Übersicht
Methodik
Strategie der Literatursuche
Für die Literaturrecherche zum Thema der Einflüsse pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die fetale Entwicklung wurden die Meta-Datenbanken PubMed und Web of Science genutzt. Diese Datenbanken wurden aufgrund ihrer Breite an Publikationen mit hoher wissenschaftlicher Relevanz sowie dem Fokus auf medizinische und biologische Inhalte ausgewählt. Durchgeführt wurde die Suche im Juni 2020 und aktualisiert im November 2020. Da ein Großteil der Publikationen zu dem adressierten Thema in englischer Sprache verfasst sind, wurden für die Suche ausschließlich englische Suchwörter genutzt.
Die Einschlusskriterien umfassten empirische Forschungsarbeiten die zwischen Januar 2010 und November 2020 publiziert wurden. Ausgeschlossen wurden Übersichtsarbeiten und Studien, die vor 2010 veröffentlicht wurden. Da die Markteinführung der E-Zigaretten auf das Jahr 2007 datiert wird, sind Veröffentlichungen vor 2010 nicht an die Funktionsweise der modernen Geräte angepasst und damit für diese Arbeit wenig aussagekräftig. Gleichzeitig wurde ein Zeitraum von 10 Jahren gewählt, um einen umfangreichen Überblick zu generieren.
Für die Suche wurde jeweils eine Kombination aus den folgenden 4 Suchwortkategorien (A – D) verwendet: A: Pregnancy, maternal, prenatal, offspring, fetal. B: E-cigarette, electronic cigarette, e-vapour, aerosol, electronic nicotine delivery systems, ENDS. C: Consumption, exposure. D: Development, effects, impact, growth, neurological, brain, cognitive, pulmonary, lung, respiratory. Nach Durchführung der Literatursuche und der Entfernung von Duplikaten wurden zuerst Titel und Zusammenfassungen aller gefundenen Artikel gelesen. Dadurch wurden Artikel ausgeschlossen, die offensichtlich nicht relevant für die aktuelle Fragestellung waren. Anschließend wurden die Volltexte der verbliebenen Artikel geprüft.
Extraktion der Daten
Insgesamt wurden 17 Studien identifiziert, die Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf den Fetus untersuchten. Die Informationen der einzelnen Studien wurde von einer Autorin (AGP) extrahiert und daraufhin durch eine weitere Autorin (PR) auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft. Minimale Unstimmigkeiten wurden unter den Autorinnen diskutiert und gelöst. Die [Tab. 1] bis [4] fassen die relevanten Informationen der einzelnen Studien zusammen. Alle 4 Tabellen geben Auskunft zu folgenden Aspekten der eingeschlossenen Studien: die Autoren, das Jahr der Veröffentlichung und die Region, in der die Forschungsarbeit durchgeführt wurde, die Art der Studie hinsichtlich der Modellorganismen (z. B. Versuchstiere), die Gesamtanzahl (N) der untersuchten Organismen, der Wirkstoff der Exposition sowie der Expositionszeitraum, untersuchte Messzeitpunkte, gemessene Outcomes und Hauptergebnisse.
Tab. 1 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf neurobiologische Marker.
Autor, Jahr (Region)
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Art der Studie
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N
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Wirkstoff
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Expositionszeitraum
|
Messzeitpunkt
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Messungen
|
Ergebnisse
|
PN = postnatal; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; DNA = Desoxyribonukleinsäure; KZG = Kurzzeitgedächtnis; k. A. = keine Angabe
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Zahedi et al., 2019 (USA)
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in vitro
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48 000 neuronale Stammzellen
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E-Zigaretten-Liquide mit Tabak- und Mentholaroma mit Nikotin
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Mauszellen wurden dem Aerosol für 2 – 24 Stunden ausgesetzt
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k. A.
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mitochondriale Anpassungsreaktionen als Reaktion auf oxidativen Stress
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zellulärer Stress durch E-Zigretten-Exposition
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Sifat et al., 2020 (USA)
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Tierversuche (Mäuse)
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121 Jungtiere
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E-Liquid mit 24 mg/ml Nikotin
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ST 5 bis PN Tag 7
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PN Tag 8 – 9 und 40 – 45
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Auswirkungen auf kortikale Zellen
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Zellvitalität vermindert. Verschlechterung von Gedächtnis, Lernen, motorischer Koordination
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Zelikoff et al., 2017 (USA)
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Tierversuche (Mäuse)
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k. A.
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E-Liquid mit Tabak- und Mentholaromen und ohne Nikotin (13 mg/ml)
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6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
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PN Tag 28
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Auswirkungen auf Zellen der Hippocampusregion
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verringerte Zellvitalität und erhöhtes Entzündungsgeschehen
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Nguyen et al., 2018 (Australien)
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Tierversuche (Mäuse)
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24 Muttertiere
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E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
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PN Tag 1, 20 und 84
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neuroepigenetische und kognitive Veränderungen
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verstärkte DNA-Methylierung
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Nguyen et al., 2019 (Australien)
|
Tierversuche (Mäuse)
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24 Muttertiere
|
E-Liquid mit Tabakaroma und 18 mg/ml Nikotin
|
Gruppe A: kZ 9 Wochen vor Befruchtung, E-Liquid bis PN Tag 20
Gruppe B: E-Liquid Befruchtung bis PN Tag 20
|
PN Tag 1, 20, 84 und 91
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neuroepigenetische Veränderungen und Auswirkungen auf Gedächtnis und Verhalten
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veränderte Genexpression und eingeschränktes KZG; erhöhtes Explorationsverhalten
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Lauterstein et al., 2016 (USA)
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Tierversuche (Mäuse)
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36 Jungtiere
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E-Liquid mit und ohne Nikotin (13 – 16 mg/ml)
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Befruchtung bis PN Tag 25 – 27
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PN Tag 25 – 31
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Auswirkungen auf Zellen des Frontalkortexes
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Veränderung des Transkriptoms im Frontalkortex
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Church et al., 2020 (USA)
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Tierversuche (Mäuse)
|
135 Jungtiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (16 mg/ml)
|
Befruchtung bis ST 17
|
PN Tag 21, 56 und 84
|
Auswirkungen auf Neuroinflammation und Kognition
|
erhöhte Inflammationswerte in einzelnen Hirnregionen sowie Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten
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Chen et al., 2018 (Australien)
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Tierversuche (Mäuse)
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8 Muttertiere
|
E-Liquid mit Tabakaroma mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
|
PN Tag 20
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Auswirkungen auf Neuroinflammation und Neurometabolismus
|
erhöhte Inflammationswerte sowie erhöhte metabolische Prozesse
|
Tab. 4 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf Kognition und Verhalten.
Autor, Jahr (Region)
|
Art der Studie
|
N
|
Wirkstoff
|
Expositionszeitraum
|
Messzeitpunkt
|
Messungen
|
Ergebnisse
|
PN = postnataler Tag; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; KZG = Kurzzeitgedächtnis; k. A.= keine Angabe
|
Sifat et al., 2020 (USA)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
121 Jungtiere
|
E-Liquid mit 24 mg/ml Nikotin
|
ST 5 bis PN Tag 7
|
PN Tag 8 – 9 und 40 – 45
|
Auswirkungen auf kortikale Zellen
|
Verschlechterung von Gedächtnis, Lernen, motorischer Koordination.
Zellvitalität vermindert.
|
Nguyen et al., 2018 (Australien)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
24 Muttertiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
|
PN Tag 1, 20 und 84
|
kognitive und neuroepigenetische Veränderungen
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Gesteigertes Neugierdeverhalten. Verminderte Objektwiedererkennung.
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Nguyen et al., 2019 (Australien)
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Tierversuche (Mäuse)
|
24 Muttertiere
|
E-Liquid mit Tabakaroma und 18 mg/ml Nikotin
|
Gruppe A: kZ 9 Wochen vor Befruchtung, E-Liquid bis PN Tag 20
Gruppe B: E-Liquid Befruchtung bis PN Tag 20
|
PN Tag 1, 20, 84 und 91
|
Auswirkungen auf Gedächtnis und Verhalten und neuroepigenetische Veränderungen
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Erhöhtes Explorationsverhalten. Teilweise geringe neuroepigenetische Veränderungen und eingeschränktes KZG.
