiöse Erkrankungen ist. Innerhalb weniger Wochen hat sich ein wahrscheinlich aus Fledermäusen stammendes Virus über einen noch nicht abschließend identifizierten Zwischenwirt so weiterentwickelt, dass es Menschen befallen und von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.
Wie das SarsCoV-2-Virus und die COVID19-Erkrankung die Abläufe in der urologischen Praxis verändert, beschreibt Herr Michael Stephan-Odenthal in seinem Artikel. Viele urologische Patienten gehören aufgrund ihres Alters und der Begleiterkrankungen zur Hochrisikogruppe für einen schweren Verlauf der COVID19-Erkrankung. Urologen haben deswegen eine besondere Verantwortung und müssen sich demzufolge auch mit den effektiven Schutzmaßnahmen vertraut machen. Neben den allgemeinen Hygieneregelungen sollten Urologen auch die Corona-Impfungen anbieten, da Urologen in vielen Patientenkohorten die primären Ansprechpartner sind.
Molekulare Techniken spielen eine wesentliche Rolle in der Virusdetektion und der Detektion von Coronaviren. Ohne diese Techniken wäre es nicht gelungen, in dieser äußerst kurzen Zeit, eine hoch spezifische und zielgerichtete Diagnostik und Prävention zu etablieren. Diese molekularen Techniken haben auch dazu geführt, dass wir ganz neue Einblicke in den Aufbau und die Funktion unserer Begleitflora, dem Mikrobiom erhalten. Herr Giuseppe Magistro beschreibt in seinem Artikel die Rolle des Mikrobioms bei urologischen Erkrankungen. Sowohl bei benignen als auch malignen Krankheiten findet man mittlerweile Mikrobiomverschiebungen. Ob diese Veränderungen pathognomonisch oder pathophysiologisch ursächlich sind, bleibt allerdings in den meisten Entitäten noch offen. Vor einer präemptiven Therapie des Mikrobioms muss deswegen derzeit gewarnt werden.
Antibiotika stellen die effektivsten Substanzen in der Therapie bakterieller Infektionen dar. Sie sollten so sparsam wie möglich eingesetzt werden, unter Verwendung von Substanzen, die möglichst wenige Nebenwirkungen auf unser Mikrobiom aufweisen. Der Antibiotikaverbrauch wird derzeit allerdings relativ wenig überprüft. Frau Ursel Heudorf zeigt dies in Ihrer Publikation. Solche Daten sind nach wie vor selten, können aber einen wichtigen Aufschluss über Verordnungsverhalten und Leitlinienadhärenz geben und sollten deswegen in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens erhoben werden.
Insbesondere Fluorchinolone haben in den letzten Jahren einen Widerruf der Indikation für die Therapie der unkomplizierten Zystitis und der Prophylaxe wie z. B. bei der Prostatastanzbiopsie erlebt. Die Frage nach alternativen Möglichkeiten der Infektionsprävention wird in dem Artikel „Prostatabiopsie 2021 – Was ist aktuell?“ von Herrn Adrian Pilatz diskutiert. Neben alternativen Antibiotika gewinnen nichtantibiotische Möglichkeiten, wie die intrarektale Povidon-Iod-Applikation oder alternative Biopsieverfahren, wie die perineale Biopsie, an Bedeutung.
Parenchym- und Gewebeinfektionen gehören zu den am schwersten zu therapierenden Infektionen. Frau Jennifer Kranz widmet sich in ihrem Artikel der Fournier Gangrän. Da dies eine schwere, aber seltene Infektion darstellt, fehlen umfangreiche Untersuchungen, insbesondere mit Blick auf optimale Therapieregimes. In ihrem Artikel führt Frau Kranz die aktuelle Evidenz in der Therapie der Fournier Gangrän auf und gibt einen Ausblick auf mögliche zusätzliche Evidenzgenerierung.
In den Publikationen von Herrn Peter Kollenbach und Herrn Wolfgang Bühmann werden regulatorische Aspekte und praktische Tipps gegeben, um eine sachgerechte Medizinprodukteaufbereitung durchzuführen und Fehler in der Hygiene zu vermeiden.
Das vorliegende Themenheft gibt einen umfangreichen Überblick zu aktuellen Fragestellungen urologischer Infektionen, deren Vermeidbarkeit und Strategien zu hygienischen Aspekten.
Publication History
Article published online:
27 July 2021
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Georg Thieme Verlag KG
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