Pneumologie 2021; 75(11): 846-855
DOI: 10.1055/a-1503-1744
Positionspapier

COVID-19 und Rauchen

Ein Positionspapier der Task Force Tabakentwöhnung der DGPCOVID-19 and SmokingA Position Paper by the DGP Taskforce for Smoking Cessation
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Mitglied der Freien Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, und des Berlin Institute of Health, Medizinische Klinik m. S. Infektiologie und Pneumologie, Berlin
,
Robert Bals
2   Klinik für Innere Medizin V – Pneumologie, Allergologie, Beatmungsmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
,
3   Lungenarztpraxis Tegel, Berlin
,
Wulf Pankow
4   Vertreter der DGP im Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR; Büro Berlin), Berlin
,
5   Pneumologische Praxis im Zentrum, Stuttgart
,
Christa Rustler
6   Deutsches Netz Rauchfreier Krankenhäuser & Gesundheitseinrichtungen DNRfK e. V., Berlin
,
Matthias Urlbauer
7   Medizinische Klinik 3 (Schwerpunkt Pneumologie) am Klinikum Nürnberg, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Nürnberg
,
8   Lungenfachklinik Immenhausen, Immenhausen, außerdem Abteilung Kardiologie und Pneumologie der Universitätsmedizin Göttingen und Deutsches Zentrum für Lungenforschung
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Tabakrauchen geht mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko einher. Die Mortalität durch Tabak-assoziierte Erkrankungen wird durch die WHO für das Jahr 2020 auf über 8 Millionen Menschen weltweit geschätzt. Tabakrauchen ist auch ein seit langem gut belegter Risikofaktor für unterschiedliche pulmonale Infektionserkrankungen. Somit stellt sich die Frage, ob Rauchen das Auftreten und schwere Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion begünstigt.

Um diese Frage zu beantworten, haben wir einen narrativen Review durchgeführt. Insbesondere haben wir systematisch nach Metaanalysen zum Thema gesucht, die im Jahr 2021 publiziert wurden. Sieben Meta-Analysen wurden identifiziert. Tabakrauchen war dabei mit einem erhöhten Risiko schwerer Krankheitsverläufe (Bereich des Odds Ratios/ORs von aktiven Rauchern vs. Nierauchern 1,55–2,19 und von ehemaligen Rauchern vs. Nierauchern 1,20–2,48) und einer erhöhten Krankenhaussterblichkeit (Bereich der ORs von aktiven Rauchern vs. Nierauchern 1,35–1,51 und ehemaligen Rauchern vs. Nierauchern 1,26–2,58) an COVID-19 assoziiert. Dabei sind offenbar neben einer direkten pulmonalen Schädigung durch das Rauchen v. a. Tabak-assoziierte Begleiterkrankungen und damit die kumulative Tabakexposition für schwere Verläufe verantwortlich. Für das Infektionsrisiko ist die Datenlage nicht eindeutig, auch wenn eine britische Studie mit über 2,4 Millionen Personen eine Assoziation von Tabakrauchen und COVID-19-typischen Symptomen beschreibt. Für die E-Zigarette und Tabakerhitzer stehen weniger Daten zur Verfügung. Laborexperimentelle und erste klinische Daten legen aber auch für diese Nikotinprodukte einen ungünstigen Einfluss auf SARS-CoV-2-Infektionen nahe.

Gerade während der SARS-CoV-2-Pandemie mit stark begrenzten therapeutischen Möglichkeiten für COVID-19 ist es wichtig, aktive Raucher auf die Gefahren des Konsums hinzuweisen und eine Entwöhnungsbehandlung zu ermöglichen, die auf einer breiten Evidenz und Erfahrung fußt. In Deutschland gibt es dabei erheblichen Nachholbedarf. Erforderlich ist daher eine Regelung, die die Kostenübernahme für wissenschaftlich gesicherte Methoden der Tabakentwöhnung durch die gesetzliche Krankenversicherung ermöglicht.


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Abstract

Tobacco smoking is associated with severe health risks. In 2020, the WHO estimated that 8 million people have died due to smoking. Furthermore, smoking tobacco is a well-known risk factor for various infectious pulmonary diseases. The question raised, whether smoking is facilitating SARS-CoV-2-infections and increases adverse outcomes of COVID-19. To answer these questions a narrative review was conducted, finally including 7 systematic reviews with meta-analyses published in January and February 2021. Tobacco smoking was associated with an increased COVID-19 disease severity (odds ratio range of active vs. never smokers 1.55–2.19 and former vs. never smokers 1.20–2.48) and an increased COVID-19 in-hospital mortality (odds ratio range of active vs. never smokers 1.35–1.51 and former vs. never smokers 1.26–2.58). Beside immediate pulmonary toxic effects through active smoking, the cumulative livelong tobacco exposition and subsequent tobacco-associated diseases seem to predominantly predict adverse outcomes in patients with COVID-19. Data regarding an increased risk of infection among smokers is conflicting. However, a large observational study from England with 2.4 million persons reported an association between tobacco smoking and typical symptoms of COVID-19. For e-cigarettes and vaping less data exist, but experimental and first clinical investigations also suggest an increased risk for adverse outcomes for their use and SARS-CoV-2 infections. Especially during the current SARS-CoV-2 pandemic with limited therapeutic options it is particularly important to advise smokers of their increased risks for unfavourable COVID-19 outcomes. Evidence based support for smoking cessation should be offered. In Germany, the existing and well-established methods to support tobacco cessation need to be reimbursed by statutory health insurances.


