CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2021; 81(06): 666-678
DOI: 10.1055/a-1471-4063
GebFra Science
Review/Übersicht

Neue Therapiestrategien beim HER2-positiven fortgeschrittenen, inoperablen bzw. metastasierten Mammakarzinom

Article in several languages: English | deutsch
Diana Lüftner
1   Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
,
Matthias Peipp
2   Sektion für Stammzelltransplantation und Immuntherapie, Dr. Mildred-Scheel-Haus, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Trotz therapeutischer Fortschritte bei der Behandlung des HER2-positiven (HER2: humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2) fortgeschrittenen/metastasierten Mammakarzinoms besteht weiterhin ein dringender Bedarf an wirksameren Therapieoptionen. Jenseits der zweiten Therapielinie gibt es derzeit keinen definierten, zugelassenen Therapiestandard. Eine der großen Herausforderungen ist die Überwindung von Therapieresistenzen. In Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Resistenzmechanismus werden verschiedene Strategien für neue innovative Therapiekonzepte beim HER2-positiven Mammakarzinom verfolgt. Ein wichtiger Fokus liegt dabei auf spezifisch designten Antikörpern für eine gezielte Therapie, um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Mit Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd, DS-8201a) befindet sich ein optimiertes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC: Antibody Drug Conjugate) in der klinischen Prüfung, das vielversprechende Studienergebnisse bei bereits intensiv vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem, inoperablem oder metastasiertem, HER2-positivem Mammakarzinom zeigt. Aufgrund dieser Datenlage ist T-DXd in den USA und Japan bereits für das HER2-positive fortgeschrittene, inoperable bzw. metastasierte Mammakarzinom zugelassen – in den USA nach mindestens 2 vorangegangenen anti-HER2 zielgerichteten Therapielinien und in Japan nach vorangegangener Chemotherapie. T-DXd steht stellvertretend für ein erfolgreiches „Antikörper-Engineering“. Seit Anfang des Jahres ist T-DXd auch in Europa als Monotherapie beim inoperablen oder metastasierten HER2-positiven Mammakarzinom zugelassen bei Patienten, die mindestens 2 gegen HER2 gerichtete Vorbehandlungen erhalten haben. In der vorliegenden Publikation werden Strategien zur Verbesserung von Therapieoptionen beim HER2-positiven fortgeschrittenen, inoperablen bzw. metastasierten Mammakarzinom vorgestellt – unter anderem am Beispiel der Entwicklung von T-DXd.


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Einleitung

Etwa jede 5. Brustkrebspatientin hat ein HER2-(humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2-)positives (HER2+) Mammakarzinom. Die HER2-Positivität wird mittels Immunhistochemie (IHC) und/oder In-situ-Hybridisierung (ISH) bestimmt [1]. Sie ist definiert als IHC3+ bzw. IHC2+/ISH+ und geht in der Regel mit einer aggressiven Tumorbiologie einher. Die meisten HER2+ Mammakarzinome haben daher eine erhöhte Proliferations- und Metastasierungsgeschwindigkeit [2]. Durch die Entwicklung und Einführung zielgerichteter Substanzen, die spezifisch an den HER2-Rezeptor auf den Tumorzellen binden und so den für die Proliferation der Tumorzellen wichtigen HER2-Signalweg blockieren, ist es gelungen, die Prognose dieser Patientengruppe deutlich zu verbessern. Beim frühen, noch nicht metastasierten Mammakarzinom bedeutet dies eine höhere Heilungsrate, inkl. einer hohen Rate an Langzeitüberlebern, und beim fortgeschrittenen, inoperablen bzw. metastasierten HER2+ Mammakarzinom konnte das Progressionsrisiko deutlich gesenkt und das Gesamtüberleben auf im Median mehr als 5 Jahre verbessert werden.

Neben dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab haben sich die duale Antikörperblockade mit Trastuzumab plus Pertuzumab – jeweils in Kombination mit einer vorzugsweise Taxan-basierten Chemotherapie – sowie das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC: antibody drug conjugate) Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) als effektive Therapieoptionen beim HER2+ Mammakarzinom etabliert. Der HER1/HER2-Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib ist in der metastasierten Situation eine Option für spätere Therapielinien [3], [4], [5], [6].

Trotz der therapeutischen Fortschritte beim HER2+ metastasierten Mammakarzinom (MBC) besteht weiterer Bedarf an effektiven Therapieoptionen. So gibt es derzeit jenseits der 2. Therapielinie keinen definierten, zugelassenen Therapiestandard für die Weiterbehandlung von Patienten mit HER2+ MBC. Hinzu kommt, dass Pertuzumab und T-DM1 auch im (neo)adjuvanten bzw. post-neoadjuvanten Setting eingesetzt werden. Hier stellt sich die Frage, wie diese Patienten im Fall eines kurzen rezidivfreien Intervalls in der metastasierten Situation weiterbehandelt werden. Die klinische Erfahrung zeigt, dass Patienten mit HER2+ Mammakarzinom, die unter der Behandlung mit den inzwischen etablierten HER2-gerichteten Substanzen und Regimen einen Rückfall haben, oftmals einen ungünstigen Verlauf nehmen: Bis zu einem Drittel der Patienten, die nach (neo)adjuvanter Trastuzumab/Pertuzumab-Behandlung rezidivieren und Metastasen entwickeln, weist bereits im Rahmen der Erstmetastasierung ZNS-Metastasen auf [7]. Nach Versagen einer post-neoadjuvanten T-DM1-Therapie waren es sogar über 50% der erstmetastasierten Patienten [8].

Herausforderung: Therapieresistenzen und ungenügendes Ansprechen

Die große Herausforderung in der Onkologie sind Therapieresistenzmechanismen. Ziel ist es, diese Mechanismen besser zu verstehen und mit spezifischen Substanzen bzw. Strategien zu überwinden. Der HER2-Signalweg beispielsweise ist in ein komplexes biologisches Netzwerk mit weiteren Signalwegen und entsprechenden „Crosstalks“ eingebunden. Einer Resistenzentwicklung gegen HER2-gerichtete Substanzen liegen daher unterschiedliche Ursachen zugrunde, wie zum Beispiel somatische Mutationen am HER2-Rezeptor, ein dauerhaft aktivierter, trunkierter HER2-Rezeptor ohne extrazelluläre Domäne oder eine nur niedrige HER2-Expression. Alternative Signaltransduktionswege (z. B. PI3K, Akt, mTOR) sind möglicherweise hochreguliert und dienen dem Tumor als sog. „Escape“-Mechanismen. Aufgrund der zahlreichen Interaktionen zwischen den Signalwegen kann auch eine Deregulation umgebender Signalwege (z. B. PI3K, Akt, mTOR) eine Resistenz gegen HER2-gerichtete Substanzen induzieren [9], [10].

Da für die therapeutische Wirksamkeit monoklonaler Anti-HER2-Antikörper immunologische Wirkmechanismen wie die Aktivierung von Immuneffektorzellen eine wichtige Rolle spielen, können auch genetische Polymorphismen in diesen Zellen die Wirksamkeit einer Therapie beeinflussen und zum Beispiel vermindern. Das gilt zum Beispiel für Polymorphismen in den Fc-Rezeptoren (Fc: fragment-crystallisable). Letztere sind Membranrezeptoren für verschiedene Immunglobulin-(Ig-)Isotypen, die an die Fc-Domäne eines Antikörpers binden. Durch die Bindung werden je nach Zelltyp unterschiedliche Mechanismen einer Immunreaktion ausgelöst, zum Beispiel die Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) oder die Antikörper-abhängige zelluläre Phagozytose (ADCP). Bestimmte Fc-Polymorphismen führen beispielsweise zu einer verminderten ADCC [11], [12].


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Klinische Ansatzpunkte der Therapieoptimierung

In Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Resistenzmechanismus werden verschiedene Strategien verfolgt, Resistenzmechanismen beim HER2+ MBC zu überwinden.