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Church et al., 2020 (USA)
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Tierversuche (Mäuse)
|
135 Jungtiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (16 mg/ml)
|
Befruchtung bis ST 17
|
PN Tag 21, 56 und 84
|
Auswirkungen auf Kognition und Neuroinflammation
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Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten. Erhöhte Inflammationswerte in einzelnen Hirnregionen
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Smith et al., 2015 (USA)
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Tierversuche (Mäuse)
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28 Jungtiere
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E-Liquid mit und ohne Nikotin (24 mg/ml)
|
ST 15 – 19 und PN Tag 2 – 16
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PN Tag 98
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kognitive Auswirkungen
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erhöhte motorische Aktivität und vermindertes Angstverhalten
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Erfassung der Qualität und des Risikos für Bias
Die Qualität und die Bias-Bewertung für alle 17 Studien gemäß dem „OHAT Risk of Bias Rating Tool for Human and Animal Studies“ [19] ist in Tab. S1 zusammengefasst. Dieses Tool wurde auf der Grundlage der neusten Leitlinien der Agentur für Forschung und Qualität im Gesundheitswesen [20] entwickelt und auf jede eingeschlossene Studie angewendet. Es wurde genutzt, um Aspekte wie die Randomisierung, Verblindung oder die selektive Berichterstattung der Ergebnisse zu bewerten (Tab. S1). Entlang von 8 Fragen wurden die Studien 4-stufig eingeschätzt: „Definitely low risk of bias“, „Probably low risk of bias“, „Probably high risk of bias“, „Definitely high risk of bias“. Die Bewertung wurde von einem Autor (RK) durchgeführt und anschließend von einer weiteren Autorin (PR) auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft. Im Folgenden werden die Bezeichnungen „+Nik“ und „−Nik“ verwendet, um anzuzeigen,
ob ein verabreichtes Expositionsmedium Nikotin enthält (+Nik) oder kein Nikotin enthält (−Nik). Eine Bezeichnung von +/−Nik umfasst beide Gruppen. Diese Bezeichnungen erfolgen unabhängig von möglichen weiteren Zusatzstoffen, deren Auswirkungen in Abhängigkeit von +/−Nik untersucht werden können. Bei Kontrollgruppen handelt es sich um Tiere, die Raumluft ausgesetzt waren und keine der Bestandteile der E-Zigaretten inhalierten. Generell wird die Exposition der E-Zigaretten und deren Bestandteile in den aufgenommenen Studien über verschiedene, speziell dafür vorgesehene Boxen, in denen sich die Versuchstiere befinden, durchgeführt (siehe z. B. [12], [13]).
Aufgrund fehlender Humanstudien umfasst diese Übersichtsarbeit ausschließlich Ergebnisse, die auf tierexperimentellen Untersuchungen basieren.
Ergebnisse
Im Rahmen der Literaturrecherche wurde festgestellt, dass zu den Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die fetale Entwicklung bisher ausschließlich auf tierexperimenteller Ebene geforscht wurde. Von den insgesamt eingeschlossenen Studien (N = 17) richtete der Großteil der Forschung den Fokus auf neurobiologische Auswirkungen (n = 8 Studien, [Tab. 1]) und auf Auswirkungen auf die Lunge und weitere Organsysteme (n = 8, [Tab. 2]). Letztere umfassen, neben Studien zu pulmonalen Folgen (n = 4 Studien), Studien zu kardiovaskulären Folgen (n = 2 Studien), gesichtsmorphologischen Folgen (n = 1 Studie) und renalen, die Niere betreffenden Folgen (n = 1 Studie). Von den insgesamt 17 Studien haben einige Studien zusätzlich über Ergebnisse hinsichtlich verschiedener Geburtsparameter (n = 12 Studien, [Tab. 3]) und Auswirkungen auf Kognition und Verhalten berichtet (n = 5
Studien, [Tab. 4]).
Tab. 2 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die Lunge und weitere Organsysteme.
Autor, Jahr (Region)
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Art der Studie
|
N
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Wirkstoff
|
Expositionszeitraum
|
Messzeitpunkt
|
Messungen
|
Ergebnisse
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PN = postnataler Tag; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; k. A.= keine Angabe
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Nöel et al., 2020 (USA)
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Tierversuche (Mäuse)
|
183 Jungtiere
|
E-Liquid mit Zimtaroma und 36 mg/ml Nikotin
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Gruppe A:12 Tage vor der Befruchtung bis ST 19
Gruppe B: Befruchtung bis ST19
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PN Tag 1 und 28
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Auswirkungen auf Lungengewebe und -funktion
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veränderte Lungenstruktur und Dysregulation des Wnt-Signalwegs
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Chen et al., 2017 (Australien)
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Tierversuche (Mäuse)
|
k. A.
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
6 Wochen vor Befruchtung bis PN20
|
PN Tag 1, 20 und 91
|
Auswirkungen auf epigenetische Prozesse im Lungengewebe
|
veränderte DNA-Methylierung und proinflammatorische Zytokine in der Lunge unabhängig vom Nikotingehalt
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McAlinden et al., 2017 (Australien)
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Tierversuche (Mäuse)
|
k. A.
|
Gruppe A: kZ und E-Liquid +Nik; Gruppe B: E-Liquid mit und ohne Nikotin
|
Gruppe A: kZ bis Befruchtung E-Liquid bis Geburt
Gruppe B: E-Liquid Befruchtung bis PN1
|
k. A.
|
Auswirkungen auf Lungengewebe und -funktion
|
E-Zigaretten +Nik verstärkt allergisches Asthma.
|
Berkelhammer et al., 2019 (USA)
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in vitro
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Probe von pulmonalen Muskelzellen
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aromatisierte E-Liquide
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Exposition 1 h
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nach 24 h Inkubation
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Auswirkungen auf Muskelzellen der Lunge
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Neonatale Zellen zeigen starke Sensibilität für Toxizität der E-Liquide. Aromen führen vermehrt zum Zelltod.
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Kennedy et al., 2017 (USA)
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Tierversuch (Krallfrösche)
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k. A.
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E-Liquide mit und ohne Aroma und Nikotin
|
Zeitraum der embryonalen Entwicklung
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PN Tag 1
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Auswirkungen auf Gesichtsmorphologie
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E-Liquid-Konsum führt zu kraniofazialer Deformation. Verstärkt wird diese durch Nikotin und Aromen.
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Orbazal et al., 2019 (USA)
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Tierversuch (Mäuse)
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k. A.
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E-Liquid mit und ohne Nikotin (100 mg/ml)
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ST 5 – PN10
|
PN Tag 10
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
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E-Liquid +Nik führt zu eingeschränktem Wachstum und verminderter Blutversorgung.
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Palpant et al., 2015 (USA)
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Tierversuch (Zebrafische)
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k. A.
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E-Liquid +Nik
|
3 Tage pränatal
|
nach der Exposition
|
Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System
|
Herzfehlbildungen, verminderte Herzfunktion und Perikardergüsse
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Li et al., 2019 (Australien)
|
Tierversuch (Mäuse)
|
143
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E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
Gruppe A: E-Liquid 6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
Gruppe B: kZ 6 Wochen vor Befruchtung, dann E-Liquid bis PN Tag 20
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PN Tag 1 und 20
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Auswirkungen auf das Nierengewebe
|
Dauerhafte Exposition von E-Liquid führt unabhängig vom Nikotingehalt zu oxidativem Stress, Inflammation sowie Fibrosierung im Nierengewebe.
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Tab. 3 Tierexperimentelle Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf Geburtsparameter.
Autor, Jahr (Region)
|
Art der Studie
|
N
|
Wirkstoff
|
Expositionszeitraum
|
Messzeitpunkt
|
Messungen
|
Ergebnisse
|
PN = postnataler Tag; ST = Schwangerschaftstag; kZ = konventionelle Zigaretten; k. A.= keine Angabe
|
Church et al., 2020 (USA)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
135 Jungtiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (16 mg/ml)
|
Befruchtung bis ST 17
|
PN Tag 21, 56 und 84
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
keine Auswirkungen auf Wurfgröße und Geburtsgewicht
|
Nguyen et al., 2019 (Australien)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
24 Muttertiere
|
E-Liquid mit Tabakaroma und 18 mg/ml Nikotin
|
kZ 9 Wochen vor Befruchtung, E-Liquid bis PN Tag 20
|
PN Tag 1, 20, 84 und 91
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
Keine Auswirkungen auf Wurfgröße, Überlebensfähigkeit. Reduziertes Geburtsgewicht.
|
Nöel et al., 2020 (USA)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
183 Jungtiere
|
E-Liquid mit Zimtaroma und 36 mg/ml Nikotin
|
Gruppe A:12 Tage vor Befruchtung bis ST 19; Gruppe B: Befruchtung bis ST19
|
PN Tag1 und 28
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
keine Auswirkungen auf Wurfgröße, E-Liquid +Nik führt zu verringerter Körpergröße und Geburtsgewicht
|
Sifat et al., 2020 (USA)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
121 Jungtiere
|
E-Liquid mit 24 mg/ml Nikotin
|
ST 5 bis PN Tag 7
|
PN Tag 8 – 9 und 40 – 45
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
keine Auswirkungen auf Wurfgröße, E-Liquid +Nik führt zu verringertem Geburtsgewicht
|
Palpant et al., 2015 (USA)
|
Tierversuch (Zebrafische)
|
k. A.
|
E-Liquid +Nik
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3 Tage pränatal
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PN Tag 1 – 3
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Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
E-Liquid +Nik verringert die Überlebensfähigkeit der Neugeborenen
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Nguyen et al., 2018 (Australien)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
24 Muttertiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
|
PN Tag 1, 20 und 84
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
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keine Auswirkungen von E-Zigaretten-Konsum auf das Gewicht oder die Sterblichkeit
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Chen et al., 2017 (Australien)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
k. A.
