Rofo 2021; 193(11): 1277-1284
DOI: 10.1055/a-1472-6530
Review

Qualitative und quantitative Arbeitsplatzanalyse zur Ermittlung des Personalbedarfs in einer universitären radiologischen Abteilung

Article in several languages: English | deutsch
Ulrike Streit
Radiology, University Medical Center Göttingen Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Göttingen, Germany
,
Johannes Uhlig
Radiology, University Medical Center Göttingen Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Göttingen, Germany
,
Joachim Lotz
Radiology, University Medical Center Göttingen Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Göttingen, Germany
,
Babak Panahi
Radiology, University Medical Center Göttingen Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Göttingen, Germany
,
Ali Seif Amir Hosseini
Radiology, University Medical Center Göttingen Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Göttingen, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel Das Aufgabenprofil von heutigen Radiologen wird immer vielseitiger und geht über die reine Bildinterpretation und -befundung hinaus. Ziel dieser Beobachtungsstudie war es, mithilfe einer qualitativen und quantitativen Arbeitsplatzanalyse angepasste radiologische Tätigkeitsprofile zu ermitteln und hieraus den tatsächlichen Personalbedarf einer universitären radiologischen Abteilung abzuleiten.

Material und Methoden Im Rahmen einer Qualitätsinitiative wurde eine prospektive Beobachtungsstudie an einer deutschen Universitätsklinik durchgeführt. Zwei erfahrene Radiologen führten über 30 Tage eine qualitative und quantitative Arbeitsplatzanalyse durch. Dabei wurde das ärztliche Personal im Alltag begleitet und interpretative Tätigkeiten (IITs) und nichtinterpretative Tätigkeiten (NITs) von Assistenzärzten und Oberärzten dokumentiert unter Anwendung von Zeit- und Bewegungsanalysen sowie Experteninterviews. Ferner wurden Wechselereignisse (TSEs) zwischen NITs und IITs erfasst. Hier wurde das Beispiel der MRT-Funktionseinheit gewählt.

Ergebnisse Die qualitative Arbeitsplatzanalyse der Funktionseinheit MRT ergab eine Tätigkeitsmatrix mit den übergeordneten Kategorien IIT und NIT und Verteilzeitfaktor (VZ). Ferner ließen sich die NITs in 4 Subkategorien unterteilen: Management und Organisation, Patientenbetreuung, Clinical Decision Support, Ausbildung. Die quantitative Analyse ergab folgenden Zeitaufwand bei Assistenzärzten: IITs 15 h/d (53 %), NITs 9,8 h/d (34 %), VZ 3,7 h/d (13 %). Für Oberärzte ergaben sich folgende Messungen: IITs 6,7 h/d (40 %), NITs 7,8 h/d (47 %), VZ 1,2 h/d (13 %). Insgesamt wurde ein Personalbedarf von 2 Vollzeitkräften an Oberärzten und 3,4 Vollzeitkräften an Assistentsärzten für die Funktionseinheit MRT berechnet. Bei Assistenzärzten wurden durchschnittlich 6 TSEs/h und bei Oberärzten 13 TSEs/h beobachtet.

Schlussfolgerung NITs machen einen signifikanten Anteil des radiologischen Alltags aus, daher sind Kennzahlen wie Untersuchungen pro Tag allein nicht repräsentativ für die tägliche Arbeitslast eines Radiologen im Krankenhausbetrieb. Obwohl sie zeitintensiv und disruptiv sind, tragen NITs in erheblichem Maße dazu bei, dass der moderne Radiologe eine zentrale Rolle im Management von Patienten einnimmt.

Kernaussagen:

  • Die Personalbedarfsplanung ist ein wichtiger interner Einflussfaktor für die Abteilungsstrategie.

  • Das Hauptziel der Personalbedarfsermittlung besteht in der Anpassung der Personalkapazitäten an den jeweils aktuellen Bedarf.

  • Leistungszahlen sind kein ausreichender Surrogatparameter für den tatsächlichen Arbeitsaufwand.

  • Nichtinterpretative Tätigkeiten machen einen signifikanten Anteil des radiologischen Alltags aus.

  • Obwohl sie zeitintensiv und disruptiv sind, tragen NITs in erheblichem Maße dazu bei, dass der moderne Radiologe eine zentrale Rolle im Management von Patienten einnimmt.