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„Zigaretten haben 2020 weltweit über 8 Millionen Menschen getötet, viermal mehr als das Coronavirus.“

Spiegel-Interview mit Rüdiger Krech,
Direktor für Gesundheitsförderung bei der WHO, 2021 [104]

Einführung

Sowohl die SARS-CoV-2-Infektion als auch das Zigarettenrauchen sind pandemische Erkrankungen mit einer hohen Mortalität. Zur Behandlung einer COVID-Infektion stehen derzeit nur sehr begrenzte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung [1]. Die Therapie der Tabakabhängigkeit ist dagegen bereits S3-leitliniengestützt erfolgreich und kostengünstig möglich [2], wird aber aktuell von den politischen Entscheidungsträgern nicht ausreichend unterstützt. Ein umfassender Nichtraucherschutz nach den Vorgaben des von Deutschland 2005 unterzeichneten Tabakrahmenübereinkommens der WHO [3] wurde noch immer nicht vollständig realisiert (z. B. kein komplettes Tabakwerbeverbot, kein einheitliches Rauchverbot in Gaststätten und im öffentlichen Raum). Während der aktuellen Pandemie hat der Zigarettenkonsum nach einer aktuellen Erhebung in Deutschland sogar noch zugenommen. Von 588 Rauchern in der Erhebung haben während der Pandemie 21/3,6 % neu begonnen und 251/42,7 % ihren Konsum erhöht, während 65/11 % das Rauchen beendet und 53/9 % ihren Konsum reduziert haben [4].

Gut belegt sind die negativen Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit, einhergehend mit einem erhöhten Risiko für Atemwegs- und Lungenerkrankungen, aber auch für Herzkreislauferkrankungen [5]. Bei vielen pulmonalen Infektionserkrankungen weisen Rauchende ein erhöhtes Risiko für eine Infektion und einen schwerwiegenden oder gar tödlichen Verlauf der jeweiligen Erkrankung auf: Für Influenza (5-fach höheres Erkrankungsrisiko) [6], MERS (2,5-fach höheres Risiko für einen schweren Verlauf) [7], Tuberkulose (2-fach) [8] [9] [10] [11] und Pneumonie (2-fach) [12] [13]. Mit einem relativen Risiko von 13 ist Zigarettenrauchen der wesentliche Risikofaktor für die Entstehung einer COPD [14] [15] [16]. Bei den älteren Rauchern entwickeln bis zu 50 % eine COPD [17] [18]. 80–90 % der COPD-Morbidität wird durch das Zigarettenrauchen verursacht [19]. Patienten mit COPD haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe der COVID-19-Erkrankung [20] [21] [22]. Eine zusätzliche kardiovaskuläre Komorbidität zur COPD geht nochmals mit einem deutlich erhöhten Risiko einher [23].

Rauchen verursacht und verstärkt somit in hohem Maße all jene Erkrankungen, die mit einem schweren und häufig letalen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung einhergehen. Zigarettenrauchen wirkt im wahrsten Sinne des Wortes über die tabakassoziierten Erkrankungen als Brandbeschleuniger einer SARS-CoV-2-Infektion. Derzeit wird in Europa bei COVID-19 von einer Letalitätsrate zwischen 0,3–0,9 % ausgegangen [24] [25] [26] [27]. Wie verhält es sich nun, wenn die Erkrankungen beider Pandemien bei einem Patienten gleichzeitig anzutreffen sind. Wie wirkt sich der Konsum von Tabak-Zigaretten, E-Zigaretten und Tabakerhitzern auf das Infektionsrisiko und den Erkrankungsverlauf der COVID-19-Infektion aus?