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
|
PN Tag 1, 20, 91
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
keine Auswirkungen auf Geburtsgewicht und Organgewicht, Veränderung der Fettverteilung
|
Chen et al., 2018 (Australien)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
8 Muttertiere
|
E-Liquid mit Tabakaroma mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
|
PN Tag 20
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
Veränderung der Fettverteilung, keine Veränderungen des Geburtsgewichts
|
Lauterstein et al., 2016 (USA)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
36 Jungtiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (13 – 16 mg/ml)
|
Befruchtung bis PN Tag 25 – 27
|
PN Tag 25 – 31
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
keine Auswirkungen von E-Zigaretten-Konsum wurden beobachtet.
|
Li et al., 2019 (Australien)
|
Tierversuch (Mäuse)
|
143 Jungtiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (18 mg/ml)
|
Gruppe A: E-Liquid 6 Wochen vor Befruchtung bis PN Tag 20
Gruppe B: kZ 6 Wochen vor Befruchtung, dann E-Liquid bis PN Tag 20
|
PN Tag 1, PN Tag 20
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
E-Liquid führt zu verringertem Geburtsgewicht und zu keinen Veränderungen des Nierengewichts.
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Smith et al., 2015 (USA)
|
Tierversuche (Mäuse)
|
28 Jungtiere
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (24 mg/ml)
|
ST 15 – 19 und PN Tag 2 – 16
|
PN Tag 98
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
verringertes Geburtsgewicht (E-Liquid-Nik < E-Liquid+Nik < Kontrollgruppe)
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Orbazal et al., 2019 (USA)
|
Tierversuch (Mäuse)
|
k. A.
|
E-Liquid mit und ohne Nikotin (100 mg/ml)
|
ST 5 – PN10
|
PN Tag 10
|
Auswirkungen auf Geburtsparameter
|
verringertes Geburtsgewicht und Körpergröße bei E-Liquid +Nik
|
Die eingeschlossenen Studien waren insgesamt von ausreichender Qualität, und das Bias-Risiko war gering. Von N = 17 Studien ist bei n = 10 Studien definitiv und bei n = 6 Studien wahrscheinlich davon auszugehen, dass die pränatale Exposition ausreichend randomisiert stattfand. Nur 1 Studie wies hinsichtlich dieses Aspektes ein wahrscheinlich hohes Bias-Risiko auf, was bei der Interpretation der Ergebnisse entsprechender Berücksichtigung bedarf. Bezüglich des Aspektes, dass die experimentellen Bedingungen in allen Studiengruppen identisch waren, wiesen n = 14 Studien ein definitiv geringes und 3 Studien ein wahrscheinlich geringes Bias-Risiko auf. In allen 17 Studien wurde ein definitiv geringes Bias-Risiko hinsichtlich der angemessenen Berichterstattung der Resultate gewertet. Weitere Aspekte und detailliertere Informationen sind Tab. S1 zu entnehmen. Unterschiede in der Studienqualität und dem Bias-Risiko können z. B. durch Unterschiede im Studiendesign oder
unterschiedliche Erhebungsmethoden erklärt werden.
Neurobiologische Marker
Die aus [Tab. 1] zu entnehmenden Veröffentlichungen zu den Auswirkungen auf neurobiologische Marker betreffen die neuronale Zellvitalität, neuroepigenetische Veränderungen, Neuroinflammation und Neurometabolismus.
In den In-vitro-Untersuchungen von Zahedi et al. (2019) wurden neuronale Stammzellen von Mäusen 24 Stunden dem Aerosol von E-Zigaretten +Nik mit unterschiedlichen Aromen ausgesetzt. Stammzellen können sich in jeden Zelltyp entwickeln [24] und sind elementar für die Erneuerung und Reparatur von Geweben, die Organbildung oder den Erhalt der Homöostase [23]. Neuronale Stammzellen sind nachweislich empfindlich gegenüber toxischen Stoffen, wie z. B. dem Nikotin. Sie sind deshalb gut geeignet, um die Sicherheit von Stoffen wie E-Liquid zu testen [23]. Die nikotinhaltigen Aerosole führten zu stressinduzierter mitochondrialer Hyperfusion (SIMH [23]). Hierbei schwellen die Mitochondrien der neuronalen Stammzellen an und fusionieren zu langen fadenförmigen Mitochondrien. Durch den hohen Nikotinspiegel werden Ionenkanäle in der Membran neuronaler
Stammzellen verstärkt geöffnet und Kalzium sowie andere Ionen strömen in großer Menge in die Zellen ein. Der hohe intrazelluläre Kalziumspiegel führt zu einem Kalziumeinstrom in die Mitochondrien. In den Mitochondrien wirkt zu viel Kalzium toxisch. Die SIMH kann als ein Schutzmechanismus als Antwort auf den durch den hohen Nikotinspiegel herbeigeführten zellulären Stress gesehen werden [25]. Außerdem führte der Versuch von Zahedi et al. zu mitochondrialem oxidativem Stress [23]. Oxidativer Stress kann u. a. zu Desoxyribonukleinsäure-(DNA-)Strangbrüchen, zur Inaktivierung von Enzymen und zur Schädigung vulnerabler Nervenzellen führen [26]. Mitochondriale Matrixproteine sind besonders anfällig für oxidativen Stress. Ihre Reaktion hat negative Auswirkungen auf die Atmungskette und daher lassen die Ergebnisse die Gefahr eines Energiemangels bei Feten, deren Mütter E-Zigaretten
nutzen, vermuten [27]. Weiterhin konnte in der Studie von Zahedi et al. (2019) gezeigt werden, dass das Nikotin einen intrazellulären Kalziumüberschuss hervorruft, der zu schwerwiegenden Folgen, wie dem Riss der Zellmembranen, führen kann [23]. Die Auswirkungen des E-Liquid-Aerosols auf die neuronalen Stammzellen scheinen daher durch das Nikotin und nicht durch die Aromen oder die Trägerstoffe des E-Liquids bedingt zu sein [23]. Sifat et al. (2019) untersuchten die Auswirkungen von E-Zigaretten-Aerosol +Nik auf kortikale Zellen in Mäusen. Insgesamt wurde ein verminderter neuronaler Stoffwechsel festgestellt. Dies zeigte sich anhand einer verminderten Glukoseaufnahme, einer verminderten Expression von Glukosetransportern, einem verminderten Adenosintriphosphat-Gehalt sowie einem geringeren mitochondrialen Membranpotenzial [22]. Die
E-Zigaretten-Exposition führte zudem zu einer verminderten Zellvitalität und einer erhöhten DNA-Schädigung [22]. Weiter zeigten die Forscher eine durch pränatale E-Zigaretten-Exposition +Nik bedingte, erhöhte Sensibilität der Mäuse für postnatale hypoxisch-ischämische Hirnverletzungen, die auch bei Neugeborenen durch eine unzureichende Sauerstoffversorgung entsteht. Auch im Hippocampus wurden Auswirkungen auf die Zellvitalität festgestellt. Bestimmte Nervenwachstumsfaktoren waren nach pränatalem E-Zigaretten-Konsum +Nik sowie −Nik gesenkt. Dies kann zu Wachstumsstörungen und einer eingeschränkten Funktionsweise des Hippocampus führen [22]. Dazu passend traten vermehrt langfristige Defizite der räumlichen Aneignung und des Referenzgedächtnisses auf [22]. Die Epigenetik beschreibt Modifikationen der Genaktivität, die u. a. durch Umwelteinflüsse, wie z. B. der Konsum toxischer
Substanzen, entstehen und zu einer Änderung des Phänotyps führen können [28]. Die DNA-Methylierung ist ein epigenetischer Mechanismus, bei dem durch DNA-Methyltransferasen eine Methylgruppe (CH3) an die Cytosin-Base eines DNA-Nukleotids angehängt wird. Methylierte Cytosine führen zur Inaktivierung des Gens. Betrachtet man die neuronale Entwicklung, hat die DNA-Methylierung Einfluss darauf, wann welche Gene exprimiert oder stillgelegt werden. Eine verstärkte Methylierung kann beispielsweise dazu führen, dass bestimmte Gene nicht exprimiert werden und dadurch die Hirnentwicklung beeinflusst wird [28]. An Mäusen konnte gezeigt werden, dass pränatale E-Zigaretten-Exposition +/−Nik vorübergehend zu einer signifikant verstärkten DNA-Methylierung in den Hirnzellen führten [29]. Im Vergleich zur Exposition mit konventionellem Zigarettenrauch zeigte sich in Mäusen, deren