Zitierweise

  • Streit U, Uhlig J, Lotz J et al. Qualitative and Quantitative Workplace Analysis of Staff Requirement in an Academic Radiology Department. Fortschr Röntgenstr 2021; 193: 1277 – 1284


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Einleitung

Moderne universitäre radiologische Abteilungen stellen für Ärzte ein immer komplexer werdendes Arbeitsumfeld mit stetig steigenden Patienten- und Untersuchungszahlen dar [1] [2]. Repräsentative Daten des Annual Imaging and Radiodiagnostics Data des englischen National Health Systems (NHS) zeigen diese drastische Entwicklung seit 1995 beispielhaft an Großbritannien. Die Daten belegen ein durchschnittliches jährliches Wachstum aller bildgebenden Verfahren von 3,4 %, was einer Zunahme um 40 % in 10 Jahren entspricht. Stratifiziert man nach Modalität, zeigen die Daten ein überproportional starkes Wachstum der Schnittbilduntersuchungen mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 10,1 % der CT-Untersuchungen und 12,3 % der MRT-Untersuchungen, was einer Zunahme der Untersuchungsvolumina von 160 % auf Seiten der CT- und von 220 % auf Seiten der MRT-Untersuchungen zwischen den Jahren 2004 und 2014 entspricht [3].

Neben einer daraus resultierenden Arbeitsverdichtung wandelt sich jedoch auch das klassische Berufsbild des Radiologen [4] [5]. Die Radiologie stellt zunehmend eine Schnittstelle für Diagnostik- und Informationsmanagement zwischen den klinischen Abteilungen dar. Traditionelle Tätigkeiten wie die Bildbefundung oder Interventionen werden durch neue Tätigkeitsfelder und Verantwortlichkeiten ergänzt, die ein sog. „klinischer Radiologe“ erfüllen muss, wie z. B. vermehrte personelle Interaktion mit Patienten und Zuweisern [6]. Zudem steigen die Anforderungen an das radiologische Leistungs- und Servicespektrum, wie etwa die Nachfrage nach interdisziplinären Tumorboards und klinischen Fallkonferenzen, deren Vor- und Nachbereitung einen signifikanten Zeitfaktor im radiologischen Alltag darstellt. Auch die Befundung von immer umfangreicher werdenden Untersuchungen wird durch technische Neuerungen und durch die Einführung der z. T. komplexen strukturierten Befundung von z. B. onkologischen oder kardiovaskulären Krankheitsbildern zunehmend zu einer Herausforderung. Diese neuen Verantwortlichkeiten und das Entstehen neuer Tätigkeitsfelder, angetrieben durch den technologischen Fortschritt, führen zu einem Missverhältnis zwischen Personalbesetzung und dem tatsächlichen Personalbedarf, auch wenn neue Software- und professionelle PACS-Systeme das Personal bei der Bewältigung der Untersuchungsflut unterstützen.

Trotz ihrer Heterogenität lassen sich diese Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten im weitesten Sinne in 2 Kategorien einteilen: in sogenannte interpretative Tätigkeiten (engl. image interpretive tasks, IITs) und nichtinterpretative Tätigkeiten (engl. non-image interpretive tasks, NITs) [2] [7]. Die IITs repräsentieren die klassischen radiologischen Tätigkeiten, wie etwa die Evaluation und die Befundung von radiologischen Untersuchungen. Die Gruppe der NITs ist deutlich diverser und schwerer plan- und vorhersehbar. Der Zeitaufwand für NITs wird bei der Planung und Organisation häufig vernachlässigt. NITs umfassen Tätigkeiten wie Fallkonferenzen, Telefonate und Fallbesprechungen mit Zuweisern, Patientengespräche sowie organisatorische Tätigkeiten wie Terminplanung, Ausbildung der Assistenten etc. Eine Differenzierung dieser Aufgabenbereiche ist für eine Personalbedarfsanalyse insofern relevant, als dass der Arbeitsaufwand der IITs direkt mit den Leistungszahlen korreliert, wohingegen für die NITs eine andere empirische Bemessung der Tätigkeiten gewählt werden muss.

Strategisches Personalmanagement ist jedoch im Gesundheitsbereich, insbesondere in Krankenhäusern, derzeit unzureichend implementiert [8]. Eine gezielte Personalbedarfsanalyse kann wertvolle Informationen über den Arbeitsaufwand je Tätigkeit und das hierfür benötigte Personal liefern. Im Rahmen einer Qualitätsinitiative zur Prozessevaluation und -optimierung in unserem Institut wurde eine qualitative und quantitative Personalbedarfsanalyse des ärztlichen Personals durchgeführt. Im Folgenden präsentieren wir die Ergebnisse unserer Analyse für die Funktionseinheit MRT.


