Zusammenfassung
In den letzten 25 Jahren haben die meisten Länder der westlichen Welt
tiefgreifende Veränderungen ihrer Gesundheitssysteme erfahren. Die
Auswirkungen des sozio-ökonomischen Kontexts auf die
Balint-Gruppenarbeit wird herausgearbeitet. Die Ansätze von Enid und
Michael Balint werden verbunden mit den systemtheoretischen und
konstruktivistischen Modellen von Heinz von Förster und Kurt Buchinger.
Das von Förster’sche Modell der „trivialen
Maschine“ dient als Erläuterung, warum im modernen
kommerzialisierten Gesundheitswesen die Balint’schen „Typ
I-Patienten“ bevorzugt werden. „Typ II-Patienten“
hingegen werden entweder zu Typ I Patienten umdefiniert oder ganz aus dem System
eliminiert. Der Zusammenhang zwischen ökonomischem Druck und der
„Übersetzung“ von kranken Individuen in digitale
Algorithmen wird skizziert. Die Arzt-Patient-Beziehung wird als komplexer
Prozess in einem sozio-ökonomischern Kontext definiert, der
Balint‘sche Begriff der Gesamtdiagnose wird aufgegriffen. In dem so dem
entworfenen Modell kommt dem Leiter einer Balint-Gruppe die Aufgabe zu,
für die Teilnehmer als „Experte des Nicht-Wissens“ ein
Rollenmodell zu sein. Balint-Arbeit in diesem Sinne fördert die
„Expertise des Nicht-Wissens“ und ermöglicht so einen
verstehenden Zugang zu Typ II-Patienten, für die es in der digital
konzipierten modernen Medizin keine Theorie und daher nur mangelhafte
diagnostischen und therapeutische Perspektiven gibt.
Abstract
During the last 25 years fundamental changes took place in in most countries of
the western world. The effect of the socio-enonomical context on Balint-groups
is outlined. Interrelations are pointed out between the approach of Enid and
Michael Balint and the constructivist model of Heinz von
Förster’s “Trivial machine” and the
corresponding derivative by Kurt Buchinger concerning modern medicine. This
conception serves to explain why modern commercialized medical systems prefer
Balint‘s “class I-patients” and try to deconstruct
Balint’s “class II-patients” into subunits of
“class-I patients”. The correlation between economical pressure
and transforming sick individuals into algorithms is shown. The
doctor-patient-relationship is definded as a process of high complexity in a
socio-economical context, picking up Balint’s term of the
“overall diagnosis”. In a new perspective the leader of a
Balint-group is assigned the role model for being an “expert of
not-knowing”. Balint work enhances the “expertise of
not-knowing” and thus facilitates an understanding approach towards the
“class II patients”, for whom there is no theory and therefore
no diagnostical and therapeutical perspective in modern medicine.
Schlüsselwörter
Balint-Arbeit und sozi-ökonomischer Kontext - Typ I- und Typ II-Patienten nach Michael Balint - „Die Triviale Maschine“ nach Heinz von Förster - Konstruktivismus - Systemtheorie
Key words
Socioeconomic context of Balint-work - Class I- and Class II-patients (Michael Balint); - „The Trivial Machine“ - (Heinz von Förster) - Constructivism - Theory of Systems