Exposition intrauterin von Zigarettenrauch auf E-Zigaretten +Nik wechselte, jedoch ein deutlich geringerer Grad an DNA-Methylierung. Es scheint, dass DNA-Methylierung stark mit der Exposition von konventionellem Zigarettenrauch korreliert [21]. Zudem wurde auch die Expression der Gene untersucht, die für die Enzyme kodieren, welche die DNA-Methylierung regulieren. Dabei wurde festgestellt, dass diese Gene unter dem Einfluss von E-Zigaretten −Nik ein Abweichungsmuster gegenüber der Kontrollgruppe aufzeigten, das größer ist als das gegenüber den E-Zigaretten +Nik [29]. Die unterschiedliche Genexpression betraf darüber hinaus auch Gene, die für mitotische Kinasen kodieren und eine wichtige Rolle beim Zellwachstum spielen. Auch in diesen beiden Fällen war die Abweichung kleiner als unter konventioneller Nikotinexposition [21]. Ein weiterer Ansatz zu epigenetischen Auswirkungen
von E-Zigaretten ist die Analyse des Transkriptoms. Unter dem Transkriptom versteht man die Gesamtheit der Gene, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in der Zelle transkribiert werden [28]. Die Transkription ist ein wichtiger Teilprozess der Genexpression, die den Einfluss des Genoms auf den Phänotyp bestimmt. Lauterstein et al. (2016) konnte anhand eines Mausmodells zeigen, dass pränatale E-Zigaretten-Aerosol-Exposition sowohl +Nik als auch −Nik zu Veränderungen des Zentralnervensystem-(ZNS-)Transkriptoms führt. Dies betraf primär Zellen des frontalen Kortexes im Vergleich zu Mäusen der Kontrollgruppe, die nur Luft inhalierten [30]. Mithilfe von Datenbanken ist es möglich, die Genveränderungen mit Genprofilen, die mit einzelnen Krankheiten, Entwicklungsstörungen oder allgemeinen Funktionseinschränkungen korrelieren, zu vergleichen. Diese Analyse ergab, dass vermutlich Verminderungen der Merkfähigkeit, der
Kognition, der Lernfähigkeit sowie eine schlechtere Neurotransmission aus den oben genannten Veränderungen resultieren können. Zudem konnten nach der Geburt Korrelationen zwischen der Aerosolexposition und erhöhter Hyperaktivität, vermehrter Emotionalität sowie Krampfanfällen beobachtet werden. Auch neuronale Wachstumsstörungen konnten mit dem veränderten ZNS-Transkriptom in Verbindung gebracht werden. Besonders auffällig waren hier Einschränkungen des Dendritenwachstum, der Neuronendichte und ein verstärkter Zelltod [30].
Unter Neuroinflammation versteht man die Entzündung von Nervengewebe. In der Regel wird damit eine chronische Entzündung des ZNS beschrieben. Entzündungen entstehen als Immunreaktion auf einen schädigenden Reiz, mit dem Ziel, diesen zu beseitigen. Auf molekularer Ebene spielen bei Entzündungsreaktionen sogenannte Entzündungsmediatoren eine große Rolle. Sie können inflammatorische Prozesse einleiten, verstärken und aufrechterhalten, um so einem schädigenden Reiz wie E-Zigaretten-Aerosol oder Nikotin entgegenzuwirken. Sie wirken also proinflammatorisch [31]. Je nach Lage können Entzündungsprozesse eine Vielzahl von psychologischen, immunologischen, physiologischen oder biochemischen Folgen haben [31]. Im Hippocampus und im Diencephalon konnten einzelne Veränderungen der Entzündungsmediatoren durch pränatale E-Zigaretten-Exposition +Nik detektiert werden [32]. Im Vergleich zur
Kontrollgruppe konnte eine Senkung des Interferon-gamma-Wertes (IFN-gamma) im Hippocampus weiblicher Nachkommen festgestellt werden. Des Weiteren wurde eine Senkung von IFN-gamma und dem Zytokin der Interleukinfamilie IL-4 im Diencephalon in Nachkommen beider Geschlechter gefunden [32]. Es wird angenommen, dass diese Verringerung der Immunsignale auf die gut dokumentierten immunsuppressiven Wirkungen von Nikotin auf das Zentralnervensystem zurückzuführen ist [33]. Außerdem könnte dies die Fähigkeit von Nikotin widerspiegeln, die Reifung und Funktion von T-Lymphozyten durch Aktivierung des Acetylcholin-Rezeptors zu hemmen. T-Zellen sind spezielle Lymphozyten, die eine wichtige Rolle bei der Induktion der Immunantwort spielen, wobei deren Differenzierung u. a. durch IL-4-Zytokine induziert wird [32]. Im Hippocampus und im frontalen Kortex konnte darüber hinaus eine Erhöhung
des sogenannten „ionized calcium-binding-adapter molecule 1“ (Iba-1) für die Gruppe der pränatalen E-Zigaretten-−Nik-Exposition beobachtet werden [34]. Dabei handelt es sich um ein Protein, das nach Nervenverletzungen, neuronalen Ischämien und Hirnverletzungen hochreguliert ist. Als bemerkenswert angesehen wurde, dass die Senkung von Iba-1 nur für die Gruppe −Nik galt. Dies implizierte, dass in der Gruppe −Nik erhöhte Entzündungswerte vorlagen, die im weiteren Verlauf zu Schäden der neuronalen Entwicklung führen können [34]. Regionsunspezifisch konnte festgestellt werden, dass die pränatale Exposition gegenüber E-Zigaretten −Nik die Konzentration von induzierbarer Stickstoffmonoxid-Synthase (NO-Synthase) bei betroffenen Nachkommen steigerte. Eine gesteigerte NO-Synthase kann zur Dysregulation von Gehirnregulationswegen in Form von oxidativem Stress führen, wodurch es zu Schädigungen des ZNS kommen kann
[35].
Ein Aspekt, der mit Tabakkonsum häufig in Verbindung gebracht wird, ist die Appetithemmung. Kinder, die pränatal Tabak ausgesetzt wurden, zeigten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, während der Kindheit Übergewicht zu entwickeln, was auf die Effekte des Tabakentzugs zurückgeführt werden könnte [36]. In einer Studie wurde untersucht, ob sich diese Ergebnisse auch auf den Konsum von E-Zigaretten übertragen lassen. In Mäusen konnte ein erhöhtes Auftreten des Neuropeptids Y (NPY) durch mütterliche Exposition von E-Liquid −Nik beobachtet werden [35]. NPY wird im Hypothalamus produziert und gilt als Appetitstimulator. Ein erhöhtes Auftreten bei betroffenen Nachkommen kann also zu Gewichtszunahme, gegebenenfalls sogar zu Adipositas führen. Die Einnahme von Aerosol +Nik wirkte diesem Effekt entgegen. In den Nachkommen dieser Testgruppe konnten im Vergleich zu der Testgruppe, die Aerosol −Nik verabreicht bekam,
postnatal keine Veränderungen der Hunger-Reaktionswege festgestellt werden. Nachkommen, die pränatal −Nik Aerosolen ausgesetzt waren, zeigten hingegen Adiposität [35]. Diese Ergebnisse deuten an, dass Aerosol und dessen chemische Bestandteile Auswirkungen auf zerebrale metabolische Prozesse zu haben scheinen. E-Zigaretten-Exposition −Nik scheint somit nicht risikofrei zu sein.
Lunge und weitere Organsysteme
Veröffentlichungen zu den Auswirkungen auf die Lunge und weiterer Organsysteme sind [Tab. 2] zu entnehmen. Zu den Auswirkungen auf die Lunge konnten 4 Studien gefunden werden. Diese beziehen sich auf anatomische und funktionale Auswirkungen, Entzündungsprozesse und Epigenetik des Lungengewebes. Weitere Auswirkungen umfassen Ergebnisse zu kardiovaskulären sowie renalen Folgen und gesichtsmorphologischen Veränderungen.