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Methoden

Das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universitätsmedizin Göttingen hat im Rahmen einer Qualitätsinitiative für sämtliche radiologische Funktionseinheiten innerhalb eines 30-tägigen Untersuchungszeitraums prospektiv anhand einer qualitativen und quantitativen Arbeitsplatzanalyse den tatsächlichen assistenzärztlichen und fach- bzw. oberärztlichen Personalbedarf ermittelt. Im Rahmen der hier vorgestellten Arbeit wird die Funktionseinheit MRT präsentiert, welche die ärztliche Betreuung von 2 1,5T-Scannern zwischen 8:15 Uhr und 17:15 Uhr von Montag bis Freitag mit einer wöchentlichen ärztlichen Arbeitszeit von 42 Stunden umfasst. Alle Daten wurden von 2 erfahrenen Radiologen erhoben und ausgewertet.

Grundsätzlich ist das Ziel einer Personalbedarfsanalyse, die Zahl der Mitarbeiter zu ermitteln, die erforderlich sind, um den Bedarf bestehender Organisationsstrukturen zu besetzen. Hierbei wird auch ein Reservebedarf ermittelt, um Ausfälle durch Urlaub, Krankheit und Fortbildung etc. zu kompensieren. Für die Berechnung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Dabei lassen sich einfache Schätzverfahren von Kennzahlenmethoden abgrenzen. In der Organisationslehre anerkannte Methoden für das Schätzverfahren sind Expertenschätzungen sowie Bewegungs- und Zeitstudien [9] [10]. Die vorgestellte Analyse bestand aus einem qualitativen und einem quantitativen Teil.

Qualitative Analyse

Die qualitative Arbeitsplatzanalyse dient der Erstellung eines Anforderungsprofils für den jeweiligen Arbeitsplatz. Hierfür wurde in einem ersten Schritt die Aufbauorganisation, d. h. die Strukturierung der ärztlichen Arbeitsplätze innerhalb der Funktionseinheit MRT, festgelegt. Es erfolgte zunächst eine vollständige Aufstellung aller radiologischen Tätigkeiten in der Funktionseinheit mit dem Ziel, die Elementaraufgaben der jeweiligen ärztlich tätigen Mitarbeiter mit einem hohen und messbaren Granularitätsgrad zu identifizieren und daraus Tätigkeitsprofile für jeden Arbeitsplatz der Funktionseinheit, unter der Berücksichtigung des notwendigen Qualifizierungsgrades (Fach- bzw. Oberarzt oder Assistenzarzt), zu erstellen. Die Elementaraufgaben für Oberärzte bzw. Assistenzärzte wurden jeweils den Kategorien IIT und NIT zugeordnet. Anschließend erfolgte eine Bündelung der NITs in Subkategorien nach Art der Tätigkeit (siehe unten). Die Kategorisierung der Tätigkeiten ist deshalb wichtig, da der jeweilige Arbeitsaufwand im quantitativen Teil der Analyse unterschiedlich berechnet wird.


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Quantitative Analyse

Für die quantitative Analyse wird eine detaillierte Kennzahlenmethode angewandt, ein allgemein anerkanntes, arbeitswissenschaftliches Verfahren, das es erlaubt, die für die einzelnen Arbeitsvorgänge benötigten Zeiten z. B. anhand von Leistungszahlen zu objektivieren [9] [10]. Die detaillierte Kennzahlenmethode wurde für die Berechnung der IITs verwendet. Hierfür standen uns die MRT-Leistungszahlen zur Verfügung. Der Zeitaufwand je Arbeitsgang wurde anhand von strukturierter Selbstdokumentation durch Oberärzte und Assistenzärzte sowie durch Beobachtungen bemessen [9] [10].

Die einfache Bemessung der Tätigkeiten anhand der Leistungszahlen erfasst jedoch lediglich die IITs. Das gesamte Arbeitsaufkommen würde so unterschätzt, da die NITs zeitlich nicht erfasst werden. Die Schätzung des Zeitaufwandes der einzelnen NITs fand durch Mitarbeiterinterviews an den jeweiligen Arbeitsplätzen und selektive Zeitmessungen über einen Zeitraum von 30 Tagen statt.