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Tabakrauchen und COVID-19

Pathophysiologie zum Einfluss von Tabakrauchen auf die SARS-CoV-2-Infektion

Die Interaktion des SARS-CoV-2-Virus mit dem Wirt ist komplex. Es kommen verschiedene Mechanismen infrage, wie Zigarettenrauchen das Risiko für COVID-19 und schwere Verläufe beeinflussen könnte. Zigarettenrauch hat vielfältige Einflüsse auf die Abwehrfunktion der Lunge [28] [29] [30]. So führt Zigarettenrauchen über Aktivierung von NF-κB, TNF-α, Interleukin-1-Beta und neutrophile Granulozyten zu einer erhöhten Inflammation [31] [32] sowie Abschwächung einer erfolgreichen Antwort des Immunsystems [33] [34] [35] [36]. Diese Effekte sind abhängig von der Intensität des Zigarettenrauchens und bleiben auch über einen Rauchstopp hinaus bestehen [37] [38] [39]. SARS-CoV und SARS-CoV-2 werden über eine Interaktion des viralen Spike (S)-Proteins mit dem humanen ACEII (Angiotensin-converting enzyme 2)-Rezeptor in die Wirtszellen eingeschleust [40]. Nach Bindung an den ACEII-Rezeptor aktiviert die Serinprotease TMRPSS2 (transmembrane protease serine 2) das S-Protein und ist somit ebenfalls zentral am Viruseintritt beteiligt. Zum Einfluss des Zigarettenrauchens auf die Expression von ACEII und TMRPSS2 ist die Datenlage widersprüchlich [41]. In Untersuchungen an Ratten wurde bspw. eine reduzierte Expression des ACEII-Rezeptors nach Zigarettenrauch-Exposition beschrieben [42] [43]. Der überwiegende Teil an Untersuchungen zu dieser Frage wiederum beschreibt eine gesteigerte Expression von ACEII und TMRPSS2 [44] [45] [46] [47] [48] [49] [50] durch Zigarettenrauchen, insbesondere auch in den kleinen Atemwegen [51], was mit einem erhöhten Risiko für Infektionen einhergehen würde. Unserer Einschätzung nach kann nach der aktuellen Datenlage nicht von einem protektiven Effekt des Zigarettenrauchens ausgegangen werden, und die bekannten Risiken von Zigarettenrauchen übersteigen solche fraglichen protektiven Effekte bei weitem.


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Einfluss von Tabakrauchen auf das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko

Für den Zusammenhang von Tabakrauchen und dem SARS-CoV-2-Infektionsrisiko ist die Evidenz geringer als für den Einfluss der Infektion auf den Erkrankungsverlauf. In ein systematisches Review gingen für diese Fragestellung 17 epidemiologische Studien in die Meta-Analyse ein [52]. Die Qualität der eingeschlossenen Studien wurde überwiegend als mittelmäßig bewertet. Aktive Tabakraucher waren mit einem relativen Risiko (RR) von 0,74 (95 %-Konfidenzintervall/KI 0,58–0,93) weniger wahrscheinlich SARS-CoV-2-positiv getestet worden als Nieraucher. Im Vergleich von ehemaligen Rauchern zu Nierauchern ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied (RR 1,05, 95 %-KI 0,95–1,17). Systematische Verzerrungen bei der Angabe des Tabakkonsums sind allerdings wahrscheinlich. Siehe hierzu unten unter Datenqualität, Verzerrungen und weitere Einflussfaktoren.

In einer Untersuchung aus Großbritannien wurden Daten von ca. 2,4 Millionen Nutzern einer COVID-19-App ausgewertet [53]. Die App-Nutzer gaben neben Basisdaten täglich ihren Gesundheitszustand an. Im Fall von Krankheitszeichen wurde eine genaue Anamnese COVID-19-typischer Symptome erhoben. Aktive Raucher hatten ein 1,14-faches Risiko (OR, 95 %-KI 1,10–1,18) für COVID-typische Symptome überhaupt, ein 1,29-faches Risiko (95 %-KI 1,26–1,31) für mehr als 5 Symptome und ein 1,5-faches Risiko (95 %-KI 1,42–1,58) Risiko für mehr als 10 Symptome. Die Autoren schlossen auf Basis dieser Befunde auf ein erhöhtes Infektionsrisiko für aktive Raucher. Das Risiko für systematische Verzerrungen ist bei dieser Studie deutlich geringer als bei der o. g. Meta-Analyse von Studien mit nur mittelmäßiger Qualität.


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Einfluss von Tabakrauchen auf den Erkrankungsverlauf von COVID-19-Patienten

Der Einfluss von Tabakrauchen auf den Erkrankungsverlauf von COVID-19 wurde mittlerweile in einer Vielzahl epidemiologischer Studien und deren Synthesen analysiert. Am 08. 02. 2021 wurde mit den Begriffen und Operatoren „smoking AND COVID-19 AND meta-analysis“ in PubMed nach relevanten aktuellen Meta-Analysen zur Fragestellung gesucht. Es ergaben sich insgesamt 55 Treffer, von denen die 7 im aktuellen Jahr 2021 publizierten Arbeiten im Folgenden alphabetisch nach dem Namen der/des Erstautor(-inn)en dargestellt werden (für eine Ergebnisübersicht siehe [Tab. 1]).

Tab.1

Kennzahlen von 7 systematischen Reviews mit Meta-Analysen aus 2021 zum Zusammenhang von Tabakrauchen und klinischen Outcomes bei COVID-19.

Publikation

Studien

Pat.

Untersuchte klinische Outcomes

Hatmi [54] [1]

71 system. Reviews

k. A.