Eine Studie zeigte, dass physiologische Prozesse, welche die Entwicklung der Lunge steuern, bei Nachkommen von Tieren, die E-Zigaretten +Nik vor der Befruchtung und ab der Befruchtung, ausgesetzt waren, herunterreguliert waren [37]. Es ist bekannt, dass dies dazu führen kann, dass sich die Lunge weniger differenziert entwickelt und ein höherer Anteil an Bindegewebe entsteht. Dies führt zu einer Einschränkung der Lungenfunktion [38]. Des Weiteren zeigte sich in Nachkommen, deren Mütter vor der Befruchtung E-Zigaretten +Nik ausgesetzt waren, zusätzlich eine erhöhte Elastizität der Lunge im Vergleich zur Kontrollgruppe. Abweichungen der Elastizität und somit die hier beobachtete erhöhte Elastizität führen zu einer erschwerten Atemtätigkeit und können Folgeerkrankungen der Lunge begünstigen [37]. Die Ergebnisse einer weiteren Studie zeigen, dass sowohl bei
E-Zigaretten-Exposition +Nik als auch −Nik bestimmte Wachstumsfaktoren im Lungengewebe betroffener Nachkommen erhöht sind und DNA-Methylierungsprozesse Veränderungen aufweisen [39]. Morphometrische Analysen zeigten außerdem, dass pränatale E-Zigaretten-Exposition +Nik in der neonatalen Lunge zu vermehrten Rissen des Lungengewebes führt [37]. In-vitro-Analysen zu den Auswirkungen von verschiedenen aromatisierten E-Liquiden auf fetale und neonatale Lungenzellen der Maus zeigten, dass unterschiedliche Aromen stark variierende Zellreaktionen hervorrufen. Während die reinen Trägerstoffe keine Auswirkungen auf die Zellen zeigten, wurde in Verbindung mit Menthol- und Erdbeeraroma ein erhöhter Zelltod beobachtet [40]. Menthol verursachte zudem eine Erweiterung der Bronchien [40]. Die Erweiterung der Bronchien bedingt bei Tieren und Menschen eine
insgesamt angenehmere Wahrnehmung von Atemvorgängen, sodass Symptome von Lungenerkrankungen deutlich verzögert wahrgenommen werden können [41]. Durch die Erweiterung der Bronchien wird zudem der Effekt des Passivrauchens für Neugeborene und Kleinkinder in der Nähe von E-Zigarettendämpfen verstärkt. Dies führt zu einer höheren Konzentration der Aromen, Trägerstoffen und ggf. Nikotin in der jungen, sich noch entwickelnden Lunge [40].
Weitere Ergebnisse zeigten Anzeichen, dass sowohl bei Jungtieren, deren Muttertiere pränatal als auch bereits vor der Befruchtung E-Zigaretten +Nik exponiert worden waren, mehrere inflammationsregulierende Gene verändert waren [37]. Diese Ergebnisse zeigten Anzeichen auf eine antiinflammatorische Wirkung von E-Zigaretten +Nik. Ebenso zeigten die Ergebnisse, dass auch die Exposition von E-Zigaretten +Nik vor der Befruchtung Auswirkungen auf den Nachwuchs haben können. Diese zeigten sich sowohl auf molokularer als auch auf anatomischer Ebene in Form von herunterregulierten Genen, welche die Funktion der Lunge unterstützen, und einer Erhöhung des Lungengewebes. Dies kann zu Lungenunreife und späteren Lungenerkrankungen führen [37]. Es ist bekannt, dass bestimmte proinflammatorische Zytokine bei Asthmapatienten und Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen erhöht auftreten. Hierzu gehören die
Interleukine 1β, 3, 4, 5, 6, 13 sowie der Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha [39]). Messungen direkt nach der Geburt konnten zeigen, dass Jungtiere nach pränataler E-Zigaretten-Exposition −Nik eine erhöhte Expression der Interleukine 5 und 13 sowie von TNF-alpha zeigten [39], was auf eine erhöhte Neigung zu asthmatischen Störungen hindeuten könnte. Dazu passend wurde in einer weiteren Studie getestet, inwieweit pränatale E-Zigaretten-Exposition Asthma auslöst [42]. Jungtiere, die prä- und postnatal E-Zigaretten-Aerosol +/−Nik ausgesetzt waren, wurden innerhalb eines Allergieexpositionsmodells auf ihre Lungenfunktionen und den Grad der Entzündungsreaktion getestet. Dabei wurde bei der +Nik Gruppe eine besonders hohe Empfindlichkeit auf Allergene und ein erhöhter Atemwegswiderstand gemessen. Beides kann eine Asthmasymptomatik provozieren. Die gleichen Ergebnisse konnten bei
Jungtieren gemessen werden, deren Mütter vor der Befruchtung konventionellen Zigaretten und nach der Befruchtung E-Zigaretten +Nik ausgesetzt waren. Als Ursache dafür wurde ein erhöhter mitochondrialer Sauerstoffverbrauch vermutet. Dies deutet auf geschädigte Mitochondrien mit resultierendem Gewebsuntergang hin, der zu erhöhter Fibrosierung führt [42].
Bei den Untersuchungen von Chen et al. (2017) konnte an Tag 1 nach der Geburt bei Mäusen der Gruppe −Nik eine 3-mal höhere DNA-Methylierung festgestellt werden als in der Kontrollgruppe. Die Gruppe +Nik zeigte ebenfalls eine Erhöhung der DNA-Methylierung im Vergleich zur Kontrollgruppe, die jedoch weniger ausgeprägt war als die der Gruppe −Nik. Dies spricht für eine Veränderung der Genaktivität, wobei weitere Studien zeigen müssen, welche Gene betroffen sind [39].
Kardiovaskuläres Organsystem
Untersuchungen an Nachkommen von Tieren, die von der Befruchtung bis zum Ende der Stillzeit E-Zigaretten-Aerosolen mit oder ohne Nikotin ausgesetzt waren, zeigten keine Veränderungen der Herzfrequenz. In der Gruppe mit E-Zigaretten +Nik wurde jedoch ein verminderter Blutfluss durch 2 Arterien, die den Fetus mit sauerstoffreichem Blut versorgen, festgestellt [43]. In neugeborenen Zebrafischen führte pränatale Exposition gegenüber E-Liquid +Nik zu schweren Herzfehlbildungen, verminderter Herzfunktion sowie zu Perikardergüssen [44]. Letzteres umfasst eine Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel, die zu der Reduktion des Herzminutenvolumens führt [45]. Es wurde zudem eine verminderte Expression kardialer Transkriptionsfaktoren gefunden. Dies führt zu einer verzögerten Differenzierung und Entwicklung der Herzzellen, wodurch es zu Herzfehlern kommen kann. In den Herzmuskelzellen
wurde zusätzlich eine reduzierte Expression der Gene, die Muskelbestandteile kodieren, festgestellt [46]. Dies resultiert in einer verringerten Anzahl an kontraktilen Einheiten des Muskels. In der Folge können sich die Herzmuskelzellen nur eingeschränkt entwickeln und der Herzmuskel wird weniger leistungsfähig [47].
Renales Organsystem
Pränatale E-Zigaretten-Exposition führte laut einer Analyse mit Mäusen zu einer geringeren Dichte an Nierenkörperchen bei betroffenen Nachkommen. Dieser Befund indiziert, dass die Niere weniger weit entwickelt ist und die Nierenfunktionen, darunter die Filterfunktion, die Regulation von Wasser-, Nährstoff- und Elektrolythaushalt sowie des Blutdrucks, eingeschränkt sind [48]. Das oxidative Stresslevel in Zellen der Niere war nur bei Jungtieren, deren Mütter E-Zigaretten −Nik ausgesetzt waren, erhöht [48]. Darüber hinaus war das Entzündungsgeschehen in der Niere in allen Jungtieren, die pränatal E-Zigaretten ausgesetzt waren, erhöht. Eine anhaltende Entzündungsreaktion führt zu zunehmender Vernarbung und Fibrosierung, also dem Ersatz von funktionellem Gewebe durch Bindegewebe. Trotz der erhöhten Expression auf Genebene war insgesamt jedoch kein verstärktes Auftreten von Bindegewebe feststellbar. Allerdings
gilt dies nur für die Jungtiere und verhält sich in weiter fortgeschrittenen Entwicklungsphasen gegebenenfalls anders [48].