Tätigkeiten, die weder als IIT noch als NIT zu klassifizieren sind, werden als Verteilzeitfaktor (VZ) betrachtet. Es handelt sich dabei um einen Korrekturfaktor, der Tätigkeiten berücksichtigt, die den Produktionsprozess (z. B. den Prozess der Bildbefundung) verzögern oder verhindern, wie beispielsweise Zeiten für Erholung durch Ermüdung, Vorträge, eigene Fortbildung, Ausfallzeiten etc. Arbeitswissenschaftlich betrachtet werden diese Zeiten mit einem fixen Prozentsatz der täglichen Arbeitszeit berechnet. In der Regel beträgt dieser Korrekturfaktor zwischen 10 und 15 % je nach Arbeitsplatz und je nach Berufsgruppe [9] [10]. In unserer Analyse wurde ein VZ von 15 % der Summe aus NIT und IIT verwendet. Abschließend wurde der Personalbedarf je Arbeitsplatz für jeweils assistenz- und oberärztliche Aufgaben (IITs und NITs) auf Grundlage der unter [Abb. 2] aufgeführten Formel berechnet.

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Abb. 2 Bewertungsmatrix für Personalanforderungen am Arbeitsplatz MRT für Oberärzte und Assistenzärzte. Neben den Kategorien NIT und IIT ist ein signifikanter Aspekt der Verteilzeitfaktor. Hierunter werden nicht messbare Tätigkeiten zusammengeführt und in der Bedarfsberechnung mit einem Faktor von 15 % berücksichtigt.

Aufgrund der grundsätzlich unterschiedlichen Natur der Tätigkeitskategorien IIT und NIT wirkt der Wechsel zwischen beiden störend auf den Arbeitsabfluss ein. Diese Wechselereignisse, sog. „Task-Switching-Events“ (TSEs), haben somit einen disruptiven Charakter und wurden bei der Analyse mitberücksichtigt [7]. Dabei wurde die durchschnittliche Zahl von Wechselereignissen pro Stunde sowohl für Assistenzärzte als auch Oberärzte in der MRT-Einheit observiert.


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Datenanalyse

Auf Basis der qualitativen Analyse wurde für jeden radiologischen Arbeitsplatz ein individuelles Anforderungsprofil erstellt. Die Daten wurden mithilfe von Microsoft Excel Version 14.6 (Microsoft Corporation, Redmond, Washington) gesammelt und ausgewertet. Für jede Tätigkeit und Tätigkeitsgruppe (NIT bzw. IIT) wurden die Aktivitätszeiten zusammengetragen und Durchschnittswerte über den gesamten Observationszeitraum ermittelt.


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Ergebnisse

Qualitative Analyse

Als Ergebnis dieser Analyse entstand eine Arbeitsplatz-Bewertungsmatrix für jede Funktionseinheit der Abteilung. Die Tätigkeitsprofile konnten für alle Funktionseinheiten und jeweils für oberärztliche und assistenzärztliche Aufgaben angepasst werden (siehe [Abb. 1]). Innerhalb der NITs wurden 4 Subkategorien identifiziert: Management und Organisation, Patientenbetreuung, Clinical Decision Support und Ausbildung. Die Kategorie Verteilzeitfaktor bündelt weitere verschiedene fachspezifische Tätigkeiten, wie z. B. die persönliche Fortbildung (Continuing Medical Education, CME), das Vorbereiten von Vorträgen sowie einen üblicherweise im Personalmanagement verwendeten Faktor, der für z. B. vergessene Arbeiten, weitere Nebentätigkeiten und Erholung, beispielsweise vom Bildschirmarbeitsplatz, Platz einräumt. Letztlich handelt es sich dabei um nicht eindeutig arbeitsplatzgebundene, jedoch weitere für jeden Arzt im Alltag anfallende Aufgaben und Zeitfaktoren, die als Verteilzeitfaktor zusammengefasst werden (siehe Methodenteil).

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Abb. 1 Berechnungsformel zur Ermittlung des Bruttopersonalbedarfs (Soll-Personalbestand).