Outcome: Fortschreiten der Erkrankung

Aktive Raucher vs. Andere: RR 2,19 (95 %-KI 1,88–2,49)

Li et al. [55] [2]

12

2445

Outcome: Behandlung auf Intensivstation

Aktive Raucher vs. Andere: OR 1,70 (95 %-KI 1,20–2,41)

Reddy et al. [56] [1]

47

32 849

Outcome: Fortschreiten der Erkrankung

Aktive Raucher vs. Andere: RR 1,54 (95 %-KI 0,52–4,58)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: RR 2,18 (95 %-KI 1,06–4,49)

Outcome: Schwerer Verlauf

Aktive Raucher vs. Andere: RR 1,80 (95 %-KI 1,14–2,85)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: RR 1,31 (95 %-KI 1,12–1,54)

Outcome: Schwerer oder kritischer Verlauf

Aktive Raucher vs. Andere: RR 1,98 (95 %-KI 1,16–3,38)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: RR 1,35 (95 %-KI 1,19–1,53)

Outcome: Behandlung auf Intensivstation

Aktive Raucher vs. Andere: RR 0,72 (95 %-KI 0,42–1,24)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: RR 1,12 (95 %-KI 0,96–1,31)

Outcome: Mechanische Beatmung

Aktive Raucher vs. Andere: RR 1,13 (95 %-KI 0,75–1,72)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: RR 1,20 (95 %-KI 1,01–1,42)

Outcome: Mortalität im stationären Verlauf

Aktive Raucher vs. Andere: RR 1,46 (95 %-KI 0,83–2,60)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: RR 1,26 (95 %-KI 1,20–1,32)

Silverio et al. [59] [1]

45

18 300

Outcome: Mortalität im stationären Verlauf

Aktive Raucher vs. Andere: Koeffizient 1,01 (95 %-KI 0,98–1,04)

Umnuaypornlert et al. [60] [1]

40

369 287

Outcome: Schwerer Verlauf

Aktive Raucher vs. Nieraucher: OR 1,58 (95 %-KI 1,16–2,15)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: OR 2,48 (95 %-KI 1,64–3,77)

Outcome: Mortalität im stationären Verlauf

Aktive Raucher vs. Nieraucher: OR 1,35 (95 %-KI 1,12–1,62)

Ehemalige Raucher vs. Nieraucher: OR 2,58 (95 %-KI 2,15–3,09)

Xiang et al. [61] [1]

20

15 408

Outcome: Mortalität im stationären Verlauf

Aktive Raucher vs. Andere: OR 1,51 (95 %-KI 1,23–1,85)

Xie et al. [62] [3]

90

16 526

Outcome: Schwerer Verlauf

Raucher vs. Nieraucher: OR 1,55 (95 %-KI 1,14–2,10)

Pat., Patienten; k. A., keine Angaben; RR, Relatives Risiko; OR, Odds Ratio; KI, Konfidenzintervall

1 internationale Studien eingeschlossen


2 nur Studien aus China eingeschlossen


3 bis auf eine Studie (1/90) aus Australien nur Studien aus China eingeschlossen


In einem systematischen Review mit Meta-Analyse 71 publizierter systematischer Reviews wurden prognostische Faktoren ungünstiger COVID-19-Verläufe analysiert [54]. 86,5 % der eingeschlossenen Reviews wurden mit hoher und 13,5 % mit mittlerer Qualität bewertet. Das mittlere Erkrankungsalter (± Standardabweichung) lag bei 58,05 ± 7,24 Jahren; 55,85 % der Patienten waren männlich. Das relative Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung (engl. „disease progression“; nicht explizit definiert) aktiver Raucher wurde mit 2,19 angegeben.

In der Arbeit einer chinesischen Gruppe [55] wurden Einflussfaktoren auf schwere Patientenverläufe anhand von Publikationen bis April 2020 untersucht. „Schwer“ wurde hierbei als Notwendigkeit einer Behandlung auf Intensivstation definiert. Es wurden 12 epidemiologische Studien mit insgesamt 2445 Patienten eingeschlossen, deren Qualität überwiegend als hoch bewertet wurde (durchschnittlich 7,2 Sterne nach der Newscastle-Ottawa-Skala mit maximal 9 Sternen). Tabakrauchen war mit einem Risiko von 1,7 für schwere Verläufe assoziiert.

Eine umfassende Analyse zum Zusammenhang von Tabakrauchen und COVID-19 schloss 47 internationale epidemiologische Studien mit insgesamt 32 849 Patienten ein [56]. 4,6 % (1501) der Patienten waren aktive, 17,3 % (5676) ehemalige und 3,8 % (1240) nicht näher definierte Raucher. Der Konsum von E-Zigaretten wurde unter Tabakrauchen subsummiert. Die Qualität der Studien wurde 22-mal als gut, 6-mal als mittelmäßig (engl. fair) und 19-mal als schlecht bewertet. COVID-19-Verlaufsformen wurden anhand vorliegender Definitionen klassifiziert [57] [58]. Aktive Tabakraucher hatten ein 1,8-faches relatives Risiko für schwere und ein 1,98-faches Risiko für schwere oder kritische Verläufe. Ehemalige Raucher hatten ein erhöhtes relatives Risiko von 1,31 für schwere und ein Risiko von 1,35 für schwere oder kritische Verläufe. Außerdem war ehemaliges Rauchen mit einem 1,26-fachen Risiko für Tod im Rahmen der Behandlung, mit einem 2,18-fachen Risiko für eine Verschlechterung der Erkrankung und einem 1,2-fachen Risiko für eine mechanische Beatmung behaftet.

