Sportphysio 2021; 09(05): 248
DOI: 10.1055/a-1612-7478
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Buchtipps

Fundiertes Wissen über den Schmerz

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Siegfried Mense. Muskeln, Faszien und Schmerz. Thieme Verlag 2021, 179 S., 192 Abb., 79,99 €. ISBN: 978–3–13–242661–0

Der emeritierte Professor für Anatomie an der Universität Heidelberg richtet sich mit seinem Buch nach eigenen Worten „an alle Berufsgruppen, die sich mit dem Bewegungsapparat und dessen schmerzhaften Störungen befassen“. Neben Physiotherapeuten, verwandten Berufen und Ärzten hat er aber auch Betroffene im Blick, die „mehr über die Funktion des motorischen Systems wissen möchten“. Ein schönes Ansinnen, doch für diese potenziellen Leser ist das Buch aus meiner Sicht trotz ausführlicher Erklärungen und didaktisch hervorragend aufbereitetem Inhalt zu fachspezifisch. Für die andere Zielgruppe, und dazu zählen sicher auch Sportwissenschaftler und Trainer, die über ein grundlegendes anatomisches Wissen verfügen, bietet das Werk viele Informationen zu einem spannenden Thema von hoher klinischer Relevanz.

Ausführlich erklärt Mense die neuroanatomischen und neurophysiologischen Grundlagen des tiefsomatischen Schmerzes, der sich wesentlich vom Hautschmerz unterscheidet. Weil letzterer historisch die Grundlage für die Schmerzforschung war und viele Kenntnisse wie selbstverständlich auf Muskelschmerzen übertragen werden, beschreibt der Autor gleich zu Beginn die Besonderheiten des Muskelschmerzes. Auch die funktionellen Eigenschaften der Muskulatur sowie Aufbau, Funktion und Innervation der Faszien werden ausführlichdargestellt.

Spannend wird es, wenn der Autor die unterschiedlichen schmerzhaften Störungen faszialer Gewebe erklärt und dies auch anhand typischer Schmerzsymptome wie dem medialen Tibiakanten- oder dem ISG-Syndrom veranschaulicht. Zur Therapie von verklebten Faszien und Schmerzen der muskulären Hüllen merkt er an, dass diese nicht selektiv nur auf die Faszien wirken und dass Placeboeffekte wahrscheinlich eine große Rolle spielen. Zur Behandlung mit der Faszienrolle zitiert er bekannte Studien, die sich teils positiv, teils kritisch zu dieser Form der Selbstkasteiung äußern.

Im Kapitel „Schmerzhafte funktionelle Störungen der Muskulatur“ werden nicht nur Prellungen, Zerrungen und Faserrisse besprochen, auch muskuläre Dysbalancen, neurogene (Restless-Legs-Syndrom), durchblutungsbedingte (Claudicatio intermittens, Kompartment-Syndrom) sowie sonstige funktionelle Störungen (Repetitive Strain Injury, kraniomandibuläre Dysfunktion) und die Myositis werden abgehandelt. Weitere Kapitel schließlich widmen sich den nichtspezifischen Rückenschmerzen, den myofaszialen Triggerpunkten (TP) und dem Fibromyalgiesyndrom, wobei die Theorie zur Entstehung von TP eine besondere kritische Würdigung erfährt.

Alles in allem bietet das Buch von Prof. Mense einen fundierten Überblick über klinisch relevante Schmerzphänomene, und das alles auf Grundlage ausführlicher anatomischer Beschreibungen. Wer sich mit der Physiologie der Schmerzentstehung beschäftigen möchte und an einem Überblick über Schmerzen des Bewegungssystems interessiert ist, ist mit dem Kauf dieses Buches gut beraten. Zwar ist die meiste zitierte Literatur schon etwas älter, aber das liegt wohl daran, dass Professor Mense jahrzehntelang zum Thema Schmerz geforscht hat und, wie er im Vorwort verrät, er das Buch deswegen geschrieben hat, weil ihm in den vielen Diskussionen und Fragen nach seinen Vorträgen bei Kongressen klar geworden ist, „dass vielen der Zuhörer das grundlegende Wissen über die Neuroanatomie des Bewegungsapparates und über Schmerzmechanismen fehlte“. Da der Autor nicht selbst Therapeut ist, mangelt es ihm zwar an der Erfahrung eines Praktikers. Da er aber keiner therapeutischen „Schule“ angehört, ist seine Ausarbeitung frei von Dogmen – ein Faktum, das man nicht unterschätzen sollte.

Johannes Ermel



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Article published online:
22 November 2021

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