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Quantitative Analyse

Die Tätigkeitsprofile der qualitativen Analyse bildeten das Gerüst für die Berechnung des Personalbedarfs in einem weiteren Schritt. Die Auswertung der Leistungszahlen ergab die durchschnittliche Anzahl an MRT-Untersuchungen pro Tag. Anhand dieser Untersuchungszahl und der gemessenen durchschnittlichen Dauer für die Befunderstellung, -besprechung und -korrektur errechnete sich kumulativ für alle Assistenzärzte ein Arbeitsaufkommen (IIT) von 15 h pro Tag (etwa 53 % des Gesamtarbeitsaufkommens). Bei den Oberärzten lag dieser Wert bei 6,7 h (IIT) was ca. 40 % des Gesamtarbeitsaufwandes entspricht. Der Zeitaufwand für die NITs zeigte sich bei den Oberärzten deutlich höher (7,8 h) und machte 47 % des Gesamtarbeitsaufkommens aus. Bei den Assistenzärzten lag das Verhältnis zugunsten der IITs mit 53 % gegenüber den NITs mit 34 %. Die Kategorie Verteilzeitfaktor machte bei Assistenzärzten und Oberärzten 13 % der Gesamtarbeitszeit aus (entspricht Summe aus NITs und IITs multipliziert mit 0,15 bzw. 15 %). Insgesamt ergab sich hieraus ein Personalbedarf von 2 VK an Oberärzten und 3,4 VK an Assistentsärzten für die Funktionseinheit MRT (siehe [Tab. 1], [2]).

Tab. 1

Exemplarische Darstellung des Tätigkeitsprofils für Assistenzärzte in der Funktionseinheit MRT und Errechnung des tatsächlichen Personalbedarfs pro Tag in Minuten in Abhängigkeit von den Leistungs- bzw. Untersuchungszahlen. Die Auflistung zeigt das Ergebnis einer vollständigen Aufstellung und Analyse der radiologischen Tätigkeiten, um die Elementaraufgaben des Assistenzarztes im MRT zu identifizieren. Die Daten zeigen im Falle der Assistenzärzte eine deutliche Verteilung zugunsten der IITs (52 %) gegenüber den NITs (34 %) mit einer Gesamttagesarbeitszeit von 28,6 Stunden, was einem Personalbedarf von 3,4 Vollzeitkräften (VK) an Assistenzärzten entspricht. Der VZ macht in etwa 13 % des Gesamtarbeitstages exklusive der Pause aus.

Tätigkeiten

kumulative Zeit pro Tätigkeit in min pro Tag

Gesamtzeit in h/prozentualer Anteil an Gesamtarbeitszeit

IIT (interpretative Tätigkeiten)

Bildinterpretation/Befunderstellung

Befunderstellung/Korrektur

660 min

Befundbesprechung mit Oberarzt

240 min

15 h (53 %)

NIT (nichtinterpretative Tätigkeiten)

Management und Organisation

Terminmanagement und Notfälle

 30 min

Supervision MTRAs

 20 min

Patientenbetreuung

Patientenvorbereitung (Aufklärung/i. v.-Zugang)

102 min

Scanprotokolle/dynamische Anpassung & Abnahme

 70 min

Clinical Decision Support

Befundmitteilung (Zuweiser/Patienten)

 30 min

Fallkonferenzen/Tumorboards sowie Vor-/Nachbereitung

188 min

Ausbildung

interne Fortbildung

 60 min

Ausbildung am Arbeitsplatz durch Oberarzt

 90 min

 9,8 h (34 %)

VZ (Verteilzeitfaktor)

z. B. Abwesenheiten/Weiterbildung/Vorträge

223 min

 3,7 h (13 %)

28,6 h

 3,4VK

Tab. 2

Exemplarische Darstellung des Tätigkeitsprofils für Oberärzte in der Funktionseinheit MRT und Errechnung des tatsächlichen Personalbedarfs pro Tag in Abhängigkeit von den Leistungs- bzw. Untersuchungszahlen. Die Auflistung zeigt das Ergebnis einer vollständigen Aufstellung und Analyse der radiologischen Tätigkeiten, um die Elementaraufgaben des Oberarztes im MRT zu identifizieren. Die Analyse zeigt in diesem Fall ein relevantes Übergewicht der NITs von etwa 48 % gegenüber 41 % für die IITs mit einer Gesamtarbeitszeit von 16,2 Stunden pro Tag. Gemessen an den Leistungszahlen entspricht das einem Personalbedarf von 2 Vollzeitkräften (VK) an Oberärzten. Der VZ macht in etwa 10 % des Gesamtarbeitstages exklusive der Pause aus.

