Erfahrungsheilkunde 2021; 70(04): 181
DOI: 10.1055/a-1528-3686
Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Volker Schmiedel

„... denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“* (Epikur 341–270 v. Chr.). Dieses Zitat hat mir in einer schweren Lebensphase Trost gespendet und Mut verliehen.

Mit Worten, Affirmationen und Gesprächen können wir sicher dazu beitragen, Ängste zu mindern, nicht immer reicht dies aber aus. Mitunter sind auch materielle Substanzen vonnöten. Dabei denken wir hier in der EHK natürlich primär nicht an synthetische Anxiolytika wie die berühmten, aber auch abhängig machenden Benzos.

Vielmehr gibt es eine Vielzahl von Heilpflanzen, die Ängste nicht unterdrücken und Ruhe nicht erzwingen, sondern Gelassenheit ermöglichen. Die wichtigsten sind dabei Lavendel, Melisse und Passionsblume. Für Lavendelpräparate existieren mittlerweile RCTs, bei denen Lavendel starken Psychopharmaka nicht nachstand.

Bleiben wir bei der Phytotherapie. Stellt die Corona-Impfung wirklich den einzigen Schutz vor COVID-19 dar? Wir wollen hier keine Alternativen zur Impfung aufführen, aber es mehren sich Belege, dass orthomolekulare Substanzen und Phytotherapeutika zum Schutz des Immunsystems erheblich beizutragen vermögen. Zur Zistrose gibt es diesbezüglich zwar noch keine harten klinischen Studien, aber immerhin Laboruntersuchungen, die Hinweise auf einen lokalen Schutz vor Virusinfektionen bieten.

Und Phytotherapie zum Dritten. Kava-Kava, der Rauschpfeffer (der übrigens gar nicht berauscht, sondern eher beruhigend und entängstigend wirkt), war vor vielen Jahren eines meiner Lieblings-Phytotherapeutika, bevor unter fadenscheinigen Begründungen des für Medikamente zuständigen Bundesamtes die Zulassung widerrufen wurde. Die Beamten haben der Bevölkerung damit einen Bärendienst erwiesen, da viele Patienten dann wieder auf die viel nebenwirkungsreicheren Benzos auswichen. Unser Artikel erzählt die Geschichte dieses wissenschaftlichen und juristischen Skandals.

Zurück zu immateriellen Therapien. Bei konkreten Ängsten wie Höhen- oder Spinnenangst werden mit der kognitiven Verhaltenstherapie so gute Erfolge erzielt, dass diese mittlerweile bei diesen Ängsten als Mittel der Wahl gilt. Durch schrittweise (manchmal mit sehr kleinen Schritten) und behutsame Provokation mit der angstmachenden Situation wird geradezu eine Hyposensibilisierung erzielt.

In der Übergangszone zwischen einer materiellen und einer geistigen Therapie befindet sich die Homöopathie. In gleich zwei Beiträgen erfahren wir erstaunliche Einblicke in die Möglichkeiten, mit kleinsten Mengen des richtig gewählten Mittels Ängste zu nehmen.

Wovor haben die meisten Menschen im Moment wohl die größte Angst? Vermutlich vor COVID-19 und den chronischen Folgen, die wir inzwischen als Long-COVID bezeichnen. Es gibt mittlerweile zwar universitäre COVID-Ambulanzen, aber bei Lichte besehen haben diese kein wirkliches Therapieangebot zu bieten. Ganz anders die Komplementärmedizin. Wir wissen heute, dass die Schädigung der Mitochondrien ganz wesentlich am Long-COVID-Geschehen beteiligt ist. Leider (oder zum Glück?) gibt es bisher nur naturheilkundliche Therapieansätze, um den „Kraftwerken der Zelle“ wieder einzuheizen.

Leider wurde im vergangenen Corona-Jahr nicht die Ruhe als erste Bürgerpflicht ausgerufen, sondern bereits vorhandene Ängste wurden von Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten noch fleißig geschürt. Das war nicht nur nicht hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv. Eine neue Studie ergab, dass Angst gleich nach Adipositas den zweitwichtigsten Risikofaktor für einen tödliche Verlauf von COVID-19 darstellt. Da möchte ich provokativ fragen: Wie viele Tote gehen eigentlich auf das Konto dieser Angstmacher?

Wir hoffen, dass wir mit dieser Ausgabe zur Entängstigung beitragen können. Und letztlich sollten wir in allem auch das Gute sehen: „Die Grundlage des Optimismus ist nackte Angst.“ (Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Grey).

Mit herzlichen und optimistischen Grüßen,
Dr. Volker Schmiedel

* Quelle: zit. n.: Juckel G et al. Die Angst vor dem Tod und ihre Bedeutung für die Psychiatrie. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie 2018; 86 (04): 226–232



Publication History

Article published online:
23 August 2021

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