Neue Therapieoptionen mit Tyrosinkinaseinhibitoren

Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) hemmen gezielt bestimmte, deregulierte Tyrosinkinasen, die bei der Tumorentstehung eine Rolle spielen. Unerwünschte intrazelluläre Signalübertragungen, die für die weitere Tumorpathogenese eine Rolle spielen, können so unterbrochen werden. TKIs wirken damit wesentlich spezifischer als Zytostatika. Je nach Angriffspunkt und Zielprotein werden verschiedene TKI-Gruppen unterschieden. Zwei neue, vielversprechende TKIs für die Behandlung des HER2+ MBC sind Tucatinib und Neratinib.

Tucatinib

Tucatinib ist ein neuer niedermolekularer TKI, der sich gegen HER2 richtet und in Kombination mit Trastuzumab plus Capecitabin vielversprechende Studiendaten in der randomisierten Studie HER2CLIMB bei intensiv vorbehandelten Patienten mit einem HER2+ metastasierten Mammakarzinom (MBC) zeigt. Gegenüber den Patienten im Kontrollarm, die nur mit Trastuzumab/Capecitabin behandelt wurden, verlängerte Tucatinib das mediane progressionsfreie Überleben auf 7,8 Monate (vs. 5,6 Monate; HR 0,54; p < 0,001) und das Gesamtüberleben auf 21,9 Monate (vs. 17,4 Monate; HR 0,66; p = 0,005) [13]. Patienten mit Hirnmetastasen profitierten im gleichen Umfang wie jene ohne Hirnmetastasen [13], [14]. In den USA ist die 3er-Kombination mit Tucatinib seit April 2020 und in Europa bzw. Deutschland seit Anfang des Jahres für Patienten mit fortgeschrittenem HER2+ Mammakarzinom zugelassen [15], [16].


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Neratinib

Neratinib ist wie Lapatinib ein kleines Molekül (sog. „small molecule“). Als pan-HER-Tyrosinkinase-Inhibitor bindet Neratinib nicht nur an ein Zielmolekül, sondern neben HER2 auch an den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR bzw. HER1) sowie an HER4. Gegenüber Lapatinib erreicht Neratinib eine irreversible Blockade des HER2-Signalweges [17]. Neratinib ist bereits für die erweiterte adjuvante Behandlung des hormonrezeptorpositiven (HR+) und HER2+ Mammakarzinoms zugelassen und befindet sich derzeit in der klinischen Prüfung beim HER2+ MBC. In der Phase-III-Studie NALA [18] bei bereits mehrfach vorbehandelten Patienten mit HER2+ MBC reduzierte die Kombination Neratinib/Capecitabin das Progressionsrisiko um 24% versus Lapatinib/Capecitabin. Das Auftreten symptomatischer Hirnmetastasen wurde im Neratinib-Arm hinausgezögert. Daten einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe weisen darauf hin, dass Neratinib speziell bei HER2+ MBC mit einer speziellen Gen-Amplifikation und koexistierender HER2-Mutation die Ansprechwahrscheinlichkeit gegenüber den herkömmlichen HER2-gerichteten Therapien (Trastuzumab, Lapatinib bzw. T-DM1) erhöht [19]. In der Phase-II-Studie SUMMIT [20] bei intensiv vorbehandelten Patienten mit HER2-mutiertem und HR+ MBC wurde Neratinib mit Fulvestrant kombiniert. Die Kombination erreicht bei gut einem Drittel (33%) noch einmal eine objektive Tumorrückbildung mit einer medianen Ansprechdauer von 9,2 Monaten. Auch bereits mit einem CDK4/6-Inhibitor vorbehandelte Patienten profitierten.


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Triple-positives Mammakarzinom: Chemotherapie-Kombination mit CDK4/6-Inhibition

Beim metastasierten triple-positiven Mammakarzinom (TPBC: triple-positive breast cancer) – positiver Östrogen- und Progesteron-Rezeptor-Status (ER+/PR+) plus HER2-Positivität (HER23+ bzw. HER22+/ISH+) – wird der zusätzliche Einsatz eines CDK-4/6-Inhibitor (CDK: cyclin-dependent kinase) zur endokrinen Therapie mit Trastuzumab als effektive Alternative zur Chemotherapie plus HER2-gerichtete Substanz diskutiert. CDK4/6-Inbibitoren hemmen die Aktivität Cyclin-abhängiger Kinasen, die bei der Steuerung des Zellzyklus und der Zellproliferation eine Rolle spielen. Beim HR+ Mammakarzinom bedingt Cyclin D eine Aktivierung der CDK4/6-Kinasen, die das Retinoblastom-Protein (Tumorsuppressor-Protein) phosphorylieren und in der Folge deaktivieren. Durch die CDK4/6-Inhibition wird dies verhindert, sodass die Tumorzellen sich nicht mehr teilen und proliferieren können, sondern in die Apoptose gehen [21], [22]. Tatsächlich scheint nicht nur ein komplexes Zusammenspiel zwischen dem Zellzyklus und der ER-Expression, sondern auch mit dem HER2-Signalweg zu bestehen. CDK4/6-Inhibitoren scheinen in der Lage zu sein, eine HER2-Resistenz aufzuheben [23], [24]. Verwiesen sei auf die monarcHER-Studie – hier war die 3er-Kombination Fulvestrant/Trastuzumab/Abemaciclib der Kombination aus Chemotherapie plus Trastuzumab überlegen und reduzierte das Progressionsrisiko signifikant um 37% (HR 0,63; p = 0,05) [25].


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Neue Option: Antikörper-Behandlung weiter optimieren

Eine vielversprechende Option ist das sog. Antikörper-Engineering („antibody-engineering“). Ziel ist es, mit intelligenten „Engineering“-Strategien die therapeutische Effektivität bzw. Spezifität einer Antikörper-basierten Therapie zu erhöhen. Besonders vielversprechende Strategien, Antikörper für die Klinik zu optimieren, sind modifizierte (Fc-optimierte) Antikörper, bispezifische Antikörper und technisch optimierte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC: antibody drug conjugate) ([Abb. 1]) [26], [27], [28].

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Abb. 1 Die zytotoxische Aktivität von therapeutischen Antikörpern kann durch Engineering-Strategien erhöht werden. Verschiedene Ansätze werden verfolgt: (1) Fc-Engineering: Optimierung der Fc-Domäne durch den Austausch von Aminosäuren im Proteinrückgrat (z. B. Tafasitamab) oder Änderung des Glykosylierungsmusters (z. B. Obinutuzumab). Gelb = Aminosäureaustausch, hellgrau = Zuckerstrukturen. (2) Bispezifische Antikörper zur Rekrutierung von Immuneffektorzellen, z. B. T-Zellen (z. B. Blinatumomab). (3) Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, die zusätzlich zu ihrem natürlichen Wirkmechanismus eine zytotoxische Substanz zur Tumorzelle transportieren und dort abliefern. Pink = Linker, lila = toxische Substanz (sog. Payload). PDB-Strukturdatei zur Verfügung gestellt von M. Clark [28].

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„Antikörper-Engineering“ im Fokus

Fc-Engineering

Beim Fc-Engineering wird der Fc-Teil des Antikörpers optimiert, sodass es zum Beispiel zu einer stärkeren Bindung an die Fc-Rezeptoren auf den Immunzellen kommt und sich das Immunsystem stärker gegen den Tumor bzw. die Tumorzellen richtet. Die daraus resultierende verbesserte ADCC soll den Immuneffekt verstärken. Hintergrund ist, dass für Trastuzumab gezeigt wurde, dass Patienten mit einem gewissen Genotyp im Fc-Rezeptor schlechter auf Trastuzumab ansprechen [29], [30], weil der Fc-Anteil des Antikörpers nur eine niedrige Affinität zu den Fc-Rezeptoren auf den NK-(natural-killer-)Zellen und Makrophagen hat. Ein Beispiel für einen Fc-optimierten HER2-Antikörper beim HER2+ Mammakarzinom ist Margetuximab. In der randomisierten Phase-III-Studie SOPHIA [31] verlängerte die Kombination aus Margetuximab/Chemotherapie das mediane PFS im direkten Vergleich mit Trastuzumab/Chemotherapie, zeigt aber bislang keinen überzeugenden Überlebensvorteil. Allerdings ergab eine explorative Auswertung für Patienten mit einem bestimmten Fc-Polymorphismus (Fcγ-Rezeptor IIIa [FCG3A] bzw. CD16A-Genotyp) einen statistisch nicht signifikanten Überlebensvorteil gegenüber der Behandlung mit Trastuzumab. Patienten mit CD16A-158F-Allel (85% der Studienpatienten) überlebten im Margetuximab-Arm im Median 23,7 versus 19,4 Monate im Trastuzumab-Arm (p = 0,087). Homozygote Patienten mit CD16A-158VV-Allel (15% der Studienpatienten) hatten dagegen keinen Vorteil von Margetuximab im Vergleich mit Trastuzumab [31].


