Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1592-4370
Fehlerquellen bei der Gestaltung ärztlicher Gesellschaftsverträge: Teil 1 und Teil 2
Fehlerquellen bei der Gestaltung ärztlicher Gesellschaftsverträge: Teil 1 und Teil 2
Teil 1: Außenhaftung
Praxisgemeinschaft
Die Praxisgemeinschaft (PG) definiert sich als ein Zusammenschluss zweier oder mehrerer Ärzte gleicher oder verschiedener Fachrichtung (also einzelnen, rechtlich voneinander unabhängigen Einzelpraxen) zwecks gemeinsamer Inanspruchnahme von Praxisräumen, -einrichtungen und -personal. Im Übrigen bleibt es bei der selbstständigen Praxisführung der beteiligten Ärzte mit jeweils eigenem Patientenstamm, eigener Patientenkartei und selbstständiger privat- und vertragsärztlicher Abrechnung.
Eine ärztliche PG darf als solche nach außen angekündigt werden. Ob das aber sinnvoll ist, will gut überlegt sein. Denn auch wenn lediglich eine PG betrieben wird oder sogar in einer Einzelpraxis nur ein (oder mehrere) Arzt/Ärzte als Angestellte(r) beschäftigt wird/werden, kann es durch den Außenauftritt der Praxis dazu kommen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung entsteht: Wird beispielsweise durch Homepage oder gemeinsames Briefpapier, das Praxisschild, Terminzettel oder Werbemittel der Eindruck erweckt, dass es sich um eine Berufsausübungsgemeinschaft (siehe 2.) handeln könnte, können Patienten oder sonstige Gläubiger (Vermieter oder Lieferanten) sich unter Umständen hierauf berufen und die anderen (ggf. sogar nur angestellten) Ärzte gleichermaßen voll in die Haftung nehmen (sog. Rechtsscheinhaftung).
#
Berufsausübungsgemeinschaft
Hinter der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) versteckt sich die „alte“ Gemeinschaftspraxis. Die BAG ist die engste Form der Kooperation. Sie zeichnet sich durch eine gemeinschaftliche Behandlung von Patienten in gemeinsamen Praxisräumen bei gemeinsamer Karteiführung und gemeinsamer Abrechnung aus.
Insofern ist – im Gegensatz zu einer PG (vgl. 1.) – der gemeinsame Außenauftritt berufsrechtlich erforderlich. Eine BAG haftet aufgrund der gemeinsamen Patientenbehandlung deshalb auch grundsätzlich im Außenverhältnis, weswegen eine interne Haftungsfreistellung – also eine Haftungsfreistellung innerhalb der Gesellschafter (Ärzte) – unumgänglich ist. Ein mögliches Formulierungsbeispiel einer solchen vertraglichen Regelung könnte sein:
„1. Soweit die Gesellschafter für Fehlleistungen bei Ausübung der Berufsausübungsgemeinschaft, insbesondere für Behandlungsfehler und Aufklärungsfehler, als Gesamtschuldner haften, haften sie im Innenverhältnis nach dem Grad ihres Verschuldens, soweit der Schaden nicht durch die Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt wird.“
2. Werden Gesellschafter oder die Gesellschaft wegen Schäden, die andere Gesellschafter ganz oder teilweise zu vertreten haben, in Anspruch genommen, steht den in Anspruch genommenen Gesellschaftern beziehungsweise der Gesellschaft ein (ggf. anteiliger) Freistellungsanspruch gegen die verursachenden Gesellschafter zu.
3. Die Gesellschaft schließt für sich und jeden Gesellschafter eine Berufshaftpflichtversicherung mit ausreichenden Deckungssummen ab, die regelmäßig darauf zu überprüfen sind, ob eine Anpassung erforderlich erscheint.“
Bei vorstehender Formulierung handelt es sich lediglich um ein Beispiel, welches nicht 1 : 1 auf individuelle Praxis- und Gesellschaftersituationen übertragbar ist. In jedem Fall sollte eine anwaltliche Beratung erfolgen. Eine Haftung des Autors wird abgelehnt.
#
#
Teil 2: Ausscheidens eines Gesellschafters
Grundsätzliches
Durch Tod, Kündigung, Krankheit etc. kann es dazu kommen, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. Für diesen Fall bestehen grundsätzlich 2 mögliche Regelungsalternativen: entweder Fortführung der Gesellschaft durch den/die verbleibenden Gesellschafter (Alternative 1) oder Liquidation und Auflösung der Gesellschaft (Alternative 2).