Die Analyse einer italienischen Autorengruppe untersuchte unterschiedliche Risikofaktoren hospitalisierter Patienten mit COVID-19 für eine erhöhte Krankenhaussterblichkeit. Es wurden insgesamt 45 Studien mit 18 300 Patienten in das systematische Review mit Meta-Analyse eingeschlossen [59]. Die Qualität der eingeschlossenen Publikationen wurde nach der Newscastle-Ottawa-Skala (0–9 Sterne) bei 32 Studien mit ≥ 6 und bei den übrigen 13 Studien mit 5 Sternen bewertet. Aktives Tabakrauchen war mit keinem Einfluss auf die Sterblichkeit im Krankenhaus assoziiert (Effekt-Koeffizient 1,01).

In einer weiteren Analyse wurde der Einfluss von Tabakrauchen auf die Erkrankungsschwere und die Mortalität im stationären Verlauf von COVID-19-Patienten untersucht [60]. In dieses systematische Review mit Meta-Analyse wurden final 40 epidemiologische Studien mit 369 287 Patienten eingeschlossen. Die Outcomes wurden nach unterschiedlichen Klassifikationen und Vorarbeiten definiert (für Details s. Originalpublikation). Nach der Newscastle-Ottawa-Skala wurde die Qualität der eingeschlossenen Studien bei 12 mit ≥ 7 und bei den übrigen mit < 7 bewertet. Für aktive (OR 1,58) und für ehemalige Raucher (OR 2,48) war das Risiko für schwere Verläufe signifikant gegenüber Nierauchern erhöht. Außerdem war für aktive (OR 1,35) und für ehemalige Raucher (OR 2,58) das Mortalitätsrisiko gegenüber Nierauchern signifikant erhöht.

Eine zweites systematisches Review mit Meta-Analyse aus China untersuchte ebenfalls unterschiedliche klinische Risikofaktoren und deren Einfluss auf die Sterblichkeit bei wegen COVID-19 hospitalisierten Patienten [61]. Es wurden insgesamt 20 Studien mit 15 408 Patienten eingeschlossen. Die Qualität der eingeschlossenen Studien wurde insgesamt als hoch bewertet (Bereich 6–9 Sterne nach Newscastle-Ottawa-Skala und Bereich 8–10 Punkte nach einer Checkliste der „Agency for Healthcare Research and Quality“, wobei für letztere bei einem Punktwert ≥ 8 hohe Qualität angenommen wird). Aktives Rauchen war mit einem signifikant erhöhten Mortalitätsrisiko (OR 1,51) verbunden.

In einem abschließend hier berichteten dritten systematischen Review mit Meta-Analyse einer weiteren chinesischen Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2021 [62] wurden unterschiedlichste klinische Charakteristika und ihr Einfluss auf schwere Krankheitsverläufe bei COVID-19-Patienten analysiert. Eingeschlossen wurden insgesamt 90 Studien mit 16 526 Patienten, deren Qualität nach dem Instrument MINORS [63] als mittelmäßig (engl. fair) bewertet wurde. Die Definition eines schweren Verlaufes variierte in den eingeschlossenen Studien, wobei damit häufig eine Behandlung auf Intensivstation verbunden war. Rauchen (in dieser Arbeit als „history of smoking“ nicht genauer definiert) war signifikant mit einer erhöhten Krankheitsschwere assoziiert (OR 1,55).


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Datenqualität, Verzerrungen und weitere Einflussfaktoren

Die Qualität der in die beschriebenen systematischen Reviews mit Meta-Analysen einbezogenen Studien ist heterogen. Insbesondere Studien aus der Frühphase der Pandemie weisen häufig kleine Fallzahlen auf und wurden zudem anfangs ohne gewachsene Strukturen für die Versorgung von COVID-19-Patienten sowie unter hohem publikatorischen Druck durchgeführt und veröffentlicht. Es ist davon auszugehen, dass die Raucheranamnese häufig unvollständig erhoben worden ist. Außerdem sind die Untersuchungen vor dem Hintergrund unterschiedlicher lokaler Versorgungskontexte (Zugang zu stationärer Versorgung, Ressourcen und Organisation der Patientenversorgung etc.) zu beurteilen.