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Bispezifische Antikörper

Bispezifische Antikörper setzen sich aus 2 (oder mehr) antigenerkennenden Bestandteilen zusammen und können so an 2 (oder mehr) Zielstrukturen binden. Rationale für die Entwicklung bispezifischer Antikörper ist, dass mehrere Signalwege bei der Pathogenese einer Tumorerkrankung eine Rolle spielen. Darüber hinaus können bispezifische Antikörper eingesetzt werden, um eine Kreuzvernetzung zwischen dem Tumor und bestimmten Komponenten des Immunsystems, insbesondere den T-Zellen, herzustellen. T-Zellen besitzen in der Regel keine Fc-Rezeptoren, weshalb sie nicht mit einem monoklonalen Antikörper rekrutiert werden können. Mit bispezifischen Molekülen ist es möglich, Tumorzellen quasi physisch an Immunzellen zu binden und das körpereigene Immunsystem des Patienten zu aktivieren [27].

Bei einigen Tumorentitäten werden bispezifische monoklonale Antikörper, sog. BiTE (Bi-specific T-cell engagers) bereits erfolgreich eingesetzt. Sie bestehen aus 2 scFv-Fragmenten, die jeweils aus den 2 variablen Domänen eines konventionellen monoklonalen Antikörpers bestehen und über Peptidbrücken miteinander verbunden sind. Ein scFv-Fragment bindet an ein Oberflächenprotein der T-Zellen, üblicherweise an den CD3-Rezeptor. Das 2. scFv-Fragment richtet sich gegen ein Oberflächenprotein, das möglichst selektiv auf der Zielzelle exprimiert wird. Durch die Bindung wird jeweils eine Zielzelle mit einer T-Zelle verbunden. Die T-Zelle wird auf diese Weise aktiviert und beginnt, zytotoxische Proteine freizusetzen, die den programmierten Zelltod induzieren und die Zielzelle zerstören. Der erste therapeutisch verwendete BiTE-Antikörper ist Blinatumomab. Er richtet sich gegen den CD3-Rezeptor der T-Zellen und gegen das Oberflächenprotein CD19 auf den B-Zellen und ist als Second-Line-Behandlung bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) zugelassen [32].


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Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC)

ADCs werden in der Klinik bereits erfolgreich eingesetzt. Das ADC T-DM1 hat sich beim HER2+ MBC als Standard für die Zweitlinien-Behandlung nach Trastuzumab/Pertuzumab-Versagen etabliert [5]. Mittlerweile befindet sich mit Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd, DS-8201) eine neue – optimierte – ADC-Generation in der klinischen Prüfung beim HER2+ MBC. In den USA, Japan und Europa wurde die Substanz aufgrund überzeugender klinischer Phase-II-Studiendaten bereits zugelassen [33], [34], [35].


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Optimierungsbedarf für Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Grundlage der ADC-Entwicklung sind tumorassoziierte Antigene (TAA) wie zum Beispiel der HER2-Rezeptor, der auf der Tumorzelle exprimiert wird und eine entscheidende Rolle bei der Onkogenese und Pathogenese der Erkrankung spielt. Mit spezifischen Antikörpern, die an diese TAAs binden, werden die TAAs zum einen blockiert, was zu einer Unterbrechung der für das Tumorwachstum essenziellen Signalketten führt, zum anderen können zytotoxische Substanzen in die Tumorzelle eingeschleust werden, was zu deren Zelltod führt. ADCs sind sehr komplexe Moleküle, die sich dies zunutze machen. Sie setzen sich aus einem tumorspezifischen, humanen bzw. humanisierten monoklonalen Antikörper, einer zytotoxischen Wirksubstanz (sog. Payload) und einem Verbindungsteil, dem sog. Linker zusammen. Der Linker bindet die zytotoxische Wirksubstanz an den Antikörper, welcher die Wirksubstanz zur Zielzelle (z. B. HER2+-Tumorzelle) transportiert. Dort bindet der Antikörper plus Beladung an die TAAs auf der Zelloberfläche. Dieser Komplex wird mittels Endozytose internalisiert. Danach wird die zytotoxische Wirksubstanz durch enzymatische Abspaltung intrazellulär freigesetzt [34], [36] ([Abb. 2]). Die Linker-Technologie muss auf dem Weg zur Tumorzelle eine stabile Verbindung zwischen Antikörper und Wirksubstanz gewährleisten, um keine systemische („off-target“) Toxizität zu induzieren [36], [37], [38], [39], [40], [41].

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Abb. 2 Das freie ADC bindet spezifisch an den Antigen-Rezeptor auf der Oberfläche der Zielzelle (Tumorzelle). Durch die Bindung an das Antigen kommt es zur rezeptorvermittelten Endozytose (Internalisierung). Das ADC gelangt in das Endosom. Intrazellulär wird die zytotoxische Wirksubstanz (Payload) freigesetzt. Bei nicht spaltbaren Linkern erfolgt die Freisetzung des Payloads über das lysosomale „trafficking“ – der ADC-Komplex wird durch lysosomale Enzyme degradiert. Da der Linker nicht spaltbar ist, hängt in diesem Fall noch der Linker plus eine Aminosäure des Antikörpers am Payload. Spaltbare Linker werden dagegen abgespalten, sodass die reine Wirksubstanz freigesetzt wird. Durch die Abspaltung des Linkers weist der Payload keinen Linker-Anteil auf. Sobald der Payload freigesetzt ist, bindet er an das intrazelluläre Target und induziert den Zelltod (Apoptose) [38].

Trotz der erfolgreichen Einführung der ersten ADCs in den klinischen Alltag besteht Optimierungsbedarf, um Spezifität und Wirksamkeit zu erhöhen, das Risiko für systemische Nebenwirkungen weiter zu minimieren und ADC-Resistenzen zu überwinden. Ansatzpunkte für eine weitere Optimierung im Sinne eines sog. „Antikörper-Engineerings“ bieten alle 3 Komponenten des ADC-Moleküls – der Antikörper, der Linker und der toxische Payload. Ziel ist es, einen möglichst homogenen, stabilen und potenten ADC-Komplex mit hoher Spezifität zu entwickeln.


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Ansatzpunkte für eine ADC-Optimierung

Monoklonaler Antikörper (mAK)

Nicht jeder Antikörper eignet sich für den Transport der zytotoxischen Wirksubstanz. Um die Immunogenität zu reduzieren, wird ein humaner oder humanisierter Antikörper benötigt. Zudem sollte eine ausreichende Menge an zytotoxischen Molekülen gebunden werden können und der Antikörper muss eine hohe Antigen-(AG-)Spezifität und AG-Affinität besitzen. Um die intrazelluläre Freisetzung des Payloads sicher zu stellen, muss der Antikörper eine Internalisierungsneigung besitzen und die rezeptorvermittelte Endozytose induzieren [36], [37], [38], [41].

Bewährt haben sich IgG1-Antikörper, für die auch eine intrinsische Antitumoraktivität belegt ist. Präklinische Untersuchungen mit verschiedenen HER2-gerichteten Antikörpern haben zudem erhebliche Unterschiede in Abhängigkeit von der Bindungsdomäne am HER2-Rezeptor gezeigt. Trastuzumab hat sich als IgG1-Antikörper mit biologischen Effektorfunktionen als sehr effektiv im klinischen Alltag bewährt und ist in der Lage, immunologische Mechanismen wie zum Beispiel eine ADCC zu induzieren [38], [42].