Gesichtsmorphologische Veränderungen
Eine Forschungsarbeit analysierte Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf die kraniofaziale Morphologie von Krallenfröschen. Getestet wurden reine E-Liquide mit unterschiedlich hohen Nikotinkonzentrationen und 6 im Handel erhältliche aromatisierte E-Liquide mit untereinander vergleichbarer Nikotinkonzentration [49]. Die Analyse zeigte, dass die Exposition des reinen E-Liquids mit allen Nikotinkonzentrationen zu Veränderungen führte. Beobachtet werden konnten rundere Münder sowie enger zusammenliegende Augen. Die Veränderungen waren deutlicher in der Gruppe, deren Müttern das E-Liquid mit der höchsten Nikotinkonzentration (24 mg/ml) verabreicht wurde [49]. Vier der 6 handelsüblichen Liquide führten vergleichbar zu unbedeutsamen Veränderungen der Gesichtsmorphologie. Zwei E-Liquide führten jedoch zu signifikanten Veränderungen hinsichtlich hervorstehender Augen, einem schmaleren
Mittelgesicht und einem runderen, schmaleren Mund mit einer dreiecksförmigen Oberlippe. Die signifikanten Unterschiede können nicht durch einen höheren Nikotingehalt erklärt werden, da alle 6 Liquide einen vergleichbaren Nikotingehalt hatten [49]. Auch die Exposition mit diesen 2 Liquiden −Nik führte zu einer signifikanten Gesichtsdeformation, wenn auch geringfügiger als durch die Exposition zu einem Liquid mit einem hohem Nikotingehalt [49].
Geburtsparameter
Im Folgenden werden die Auswirkungen pränataler Exposition von E-Zigaretten auf Geburtsparameter wie das Geburtsgewicht oder die Wurfgröße betroffener Nachkommen angegeben. Von den insgesamt 17 untersuchten Veröffentlichungen haben 12 Hinweise zu diesen Parametern gegeben, die [Tab. 3] zu entnehmen sind.
In 4 der 17 untersuchten Studien konnten weder Totgeburten noch eine erhöhte infantile Sterblichkeit beobachtet werden [21], [22], [29], [32], [37]. Dies bezieht sich sowohl auf maternale pränatale E-Zigaretten-Exposition ab dem Zeitpunkt der Befruchtung als auch auf die beider Elternteile Wochen vor der Befruchtung. Untersuchungen beim Zebrafisch konnten in der Gruppe E-Liquid +Nik allerdings eine verminderte Überlebensrate innerhalb der ersten 72 Stunden feststellen [46].
Mehrmals wurde ein reduziertes Geburtsgewicht in Verbindung mit +Nik pränataler E-Zigaretten-Exposition gebracht [21], [22], [37], [43], [48]. In einer Studie waren die Muttertiere vor der Geburt konventionellem Tabak ausgesetzt [21]. Gegen die Vermutung, dass das Geburtsgewicht vor allem durch einen hohen Nikotingehalt gesenkt wird, sprechen die Ergebnisse von Smith et al. (2015). In dieser Studie führte die pränatale Exposition von +Nik und −Nik zu einer Reduktion des Geburtsgewichts, wobei dieser Effekt für −Nik gegenüber +Nik sogar verstärkt war [21]. Gewichtsmessungen im Erwachsenenalter ergaben jedoch einheitlich, dass sich jegliche Geburtsgewichtsunterschiede im späteren Leben normalisieren [21], [22], [32], [39]. Neben dem Körpergewicht wurde auch das Gewicht der Leber und Nieren gemessen. Die Messung 1 Tag nach der Geburt ergab keine Unterschiede des Lebergewichts zwischen den Testgruppen. Im Alter von 20 Tagen ergaben Messungen, dass passive prä- und postnatale E-Zigaretten-+Nik-Aerosol-Exposition mit einem höheren Lebergewicht, prozentual zum Körpergewicht, korrelierten. Im Erwachsenenalter wurde bei den Nachkommen der Gruppe mit E-Liquid −Nik, verglichen mit der Kontroll- und E-Liquid-+Nik-Gruppe, ein signifikant vermindertes Lebergewicht festgestellt [35]. Pränatale Exposition gegenüber E-Zigaretten +Nik zeigte zu keinem Zeitpunkt eine Veränderung des Nierengewichts [48].
Die Verteilung der Fettspeicher wird in Tierstudien oft untersucht, da sie Auskunft über Anzeichen von Adiposität gibt [48]. Messungen im Alter von 1 Tag ergaben keine Unterschiede der Fettverteilung zwischen den Testgruppen [50]. Bei 20 Tage alten Mäusen, die pränatal der E-Liquid-Gruppe −Nik zugeordnet wurden, ergaben Messungen einen erhöhten Abdominalfettwert [39]. Die gleiche Testgruppe zeigte in einer weiteren Studie einen erhöhten Wert der Fettgewebe in der Region des Epididymis [35]. Die Epididymis-Region erstreckt sich in Mäusen seitlich von den Hoden bis zum Diaphragma [39]. Unabhängig des Nikotingehalts konnte pränatale E-Zigaretten-Exposition zudem mit einer erhöhten Fettmasse in der Bauchhöhle in Verbindung gebracht werden. Im Erwachsenenalter normalisierten sich diese Befunde, jedoch konnte die
Erhöhung der Fettmasse in der Bauchhöhle bei Nachkommen, die pränatal +Nik oder −Nik E-Zigaretten-Aerosolen ausgesetzt waren, beobachtet werden [50].
Messungen der Körperlänge an postnatal Tag 1 zeigte in 2 Studien eine signifikante Reduktion der Körpergröße nach pränataler E-Zigaretten-Exposition +Nik [39]. Die Ergebnisse von Nöel et al. (2020) zeigten keine signifikanten Unterschiede nach pränataler Exposition ab der Befruchtung sowie nach 12 Tagen vor der Befruchtung.
Kognition und Verhalten
In dem folgenden Abschnitt werden die Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition auf Kognition und Verhalten betroffener Nachkommen angegeben. Von den insgesamt 17 untersuchten Studien haben 5 hierzu Hinweise gegeben. Diese sind [Tab. 4] zu entnehmen.
Veränderungen des Kurzzeitgedächtnisses bei Mäusen können durch den Novel-Object-Recognition-Test gemessen werden. Hierbei wird das Testobjekt in eine Box mit 2 identischen Blöcken platziert. Nach einer Gewöhnungsphase wird einer der Blöcke durch einen Block mit unterschiedlicher Form und Farbe ersetzt. Gemessen wird die Explorationszeit des neuen Blockes. Grundlage des Tests ist die Annahme, dass Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses, wodurch der alte Block nicht als bekannt erinnert wird, dazu führen, dass nach dem Wechsel beide Blöcke gleich lang exploriert werden [35]. Adoleszente Mäuse, die pränatal E-Zigaretten-Dampf ausgesetzt waren, zeigten bei der Testung eine signifikante Verschlechterung der Objektwiedererkennung [22]. Dies zeigt sich für die +Nik und −Nik im Vergleich zur Kontrollgruppe [22] und konnte im Erwachsenenalter der Tiere [32] repliziert werden. Weiterhin wurden Mäuse untersucht, die bis zur Befruchtung konventionellen Zigaretten exponiert waren und dann, weitergehend ab der Befruchtung, E-Zigaretten +Nik exponiert waren. Beobachtet wurde hier eine deutlich eingeschränkte Objektwiedererkennung im Erwachsenenalter [29]. Unter Anwendung des Open-Field-Tests, durch den die Bewegungsaktivität gemessen wird, konnte in einer Studie, im Vergleich zu der Kontrollgruppe, eine deutlich erhöhte Aktivität in Nachkommen festgestellt werden, die pränatal E-Zigaretten-Rauch +Nik ausgesetzt waren [22]. Hinsichtlich der Übertragung auf den Menschen könnten diese Ergebnisse Hinweise darauf geben, dass im weiteren Entwicklungsverlauf die Entstehung von Störungsbildern wie ADHS begünstigen werden könnten. Dies bleibt jedoch unklar und bedarf weiterer Forschung [22]. Unter Anwendung des
Elevated-Plus-Maze-Tests legten Mäuse, die pränatal E-Liquid +Nik sowie E-Liquid −Nik ausgesetzt waren, eine signifikant weitere Distanz zurück als die Kontrollgruppe [21]. Der gleiche Effekt konnte auch für Mäuse in der Adoleszenz festgestellt werden [51]. Der Elevated-Plus-Maze-Test besteht aus einer Box mit 4 Gängen, die aus der Vogelperspektive einem Plus-Zeichen gleicht. Die Hälfte der Gänge ist von Wänden umgeben, die andere Hälfte besteht nur aus Boden. Ausschlaggebend für die Testung von Angstverhalten ist, dass ein längerer Aufenthalt in den offenen Gängen und das Zurücklegen einer weiteren Distanz als ein niedriges Angstverhalten interpretiert wird [32].Eine weitere Studie bestätigte diese Ergebnisse. Mäuse, die pränatal sowohl E-Liquid +Nik als auch −Nik exponiert waren, zeigten einen längeren Aufenthalt in den Gängen. Dieses Verhalten kann darauf hindeuten, dass