Auffällig ist die heterogene, insgesamt aber niedrige Raucherprävalenz in den analysierten Studien im Vergleich zur jeweiligen Gesamtbevölkerung. In einer Kurzmitteilung der WHO wurde die Raucherprävalenz aus Studien unter stationären Patienten mit COVID-19 mit 1,4–18,5 % angegeben [64]. In einer systematischen Auswertung 71 systematischer Reviews wird die gepoolte Prävalenz von Tabakrauchern mit 9 % (95 %-KI 6,13–21,43) angegeben [54]. Auch hier sind erhebliche Verzerrungen der eingeschlossenen Daten anzunehmen. So wurde teilweise nicht zwischen ehemaligen und Niemalsrauchern unterschieden oder ehemalige Raucher wurden aktiven Rauchern oder Niemalsrauchern zugeordnet [65]. Die Tabakexposition in Packungsjahren wurde nur in wenigen Studien und Passivrauchen wurde nicht erhoben. Die niedrige Prävalenz aktiver Raucher unter den Studienpatienten könnte durch die abnehmende Prävalenz im Alter erklärt sein. Durch Wenzl [65] wurde allerdings auch die Prävalenz typischer Erkrankungen des Alters wie arterielle Hypertension, Diabetes und COPD zwischen Studien- und Gesamtpopulationen verglichen. Auch hier ergaben sich signifikante Abweichungen mit häufiger niedrigeren Prävalenzen in der Studien – im Vergleich zu den Gesamtpopulationen. Daher ist von einem systematischen Bias auszugehen.

Abschließend ist zu erwähnen, dass für die Beurteilung der Studiendaten auch eine Einflussnahme der Industrie berücksichtigt werden muss. Einige der (Haupt-)Autoren publizierter Arbeiten, die keinen oder sogar einen protektiven Effekt des Tabakrauchens für SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Verläufe postulieren, haben Zuwendungen der Tabakindustrie erhalten (siehe bspw. angegebene Interessenkonflikte von K. Poulas [66] und Kapitel 6 folgender Übersicht [67]). Die Internetseite „Tobacco Tactics“ der University of Bath/UK gibt einen fortlaufend aktuellen Überblick über Aktivitäten der Industrie insgesamt und im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie [68].


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Einfluss von Packungsjahren und Tabak-assoziierten Begleiterkrankungen auf COVID-19-Outcomes

In einer aktuellen Publikation von Januar 2021 wurde der Zusammenhang von Tabakrauchen, kumulativen Packungsjahren, Tabak-assoziierter Begleiterkrankungen und verschiedenen Outcomes von COVID-19-Patienten, basierend aus Daten aus einem Register von COVID-19-Patienten aus der Cleveland Clinic in den US-Bundesstaaten Ohio und Florida, untersucht [69]. Unter den eingeschlossenen Patienten waren 6020 Nieraucher, 341 Patienten mit einer Raucherhistorie von 0–10 Packungsjahren, 400 Patienten mit 10–30 und 341 Patienten mit > 30 Packungsjahren. Schwere Raucher (> 30 Packungsjahre) hatten ein 2,25-faches Risiko (Odds Ratio/OR, 95 %-KI 1,76–2,88) in ein Krankenhaus aufgenommen zu werden, ein 1,69-faches Risiko (95 %-KI 1,23–2,35) auf einer Intensivstation behandelt zu werden und ein 1,89-faches Risiko (95 %-KI 1,29–2,76) infolge der COVID-19-Diagnose zu versterben (jeweils adjustiert nach Alter, ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht). Wurde die Adjustierung auf die Medikation (ACE-Hemmer und orale/inhalative Kortikosteroide) sowie wesentliche Komorbiditäten (u. a. Hypertension, Diabetes, COPD/Emphysem, Asthma) ausgeweitet, blieb für die Gruppe der schweren Raucher das Risiko einer Hospitalisierung (OR 2,19, 95 %-KI 1,52–3,14) als einzig statistisch signifikanter Befund bestehen.


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E-Zigaretten-Konsum und COVID-19

Im Unterschied zum Tabakrauchen ist die Studienlage bei E-Zigaretten-Konsum noch begrenzt. Dies liegt einerseits daran, dass der aktuelle E-Zigaretten-Konsum im Vergleich zum Konsum konventioneller Tabak-Zigaretten niedriger ist, z. B. in China bei nur 1,6 % [70] und in den USA bei 3,2 % liegt [71]. Zudem findet er meist als dualer Konsum (dual use) mit konventionellen Zigaretten statt. Auch konsumieren deutlich mehr junge Menschen E-Zigaretten, die im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion eher milde bis moderate ambulante Verläufe zeigen und damit in entsprechenden Erhebungen nicht auftauchen. Für Tabakerhitzer liegen keine Daten vor.