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Linker-Technologie

Der Linker muss eine hohe Stabilität des ADCs im Plasma gewährleisten, um zu verhindern, dass sich der Payload vom AK löst und möglicherweise eine systemische Toxizität induziert. Er beeinflusst aber auch, wie die zytotoxische Wirksubstanz intrazellulär freigesetzt wird. Insofern hat der Linker einen signifikanten Einfluss auf den Wirkmechanismus des ADCs. Unterschieden werden spaltbare Linker (z. B. Hydrazon-, Valin-Citrullin-, Disulfid- oder Peptid-Linker) von nicht spaltbaren Linkern (z. B. Thioether-Moieties) ([Abb. 3]). Spaltbare Linker reagieren sensitiv auf lysosomale Proteasen der Tumorzellen oder einen sauren pH-Wert oder sie enthalten Disulfid-Brücken, die durch Glutathion aufgespalten werden. Der Linker verbleibt dabei am AK und nur der Payload wird freigesetzt. Bei ADCs mit nicht spaltbarem Linker wird der ADC/AG-Komplex proteolytisch degradiert, um die zytotoxische Wirksubstanz freizusetzen. Diese ist daher weiterhin nicht nur mit dem (nicht spaltbaren) Linker verbunden, sondern an diesem hängt noch ein Lysin- oder Cystein-Rest des degradierten Antikörpers. Da sich an der freigesetzten Wirksubstanz noch der Linker mit dem Aminosäurerest befindet, ist die Membranpermeabilität der Wirksubstanz – anders als bei einem ADC mit spaltbarem Linker – reduziert [37], [38], [39], [40], [41], [43], [44].

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Abb. 3 Die Linker-Technologie eines ADCs beeinflusst die Freisetzung des Payloads und die Wirksamkeit. Unterschieden wird zwischen ADCs mit spaltbarem (z. B. T-DXd) bzw. nicht spaltbarem Linker (z. B. T-DM1). Bei einem nicht spaltbaren Linker hängt noch ein AS-Rest des degradierten AKs am Payload, weshalb die Membranpermeabilität geringer ist als bei einem ADC mit spaltbarem Linker [37], [40], [43], [44].

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Zytotoxische Wirksubstanz (Payload)

Da pro Antikörper vergleichsweise wenig zytotoxische Substanz in die Zielzelle (Tumorzelle) gelangt, müssen hoch potente, möglicherweise optimierte Zytostatika als Payload verwendet werden. In der Regel sind die Substanzen so potent, dass eine systemische Applikation – ohne Bindung an den Antikörper – für die Patienten nicht tolerabel wäre. Durch die stabile Bindung an den Antikörper und die intrazelluläre Freisetzung, die erst in der Tumorzelle stattfindet, lässt sich die hohe Wirksamkeit jedoch sicherer und zielgerichtet nutzen. Potenz und Pharmakokinetik der Substanz dürfen durch die Verlinkung mit dem Antikörper nicht verändert werden. Die Substanz sollte ausreichend löslich sein, da die Permeabilität der intrazellulär freigesetzten Wirksubstanz die klinische Wirksamkeit des ADCs beeinflusst [32], [33], [36].

Die Auswahl der zytotoxischen Wirksubstanz spielt auch eine wichtige Rolle dabei, potenzielle Resistenzmechanismen gegen ADCs zu umgehen. Ein verbreiteter Resistenzmechanismus ist beispielsweise die MDR1-induzierte (MDR1: Multidrug-Resistenz Protein 1) Resistenz, die als Folge einer Hochregulation der MDR1-Expression entsteht. Das MDR1-Protein ist ein aktiver Transporter, der zytotoxische Substanzen aus der Zelle pumpt. MDR1 wird daher auch als PGP-Pumpe (PGP: permeability-glycoprotein) bezeichnet. Speziell hydrophobe Substanzen werden vermehrt wieder aus der Zelle herausgeschleust, weshalb hydrophile Substanzen zu bevorzugen sind. Sowohl bei der Auswahl des Linkers als auch der zytotoxischen Wirksubstanz sollte daher auf eine hohe Hydrophilizität geachtet werden [39].

ADC-Resistenzen können auch darauf basieren, dass es zu einer „Down-Regulation“ der AG-Expression oder der AG-ADC-Internalisierung kommt, was dazu führt, dass der intrazelluläre Abbau des ADC/AG-Komplex oder die Freisetzung des Payloads reduziert ist. Zudem wurde beobachtet, dass sich die Oberfläche der Tumorzelle quasi erneuern kann, indem erneut Antigene exprimiert werden [39]. Eine gute Permeabilität der Wirksubstanz und ein gutes Internalisierungsvermögen sowie die hohe Potenz sind daher von zentraler Bedeutung.


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Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd, DS-8201)

Das T-DXd-Molekül (DS-8201) wurde vor dem Hintergrund dieser Kenntnisse und Optimierungsstrategien gezielt entwickelt. Dies mag erklären, warum T-DXd in klinischen Studien bei bereits intensiv vorbehandelten Patienten mit HER2+ MBC eine gute Wirksamkeit mit hoher Ansprechrate und vergleichsweise langer Ansprechdauer zeigt. Anscheinend ist T-DXd in der Lage, HER2-Resistenzmechanismen, die unter den herkömmlichen Anti-HER2-Substanzen, inkl. T-DM1, entstanden sind, zu überwinden.

Payload mit hoher Potenz

T-DXd ist wie T-DM1 ein HER2-gerichtetes ADC. Der verwendete HER2-Antikörper – ein therapeutischer IgG1-Antikörper – hat die gleiche Aminosäuresequenz wie Trastuzumab. Unterschiede bestehen bei der Linker-Technologie sowie der zytotoxischen Wirksubstanz. Bei der für T-DXd verwendeten toxischen Wirksubstanz handelt sich um keinen Mikrotubuli-Inhibitor wie bei vielen anderen ADCs, sondern um einen neuen Topoisomerase-I-Inhibitor, ein Derivat von Exatecan (DXd). DXd besitzt eine bis zu 10-fach höhere Potenz als die herkömmlichen Topoisomerase-I-Inhibitoren (aktiver Irinotecan-Metabolit SN 38), ist also hoch effektiv. Durch die Bindung an den Antikörper und die erst intrazelluläre Freisetzung in der Tumorzelle lässt sich die hohe Wirksamkeit von DXd zielgerichtet und bei insgesamt guter Verträglichkeit nutzen. Da DXd nicht wie die Taxane zu den Mikrotubuli-Inhibitoren gehört, sind zudem Resistenzen gegen T-DXd unwahrscheinlicher. Zudem weist DXd eine hohe Permeabilität auf, weshalb der Payload gut membrangängig ist [37], [45], [46].


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Enzymatisch spaltbarer Tetrapeptid-Linker

Ein wichtiger Vorteil von T-DXd ist die innovative Linker-Technologie: Trastuzumab ist im T-DXd-Molekül über einen neuartigen Tetrapeptid-Linker mit der toxischen Wirksubstanz verbunden, der intrazellulär enzymatisch abspaltbar ist, im Plasma aber eine hohe Stabilität gewährleistet [46]. Pharmakokinetische „In-vivo“-Untersuchungen an Cynomolgus-Affen zeigen nach intravenöser Gabe von T-DXd einen im Plasma systemisch stabilen ADC-Komplex und eine schnelle Clearance. T-DXd ist fast ausschließlich im Blut nachweisbar und nur in sehr geringen Mengen im Gewebe. Die Ausscheidung der Wirksubstanz erfolgt primär über Urin und Stuhl [47]. Weitere „In-vivo“-Untersuchungen zur guten systemischen Verträglichkeit von T-DXd mit Dosierungen von bis zu 197 mg/kg bei Ratten und 30 mg/kg bei Affen untermauern dies. Die Substanz wurde jeweils wiederholt appliziert, entsprechend dem Einsatz im klinischen Setting [36], [37].