pränatale E-Zigaretten-Exposition das Angstverhalten von Mäusen unabhängig des Nikotingehalts vermindert [29]. Ein signifikant längerer Aufenthalt in den offenen Gängen konnte bei Tieren im Jugendalter, die pränatal E-Liquid +Nik exponiert waren, festgestellt werden [51]. Der gleiche Effekt zeigte sich bei Mäusen, deren Mütter ab der Befruchtung von konventionellem Tabak auf E-Liquid-+Nik-Exposition umgestellt wurden [21]. Die Ergebnisse von Nguyen et al., 2019, und Smith et al., 2015, weisen somit darauf hin, dass die Nachkommen, die pränatal E-Zigaretten-typischen Aerosolen mit oder ohne Nikotin ausgesetzt waren, aktiver und weniger ängstlich sind und mit größerer Wahrscheinlichkeit unterschiedliche Umgebungen erkunden. Weitere Messwerte verringerten Angstverhaltens werden in der Literatur in Form von Verhaltensweisen wie Körperdehnungen, das Aufstellen auf die
Hinterpfoten sowie das Stupsen des Kopfes beschrieben [32], [51]. Stupsbewegungen des Kopfes konnten vermehrt bei Jungtieren beobachtet werden, die pränatal E-Liquid +Nik ausgesetzt waren [21]. Ergebnisse über das Auftreten von Körperdehnungen im Rahmen des Elevated-Plus-Tests unterschieden sich bei offenen und geschlossenen Gängen. Während die Bewegungen in den geschlossenen Gängen bei allen Versuchsgruppen gleich oft beobachtet werden konnten, führten Tiere der Versuchsgruppe pränataler E-Liquid-Exposition −Nik die Bewegung in offenen Gänge signifikant öfter aus [21], [51]. Ergebnisse zu den Auswirkungen hinsichtlich der Angstsymptomatik scheinen im weiteren Entwicklungsverlauf nicht eindeutig. Ein verringertes Angstverhalten, gemessen an der gesteigerten Dauer des Aufenthaltes in offenen gegenüber
geschlossenen Gängen, konnte in der Adoleszenz nach pränataler E-Liquid-Exposition unabhängig vom Nikotingehalt erneut gemessen werden. Der 2. Messwert ergab bei pränataler Nikotinexposition ein vermehrtes Auftreten explorativer Stupsbewegungen des Kopfes. Zudem wurde die Körperdehnung bei pränataler E-Liquid-Exposition −Nik sowie Tabakexposition gefördert. Bezüglich des Verhaltens zeigten die aufgeführten Studien, dass dieses durch pränatale E-Liquid-Exposition zwar beeinflussbar zu seien scheint, diese Veränderungen jedoch insgesamt unabhängig vom Nikotingehalt zu bemerken waren.
Diskussion
Diese Arbeit diskutiert 17 Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition der letzten 10 Jahre. Darunter wurden Forschungsarbeiten zu neurobiologischen Auswirkungen (n = 8) und Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen auf die Lunge und weitere Organsysteme gefunden (n = 8). Einige der insgesamt 17 Studien gaben zusätzlich Auskunft über Auswirkungen auf Geburtsparameter (n = 12) und Auswirkungen auf Kognition und Verhalten (n = 5). Bei allen Forschungsarbeiten handelte es sich um Tierversuche oder In-vitro-Studien. Humanstudien fanden sich in der aktuellen Literatur bisher nicht wieder.
Vergleich zu Auswirkungen konventioneller Zigaretten
Ein konkreter Vergleich der Auswirkungen von pränataler Exposition gegenüber E-Zigaretten und konventionellen Zigaretten ist aktuell aufgrund fehlender Humanstudien limitiert. Bisherige Ergebnisse pränataler E-Zigaretten-Exposition, die auf In-vitro- und Tierstudien basieren, sind nicht vollständig auf den menschlichen Organismus übertragbar und dementsprechend nicht direkt mit denen von konventionellen Zigaretten zu vergleichen [52], [53]. Die geringe Anzahl der gefundenen Studien und die nicht vorhandenen Humanstudien könnten sich durch die Tatsache erklären lassen, dass E-Zigaretten erst seit 2007 als Produkt auf dem Markt erhältlich sind und erst in den letzten Jahren an Popularität gewonnen haben [54]. Die meisten In-vitro- und Tierstudien deuten auf eine potenzielle Gefahr für den sich entwickelnden Fetus hin, primär aufgrund des konsumierten Nikotins [7], [16]. Diese Substanz ist ebenso wie bei konventionellen Zigaretten ein Hauptbestandteil der E-Zigarette. Somit könnten Folgeschäden, die anhand von Humanstudien durch pränatale Exposition konventioneller Zigaretten und nikotinhaltiger Tabakprodukte bekannt sind, auch durch nikotinhaltige E-Zigaretten verursacht werden.
Nikotin passiert die Plazenta und verteilt sich so im fetalen Organismus. Daraufhin kann es durch den Fetus nur langsam eliminiert werden, was zu einer höheren Exposition führt [55]. Humanstudien belegen, dass Nikotinexposition eine der Hauptursachen für ein breites Spektrum negativer und pathologischer Geburtsergebnisse wie ein niedriges Geburtsgewicht, Fehl- und Totgeburten ist [3], [55]. Weiterhin wird in der Literatur über ein signifikant erhöhtes Risiko für plötzlichen Kindstod, Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes [3], [56] und eine Verringerung der männlichen Reproduktionsfähigkeit [57] und früheren Menarche bei Mädchen [56] berichtet. Nikotinkonsum während der Schwangerschaft beeinflusst verschiedene physiologische Parameter bei Schwangeren, was zu
einem Sauerstoffmangel beim Fetus führt. Es reduziert dessen Nährstoffversorgung durch eine nikotinbedingte uteroplazentare Durchblutungsstörung [56]. Infolgedessen kann ein breites Spektrum von Atemwegserkrankungen wie Bronchitis oder Asthma auftreten [3], [56]. Durch das Überqueren der Plazentaschranke beeinflusst Nikotin außerdem die neuronale Entwicklung über das Neurotransmittersystem [56]. Aufgrund der hohen Ähnlichkeit von Nikotin zu dem Neurotransmitter Acetylcholin wird angenommen, dass Nikotin an seine Rezeptoren bindet [58], [59]. Nikotinacetylcholinrezeptoren sind an der Entwicklung verschiedener Neurotransmittersysteme beteiligt, die durch Nikotinkonsum dysreguliert werden [59]. Dadurch kann es zu Fehlern in der Verarbeitung
grundlegender kognitiver Prozesse wie Lernen, Gedächtnis und Aufmerksamkeit kommen [60]. Weitere Effekte, die sich in späteren Entwicklungsstadien bemerkbar machen können, sind Verhaltensauffälligkeiten wie eine geringere globale Intelligenz [56], oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Allein durch die bekannten Auswirkungen des Nikotins wird deutlich, dass der Konsum nikotinhaltiger E-Zigaretten weniger einer alternativ-sicheren Möglichkeit zur Entwöhnung konventioneller Zigaretten dient, sondern vielmehr zu genannten Folgeschäden bei betroffenen Nachkommen führen kann.
Tabakrauch konventioneller Zigaretten enthält neben Nikotin zahlreiche weitere Schadstoffe. Etwa 40 von diesen sind fetotoxisch, einschließlich Teer und Kohlenmonoxid [61]. Elektronische Nikotinabgabesysteme sind nicht brennbar und es wird angenommen, dass sie im Vergleich zu konventionellen Zigaretten entsprechend weniger Toxine wie Kohlenmonoxid enthalten [62]. Allerdings sind neben dem Nikotingehalt auch weiteren Inhaltstoffe der E-Zigarette und deren Wirkungsweise zu beachten. Viele der Untersuchungen über die Auswirkungen von pränataler E-Zigaretten-Exposition auf den Fetus beziehen sich lediglich auf die Auswirkungen von reinem Nikotin und nicht auf das E-Zigaretten-Aerosol als Ganzes. Dennoch gibt es auch Hinweise auf Folgeschäden, die nicht auf das Nikotin, sondern auf die weiteren Bestandteile von E-Zigaretten wie Aromen und Trägerstoffe zurückzuführen sind [22], [48]. Neben Nikotin enthalten die zu konsumierenden Liquide der E-Zigaretten Trägerstoffe wie Propylenglykol und Glycerin sowie verschiedene Aromen. Propylenglykol und Glycerin sind farblose viskose Flüssigkeiten süßen Geschmacks. Die Effekte, die durch das Einatmen dieser Trägerstoffe hervorgerufen werden, sind noch unbekannt, weshalb ein negativer Effekt nicht auszuschließen ist. Einige der aromatisierten „Säfte“ können zudem noch reizender für die Lunge sein als die Inhaltsstoffe konventioneller Zigaretten. Außerdem scheinen Aromen sich unterschiedlich auszuwirken. Dies zeigte sich anhand von Untersuchungen des Lungengewebes betroffener Nachkommen, wobei zwar Menthol- und Erdbeeraroma, nicht aber Tabak- oder Vanillearoma einen erhöhten Zelltod verursachten [40]. Am gesundheitsschädlichsten scheint das Kirscharoma zu sein, da es Benzaldehyde enthält, die fetotoxisch wirken [63]. Bisherige Erkenntnisse sind noch durch weitere Forschung anhand von Humanstudien zu ergänzen. Jedoch lässt sich die Annahme, dass die E-Zigarette als sicherere Alternative gegenüber herkömmlichen Zigaretten einzuordnen ist, ausschließen.