Tätigkeiten

kumulative Zeit pro Tätigkeit in min pro Tag

Gesamtzeit in h/prozentualer Anteil an Gesamtarbeitszeit

IIT (interpretative Tätigkeiten)

Bildinterpretation/Befunderstellung

Befundbesprechung mit Assistenszarzt

240 min

Befundkorrektur/-freigabe

160 min

 6,7 h (40 %)

NIT (nichtinterpretative Tätigkeiten)

Management und Organisation

Terminmanagement und Notfälle

 60 min

Supervision MTRAs/Management des Funktionsbereiches

 30 min

Patientenbetreuung

Patientengespräche (Aufklärung/Befundbesprechung etc.)

 15 min

Support/Supervision der Assistenzärzte

 20 min

Clinical Decision Support

Fallbesprechungen mit Zuweisern (persönlich/telefonisch)

 70 min

Fallkonferenzen/Tumorboards vorbereiten bzw. halten

195 min

Ausbildung

interne Fortbildung

 40 min

Ausbildung der Assistenzärzte am Arbeitsplatz

 40 min

 7,8 h (47 %)

VZ (Verteilzeitfaktor)

z. B. Abwesenheiten/Weiterbildung/Vorträge

131 min

 2,2 h (13 %)

25,6 h

 2,0VK

Das Wechseln zwischen NITs und IITs wurde in einem weiteren Schritt erfasst. Dabei zeigten sich über den Beobachtungszeitraum hinweg durchschnittlich 5 TSEs pro Stunde bei den Assistenten sowie 8 TSEs pro Stunde beim oberärztlich tätigen Personal.


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Diskussion

Eine moderne radiologische Abteilung stellt einen hochkomplexen und disruptiven Arbeitsplatz dar [2] [11]. Zudem muss in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Zunahme der Untersuchungszahlen gerechnet werden, insbesondere im Schnittbildsektor [3]. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, wird eine zukunftsgerichtete Aufstellung des Personals benötigt. In vielen Abteilungen richtet sich der Personalschlüssel nach tradierten Hierarchien und gewachsenen Strukturen, nicht etwa nach optimal gestalteten Betriebsabläufen. Umso wichtiger ist es, den Personalstock regelmäßig auf Aktualität zu überprüfen und den tatsächlichen Personalbedarf zu ermitteln. Die durchgeführte Studie hatte zum Ziel, arbeitswissenschaftliche Methoden der Personalbedarfsberechnung angepasst an den radiologischen Alltag anzuwenden.

Verschiedene Faktoren haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass sich die Wertschöpfungskette der Radiologie in erheblichem Maße verändert hat [6]. Neben den kognitiv anspruchsvollen interpretativen Tätigkeiten, deren Zeitaufwand direkt mit den Leistungszahlen korreliert, d. h. der Anzahl der Untersuchungen, nimmt das sehr diverse Feld der nichtinterpretativen Tätigkeiten eine immer bestimmendere Rolle im radiologischen Alltag ein. V. a. bei den Oberärzten machen diese, wie unsere Daten belegen, bereits den überwiegenden Teil der Tätigkeiten aus. Unsere Ergebnisse sind konsistent mit den Daten anderer Studien, die NITs eine ähnliche Relevanz in ihren Ergebnissen zuschreiben konnten [2] [7] [12] [13]. Diese Gruppe von nichtinterpretativen Tätigkeiten prägt zunehmend das Selbstbild des modernen Radiologen, der als klinischer Partner für Zuweiser eine Schlüsselrolle in der Diagnostik, im Informationsmanagement und in der Therapie von Patienten einnimmt und damit auch einen erheblichen Mehrwert erzeugt. Daher sollte dieser Anteil am Arbeitsalltag auch bei Personalbedarfsberechnungen zwingend mitberücksichtigt werden.

Trotz ihrer Relevanz für das Berufsbild des Radiologen darf der disruptive und schwer planbare Charakter der NITs nicht unterschlagen werden. NITs können den eigentlichen Arbeitsablauf der klassischen interpretativen Tätigkeiten, bestehend aus Befunderstellung, Befundbesprechung und Befundvalidierung, welche Ruhe und Konzentration erfordern, signifikant stören und damit potenziell zu einer Qualitätsminderung führen. Beim häufigen Wechsel zwischen Tätigkeiten aus der IIT- und NIT-Gruppe entstehen Reibungsverluste und Ineffizienzen [13].

Die Untersuchung von Lee et al. konnte zeigen, dass repetitive Wechselereignisse zwischen IITs und NITs erhebliche Störungen im radiologischen Alltag verursachen, wodurch sich der Zeitaufwand für die IITs wesentlich verlängert. Dabei schlagen sie eine Separierung von dedizierten IIT- und NIT-Arbeitsabläufen vor [2]. Blaint et al. belegten in ihrer Studie, dass häufige Telefonate einen negativen Einfluss auf die Befundqualität haben [14]. Diese Schwachstelle im radiologischen Alltag bedarf mehr Aufmerksamkeit. Die Herausforderung, die sich hieraus ergibt, ist nicht einfach mit mehr Personal zu lösen, sondern es müssen grundlegend die Abläufe innerhalb der Funktionseinheiten einer radiologischen Abteilung überdacht werden. Dabei sollte das Ziel sein, den Effekt der TSEs zu minimieren, damit die Prozesse möglichst ohne Reibungsverluste ablaufen können. Durch stringente Organisation des Arbeitsumfelds für die befundenden Radiologen kann ein optimaler Ablauf des Befundungsprozesses erreicht werden [15]. Aus den Erkenntnissen unserer Untersuchungen ergaben sich Anpassungen für die internen Abläufe innerhalb der Funktionseinheit MRT. Zum Beispiel wurde eine neue Telefonnummer in der Modalität eingeführt, die für sämtliche Fragen seitens der Zuweiser zur Verfügung stand. Eine Person wurde im Wechsel festgelegt, die telefonische Rückfragen von Zuweisern beantwortet. Ebenso wurden die Patientenvorbereitung und die Aufklärung klar strukturiert, um den Effekt der TSEs auf den Befundungsprozess zu minimieren. Innerhalb der Funktionseinheit rotierten dann Assistenten in diese Rolle des Ansprechpartners für Zuweiser und Patienten mit dem positiven Effekt, dass die Befunder in Ruhe und effizient arbeiten konnten, ohne ständig ihren Arbeitsfluss unterbrechen zu müssen.

Das Ziel einer Personalbedarfsanalyse sollte somit nicht nur eine reine Personalvermehrung sein, sondern sie sollte ein Bewusstsein dafür wecken, dass neben den klassischen Aufgaben des Radiologen auch noch ein signifikanter Anteil von Tätigkeiten existiert, die ebenfalls in der Personalbedarfsplanung berücksichtigt werden sollten, wenn auch schwer messbar. Denn neben einer Steigerung der Leistungszahlen haben gerade Tätigkeiten aus dem Feld der NITs in den letzten Jahren massiv zugenommen und beanspruchen durch ihren disruptiven Charakter wertvolle Arbeitszeit [13].

Vor dem Hintergrund steigender Personalkosten, die derzeit einen Anteil von bis zu 60 % der Gesamtkosten eines Krankenhauses ausmachen können [16], ist eine nachvollziehbare und transparente Personalbedarfsanalyse eine solide Argumentationsgrundlage gegenüber der Klinikverwaltung für mehr Personalmittel. Die Argumentationsbasis kann durch zusätzliche Vorschläge zur Prozessoptimierung deutlich gestärkt werden. Impulse zur Verbesserung dieser Umstände müssen jedoch von Radiologen ausgehen. Fachfremde oder Außenstehende haben die Unwägbarkeiten des radiologischen Alltags nicht im Blick. Eine Personalbedarfsberechnung sollte daher aus der Radiologie heraus entstehen. Aus diesem Grund müssen wir als Radiologen organisatorische Fragestellungen und Personalmanagement in Zukunft anders gewichten und solche Themen stärker priorisieren.

Limitationen

Die vorgelegte Untersuchung ist nicht frei von Limitationen. Die fehlende Generalisierbarkeit und Übertragbarkeit der institutsspezifischen Daten auf andere radiologische Abteilungen ist eine wichtige Limitation. Da jede Abteilung Besonderheiten aufweist, die auf die speziellen Umstände vor Ort zurückzuführen sind, wurden in der vorliegenden Arbeit auch nur aufsummierte Daten präsentiert und nicht Einzelzeiten, wie beispielsweise „Minuten pro Befund“ oder „Minuten pro Befundbesprechung“. Das Ziel der Untersuchung war es, eine Matrix zu entwickeln, die so generalisierbar ist, dass die Methode auf eigene Bedürfnisse angepasst und angewendet werden kann. Sie ist prinzipiell übertragbar auf jede andere universitäre und nichtuniversitäre radiologische Einrichtung.