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Bystander-Antitumor-Effekt nutzen

Intrazellulär (nachdem der ADC-Komplex internalisiert wurde) ermöglicht es der enzymatisch spaltbare Linker, die zytotoxische Wirksubstanz als sog. „nackte“ oder „reine“ Substanz freizusetzen. So entsteht ein Molekül, das eine hohe Membrangängigkeit besitzt und auch in benachbarte Tumorzellen eindringen und diese zerstören kann. Die zytotoxische Wirksubstanz penetriert die benachbarten Tumorzellen unabhängig von ihrem HER2-Status, was zum sog. Bystander-Antitumor-Effekt führt ([Abb. 4]) [40]. Auch benachbarte Tumorzellen mit niedriger HER2-Expression (HER22+/ISH−) sowie jene, die HER2 nicht exprimieren, können so attackiert und zerstört werden. Zudem ist nicht auszuschließen, dass T-DXd dadurch auch einen inhibitorischen Effekt auf immunsuppressive Zellen im Tumormikroenvironment oder die den Tumor versorgende Vaskulatur besitzt.

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Abb. 4 Der Bystander-Antitumor-Effekt basiert auf der hohen Permeabilität der Wirksubstanz (Payload), die durch die innovative Linker-Technologie nicht beeinträchtigt wird [40].

Der beschriebene Bystander-Antitumor-Effekt ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal von T-DXd gegenüber anderen ADCs. Er setzt voraus, dass die Wirksubstanz membrangängig ist, was im präklinischen Modell belegt wurde [37], [44], [48]. Für T-DXd zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen dem Bystander-Antitumor-Effekt und der Membranpermeabilität des Payloads. Bei ADCs mit einem nicht spaltbaren Linker, wie zum Beispiel bei T-DM1, hängen der Linker plus ein Aminosäurerest weiterhin an der abgespaltenen Wirksubstanz, weshalb die Permeabilität möglicherweise geringer oder nicht vorhanden ist [36].


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Hohe Wirkstoff-zu-Antikörper-Ratio

Die hohe Potenz der zytotoxischen Wirksubstanz DXd wird durch eine hohe Wirkstoff-zu-Antikörper-Ratio (DAR: drug-to-antibody-ratio) ergänzt. Die DAR steht für die Kapazität, wie viel zytotoxische Wirksubstanz an jedes einzelne Antikörper-Molekül gebunden ist und zur Zielzelle transportiert werden kann. Die meisten bisher entwickelten ADCs, so beispielsweise auch T-DM1, haben eine DAR von 3 – 4 [49]. Das besagt, dass ein Antikörper 3 – 4 Payload-Moleküle transportiert. T-DXd weist dagegen eine DAR von 7 – 8 auf, weshalb pro Antikörper mehr zytotoxische Wirksubstanz in die HER2+ Tumorzelle eingeschleust werden kann ([Abb. 5]) [37].

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Abb. 5 Um Wirkstoffe an monoklonale Antikörper zu koppeln kann auf unterschiedliche Technologien zurückgegriffen werden. Hier drei Beispiele: (1) Natürliche Cystein-Reste als Kopplungsstellen. IgG1 Antikörper enthalten mehr als 70 Lysine, die potenziell in einer Kopplungsreaktion zugänglich sind. Dieser stochastische Prozess führt zu einem finalen Gemisch aus hunderten/tausenden verschiedenen Endprodukten (z. B. T-DM1). (2) Kopplung über „Interchain“ Cystein-Reste. Die Kopplung an Cystein-Reste die im natürlichen Protein an den intermolekularen Disulfidbrücken beteiligt sind, können gezielt zur Kopplung genutzt werden. Dadurch entsteht ein homogeneres Endprodukt (z. B. T-DXd, Brentuximab-Vedotin). (3) Durch Aminosäureaustausch können auch gezielt zusätzliche Cystein-Reste in das Antikörpermolekül eingefügt werden, die eine sehr gerichtete Kopplung erlauben. PDB-Strukturdatei zur Verfügung gestellt von M. Clark [28].

Möglich ist dies aufgrund einer innovativen Konjugations-Technologie ([Abb. 5]). Durch die Reduktion von Cystein-Disulfid-Brücken werden spezifische Bindungsstellen für den „Linker-Payload“ freigelegt und damit eine homogene und stabile Konjugation erreicht („site-specific conjugation“) [28], [36]. Die innovative Konjugationstechnologie reduziert die Hydrophobizität des ADCs, weshalb eine höhere DAR möglich ist, ohne dass die Stabilität im Plasma gefährdet ist. Mit der herkömmlichen Konjugationstechnologie besteht mit steigender DAR ein erhöhtes Risiko für eine systemische Instabilität und verminderte Halbwertszeit, weshalb bisherige ADCs eine niedrigere DAR aufweisen. Die präklinischen Untersuchungen zu T-DXd zeigen, dass weder die Funktionalität des Antikörpers noch die Wirkung der zytotoxischen Wirksubstanz (DXd) als Bestandteil des T-DXd-Moleküls durch diese innovative Konjugation beeinträchtigt werden [28], [36].


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Mammakarzinome mit niedriger HER2-Expression

Etwa 20% der Mammakarzinome sind HER2+ (HER23+ bzw. HER22+/ISH+) [2], was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Mehrzahl der Mammakarzinome keine oder eine geringe HER2-Überexpression aufweist. Bei etwa 40 – 50% der Mammakarzinome beispielsweise liegt eine niedrige HER2-Expression (HER2 low: HER22+/ISH− und HER21+) vor [50], [51], [52]. Bei niedriger HER2-Expression erzielen die herkömmlichen HER2-gerichteten Substanzen und Regime, inkl. T-DM1, keine ausreichende Wirkung, weshalb sie für diese Karzinome nicht zugelassen sind. Im klinischen Alltag ist eine mittlere bzw. niedrige HER2-Expression ein wichtiger Resistenzmechanismus gegenüber T-DM1.

Bei T-DXd ist das anders: Durch den Bystander-Antitumor-Effekt – hohe DAR und hohe Membrangängigkeit des potenten, zytotoxischen Payloads – kann T-DXd auch Tumorzellen mit niedriger HER2-Expression zerstören. Auch in diesen Tumorzellen (HER21+ und HER22+/ISH−) wurde eine ausreichende Menge an toxischem Payload nachgewiesen, um eine HER2-spezifische, zytotoxische Wirkung zu entfalten [36], [37], [53]. Präklinische Untersuchungen zeigen zudem, dass die DAR bei hoher HER2-Expression (HER3+ bzw. HER2+/ISH+) eine untergeordnete Rolle spielt, aber bei mittlerer bzw. niedriger HER2-Expression (HER2+/ISH− und HER21+) von Bedeutung ist [36], [37].

Bedeutung hat dies im klinischen Alltag auch für HER2+ Karzinome mit HER2-Heterogenität, die Tumorzellen mit hoher HER2-Expression und solche mit geringer bzw. niedriger HER2-Expression aufweisen. Untersuchungen zeigen, dass die klinische Wirkung der etablierten HER2-gerichteten Substanzen limitiert ist, wenn der Tumor die Zielstruktur („Target“) nicht homogen exprimiert [54]. Das HER2-positive Magenkarzinom ist bekannt für eine hohe Heterogenität der HER2-Expression. T-DM1 erreichte in einer Phase-II/III-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem HER2+ Magenkarzinom nicht den Studienendpunkt – als möglicher Grund wird die HER2-Heterogenität beim Magenkarzinom diskutiert. Mit intelligent designten Molekülen wie T-DXd (Bystander-Antitumor-Effekt) lässt sich das klinische Problem der HER2-Heterogenität möglicherweise umgehen [37], [55]. Daten einer Phase-II-Studie mit T-DXd, die auf der ASCO-Jahrestagung 2020 vorgestellt wurde, bestätigen diese Vermutung [56].


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Klinische Daten zu Trastuzumab-Deruxtecan

Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) ist seit Ende Dezember 2019 in den USA, seit März 2020 in Japan und seit Anfang 2021 auch in Europa bzw. Deutschland für die Behandlung von bereits chemotherapeutisch vorbehandelten Patienten mit nicht operablem bzw. metastasiertem HER2+ Mammakarzinom zugelassen. Die metastasierten Patienten müssen laut FDA-Zulassung (FDA: Food and Drug) mindestens 2 HER2-gerichtete Therapieregime in der metastasierten Situation erhalten haben [57]. Die europäische Zulassung fordert, das die Patienten mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom mindestens 2 gegen HER2 gerichtete Vorbehandlungen erhalten haben [35]. Alle 3 Zulassungen basieren auf den positiven Ergebnissen der pivotalen Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 [58]. Derzeit laufen weltweit verschiedene konfirmatorische, randomisierte Phase-III-Studien.

Phase-I-Studiendaten

Der Phase-II-Zulassungsstudie waren vielversprechende Ergebnisse einer Phase-Ia/b-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem und intensiv vorbehandeltem Mamma- oder Magenkarzinom (inkl. Tumoren des gastroösophagealen Übergangs) [46], [59] vorausgegangen. Eingeschlossen wurden Patienten mit niedriger bis hoher HER2-Expression. Im Rahmen der Dosisfindungsphase (Phase Ia) traten keine dosislimitierenden Toxizitäten auf. Als effektive Dosis empfahl sich eine T-DXd-Dosierung von 5,4 bzw. 6,4 mg/kg. Im Rahmen der Expansionsphase (Phase Ib) wurde T-DXd in den beiden empfohlenen Dosierungen (T-DXd 5,4 bzw. 6,4 mg/kg, i. v., jeweils alle 3 Wochen) an weiteren Patienten untersucht. Die publizierten Daten umfassen eine Studienkohorte von 115 Patienten mit HER2+ fortgeschrittenem Mammakarzinom, die intensiv vorbehandelt waren, unter anderem mit T-DM1 [59]. Bereits hier deutete sich eine vielversprechende Wirksamkeit – auch für Patienten mit niedriger HER2-Expression – an.

Fast 60% aller Patienten erreichten eine objektive Tumorverkleinerung (ORR: 59,5%) bei einer Krankheitskontrollrate von 93,7%. Die Patienten profitierten unabhängig vom HR-Status, der eingesetzten T-DXd-Dosierung und ob sie bereits mit Pertuzumab vorbehandelt waren oder nicht. Die mediane Ansprechdauer betrug 20,7 Monate und das mediane PFS 22,1 Monate; die mediane Gesamtüberlebenszeit war zum Auswertungszeitpunkt noch nicht erreicht [59]. Die Patienten mit niedriger HER2-Expression (HER22+/ISH−; HER21+; n = 54) erzielten eine objektive Ansprechrate von 37% und eine Tumorkontrollrate von 87% – dies, obwohl über die Hälfte der HER2-low-Patienten nur HER21+ getestet war. Im Median blieben die HER2-low-Patienen 11,1 Monate ohne Progression bei einer medianen Gesamtüberlebenszeit von 29,4 Monaten [60].


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Pivotale Phase-II-Studie: DESTINY-Breast01

In der 1-armigen offenen, multizentrischen pivotalen Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 [58], [61] wurden in einem 1. Studienteil die in der Phase-I-Studie ermittelte Pharmakokinetik und T-DXd-Dosierung geprüft. Die T-Dxd-Monotherapie als 5,4-mg/kg-Infusion, alle 3 Wochen, bestätigte sich als effektiv und gut tolerabel. Insgesamt wurden 184 Patienten mit dieser Dosierung behandelt. Alle Patienten hatten ein inoperables und/oder metastasiertes HER2+ Mammakarzinom (HER23+; HER22+/ISH+) und hatten im Median 6 Vortherapien erhalten. Alle Patienten waren mit Trastuzumab und T-DM1 vorbehandelt. Über 60% hatten zusätzlich Pertuzumab und gut die Hälfte hatte andere HER2-basierte Therapien erhalten. Auch Patienten mit vorbehandelten und stabilen Hirnmetastasen waren erlaubt. Primärer Studienendpunkt war die objektive Ansprechrate (ORR) nach den RECIST-Kriterien (Version 1.1), die durch ein unabhängiges zentrales Review bestätigt wurde [58].

Obwohl es sich um intensiv vorbehandelte Patienten handelte, zeigte sich in der ersten Intent-to-treat-(ITT-)Auswertung nach median 11,1 Monaten eine ORR von 60,9% (112/184 Patienten), darunter 11 komplette Remissionen (CR: 6,0%). Nur 3 Patienten (1,6%) waren primär progredient bei einer Krankheitskontrollrate (DCR [disease control rate]: CR + PR + SD [komplette und partielle Remission plus Stabilisierung]) von 97,3% ([Tab. 1]) [61]. Die ORR bestätigte sich in der geplanten Subgruppenauswertung unter anderem unabhängig davon, ob die Patienten bereits mit Pertuzumab vorbehandelt waren oder Hirnmetastasen aufwiesen, sowie unabhängig vom HR-Status oder des HER2-Expressionslevels [58], [61]. Das mediane PFS betrug seinerzeit 16,4 Monate für die Gesamtpopulation und 18,1 Monate für die Patienten mit Hirnmetastasen. T-DXd erreicht demnach auch im ZNS eine Wirksamkeit, was angesichts der erhöhten Inzidenz an Hirnmetastasen nach Versagen auf die etablierten Anti-HER2-Therapien eine wichtige Beobachtung ist.

Tab. 1 Wirksamkeitsdaten zu T-DXd in der DESTINY-Breast01-Studie bei Patienten mit HER2+ metastasiertem Mammakarzinom und intensiver Vorbehandlung, u. a. mit T-DM1 (mod. nach: [58], [61], [62]).

Intent-to-treat-Analyse

August 2019 Datenschnitt

T-DXd 5,4 mg/kg

(n = 184)

Juni 2020 Datenschnitt

T-DXd 5,4 mg/kg

(n = 184)

ORR = objektive Ansprechrate; ICR = unabhängiges zentrales Review-Komitee; CR = komplette Remission; PR = partielle Remission; SD = stabile Erkrankung; PD = progressive Erkrankung; NE = nicht erreicht

Das mediane Gesamtüberleben lag geschätzt bei 35% Reife, mit 119 zensierten Patienten und nur 17 Patienten mit Risiko zum Zeitpunkt 24 Monate; zusätzliches Follow-up wird für reifere Daten benötigt.

Dauer des Follow-ups, Median (Range)

11,1 Monate (0,7 – 19,9 Monate)

20,5 Monate (0,7 – 31,4 Monate)

Patienten, die noch behandelt werden

42,9% (n = 79)

20,1% (n = 37)

bestätigte ORR durch ICR

60,9% (n = 112) (95%-KI 53,4 – 68,0%)

61,4% (n = 113) (95%-KI 54,0 – 68,5%)

  • CR

6,0% (n = 11)

6,5% (n = 12)

  • PR

54,9% (n = 101)

54,9% (n = 101)

  • SD

36,4% (n = 67)

35,9% (n = 66)

  • PD

1,6% (n = 3)

1,6% (n = 3)

  • nicht evaluierbar

1,1% (n = 2)

1,1% (n = 2)

Ansprechdauer, Median

14,8 Monate (95%-KI 13,8 – 16,9 Monate)

20,8 Monate (95%-KI 15,0 Monate – NE)

Zeit bis zum Ansprechen, Median

1,6 Monate (95%-KI 1,4 – 2,6 Monate)

progressionsfreies Überleben, Median

16,4 Monate (95%-KI 12,7 Monate – NE)

19,4 Monate (95%-KI 14,1 Monate – NE)

Gesamtüberleben, Median

NE

24,6 Monate (95%-KI 23,1 Monate – NE)

Die 2, aktualisierte ITT-Auswertung bestätigte nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 20,5 Monaten [62] die konsistente und anhaltende Wirksamkeit mit einer ORR von 61,4% und einer medianen Ansprechdauer von 20,8 Monaten. Gut 20% der Patienten waren weiterhin unter Therapie mit T-DXd, darunter 80 Patienten (43,4%) seit mehr als 12 Monaten und 11 Patienten (6,0%) seit mehr als 24 Monaten. Das mediane PFS war auf 19,4 Monate angestiegen. Die ersten Überlebensdaten ergaben ein medianes Gesamtüberleben unter T-DXd von über 2 Jahren (24,6 Monate) bei einer Überlebensrate nach 18 Monaten von 74% ([Tab. 1] und [Abb. 6]) [62].