Methodische Limitationen
Die vorliegende Übersichtsarbeit weist im Hinblick aktueller Forschungsergebnisse einige Limitationen auf. Studien zu Untersuchungen von Auswirkungen pränataler E-Zigaretten-Exposition zeigen eine methodische Heterogenität hinsichtlich bestimmter Aspekte. Beispielsweise werden verschieden lange Expositionszeiträume angewandt, bei denen die tragenden Tiere dem Liquid der E-Zigarette ausgesetzt werden. Hierdurch variiert die Intensität der Exposition, die sich dementsprechend auch auf das Ausmaß der zu beobachtenden Effekte bei den Nachkommen auswirkt. Hinzu kommt eine bisher unzureichende Erforschung der Trägerstoffe und Aromen der Liquide der E-Zigarette. Während der Vergleich zu konventionellen Zigaretten bisher primär hinsichtlich der Substanz Nikotin gezogen werden kann, fehlt es an ausreichend Studien, welche die Auswirkungen von Trägerstoffen und verschiedenen Aromen untersuchen. In der bisherigen Literatur gibt es bereits Hinweise darauf, dass es zu negativen
Auswirkungen, bedingt durch Trägerstoffe und Aromen, kommen kann [22], [40], [48]. Hierzu ist jedoch noch wenig bekannt.
Zudem fehlt es der aktuellen Literatur eindeutig an Humanstudien. Durch noch unzureichend dokumentierte Prävalenzen von E-Zigaretten-Konsum allgemein und während der Schwangerschaft ist ein konsistenter, globaler Vergleich nicht möglich. Dies erschwert adäquate Präventionsansätze betreffend entsprechender Zielgruppen. Darüber hinaus lassen sich noch keine eindeutigen Aussagen zu den Effekten pränataler E-Zigaretten-Exposition auf betroffene Nachkommen tätigen.
Die Transferierbarkeit von Ergebnissen aus Tierstudien auf den menschlichen Körper sowie zwischen verschiedenen Tierarten ist umstritten. Mäuse und Affen ähneln dem Menschen aufgrund einer vergleichbaren evolutionären Entwicklung [52]. Zudem besitzen Mäuse die gleichen Organe sowie ähnlich funktionierende Kreislauf-, Fortpflanzungs-, Verdauungs-, Hormon- und Nervensysteme wie der Mensch. Durch diese Ähnlichkeiten kann es dazu kommen, dass speziell Mäuse Krankheiten entwickeln, die dem äquivalenten Krankheitsbild der Menschen sehr nah kommen. Somit lassen sich die Ergebnisse aus Mausmodellen teilweise auf den Menschen übertragen [53]. Im Rahmen von Tiermodellen ist es möglich, experimentell vielseitig zu arbeiten, trotzdem ist es wichtig, Humanstudien zu den Auswirkungen von E-Zigaretten auf die frühe Entwicklung anzustreben. Das bisherige Fehlen von Humanstudien mag damit zusammenhängen, dass der Konsum
von E-Zigaretten noch nicht flächendeckend als unsichere und potenziell schädliche Alternative zu herkömmlichen Zigaretten gesehen wird und dieser Ansatz medizinisch vertreten wird.
Insbesondere in Bezug auf die E-Zigaretten-Exposition lassen sich auch methodische Limitationen in den Tierversuchsmodellen feststellen. Im Gegensatz zu Menschen werden Versuchstiere dem E-Zigaretten-Aerosol, während sie sich in einer dafür vorgesehenen Apparatur befinden, in Form eines Passivkonsums ausgesetzt. Bei der nasalen Inhalation werden zusätzliche Luftpartikel eingeatmet, die die Ergebnisse beeinflussen können. Obwohl nicht ausreichend untersucht ist, inwiefern dies von Bedeutung ist, scheint darin ein methodischer Nachteil der Tierstudien im Vergleich zu Humanstudien zu liegen [32]. Ein weiterer Aspekt, der bei Untersuchungen anhand von Tiermodellen beachtet werden sollte, ist, dass sich die Entwicklung des Gehirns von der des humanen Organismus unterscheidet. Die Entwicklungsphase, die im menschlichen Fetus im 3. Trimenon abgeschlossen wird, dauert bei Mäusen bis in die postnatale Zeit an. Übertragen auf den humanen
Organismus handelt es sich bei Ergebnissen von Tierexperimenten bezüglich früher postnataler Phasen somit noch um den vorgeburtlichen Zeitraum bei humanen Organismen [32].
Implikationen für weitere Forschung und klinische Praxis
Eine zunehmend angeglichene methodische Vorgehensweise mit beispielsweise kohärenten Expositionszeiträumen von E-Liquiden könnte zu einer besseren Vergleichbarkeit der Studien untereinander führen. Primär bei Tiermodellstudien ließen sich methodische Verfahren vereinheitlichen, da Expositionszeiträume und auch -medien einheitlich angewandt werden können. Bei humanen Stichproben ist dies hingegen limitiert. Hier könnte für zukünftige Forschung darauf geachtet werden, Prävalenzen des Konsums von E-Zigaretten sowie Auswirkungen auf betroffene Nachkommen einheitlich zu erfassen. Zur Erfassung der genauen Prävalenzen bedürfe es einheitlicher Definitionen von Konsummengen wie geringe, moderate oder große Mengen und bestenfalls Messungen des Gehalts der toxischen Substanzen durch Biomarker. Anhand von Fragebögen ließe sich, wie in aktuellen Untersuchungen von Schilling et al. [5], die Risikoeinschätzung des E-Zigaretten-Konsums untersuchen.
Dies könnte zu der Entwicklung adäquater Präventionsmaßnahmen beitragen.
Des Weiteren ist es essenziell, Humanstudien zu etablieren, um die bisherigen Erkenntnisse der In-vitro- und Tierstudien zu überprüfen. Dies würde die Vergleichbarkeit zu konventionellen Zigaretten hinsichtlich der Auswirkungen auf humane Nachkommen vereinfachen, und die Auswirkungen der E-Zigaretten-Exposition könnten entsprechend eindeutiger in den Forschungskontext eingeordnet werden.
Primär bildet die aktuelle Literatur negative Einflüsse des Nikotins als Bestandteil von E-Zigaretten ab (z. B. [23]). Aufgrund der zusätzlich enthaltenen Trägerstoffe und Aromen wäre es ebenfalls essenziell, die Auswirkungen dieser weiter zu beforschen. Dies ist besonders wichtig für eine hinreichende Risikobewertung des E-Zigaretten-Konsums während der Schwangerschaft.
In der klinischen Praxis sollte basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen präventiv über mögliche zahlreiche Folgeschäden aufgeklärt werden. Bei einer Abfrage der Risikoeinschätzung und entsprechender Beratung der Schwangeren können auch Parallelen zu konventionellen Zigaretten aufgezählt werden, die hinsichtlich des Nikotins bereits als fetotoxische Substanz bekannt sind. Hier könnte verdeutlicht werden, dass die E-Zigarette nicht mehr als eine zu Beginn angegebene sichere Alternative konsumiert werden kann, sondern dies bereits durch aktuelle Forschungsergebnisse widerlegt ist. Dies könnte unterstützt werden, indem darauf aufmerksam gemacht wird, dass auch gesundheitsbezogene Institutionen wie die WHO die Empfehlung aussprechen, keine E-Zigaretten während der Schwangerschaft zu konsumieren. Auch sollte darüber aufgeklärt werden, dass der Konsum bei der Planung oder Möglichkeit einer Schwangerschaft bereits eingestellt werden sollte, um frühe
Schwangerschaftsabbrüche oder Folgeschäden betroffener Nachkommen zu vermeiden. Dies könnte im Rahmen gynäkologischer Vorsorgeuntersuchungen und Schwangerschaftsscreenings durch Hebammen und Gynäkologen sowie in der Praxis weiterer Berufsgruppen sozialer und medizinischer Bereiche realisiert werden.