Im Oktober dieses Jahres begeht das Deutsche Tuberkulose-Archiv sein 25-jähriges Jubiläum.
Einige Ausdauer war gefordert, bis der Initiator Dr. Robert Kropp die Verwirklichung
seines Anliegens erreicht hatte und am 16. 10. 1996 nach einer konstituierenden Versammlung
im „Goldenen Karpfen“ in Fulda die Gründung des Deutschen Tuberkulose-Archivs feststellen
konnte ([Abb. 1]).
Abb. 1 Jubiläumsplakat des Deutschen Tuberkulose-Archivs.
Zuvor hatten sich teilweise skeptische Stimmen erhoben, die darin ein rückwärts gewandtes
Konzept sahen: Warum hatte man denn zu Beginn der 90er-Jahre die Bezeichnung der Fachgesellschaft
auf „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie“ verkürzt und die Ergänzung Tuberkulose
„hinausgeworfen“? Von anderer Seite war dagegen breite Zustimmung gekommen. Man folgte
der Argumentation von Dr. Kropp, die „phthisiologische Epoche der Pneumologie“ sei
zwar vorüber, es bestehe aber die Gefahr eines gewissen Identitätsverlusts, wenn man
sie vergesse. Um das DZK von seinem Vorhaben zu überzeugen, hielt Dr. Kropp 1995 anlässlich
der Mitgliederversammlung einen Vortrag, der in der Feststellung gipfelte: „Die Beschäftigung
mit der Historie gibt immer reichen Gewinn. Jede geistige Tätigkeit hat ihr geschichtliches
Fundament“.
Sein Appell war erfolgreich: Es formierte sich ein „Arbeitskreis im Deutschen Zentralkomitee
zur Bekämpfung der Tuberkulose“ unter dem Vorsitz von Dr. Kropp. Das Motto lautete:
„NICHT VERGESSEN – Material zur Geschichte der Tuberkulose“. Eine Sammlung von Literatur
und Objekten zur „Dokumentation der phthisiologischen Epoche“ sollte aufgebaut werden.
Zur Lösung dieser Aufgaben stellte das DZK einen vierstelligen Betrag zur Verfügung,
um eventuell erste Anschaffungen finanziell absichern zu können. Bis zur Entscheidung
über den Ort der Sammlung (Bibliothek, Museum, Anschluss an bestehende Institutionen)
sollte das Material zunächst „bei Dr. Kropp untergebracht“ werden.
In relativ kurzer Zeit gelang es ihm, eine umfangreiche Bibliothek zu etablieren,
die in Monografien und Periodika den derzeitigen Wissensstand zur Erkrankung Tuberkulose
umfasste. Schon 1999 enthielt die Bibliothek rund 1500 Bände, darunter auch größere
Stiftungen, u. a. von Prof. Bölcskei (Nürnberg), Prof. Konietzko (Essen) und Dr. Rausch
(Oberhausen). Zudem war Dr. Kropp anhaltend bestrebt, Memorabilia zu sammeln, um ein
eindrückliches Bild der vorchemotherapeutischen Behandlung der Erkrankung zu vermitteln.
Ein ausgedehnter Schriftwechsel mit vielen Interessenten begleitete diese Tätigkeit.
Auch potentielle Geber weiterer Materialien wurden angeschrieben oder besucht – u. a.
das RKI, mehrere medizinhistorische Institute und auch Lungenfachkliniken.
So war innerhalb von 6 Jahren intensiver sammlerischer Tätigkeit ein beachtlicher
Fundus an Literatur, medizinischen Geräten, Röntgenbildern, Unterlagen und Krankenakten
zusammengekommen, bis schließlich am 31. Mai 2002 das Deutsche Tuberkulose-Archiv
im Gallasiniring 1 in Fulda eröffnet werden konnte. Zu diesem offiziellen Anlass stellte
Dr. Kropp seine Motivation noch einmal dezidiert dar: „Die Entwicklung der Pneumologie
in Forschung, Klinik und Praxis ist seit einigen Jahren anderen Zielen zugewandt und
lässt die Epoche der Schwindsucht in Vergessenheit geraten, sodass sie jüngeren Kollegen
kaum mehr gegenwärtig ist“.
Indes war der gesamte Bestand mit dem Jahr 2009 so weit angewachsen, dass eine Präsentation
der Sammlung in den beengten Räumlichkeiten nur noch eingeschränkt möglich war. Nach
erfolgreichen Verhandlungen mit der Thoraxklinik Heidelberg wurde das Archiv dann
2010/2011 in das Rohrbacher Schlösschen auf dem Gelände der Klinik verlegt.
Im Dezember 2011 konnte die feierliche Wiedereröffnung in wesentlich größeren Räumen
stattfinden. Darunter befand sich auch eine stattliche, bereits teilweise mit Beständen
der Klinik bestückte Bibliothek.
Außerdem bot sich noch die Möglichkeit, weitere Bestände an Monografien und Periodika
im gegenüber gelegenen sogenannten „Josefshaus“ unterzubringen. So konnten auch die
künftigen Neuzugänge problemlos eingegliedert werden.
2013 erhielt das Archiv das Angebot, die umfangreiche Privat-Bibliothek von Prof.
Paul Steinbrück zu übernehmen, dem verstorbenen Repräsentanten der Tuberkuloseforschung
in der ehemaligen DDR. Aufschlussreich und lesenswert sind in diesem Konvolut v. a.
die mannigfaltigen Ausführungen zur Strategie der Tuberkulosebekämpfung in der DDR.
2015 wurde dem Archiv der ebenfalls große Buchbestand des verstorbenen Pneumologen
Prof. Hasso Kurt Schwabe (Medizinische Universitätsklinik Bonn) überlassen.
2018 erreichte uns im Zusammenhang mit der Ausräumung eines Altbaus ein Angebot aus
Halle. Es handelte sich um Unterlagen und Dokumente aus dem Nachlass von Prof. Karl
Heinz Blümel, dem bekanntesten Protagonisten der deutschen Tuberkulosefürsorge, der
in Halle die erste deutsche Fürsorgestelle überhaupt gründete. Die Unterlagen sind
medizinhistorisch überaus wertvoll: Briefwechsel von Blümel mit Robert Koch, Vorstellungen
über die Etablierung einer landesweiten Tuberkulose-Kontrolle, eine Vielzahl von Vortragsmanuskripten
und Fotografien.
Als 2020 die Lungenfachklinik St. Blasien geschlossen wurde, konnten Teile der Bibliothek
des ehemaligen Lungensanatoriums in den Bestand des Tuberkulose-Archivs überführt
werden.
Im gleichen Jahr übernahm das Archiv aus dem Nachlass des ehemaligen Chefs der Lungenklinik
Havelhöhe, Dr. Reiner Voigt, eine vielseitige Privat-Bibliothek, u. a. mit einer interessanten
Auswahl von Biografien berühmter Ärzte.
Um einen verbesserten Zugang für die wissenschaftliche Nutzung der Bibliothek zu ermöglichen,
überträgt eine Bibliothekarin derzeit den Buchbestand des Archivs in das digitale
Literaturverwaltungsprogramm Zotero. In absehbarer Zeit wird die gesamte Literatur
erfasst sein; Neuzugänge werden künftig laufend integriert. Auch die oft breit gestreuten
Recherchen für Promotions- und Masterarbeiten werden dadurch wesentlich erleichtert
([Abb. 2]).
Abb. 2 Blick in den Präsentationsraum der Bibliothek, DTA Heidelberg.
Von den zahlreichen Exponaten des Archivs sollen hier einige stellvertretend erwähnt
werden: die Sammlung spektakulärer pathologisch-anatomischer Makro-Präparate aus der
Charité, aus Gauting und Heidelberg sowie eindrucksvolle Tierpräparate aus der Berufsfachschule
Frankfurt/Main. Der Zustand fast aller dieser 63 Präparate war allerdings im Laufe
der Zeit bedenklich geworden. Im Walter-Gropius-Berufskolleg (Bochum) wurden sie erfolgreich
überarbeitet und werden künftig einer jährlichen Kontrolle unterzogen.
Ein weiterer, besonders wertvoller Bestand ist die Sammlung radiologischer Aufnahmen
von über 300 Patienten der Kliniken Hemer, Frankfurt/Main, Gießen und Heidelberg aus
den Jahren 1935–1965, die inzwischen vollständig gesichtet sind. Beim Betrachten wird
man mit einer Radiomorphologie konfrontiert, die heutzutage weitgehend vergessen ist:
verschiedene Verläufe kindlicher Ghon-Herde, „Hilusdrüsen-Tuberkulosen“ und Epituberkulosen,
jugendliche postprimäre Lungentuberkulosen, Knochen- und Gelenktuberkulosen; schließlich
die verschiedenen chirurgischen Behandlungsmaßnahmen wie Monaldi-Drainage,Thorakoplastik
und extrapleurale Pneumolyse mit Plombeneinlage – ein „Kaleidoskop“, das in digitaler
Form allgemein zugänglich gemacht werden soll.
Das Interesse an Führungen durch das Tuberkulosemuseum war über die Jahre anhaltend
hoch, bis das Rohrbacher Schlösschen aufgrund der Corona-Pandemie ab März 2020 nicht
mehr besucht werden durfte. Auch die alljährliche Präsenz des Archivs bei Kongressen,
Symposien und Tagungen wurde durch die Pandemie unterbrochen. Eine gewisse Unabhängigkeit
von solchen Bedingungen ist aber gegeben, weil das Archiv frühzeitig auf digitale
Konzepte gesetzt hat – schon Dr. Kropp betrieb am Standort Fulda eine Website. Nach
der Wiederöffnung des Archivs in Heidelberg wurde dieser Internetauftritt übernommen,
neu gestaltet und 2012 ins Netz gestellt. Die Website wird laufend aktualisiert und
bietet überdies einen informativen virtuellen Rundgang durch das Museum an ([Abb. 3]).
Abb. 3 Blick in einen Museumsraum, DTA Heidelberg.
Vernetzung wird als weiteres wichtiges Instrument eingesetzt. Seit 2012 ist das Archiv
Mitglied im Verbund universitärer Sammlungen in Heidelberg, der sogenannten Sammlungsinitiative.
Anlässlich einer Ausstellungsreihe in den Jahren 2014–2018 wurden sowohl in der Universitätsbibliothek
der Altstadt wie auch in der Zweigstelle im Neuenheimer Feld Vitrinen mit Exponaten
aus dem Museum präsentiert, die viel Zuspruch erhielten.
2019 fand das bundesweite 26. Symposium der Medizinischen Museologie in Heidelberg
statt. Das Programm sah u. a. auch eine Führung durch das Tuberkulosemuseum mit anschließendem
Vortrag über inhaltliche und logistische Herausforderungen der Museumsarbeit im Deutschen
Tuberkulose-Archiv vor. Die 40 Teilnehmenden aus renommierten Institutionen, u. a.
Charité und Medizinhistorisches Museum Ingolstadt, zeigten sich sehr interessiert.
Inzwischen ist auch das Deutsche Tuberkulose-Archiv Mitglied der Medizinischen Museologie.
All diese Ausführungen belegen, dass sich das Archiv seit seiner Gründung vor 25 Jahren
kontinuierlich weiter entwickelt hat. Das Sammlungskonzept wurde flexibel gehandhabt
und bei Bedarf neu angepasst, sodass Bibliothek und Museum auch heute einen Besuch
wert sind.
Seit 2019 wird das Deutsche Tuberkulose-Archiv von den beiden Vorsitzenden des Fördervereins
Dr. med. Oswinde Bock-Hensley und PD Dr. med. Claudia Denkinger geleitet.
Aufgrund der unterschiedlichen Berufsfelder deckt das Team ein breites Spektrum ab:
auf der einen Seite Erfahrungen und Erkenntnisse aus mehr als 30 Jahren Tuberkulosefürsorge,
auf der anderen Seite wissenschaftliche Tätigkeit an vorderster Front. So ist garantiert,
dass sowohl die Historie der deutschen Phthisiologie als auch die modernen Entwicklungen
der Tuberkuloseforschung im Deutschen Tuberkulose-Archiv ihren Platz haben.