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Abb. 6 Fast alle Patienten mit HER2+ metastasiertem Mammakarzinom profitierten in der DESTINY-Breast01-Studie trotz intensiver Vorbehandlung, u. a. mit T-DM1 von der Behandlung mit T-DXd [58], [62].

Die aktualisierte Auswertung [62] bestätigte auch die Daten zur Verträglichkeit aus der 1. Interimsanalyse. Die meisten unerwünschten therapiebedingten Ereignisse sind mild/moderat (Grad 1 – 2) ausgeprägt. Im Vordergrund stehen gastrointestinale Beschwerden, zum Beispiel Übelkeit/Erbrechen, Obstipation, Diarrhö und/oder verringerter Appetit sowie Fatigue und Alopezie. Häufigste Grad-≥ 3-Nebenwirkung ist die Neutropenie. Die kardiale Verträglichkeit war gut [58], [61], [62]. Es wurden keine kumulativen Nebenwirkungen beobachtet. Das gilt auch für die interstitielle Lungenerkrankung (ILD: interstitial lung disease), die – so sie auftritt – primär in den ersten 12 Monaten beobachtet wird. Im Rahmen der 1. Auswertung war bei 25 Patienten (13,6%) eine interstitielle Lungenerkrankung beobachtet worden, die mehrheitlich mild/moderat (Grad 1 – 2; NCI CTCAE-Kriterien) ausgeprägt war, aber bei 4 Patienten (Grad 5: 2,2%) zum Tod führte. Im Rahmen der 2. Auswertung wurden 3 weitere ILD bestätigt [62]. Da sich eine interstitielle Lungenerkrankung bei frühzeitiger Intervention mit Kortikosteroiden gut behandeln lässt, sollten die Patienten unter T-DXd-Behandlung regelmäßig nach entsprechenden Symptomen untersucht werden. Bei Verdacht muss die T-DXd-Behandlung gestoppt und eine Therapie mit Kortikosteroiden begonnen werden.


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Umfassendes Studienprogramm mit Trastuzumab-Deruxtecan

Weltweit läuft ein umfassendes Studienprogramm mit T-DXd bei verschiedenen soliden Tumoren mit unterschiedlichen HER2-Expressionsleveln. Beim HER2-exprimierenden fortgeschrittenen Mammakarzinom laufen aktuell verschiedene randomisierte Phase-III-Studien, darunter auch Studien bei Patienten mit niedriger HER2-Expression. Weitere Studien laufen beim HER2+ fortgeschrittenen Magenkarzinom, dem HER2+ fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom (CRC) und dem HER2+ bzw. HER2-mutierten metastasierten Nichtplattenepithelkarzinom des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC). Im Rahmen dieser Studien wird T-DXd auch in Kombination mit anderen onkologischen Therapien, unter anderem Immuncheckpoint-Inhibitoren, geprüft [63].

Studienprogramm beim Mammakarzinom

Beim metastasierten Mammakarzinom wird T-DXd derzeit in einem umfangreichen Studienprogramm (DESTINY-Breast-Studienprogramm) weiter validiert. Neben Phase-IB/II-Studien befinden sich darunter auch mehrere randomisierte Phase-III-Studien:

DESTINY-Breast02 [NCT03523585]

Die DESTINY-Breast02 gilt als konfirmatorische Phase-III-Studie der DESTINY-Breast01-Studie. Eingeschlossen werden Patienten mit inoperablem und/oder metastasiertem HER2+ (HER23+ oder HER22+/ISH+) Mammakarzinom, die bereits mit den Standard-Anti-HER2-Therapien, inkl. T-DM1, vorbehandelt sind. T-DXd wird mit einer HER2-basierten Behandlung nach Wahl des behandelnden Arztes (Kontrollarm) verglichen. Primärer Studienendpunkt ist das PFS.


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DESTINY-Breast03 [NCT03529110]

In der Phase-III-Studie DESTINY-Breast03 wird T-DXd direkt mit T-DM1 verglichen. Eingeschlossen werden Patienten mit inoperablem und/oder metastasiertem HER2+ (HER23+ oder HER22+/ISH+) Mammakarzinom, die mit einer Trastuzumab/Taxan-basierten Therapie vorbehandelt sind. Primärer Studienendpunkt ist das PFS.


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DESTINY-Breast04 [NCT03734029]

Die Phase-III-Studie DESTINY-Breast04 fokussiert auf Patienten mit niedriger HER2-Expression („HER2 low“: IHC2+/ISH− oder IHC1+). T-DXd wird mit einer Behandlung nach Wahl des behandelnden Arztes verglichen (TPC, treatment physicianʼs choice: Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin, Paclitaxel, nab-Paclitaxel). Stratifikationsfaktoren sind der HER2/IHC-Status, die Anzahl der vorangegangenen Chemotherapien sowie der Hormonrezeptor-(HR-)Status. Primärer Studienendpunkt ist das PFS.


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DESTINY-Breast05 [NCT04622319]

Die interventionelle Phase-III-Studie DESTINY-Breast05, die unter der Schirmherrschaft der GBG (German Breast Group) läuft, vergleicht T-DXd mit T-DM1 bei Hochrisiko-Patienten mit frühem HER2+ Mammakarzinom. Das sind Patienten mit invasivem Tumorrest nach neoadjuvanter Systemtherapie oder einem bereits bei Erstdiagnose nicht mehr operablen Primärtumor. Primärer Studienendpunkt ist das invasive krankheitsfreie Überleben (iDFS).


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DESTINY-Breast06 [NCT04494425]

Die Phase-III-Studie validiert T-DXd bei Patienten mit metastasiertem bzw. fortgeschrittenem HR-positivem (HR+) Mammakarzinom und niedrigem HER2-Status (HER2 low). Alle Patienten sind für die fortgeschrittene/metastasierte Erkrankung bereits endokrin vorbehandelt und waren progredient. Im Kontrollarm erhalten die Patienten eine Chemotherapie nach Wahl des behandelnden Arztes – wahlweise Paclitaxel, nab-Paclitaxel oder Capecitabin. Primärer Studienendpunkt ist das PFS.


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Ausblick

Vor dem Hintergrund der klinischen Herausforderungen lassen sich neue Moleküle erfolgreich entwickeln und in die klinische Prüfung überführen. Die Entwicklung von T-DXd ist hierfür ein Beispiel beim HER2-exprimierenden Mammakarzinom. Es ist notwendig, jenseits von HER2 weitere Zielstrukturen zu identifizieren, um die Behandlung nicht nur beim Mammakarzinom, sondern auch bei anderen Tumorentitäten weiter zu spezifizieren.

Die Therapiealgorithmen werden sich vor dem Hintergrund des immer besseren Verständnisses der Tumorpathogenese und der daraus resultierenden neuen therapeutischen Möglichkeiten deutlich verändern. Herausforderungen bleiben das Verstehen und Überwinden von Therapieresistenzen und speziell beim HER2-positiven Mammakarzinom die Behandlung – möglicherweise auch Prävention – von Hirnmetastasen. Neben T-DXd ist hier auch Tucatinib eine Substanz mit vielversprechenden Studienergebnissen [14], [64].

Eine zukunftsweisende Strategie besteht darin, die Immunonkologie in die HER2-gerichtete Behandlung zu integrieren und Checkpoint-Inhibitoren und HER2-gerichtete Substanzen und ggf. Chemotherapie zu kombinieren. Die Krebsimmuntherapie mit Einbindung des körpereigenen Immunsystems ist ein vielversprechendes Konzept, um Resistenzen zu umgehen und die Effektivität der onkologischen Behandlung zu erhöhen. Die ersten Checkpoint-Inhibitoren sind beim metastasierten TNBC zugelassen. Auch beim HER2+ Mammakarzinom laufen erste Studien mit der Immuntherapie – unter anderem in Kombination mit HER2-gerichteten ADCs [38].

Die Rationale, ADC und Checkpoint-Inhibition zu kombinieren, basiert auf präklinischen Daten. Laut „In-vivo“-Untersuchungen an einem immunkompetenten Mausmodell ist T-DXd beispielsweise in der Lage, die antitumorale Immunität zu unterstützen und das Immunsystem (der Maus) zu aktivieren. Diskutiert wird, dass das Konjugat die Zahl der CD8-T-Zellen im Tumor und die PD-L1-Expression auf den Tumorzellen erhöht, weshalb eine PD-L1-Blockade besser wirken kann [48], [65]. Bei verschiedenen soliden Tumoren mit HER2-Expression laufen klinische Studien zur kombinierten Behandlung aus ADC plus Krebsimmuntherapie.


