Intensivmedizin up2date 2022; 18(02): 193-206
DOI: 10.1055/a-1533-0111
Allgemeine Intensivmedizin

Psychologische Aspekte während und nach intensivmedizinischer Behandlung von ARDS

Teresa Deffner
1   Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena
,
Anke Hierundar
,
Christian Karagiannidis
› Author Affiliations

Ungefähr 10% aller intensivpflichtigen Patienten entwickeln ein akutes Atemnotsyndrom (Acute respiratory Distress Syndrome; ARDS). Durch die COVID-19-Pandemie kam es zu einer Häufung von Patienten mit schwerem ARDS. Das Erleben dieser schweren respiratorischen Insuffizienz geht mit dem Empfinden existenzieller Angst bei vielen Patienten einher. Der Beitrag stellt die psychologische Unterstützung während und nach der intensivmedizinischen Behandlung des ARDS dar.

Kernaussagen
  • Ungefähr 10% aller intensivpflichtigen Patienten entwickeln ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS), das mit nichtinvasiver bzw. invasiver Beatmung und weiteren Verfahren wie ECMO behandelt wird.

  • Insbesondere bei nichtinvasiver Beatmung ist während der intensivmedizinischen Behandlung die Adhärenz des Patienten bezüglich der Maßnahmen von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit, da z. B. die Bauchlagerung nur vom Patienten selbst durchgeführt werden kann und er Toleranz gegenüber dem nasalen High Flow (HFNC) und der nichtinvasiven Beatmung (NIV) aufbauen muss.

  • Patienten, die wach an der ECMO behandelt werden, sehen sich mit der Situation der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Mit dieser Situation gehen Patienten unterschiedlich um, und sie kann zum Empfinden existenzieller Angst führen. In dieser Situation ist die ärztliche Gesprächsführung, die Formulierung von Therapiezielen mit dem Patienten und das Gespräch über eine mögliche palliative Behandlung von hoher Bedeutung.

  • Angehörige sollen zu jedem Zeitpunkt der Behandlung als Mitbehandler einbezogen werden. Sie unterstützen die Adhärenz des Patienten, steigern das Wohlbefinden und geben ihm die notwendige soziale Unterstützung.

  • Wichtig in allen Krankheitsphasen sind regelmäßige, strukturierte Angehörigengespräche, im Rahmen derer Angehörige konsistente Informationen sowie psychosoziale Unterstützung erhalten.

  • Vor dem Hintergrund hoher Prävalenzen u. a. für psychische Folgestörungen und Symptome im Rahmen des Post-Intensive Care Syndrome (PICS) ist für Patienten mit einem hohen Risiko für Folgebelastungen eine psychologische Nachsorge und bei Bedarf eine weiterführende therapeutische Anbindung zu empfehlen. Allerdings fehlen bislang geeignete multimodale Nachsorgekonzepte und erforderliche Versorgungsstrukturen.



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Article published online:
24 May 2022

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