Die in den E-Zigaretten erhitzte Flüssigkeit enthält Glycerin, Propylenglykol, Kohlenwasserstoffverbindungen, flüchtige organische Substanzen, Metalle, Geschmacksstoffe und meistens Nikotin. Langzeitdaten zu den generellen Folgen des E-Zigaretten-Konsums liegen noch nicht vor [72]. Die Immunabwehr der Lunge gegenüber Virusinfektionen wird im Tierversuch durch das Aerosol negativ beeinflusst [73]. Wenn die Nasenschleimhaut bei E-Zigaretten-Konsum im Experiment mit attenuierten Influenzaviren inokuliert wird, ist die Immunabwehr supprimiert [74]. Weitere Hinweise für eine gestörte Immunfunktion sind die verminderte Expression von Entzündungsgenen in den Atemwegen, die erhöhte Neutrophilen-Aktivierung bei gleichzeitig verminderter Neutrophilen-Phagozytose und reduzierter Freisetzung von Sauerstoffradikalen (Oxidativer Burst), eine Veränderung der Protease-Antiprotease-Balance, eine veränderte Mucin-Sekretion und eine Hemmung der Zilienaktivität [75] [76] [77] [78] [79]. In einer kleinen Untersuchungsserie an Probanden [80] bzw. in einer retrospektiven Datenanalyse [81] steigerte der E-Zigaretten-Konsum im Unterschied zu Zigarettenrauchen aber nicht die Expression des ACE2-Rezeptors am Bronchialepithel der kleinen Atemwege. In einem Tiermodell dagegen führte eine Exposition mit E-Zigarettenrauch zu einer Induktion der ACE2-Expression [82]. Es ist noch unklar, in welchem Ausmaß die beschriebenen Veränderungen durch E-Zigaretten eine verminderte Immunabwehr gegenüber Virusinfektionen verursachen.

E-Zigaretten können die Lungenfunktion beeinträchtigen [83], zu chronischen Lungenkrankheiten prädisponieren [84] [85] [86] [87] und dadurch vermehrte Infektionen oder schwerere COVID-19-Erkrankungen induzieren. Zusätzlich kann das Übertragungsrisiko auch dadurch gesteigert werden, dass mit dem Rauchen ein häufiger Hand-Mund-Kontakt einhergeht oder dass E-Zigaretten im sozialen Kontakt von mehreren infizierten Personen benutzt werden [88] [89].

Bisher liegen 2 epidemiologische Studien über die Beziehung von COVID-19 und E-Zigaretten-Konsum vor. Eine bevölkerungsbasierte Querschnittsstudie untersuchte E-Zigaretten-Konsum und COVID-19 bei über 4000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 13 und 24 Jahren. Eine COVID-19-Diagnose war in der Gruppe der Jemals-E-Zigaretten-Konsumenten 5-mal höher als bei Niemals-Konsumenten. Dual use von E-Zigaretten und Tabak-Zigaretten war mit einer 7-mal höheren COVID-19-Diagnose assoziiert [90]. Eine weitere bevölkerungsbezogene Untersuchung findet eine Korrelation zwischen Prävalenz des E-Zigaretten-Konsums und SARS-CoV-2-Infektionen und damit verbundenen Todesfällen in den US-Bundesstaaten [91]. Trotz mehrerer Limitationen sind die Ergebnisse im Zusammenhang mit den o. g. pathophysiologischen Befunden als plausibler Hinweis auf ein erhöhtes Infektions- und Morbiditätsrisiko bei E-Zigaretten-Konsum zu werten. Aufgrund der Pathophysiologie des E-Zigaretten-Konsums sollte auch im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie, wie bei Tabakrauchern, von einer Risikoerhöhung für Atemwegsinfektion bei E-Zigaretten-Konsumenten ausgegangen werden.


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Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis

Für die Beurteilung des Zusammenhangs von Tabakrauchen mit einem erhöhten SARS-CoV-2-Infektionsrisiko sind die verfügbaren Daten nicht ausreichend. Multiple, große systematische Reviews und Meta-Analysen belegen aber den Zusammenhang von Tabakrauchen mit unterschiedlichen klinischen Outcomes wie Schwere der Erkrankung und Mortalität. Häufig ist das Risiko für ehemalige Raucher dabei ausgeprägter als für aktive Raucher. Zum einen könnten schwer kranke Patienten kurz vor oder mit Aufnahme ins Krankenhaus das Tabakrauchen abrupt gestoppt und fortan als Nichtraucher gegolten haben. Zum anderen scheint mehr als das aktive Tabakrauchen an sich die kumulative Exposition in Packungsjahren und die damit einhergehenden Tabak-assoziierten Begleiterkrankungen wie Hypertension, COPD, Diabetes u. a. ein prognostisch ungünstiges klinisches Outcome zu befördern. In einigen Untersuchungen war das Risiko nach Adjustierung für Tabak-assoziierte Begleiterkrankungen weniger ausgeprägt. Tabak-assoziierte Begleiterkrankungen sind an sich starke und gut etablierte Prädiktoren für schwere COVID-19-Verläufe. Somit schützt ein Rauchverzicht 2-fach – über den Wegfall direkter Schädigungen und durch die Verhinderung Tabak-assoziierter Erkrankungen. Die Datenlage für E-Zigaretten ist deutlich spärlicher. Allein aufgrund der seit Einführung dieser Produkte im Vergleich zu konventionellen Zigaretten kurzen Zeitspanne sind zu Schädigungen durch einen Langzeitgebrauch noch keine ausreichenden Daten vorhanden. Erste In-vitro- und In-vivo-Studien legen aber bereits jetzt ein Gesundheitsrisiko im Hinblick auf COVID-19 nahe.