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Danksagung

Die Manuskripterstellung wurde von der Firma Daiichi Sankyo unterstützt. Die finale Freigabe der Inhalte des Manuskripts liegt in der alleinigen Verantwortung der Autoren. Für die redaktionelle Begleitung der Manuskripterstellung danken die Autoren Birgit-Kristin Pohlmann, Nordkirchen.

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Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Diana Lüftner
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie
Charité Berlin
Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30
12203 Berlin
Germany   

 

Prof. Dr. rer. nat. Matthias Peipp
Sektion für Stammzelltransplantation und Immuntherapie
Dr. Mildred-Scheel-Haus
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Rosalind-Franklin-Straße 12
24105 Kiel
Germany   

Publication History

Received: 20 December 2020

Accepted: 27 March 2021

Article published online:
21 June 2021

© 2021. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Fig. 1 The cytotoxic activity of therapeutic antibodies can be boosted by engineering strategies. Different approaches are being pursued: (1) Fc engineering: Optimisation of the Fc domain through the exchange of amino acids in the protein backbone (e.g. tafasitamab) or modification of the glycosylation pattern (e.g. obinutuzumab). Yellow = amino acid exchange, light grey = sugar structures. (2) Bispecific antibodies for effector cell recruitment, e.g. T-cells (e.g., blinatumomab). (3) Antibody-drug conjugates that, in addition to their natural mechanism of action, transport and deliver a cytotoxic agent to the tumour cell. Pink = linker, purple = toxic agent (so-called payload). PDB structure file provided by M. Clark [28].
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Fig. 2 The free ADC binds specifically to the antigen receptor on the surface of the target cell (tumour cell). Binding to the antigen results in receptor-mediated endocytosis (internalisation). The ADC enters the endosome. The cytotoxic drug (payload) is released intracellularly. In linkers that cannot be cleaved, the payload is released via lysosomal “trafficking” – the ADC complex is degraded by lysosomal enzymes. Since the linker cannot be cleaved, in this case the linker plus one amino acid of the antibody will still be attached to the payload. Linkers that can be cleaved, on the other hand, are cleaved off thereby releasing the pure active ingredient. By detaching the linker, the payload does not have a linker component. As soon as the payload is released, it binds to the intracellular target and induces cell death (apoptosis) [38].
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Fig. 3 The linker technology of an ADC affects its payload release and efficacy. A distinction is made between ADCs with a cleavable (e.g., T-DXd) or non-cleavable linker (e.g., T-DM1). With a non-cleavable linker, an amino acid residue of the degraded antibody is still attached to the payload, which is why the membrane permeability is lower than with an ADC with cleavable linker [37], [40], [43], [44].
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Fig. 4 The bystander antitumour effect is based on the high permeability of the active substance (payload), which is not affected by the innovative linker technology [40].
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Fig. 5 Different technologies can be used to link drugs to monoclonal antibodies. Here are three examples: (1) Natural cysteine residues as linkage sites. IgG1 antibodies contain more than 70 lysines that are potentially accessible in a linking reaction. This stochastic process results in a final mixture of hundreds/thousands of different end products (e.g. T-DM1). (2) Linkage via “interchain” cysteine residues. The linkage to cysteine residues involved in the intermolecular disulphide bridges in the natural protein can be used for specific linkage. This results in a more homogeneous end product (e.g. T-DXd, brentuximab vedotin). (3) Additional cysteine residues can also be specifically inserted into the antibody molecule by amino acid exchange, allowing rather targeted linkage. PDB structure file provided by M. Clark [28].
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Fig. 6 In the DESTINY-Breast01 trial, almost all patients with HER2+ metastatic breast cancer benefited from treatment with T-DXd despite intense prior treatment, including T-DM1 [58], [62].
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Abb. 1 Die zytotoxische Aktivität von therapeutischen Antikörpern kann durch Engineering-Strategien erhöht werden. Verschiedene Ansätze werden verfolgt: (1) Fc-Engineering: Optimierung der Fc-Domäne durch den Austausch von Aminosäuren im Proteinrückgrat (z. B. Tafasitamab) oder Änderung des Glykosylierungsmusters (z. B. Obinutuzumab). Gelb = Aminosäureaustausch, hellgrau = Zuckerstrukturen. (2) Bispezifische Antikörper zur Rekrutierung von Immuneffektorzellen, z. B. T-Zellen (z. B. Blinatumomab). (3) Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, die zusätzlich zu ihrem natürlichen Wirkmechanismus eine zytotoxische Substanz zur Tumorzelle transportieren und dort abliefern. Pink = Linker, lila = toxische Substanz (sog. Payload). PDB-Strukturdatei zur Verfügung gestellt von M. Clark [28].
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Abb. 2 Das freie ADC bindet spezifisch an den Antigen-Rezeptor auf der Oberfläche der Zielzelle (Tumorzelle). Durch die Bindung an das Antigen kommt es zur rezeptorvermittelten Endozytose (Internalisierung). Das ADC gelangt in das Endosom. Intrazellulär wird die zytotoxische Wirksubstanz (Payload) freigesetzt. Bei nicht spaltbaren Linkern erfolgt die Freisetzung des Payloads über das lysosomale „trafficking“ – der ADC-Komplex wird durch lysosomale Enzyme degradiert. Da der Linker nicht spaltbar ist, hängt in diesem Fall noch der Linker plus eine Aminosäure des Antikörpers am Payload. Spaltbare Linker werden dagegen abgespalten, sodass die reine Wirksubstanz freigesetzt wird. Durch die Abspaltung des Linkers weist der Payload keinen Linker-Anteil auf. Sobald der Payload freigesetzt ist, bindet er an das intrazelluläre Target und induziert den Zelltod (Apoptose) [38].
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Abb. 3 Die Linker-Technologie eines ADCs beeinflusst die Freisetzung des Payloads und die Wirksamkeit. Unterschieden wird zwischen ADCs mit spaltbarem (z. B. T-DXd) bzw. nicht spaltbarem Linker (z. B. T-DM1). Bei einem nicht spaltbaren Linker hängt noch ein AS-Rest des degradierten AKs am Payload, weshalb die Membranpermeabilität geringer ist als bei einem ADC mit spaltbarem Linker [37], [40], [43], [44].
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Abb. 4 Der Bystander-Antitumor-Effekt basiert auf der hohen Permeabilität der Wirksubstanz (Payload), die durch die innovative Linker-Technologie nicht beeinträchtigt wird [40].
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Abb. 5 Um Wirkstoffe an monoklonale Antikörper zu koppeln kann auf unterschiedliche Technologien zurückgegriffen werden. Hier drei Beispiele: (1) Natürliche Cystein-Reste als Kopplungsstellen. IgG1 Antikörper enthalten mehr als 70 Lysine, die potenziell in einer Kopplungsreaktion zugänglich sind. Dieser stochastische Prozess führt zu einem finalen Gemisch aus hunderten/tausenden verschiedenen Endprodukten (z. B. T-DM1). (2) Kopplung über „Interchain“ Cystein-Reste. Die Kopplung an Cystein-Reste die im natürlichen Protein an den intermolekularen Disulfidbrücken beteiligt sind, können gezielt zur Kopplung genutzt werden. Dadurch entsteht ein homogeneres Endprodukt (z. B. T-DXd, Brentuximab-Vedotin). (3) Durch Aminosäureaustausch können auch gezielt zusätzliche Cystein-Reste in das Antikörpermolekül eingefügt werden, die eine sehr gerichtete Kopplung erlauben. PDB-Strukturdatei zur Verfügung gestellt von M. Clark [28].
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Abb. 6 Fast alle Patienten mit HER2+ metastasiertem Mammakarzinom profitierten in der DESTINY-Breast01-Studie trotz intensiver Vorbehandlung, u. a. mit T-DM1 von der Behandlung mit T-DXd [58], [62].