Zentralbl Chir 2023; 148(03): 270-277
DOI: 10.1055/a-1502-8210
Thoraxchirurgie | Originalarbeit

Thoraxchirurgie ohne Thoraxdrainage – aktuelle Situation in Deutschland

Thoracic Surgery Without Chest Tube: The Current Situation in Germany
1   Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, Deutschland
,
Isabella Metelmann
2   Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Deutschland
,
Matthias Steinert
2   Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Deutschland
,
Sebastian Krämer
2   Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Deutschland
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Zusammenfassung

Hintergrund In den letzten Jahrzehnten wurde eine Vielzahl von Techniken in den klinischen Alltag eingeführt, um die Invasivität thoraxchirurgischer Operationen zu reduzieren. Thoraxdrainagen stellen eine bedeutende Ursache für postoperativen Schmerz dar. Der Verzicht auf eine Thoraxdrainage (Tubeless-Technik) kann zu geringeren postoperativen Schmerzen und einer verkürzten Krankenhausverweildauer führen. Welchen Stellenwert die Tubeless-Technik in Deutschland hat, ist jedoch unklar.

Material und Methoden Mit einer bundesweiten Befragung, die von der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) unterstützt wurde, sollte die Anwendung der Tubeless-Technik evaluiert werden. Im Zeitraum von Juli bis September 2020 wurden alle leitenden Thoraxchirurgen mit DGT-Mitgliedschaft aufgerufen, einen digitalen Fragebogen zu beantworten.

Ergebnisse 63 von 161 Angefragten sendeten den Fragebogen ausgefüllt zurück, was einer Rücklaufquote von 39% entspricht. Im Erfassungszeitraum von 1 Jahr wurden an den 63 Kliniken mindestens 30 930 thoraxchirurgische Eingriffe durchgeführt, wovon 593 Eingriffe (1,9%) in Tubeless-Technik vorgenommen wurden. In 37 Kliniken (59%) wurden bisher Eingriffe in Tubeless-Technik ausgeführt, wovon 15 (24%) ebenfalls Lungenresektionen durchführten. 42 Befragte (67%) sehen unter bestimmten Voraussetzungen eine Indikation für die Tubeless-Technik und 7 (11%) sehen eine Vergesellschaftung mit einem hohen Komplikationsrisiko. Für 50 Teilnehmer (79%) verursacht die Tubeless-Technik weniger Schmerzen und 10 (16%) geben an, dass die Tubeless-Technik keinen Vorteil bietet. Neben anderen Kontraindikationen wird ein Pleuraerguss am häufigsten angeben (48 Befragte, 76%). Bei den Anwendern besteht Konsens (100%), dass eine fehlende Luftfistel Voraussetzung für die Durchführung der Tubeless-Technik ist. Der Großteil der Anwender führt zum Ausschluss einer Luftfistel eine „Fahrradschlauchprobe“ (73%) und/oder eine Kontrolle am digitalen Drainagesystem (53%) durch, teilweise unter druckkontrolliert ventilierter Lunge. 17 Anwender der Tubeless-Technik (46%) gaben an, bisher keine Komplikationen beobachtet zu haben.

Schlussfolgerung Die Vorteile der Tubeless-Technik sind wissenschaftlich gut belegt und in deutschen Kliniken bekannt. Gleichwohl wird sie in Deutschland nur von 59% der befragten thoraxchirurgischen Einrichtungen durchgeführt. Eine Verbesserung der Evidenz hinsichtlich der Selektionskriterien durch randomisierte klinische Studien könnte helfen, eine breitere Anwendung zu befördern.

Abstract

Background Over the last decades, several techniques have been implemented to reduce the invasiveness of thoracic surgery. Omitting chest tubes can lead to less postoperative pain and a shorter length of hospital stay. This study examines the extent to which German surgeons use the tubeless technique and what experience they have had with it.

Materials and Methods We conducted a nationwide survey, supported by the German Society of Thoracic Surgery (DGT). A digital questionnaire was sent to all leading thoracic surgeons with DGT membership between July and September 2020.

Results 63 of 161 surgeons (39%) returned the questionnaires. The tubeless technique was used in 1.9% of thoracic surgery procedures performed last year. 59% of hospitals have implemented the technique; 24% of them also performed lung resections that way. The majority of respondents (79%) believe that the tubeless technique causes less postoperative pain; 16% see no advantage. Pleural effusion was ranked as the most important contraindication (76%). All participating surgeons agree that the absence of an air fistula is a prerequisite for performing lung resections using the tubeless technique – commonly checked by an underwater leak test (73%), and/or with a digital drainage system (53%), partially under pressure controlled ventilated lungs. Almost half of the respondents (46%) have not observed any complications using the tubeless technique.

Conclusion Most German thoracic surgeons consider the tubeless technique safe and advantageous over the conventional technique. However, the case load is low and only 59% of the surgeons surveyed have experience with this technique. Randomised clinical trials concerning selection criteria and the procedural pathway may help increase the use.



Publication History

Article published online:
05 July 2021

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