Obwohl die Reduktion des Tabakkonsums bei Jugendlichen und Erwachsenen als hervorgehobene Maßnahmen schon seit 2016 in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung [92] ausgewiesen ist, belegt Deutschland im europäischen Vergleich bei der Umsetzung von umfassenden Maßnahmen den letzten Platz [93]. Im Jahr 2021 steht Deutschland im Fokus der WHO-Kampagne [94] zum Weltnichtrauchertag mit der Forderung, dafür zu sorgen, dass die Bürger Zugang zu Kurzberatungen, kostenfreien Entwöhnungshotlines, mobilen und digitalen Rauchstoppangeboten, Nikotinersatztherapien und weiteren Hilfsmitteln haben. Effektive Entwöhnungsangebote verbessern die Gesundheit, retten Leben und sind kosteneffizient. Die Tabakabhängigkeit/Nikotinabhängigkeit ist eine Suchterkrankung (Diagnose-Schlüssel ICD 10: F 17.2), die mit den hierfür wissenschaftlich gut abgesicherten Mitteln (Kurzintervention, Telefonberatung, Verhaltenstherapie plus medikamentöse Unterstützung) erfolgreich behandelt werden könnte, wenn aktuell bestehende Barrieren ausgeräumt und eine regelhafte Behandlung als Standard etabliert werden würden. Die Methodik ist weltweit und in Deutschland in Leitlinien vorgegeben und beschrieben [2] [95] [96]. Der Einsatz der leitliniengerechten Entwöhnung (Kombination von Verhaltenstherapie und medikamentöser Unterstützung) führt bspw. zu einer hohen Abstinenz von 32–46 % nach 12 Monaten [97] [98] [99] [100]. Bisher erhalten allerdings nur 39 % der Raucher überhaupt [101] und im Hausarztsetting nur 18 % eine Empfehlung zum Rauchstopp. Lediglich 3 % erreicht ein evidenzbasiertes Therapie-Angebot zur Tabakentwöhnung [102]. Erforderlich sind daher Rahmenbedingungen, die nicht nur das Screening und eine Rauchstoppempfehlung, sondern v. a. die Hilfe und das Angebot einer Entwöhnungsbehandlung in verbindliche Qualitätsanforderungen in den ambulanten und stationären Gesundheitsdiensten aufnehmen. Dafür sind entsprechende Strukturen mit Finanzierung sicherzustellen. Die Kompetenzen zur Förderung des Rauchstopps sollten als Basisqualifikation in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Gesundheitsberufen festgeschrieben sein. Tatsächlich wird aktuell die Option der Angebote der Tabakentwöhnung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 20 SGB V (Prävention) nur in sehr begrenztem Rahmen (9360 Fälle 2018) in Deutschland umgesetzt [103].

In der aktuellen Pandemie-Situation muss zur Abmilderung der Krankheitsfolgen das evidenzbasiert gesicherte Instrumentarium der Tabakentwöhnung barrierefrei Raucherinnen und Rauchern zur Verfügung gestellt werden. Hierfür ist die kostenfreie Verordnungsfähigkeit innerhalb der GKV-Versorgung die Voraussetzung.

Kernbotschaften
  • Raucher haben schwerere COVID-19-Krankheitsverläufe und höhere Sterblichkeit.

  • Raucher müssen über die besonderen Risiken schwerer Verläufe informiert werden.

  • Abhängigen Rauchern muss ein barrierefreier Zugang zu Behandlungs-Maßnahmen mit dem Ziel der Tabakabstinenz zugänglich gemacht werden.

  • Die Kosten der Behandlung müssen von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden.


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Interessenkonflikt

R. Bals erhielt Forschungsunterstützung durch das BMBF, Wilhelm Sander Stiftung, Deutsche Krebshilfe, Mukoviszidose e. V., Schwiete Stiftung sowie Zuwendungen für Advisory Boards oder Vorträge von AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, GlaxoSmithKline, Novartis, CSL Behring.
W. Pankow hatte Einkünfte aus Beratungstätigkeit für Pfizer Deutschland GmbH.
C. Rustler: Geschäftsführung im Deutschen Netz Rauchfreier Krankenhäuser & Gesundheitseinrichtungen, Zuwendungen zur Implementierung des „rauchfrei tickets“ zur Vermittlung in die Rauchstoppberatung am Telefon der BZgA, Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Aktionskreis Tabakentwöhnung WAT e. V., Mitautorin der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ (2021).
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Matthias Raspe
Klinik m. S. Infektiologie und Pneumologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Deutschland   

Publication History

Article published online:
26 May 2021

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