Eine weitere Limitation liegt in der Betrachtung der Wechselereignisse zwischen den interpretativen und nichtinterpretativen Tätigkeiten, der sog. TSEs. Es ist zwar in der Untersuchung gelungen, sie in ihrer Quantität zu erfassen, jedoch ist der eigentliche Effekt auf die tägliche Arbeit schwer messbar.

Über diese Aspekte hinaus gibt es weitere potenzielle Limitationen der internen Validität, welche jedoch bei allen empirischen Echtzeitanalysen beachtet werden müssen.

Eine potenzielle Limitation ist die fehlende Repräsentativität des Untersuchungszeitraums für spätere Entscheidungszeitpunkte. Diesem Aspekt wurde dadurch entgegengewirkt, dass Durchschnittswerte für den täglichen Untersuchungsdurchsatz verwendet wurden, um Schwankungen auszugleichen. Ferner haben wir einen Untersuchungszeitraum gewählt, der keine außergewöhnlichen Umstände beinhaltete, z. B. Urlaube, Kongresse oder andere relevante Abwesenheiten des ärztlichen Personals.

Eine weitere potenzielle Limitation ist der unterschiedliche Ausbildungsstatus der an der Untersuchung teilnehmenden Assistenzärzte und Oberärzte, da dieser letztlich auch einen Effekt, z. B. Befundungsleistung pro Tag oder die Anzahl der Rückfragen des Assistenten an den Oberarzt, hat. Es konnte jedoch ein adäquater Querschnitt über die Gruppen der ärztlichen Mitarbeiter erreicht werden.

Eine letzte Limitation der internen Validität kann durch den Hawthorne-Effekt verursacht werden [17] [18]. Es handelt sich dabei um einen in der Soziologie und Psychologie beschriebenen Effekt, der bei gruppenbasierten Beobachtungsstudien auftreten kann, wonach Studienteilnehmer ihr natürliches Verhalten anpassen, weil sie wissen, dass sie an einer Studie teilnehmen und unter Beobachtung stehen. Um möglichen Verzerrungen der erhobenen Daten durch den Hawthorne-Effekt entgegenzuwirken, wurden alle Teilnehmer früh in Konzeption und Durchführung der Untersuchung einbezogen und über die strikte Anonymisierung der Daten informiert.

Personalmanagement ist ein dynamischer Prozess. Der Vorteil der hier vorgestellten Bewertungsmatrix liegt u. a. darin, dass diese es erlaubt, auch zukünftige Entwicklungen innerhalb der Abteilung bzw. des Krankenhauses zu simulieren, beispielsweise einen weiteren Anstieg der Leistungszahlen oder etwa kürzere Verweildauern im Krankenhaus, die zu höherem organisatorischem Druck und höheren Patientenzahlen in Fallkonferenzen führen. Trends in einem Krankenhaus können somit berücksichtigt und mit entsprechender Personalplanung gegebenenfalls gegengesteuert werden. Neben einer ausreichenden robusten Personalausstattung ist auch der effiziente Personaleinsatz, der das Ziel hat, vorhandene Qualifikations- und Arbeitsreserven besser zu nutzen, Bestandteil eines gesamthaften strategischen Personalmanagements. Dies kann zur Effizienzsteigerung und Qualitätssicherung in jeder Abteilung und schließlich auch der gesamten Klinik beitragen.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.


Correspondence

Dr. Ali Seif Amir Hosseini
Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Germany   

Publication History

Received: 16 July 2020

Accepted: 17 March 2021

Article published online:
27 May 2021

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 2 Assessment matrix for personnel requirements (for attending physicians and residents) for the MRI unit. In addition to the categories NIT and IIT, a significant aspect is contingency allowance. This includes activities that are not measurable and are taken into account in the above-mentioned formula (see [Fig. 1]) with a factor of 15 %.
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Fig. 1 Formula for determining gross personnel requirements (target number of employees).
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Abb. 2 Bewertungsmatrix für Personalanforderungen am Arbeitsplatz MRT für Oberärzte und Assistenzärzte. Neben den Kategorien NIT und IIT ist ein signifikanter Aspekt der Verteilzeitfaktor. Hierunter werden nicht messbare Tätigkeiten zusammengeführt und in der Bedarfsberechnung mit einem Faktor von 15 % berücksichtigt.
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Abb. 1 Berechnungsformel zur Ermittlung des Bruttopersonalbedarfs (Soll-Personalbestand).