#
Fortführung (Alternative 1)
Verbleibende Gesellschafter sollen hierbei die Möglichkeit haben, die bestehende Gesellschaft mit einem neu eintretenden Gesellschafter – oder unter Übernahme von Sitz und Gesellschafteranteilen des ausscheidenden – weiterzuführen. Voraussetzung hierfür ist, dass der ausscheidende Gesellschafter „seinen Sitz“ dem Zulassungsausschuss zur Nachbesetzung zuführt. Ein möglicher Nachfolger müsste bereit sein, als Gesellschafter in die Gesellschaft (mithin in die bestehenden Verträge) einzutreten.
#
Liquidation (Alternative 2)
Bei Liquidation erfolgt die Auflösung der Gesellschaft, womit diese auch nicht länger Schuldner vertraglicher Verpflichtungen ist. Aufgrund dessen, dass die Gesellschaft aufhört zu existieren, besteht dann nicht mehr die Möglichkeit, diese ggf. mit einem neuen Gesellschafter oder unter den verbleibenden Gesellschaftern fortzuführen.
#
Exkurs: Anschlusskündigung
Sollte man zum Zeitpunkt der Vertragsgestaltung unschlüssig ob der zu wählenden Alternative sein, könnte man Alt. 1 wählen und den/dem verbleibenden Gesellschaftern/Gesellschafter als Sicherheit eine sog. Anschlusskündigung einräumen. Hiernach hätte/n, zumindest nach erfolgter Kündigung eines Gesellschafters, der andere/die anderen eine gewisse Zeit zu überlegen, ob er/sie ebenfalls kündigt/kündigen mit der Folge der Liquidation und Auflösung der Gesellschaft (dann Alt. 2) oder ob er/sie in der Gesellschaft verbleiben möchte/möchten (dann bleibt es bei der Fortführung; Alt. 1). Für die anderen Fälle des Ausscheidens (Tod, Krankheit etc.), müssten gesonderte Regelungen getroffen werden. Ein mögliches Formulierungsbeispiel einer solchen Anschlusskündigung könnte sein:
„Im Falle der ordentlichen Kündigung eines Gesellschafters kann der andere Gesellschafter seinerseits die Kündigung der Gesellschaft zum gleichen Termin wie die erstausgesprochene Kündigung erklären (Anschlusskündigung). Die Anschlusskündigung muss innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der ersten Kündigungserklärung gegenüber den übrigen Gesellschaftern ausgesprochen werden. Im Fall der Anschlusskündigung scheidet der anschlusskündigende Gesellschafter zum Termin, auf den die erste Kündigung erfolgte, aus der Gesellschaft aus. Die Anschlusskündigung führt zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft.
Bei vorstehender Formulierung handelt es sich lediglich um ein Beispiel, welches nicht 1 : 1 auf individuelle Praxis- und Gesellschaftersituationen übertragbar ist. In jedem Fall sollte eine anwaltliche Beratung erfolgen. Eine Haftung des Autors wird abgelehnt.
#
Abfindung
Für den Fall, dass Alt. 1 gewählt wurde, müssen die Gesellschafter an Abfindungsregelungen denken, da die verbleibenden (oder der neu eintretende Gesellschafter) regelhaft mit dem „Kapital“ (Infrastruktur, Personal, Patientenstamm „good will“ etc.) des ausscheidenden weiterarbeiten. Bei Praxisgemeinschaften, sprich bei reinen Organisationsgemeinschaften mit getrennter Patientenbehandlung, ist das Thema Abfindung meistens weniger relevant als bei Berufsausübungsgemeinschaften. So ist bei PG regelhaft mit Abfindung die Konstellation gemeint, in der verbleibende Gesellschafter Geräte weiternutzen, die die PG gemeinsam neu angeschafft hat, oder Geräte, die in die PG eingebracht wurden und gemäß Abschreibung zum Zeitpunkt der Kündigung bzw. des Ausscheidens noch einen gewissen Wert aufweisen. Der dann noch hinzukommende, meist hohe Ausgleich eines ideellen Wertes („good will“), beispielsweise durch die weitere Nutzung des aufgebauten Patientenstammes, ist eher für die Kooperationsform der BAG relevant.
#
#
Publication History
Article published online:
02 December 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany