Schlüsselwörter
subjektives Gesundheitserleben - Patient-Reported Outcomes - Stillen - frühe Bindungsbildung - Geburtserleben
Introduction
„A good birth goes beyond having a healthy baby.“ [1] – Auf der Basis wachsender wissenschaftlicher Erkenntnisse konnte die Betreuung von Schwangeren und die
peripartale somatische Versorgung von Frauen in den letzten Jahrzehnten zunehmend standardisiert werden. Dies spiegelt sich u. a. in einer Zunahme sowohl der Qualität als auch der Quantität
internationaler und nationaler Leitlinien, wie denen der Deutschen Gesellschaft für Geburtsmedizin DGGG wider [2]. Zur Qualitätskontrolle der etablierten
Leitlinien werden aktuell primär prozessuale und somatische Daten über den Geburtsverlauf und den Gesundheitszustand der Mutter und des Neugeborenen erhoben und ausgewertet. Der Fokus liegt
hierbei vor allem auf der Sicherstellung niedriger Morbiditäts- und Mortalitätsraten. Eine tiefergehende Analyse der Daten ermöglicht zusätzlich Einblicke in Trends – z. B. Höhe der
Sectioraten, Anzahl medikamentös eingeleiteter Geburten oder Behandlungseffekte durch den Einsatz neuer oder veränderter Methoden. Zusammen ergibt sich ein gewisser Einblick in die Leistung
und Qualität der gelieferten Versorgung. Diese somatischen bzw. prozessualen Daten geben jedoch wenig Aufschluss darüber, wie sowohl der Geburts- als auch der Genesungsprozess aus Perspektive
der Frauen verlief; welche mittel- bis langfristigen Auswirkungen der Verlauf der Geburt auf ihr Körperbild, ihre körperlichen oder sozialen Aktivitäten, auf ihre Kontinenz, das Stillen oder
die Mutter-Kind-Beziehung hat. Insbesondere unter dem Ansatz einer ganzheitlichen und zukunftsorientierten Medizin ist die Einbeziehung der Patientinnenperspektive daher fundamental [3].
Die standardisierte Erhebung von patient*innenberichteten Gesundheitsmerkmalen (patient-reported outcomes, PROs) zur Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustandes sowie der
Behandlungsqualität aus Sicht der Patient*innen hat in allen Bereichen der medizinischen Versorgung und in vielen Ländern in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. So werden PROs in England
bereits seit 2009 systematisch als Indikator für die Versorgungsqualität für Patient*innen mit Hüft- und Kniegelenksersatz erhoben [4]. In den Niederlanden
wurde die Erhebung von PROs 2017 im Koalitionsvertrag der Regierung beschlossen und vom Gesundheitsministerium ein Konzept zur schrittweisen Einführung vorgelegt [5].
Unter PROs werden alle Merkmale bzw. Ausprägungen zum Gesundheitszustand verstanden, die von einer Patientin bzw. einem Patienten berichtet werden, ohne dass sie von einer anderen Person (vor
allem medizinisch geschultem Personal) geändert oder interpretiert werden [6]. Dazu gehören neben konkreten Symptomen auch Faktoren der Lebensqualität, die
sowohl körperliche wie auch psychische und soziale Faktoren umfassen [7]. PROs werden mithilfe von Patient Reported Outcome Measures (PROMs), allgemeinhin als
Fragebögen oder Instrumente bezeichnet, gemessen. So kann für die Messung von Depressivität (= PRO) bei Frauen nach der Geburt beispielsweise die Edinburgh Postnatale Depression Skala
(EPDS = PROM) verwendet werden. Für die Messung von Depressivität stehen aktuell eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung, die jedoch Ergebnisse auf unterschiedliche Skalen darstellen. Um
zukünftig einen Austausch und Vergleich der Ergebnisse zu ermöglichen, die, mit unterschiedlichen Instrumenten, in Kliniken weltweit erhoben wurden, ist es notwendig, dass die Instrumente
entweder auf derselben Metrik (Einheit) erhoben werden oder alle den gleichen Fragebogen nutzen.
International gibt es 2 führende krankheitsübergreifende Initiativen, die eine Standardisierung und Vergleichbarkeit derart gemessener Daten anstreben. Zum einen PROMIS (Patient-Reported
Outcomes Measurement Information System) und zum anderen das International Consortium for Health Outcomes Measurement. Neben der Bereitstellung eigener Instrumente zur Erhebung
krankheitsunabhängiger Gesundheitsfaktoren verfolgt PROMIS das Ziel einer Standardisierung der Ergebnisbewertung über die Etablierung einer einheitlichen Metrik, bei der „50“ dem Durchschnitt
der Allgemeinbevölkerung entspricht mit einer Standardabweichung von „10“ („T-Scores“) [8].
ICHOM ist eine Initiative, die Fragesets aus bereits validierten Instrumenten für Krankheitsbilder vieler medizinischer Fachbereiche (auch fächerübergreifend) zusammenstellt. Ziel ist die
Nutzung gleicher Instrumente zur Standardisierung und Vergleichbarkeit von Ergebnissen national als auch international. Im Entwicklungsprozess eines ICHOM-Standardsets definiert dazu eine
internationale Arbeitsgruppe aus Kliniker*innen, Forscher*innen und Patientinnenvertreter*innen einen Mindeststandard an Fragebögen und dazugehörigen Case-Mix-Faktoren, welche vor
Therapiebeginn und während des Genesungsprozesses erhoben werden sollen. Diese Sets beinhalten teilweise auch PROMIS-Instrumente.
Im Jahr 2018 hat eine internationale Expertengruppe mit 21 Mitglieder*innen bestehend aus Hebammen, Geburtsmediziner*innen/Gynäkolog*innen und Patientinnenvertreter*innen aus insgesamt 8
Ländern ein standardisiertes Set für die standardisierte Erhebung während der Schwangerschaft und Geburt entwickelt. In insgesamt 11 Sitzungen wurden die relevanten Domänen (Faktoren),
Case-Mix-Parameter, Fragebögen sowie die Befragungszeitpunkte mittels einer modifizierten Delphi-Methode festgelegt. Diese Methode beinhaltete neben einer systematischen Literaturanalyse das
Erheben von Expertenmeinungen und Interviews mit Schwangeren und Müttern. Vor allem die Interviews sollten sicherstellen, dass die Patientinnenperspektive bei der Beurteilung der Versorgung
ausreichend berücksichtigt wird [9].
Methoden
Instrumente
[Tab. 1] zeigt die Faktoren der Gesundheit und Lebensqualität, die mit dem ICHOM-Set für Schwangerschaft und Geburt erhoben werden sollen. Neben Demografie
und Anamnese werden die Dimensionen Inkontinenz, Stillen, Rollenwechsel, Geburtserleben, allgemeine und psychische Gesundheit sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr erhoben. Die insgesamt 8
Instrumente und 19 Einzelfragen ergeben dabei einen Katalog von insgesamt 82 Items. Fünf der Instrumente (zusammen 31 Items) und 3 Einzelfragen sind bereits als validierte Übersetzungen in
Deutsch verfügbar [10], [11], [12], [13], [14]. Noch nicht übersetzt sind die Breastfeeding Self-Efficacy Scale – Short Form (BSES-SF), die Mother-to-Infant Bonding Scale (MIBS), die Birth Satisfaction
Scale – Revised (BSS-R) sowie mehrere Einzelfragen. Die ICHOM-Erhebung ist für insgesamt 5 Befragungszeitpunkte ([Abb. 1]) angelegt, beginnend mit der
ersten präpartalen Untersuchung vor dem 3. Schwangerschaftsmonat und abschließend mit einer Befragung 6 Monate postpartal.
Tab. 1 Übersicht zum ICHOM-Set für Schwangerschaft und Geburt.
Faktoren
|
Instrumente und Items
|
deutsche Übersetzung
|
Befragungszeitpunkte*
|
PHQ = Patient Health Questionnaire, PROMIS = Patient Reported Outcomes Measurement Information System, * siehe [Abb. 1].
|
Demografie und Anamnese
|
Einzelfragen (8)
|
✓
|
1
|
Inkontinenz
|
Jorge-Wexner Inkontinenz-Score oder ICIQ-UI-SF
|
✓ [10]
✓ [11]
|
1, 2, 4, 5
|
+ Einzelfrage: Inkontinenz-Screening (1)
|
–
|
1, 2, 4, 5
|
Stillen
|
Breastfeeding Self-Efficacy Scale – Short Form (BSES-SF)
|
–
|
2, 3, 4
|
+ Einzelfragen: „Erfolg beim Stillen“ (3)
|
–
|
3, 4, 5
|
Rollenwechsel
|
Mother-to-Infant Bonding Scale (MIBS)
|
–
|
3, 4
|
+ Einzelfrage: Vertrauen in die Rolle als Mutter (1)
|
4, 5
|
Geburtserleben und Zufriedenheit mit der Versorgung
|
Birth Satisfaction Scale – Revised (BSS-R)
|
–
|
4
|
+ Einzelfrage: Zufriedenheit mit der Versorgung (5)
|
–
|
2, 4, 5
|
allgemeine Gesundheit und Lebensqualität
|
PROMIS Global-10
|
✓ [12]
|
1, 2, 4, 5
|
psychische Gesundheit
|
PHQ-2
|
✓ [13]
|
1, 2, 4, 5
|
+ Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS)
|
✓ [14]
|
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
|
PROMIS Sexual Function (Single Item)
|
–
|
1, 4, 5
|
Abb. 1 Befragungszeitpunkte nach ICHOM Standard Set Pregnancy and Childbirth.
Übersetzung
Die 3 noch nicht in Deutsch verfügbaren Instrumente BSES-SF, MIBS und BSS-R (zusammen 32 Items) sowie 16 Einzelfragen wurden nach der Functional Assessment of Chronic Illness
Therapy-(FACIT-)Übersetzungsmethode übersetzt ([Abb. 2]). Die FACIT-Methode beschreibt einen Übersetzungsprozess, der eine inhaltliche, semantische und
technische Gleichwertigkeit bei Übersetzungen sicherstellt [15]. Für die Übersetzung der Instrumente BSES-SF, MIBS und BSS-R wurde vorab von den
Instrumententwickler*innen die Erlaubnis zur Übersetzung eingeholt.
Abb. 2 Übersetzungsprozess nach der FACIT-Methode.
Gemäß der FACIT-Methode wurde in einem ersten Schritt durch 2 unabhängige Personen eine Vorwärtsübersetzung ins Deutsche durchgeführt. Beide Übersetzungen wurden anschließend in einer
ersten deutschsprachigen Version zusammengefasst. Im nächsten Schritt wurde diese Version von 2 unabhängigen Personen ins Englische rückübersetzt. Etwaige Abweichungen in der englischen
Rückübersetzung zum Original wurden im Forschungsteam besprochen und bei hinreichender Notwendigkeit in der deutschen Formulierung geändert bzw. angepasst.
Sprachliche Validierung
Das Cognitive Debriefing beschreibt einen sprachlichen Validierungsprozess, in dem mögliche Verständnisprobleme einzelner Items in den Zielgruppen getestet werden [16]. Die 48 zu validierenden Items wurden entsprechend den Befragungszeitpunkten in 29 Items für die Zielgruppe schwangere Frauen und 20 Items für die
Zielgruppe Wöchnerinnen aufgeteilt. Die Frage nach „Zuversicht in die Mutterrolle“ wurde in beiden Gruppen validiert, da es Unterschiede in der Formulierung bei prä- und postnataler
Befragung gibt. Aufgrund des Fragenumfangs (29 Items) für die Gruppe der Schwangeren wurde eine zusätzliche Aufteilung der Items vorgenommen. So wurde letztlich in insgesamt 3 Gruppen
getestet:
-
schwangere Frauen = 10 Items,
-
schwangere Frauen = 19 Items und
-
Wöchnerinnen = 20 Items.
Insgesamt wurden 15 Frauen zur Validierung rekrutiert, in jede der 3 Gruppen jeweils 5 Frauen mit aktueller Betreuung in der Geburtsmedizin der Charité (präpartal bzw. Mutter-Kind-Station).
Die Teilnehmerinnen wurden gebeten, das gesamte Item laut vorzulesen, den Inhalt mit eigenen Worten wiederzugeben und anschließend zu dem Item „laut zu denken“. Beim lauten Denken sollen
Dinge, über die sie beim Vorlesen gedanklich stolpern oder die ihnen unklar erscheinen, an- bzw. ausgesprochen werden [17]. Hinweise und Anmerkungen aus dem
Cognitive Debriefing wurden anschließend besprochen und in die Übersetzung eingearbeitet.
Ergebnisse
Übersetzungsprozess
Die Vorwärts- und Rückwärtsübersetzung konnte für den Großteil der Items ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden. Bei einem Item des BSS-R sowie bei den Antwortkategorien des BSES-SF
konnte die direkte Übersetzung nicht übernommen werden.
BSS-R
Die Frage, „I came through childbirth virtually unscathed“ aus dem BSS-R konnte zwar gut wortwörtlich mit „Ich habe die Geburt unbeschadet überstanden“ übersetzt werden und zeigte auch in
der Rückübersetzung eine große Übereinstimmung. Jedoch wurde im Rahmen der Überprüfung und Zusammenführung der Übersetzungen durch die Geburtsmediziner*innen darauf hingewiesen, dass eine
solche Formulierung von Frauen sehr unterschiedlich interpretiert werden könnte. Selbiges wurde bereits durch die Expert*innen bei der italienischen Übersetzung des Items angemerkt. Hier
konnte gezeigt werden, dass das Wort „unbeschadet“ in den Dimensionen psychologisch, körperlich und emotional verstanden werden kann [18]. In Anlehnung an
diese Analyse wurde das Wort „unbeschadet“ durch die Formulierung „ohne körperliche oder psychische Komplikationen“ ersetzt.
BSES-SF
Die Antwortkategorien beschreiben eine Skala von „Überhaupt nicht zuversichtlich (Not at all confident)“ bis „Sehr zuversichtlich (Very confident)“, wobei die Übersetzung von „confident“
ins Deutsche mehrdeutig ist und mit den Begriffen selbstsicher/selbstbewusst, sicher und zuversichtlich beschrieben werden kann. Nach Rücksprache mit dem Entwicklungsteam des BSES-SF und
dem Team der Erasmus Clinic Rotterdam, welche das Instrument bereits ins Holländische übersetzt hatten, wurde, abweichend vom Original, der Zusatz „Ich bin zuversichtlich, dass“ am Anfang
jedes Items eingefügt.
Cognitive Debriefing
Im Zuge des Cognitive Debriefing mit 15 Frauen konnten verschiedene Begriffe identifiziert werden, die aufgrund von Verständnisproblemen, resultierend aus der Übersetzung, umformuliert
werden mussten.
Inkontinenz
In der Frage zum Inkontinenz-Screening wird nach ungewollten Flatulenzen gefragt. Während des Interviews zeigte sich jedoch, dass dieser Ausdruck zumeist unbekannt war. Die Bezeichnung
„Abgang von Winden“, wie sie im Jorge-Wexner Inkontinenz-Score verwendet wird, wurde ebenfalls nicht verstanden. Nach Umschreibung der Bedeutung und Bitte um Wiedergabe in eigenen Worten
wurde durch die Testpersonen wiederholt der Begriff „Blähung“ genutzt. Im weiteren Gespräch mit den Studienteilnehmerinnen konnte die Formulierung „Abgang von Luft“ als medizinisch präzise
und allgemein verständlich identifiziert werden.
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
Bei der Frage nach der Beeinflussung des Sexuallebens durch Schmerz wurde durch die Studienteilnehmerinnen angemerkt, dass bei fehlender aktiver Sexualität die Antwortmöglichkeiten nicht
ausreichend seien („0 = In den letzten 30 Tagen hatte ich keine Schmerzen“, „1 = überhaupt nicht“ bis „5 = sehr“). Da es sich bei der Frage um ein validiertes Item aus der PROMIS Itembank
Sexual Function handelt, wurde in Anlehnung an das Item SFSAT201 von PROMIS ein neues Item entwickelt und vorangestellt: „In den letzten 30 Tagen, wie zufrieden waren Sie mit Ihrem
Sexualleben?“ mit den Antwortkategorien „0 = In den letzten 30 Tagen hatte ich kein aktives Sexualleben“ und „1 = überhaupt nicht“ bis „5 = sehr“. Die Frage nach der Beeinträchtigung des
Sexuallebens durch Schmerzen erfolgt nunmehr lediglich, wenn vorher angegeben wurde, dass ein aktives Sexualleben besteht.
Eine Übersicht über alle Anpassungen, die sich aus dem Cognitive Debriefing ergaben, sind in [Tab. 2] zusammengefasst.
Tab. 2 Lister der Anpassungen in der Übersetzung nach Validierungsprozess mit Anmerkungen.
Item und Instrument im Original
|
Frage nach Übersetzung
|
Änderung nach Debriefing
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Anmerkungen
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I can always breastfeed my baby without using formula as a supplement. (BSES03)
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Ich bin zuversichtlich, mein Kind immer stillen zu können und keine Ergänzung mit Milchpulver/Formulanahrung (industriell hergestellte Anfangsnahrung) zu benötigen.
|
Ich bin zuversichtlich, mein Kind immer stillen zu können und keine Ergänzung mit industriell hergestellter Anfangsnahrung (Milchpulver) zu benötigen.
|
Formulanahrung unklar.
Industriell hergestellter Anfangsnahrung in Kombination mit Milchpulver wurde verstanden.
|
I can always keep wanting to breastfeed. (BSES07)
|
Ich bin zuversichtlich, dass ich auch weiterhin stillen möchte.
und
Ich bin zuversichtlich, so lange wie möglich stillen zu wollen.
|
Ich bin zuversichtlich, so lange wie möglich stillen zu wollen.
|
Entscheidung/Abstimmung durch Cognitive Debriefing, welche Formulierung besser verstanden wird.
|
I can always deal with the fact that breastfeeding can be time-consuming. (BSES10)
|
Ich bin zuversichtlich, dass ich immer damit umgehen kann, dass das Stillen sehr zeitaufwendig ist.
und
Ich bin zuversichtlich, dass ich immer mit der Tatsache umgehen kann, dass das Stillen sehr zeitaufwendig ist.
|
Ich bin zuversichtlich, dass ich immer damit umgehen kann, dass das Stillen sehr zeitaufwendig ist.
|
Entscheidung/Abstimmung durch Cognitive Debriefing. Zweiter Satz erzeugte bei den Studienteilnehmerinnen negatives Gefühl, Gedanken an Arbeit.
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I can always continue to breastfeed my baby for every feeding. (BSES12)
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Ich bin zuversichtlich, mein Kind stets bei jeder Mahlzeit zu stillen.
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Ich bin zuversichtlich, mein Kind stets bei jeder Mahlzeit (bei jeder Nahrungsaufnahme) stillen zu können.
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Ergänzung in der Frage, da Mahlzeit im Sinne von Frühstück, Mittag und Abendessen verstanden wird.
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Obstetric history
Bleeding so much during pregnancy, birth, or after giving birth that you needed to be given blood.
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Blutungen während der Schwangerschaft, Geburt oder nach der Geburt, die so stark waren, dass Sie Fremdblut bekommen mussten.
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Blutungen während der Schwangerschaft, Geburt oder nach der Geburt, die so stark waren, dass Sie eine Bluttransfusion bekommen mussten.
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Tatsächlich war allen Frauen der Begriff Bluttransfusion geläufiger als Fremdblut.
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In the past month, have you leaked urine, leaked stool or passed gas by accident?
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Hatten Sie im letzten Monat ungewollt Verlust von Urin oder Abgang von Stuhl oder Winden?
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Hatten Sie im letzten Monat ungewollt Verlust von Urin oder Abgang von Luft oder Stuhl?
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Der Begriff Winde wurde häufig nicht verstanden. Alternativ genannt wurden: Abgang von Blähungen, unkontrollierte Blähung, auch der med. Begriff Flatulenzen war nicht
bekannt.
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In the past 30 days, how much has pain affected your satisfaction with your sex life?
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In den letzten 30 Tagen, wie stark hat Schmerz Ihre Zufriedenheit mit Ihrem Sexualleben beeinflusst?
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In den letzten 30 Tagen, wie stark haben Schmerz in irgendeinem Teil Ihres Körpers Ihre Zufriedenheit mit Ihrem Sexualleben beeinflusst?
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Für viele Betroffene war nicht klar, welcher Schmerz gemeint ist. Anpassung zu „irgendeinem Teil Ihres Körpers“.
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Diskussion
Das ICHOM-Set für Schwangerschaft und Geburt deckt ein breites Spektrum an Dimensionen ab, das für Frauen im Zuge einer Schwangerschaft und Geburt relevant ist [9]. Für einen vollständigen Einsatz des ICHOM-Sets in Deutsch fehlte bisher die Übersetzung der 3 Instrumente BSES-SF, MIBS und BSS-R. Im Rahmen dieser Arbeit wurden diese übersetzt
und die Verständlichkeit an insgesamt 15 Schwangeren und Wöchnerinnen überprüft sowie Formulierungen entsprechend angepasst.
Der Übersetzungsprozess erfolgte nach der FACIT-Methode, um eine valide Übersetzung sicherzustellen. Die FACIT-Methode stellt als qualitative Methode sicher, dass die Bedeutung der
Übersetzung dem Original entspricht. Hinsichtlich der Messeigenschaften des übersetzten Instruments liefert sie keine Informationen, weshalb eine zusätzliche quantitative Untersuchung
aufbauend auf diese Arbeit notwendig ist.
Im Zuge der qualitativen Validierung fand ein Cognitive Debriefing der Übersetzung mit 15 Schwangeren und Wöchnerinnen statt. Es zeigte sich eine anfängliche Skepsis bei den Frauen gegenüber
einer solchen regelhaft in der klinischen Routine geplanten Befragung, welche sich jedoch im Verlauf in großes Interesse und breite Aufgeschlossenheit wandelte. Die im Rahmen des Cognitive
Debriefing angesprochenen Themen, u. a. Erwartungen hinsichtlich des Stillens, Mutter-Kind-Bindung und Geburtserleben, wurden von den Frauen als relevant eingeschätzt. Für eine zukünftige
Implementierung scheint es daher wichtig, der zunächst zu erwartenden Skepsis durch eine gezielte Kommunikation hinsichtlich Ziel und Nutzen der Befragung zu begegnen.
Die Erhebung von PROs in der Geburtsmedizin ermöglicht eine personalisierte Ärzt*in-Patientinnen-Kommunikation, angepasst an die Beschwerden oder Unsicherheiten der Frau. Weiterhin eröffnet
sie eine Qualitätsbetrachtung der Versorgungsleistung, welche unter Einbeziehung der Perspektive der Patientinnen den Behandlungsbedarf neu definieren kann. So kann mit dem Einsatz der Birth
Satisfaction Scale – Revised (BSS-R) die Zufriedenheit der Frau mit der Geburt und ihre Wahrnehmung des Geburtserlebens gemessen werden [19]. Anders als lange
angenommen, korreliert das Geburtserleben nicht allein mit dem subpartalen Schmerzempfinden. Faktoren wie das Ausmaß der Unterstützung durch das medizinische Personal und die Beteiligung der
Gebärenden an Entscheidungsfindungen im Geburtsverlauf scheinen deutlich relevanter zu sein [20]. Das Geburtserleben einer Frau hat wesentlichen Einfluss auf
die subjektive Wahrnehmung von Gesundheit sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität [21] und somit Auswirkungen auf die Entwicklung der
Mutter-Kind-Beziehung [22]. Für die psychologische und physiologische Entwicklung eines Kindes ist eine gesunde, sichere Bindung zwischen Mutter und Kind
wichtig [23]. Die MIBS erfasst insbesondere die frühe emotionale Bindung zwischen Mutter und Neugeborenem und kann aufgrund ihrer kurzen Struktur, die sich
auf nur 8 gefühlsbeschreibende Adjektive konzentriert, auch bei Müttern mit schlechterem Sprachniveau angewendet werden [24], [25]. Das frühzeitige Erkennen einer Bindungsstörung zwischen Mutter und Kind kann das Risiko körperlicher und seelischer Misshandlungen verringern [26].
Auch mit der Übersetzung der Breastfeeding Self-Efficacy Scale – Short Form (BSES-SF) besteht die Möglichkeit, einen wichtigen Versorgungsbeitrag zu leisten, indem die Risikofaktoren für das
Nichtstillen frühzeitig erkannt werden. Nach Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen Säuglinge während der ersten 6 Lebensmonate ausschließlich gestillt und das Stillen nach
Bedarf mindestens bis zum Alter von 2 Jahren fortgesetzt werden [27]. Deutschland liegt jedoch mit einer initialen Stillquote von 82% bei Geburt im
internationalen Vergleich im unteren Bereich [28]. Weiterhin zeigen Daten aus dem Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. von 2018,
dass in Deutschland 56% der Säuglinge bis zum 4. Lebensmonat ausschließlich Muttermilch erhalten und sich diese Zahl im 6. Lebensmonat auf lediglich 8% reduziert [29]. Die Risikofaktoren für Stillprobleme, die zum Nichtstillen führen, sind vielfältig. So werden neben soziodemografischen Faktoren fehlende oder geringe Stillabsicht und eine
fehlende positive Einstellung zum Stillen genauso genannt wie die Gabe von zusätzlicher Flüssigkeit an das Neugeborene in den ersten 2 Lebenswochen. Eben diese Faktoren werden mit dem BSES-SF
erfasst und bieten dem medizinischen Personal die Möglichkeit, Schwangeren gezielt eine frühzeitige Stillberatung anzubieten.
Mit der Übersetzung der Instrumente BSES-SF, MIBS und BSS-R besteht nun auch für deutsche Kliniken die Möglichkeit, das vollständige ICHOM-Set Schwangerschaft und Geburt zu implementieren und
PRO-Ergebnisse mit Kliniken international zu vergleichen. Hierbei ist jedoch vor allem eine Adaption der Erhebungszeitpunkte notwendig. In Deutschland kann die Befragung zu den Zeitpunkten
„frühes drittes Trimenon“ und „innerhalb 3 Tage post partum“ in der Regel über die entbindende Einrichtung erfolgen, die Befragungszeitpunkte „erster postpartaler check-up“ und „6 Monate
postpartal“ können über die Entbindungsklinik digital initiiert und ausgewertet werden. Zur Erfassung des initialen Befragungszeitpunkts im 1. Trimenon wäre zukünftig eine
sektorenübergreifende Erhebung mit Einbindung der ambulanten Fachärzte denkbar und wünschenswert. Somit eröffnet das ICHOM Standard Set Pregnancy and Childbirth die Möglichkeit, einen
Querschnitt bez. der Gesundheit und Lebensqualität von Frauen vom 1. Trimenon bis 6 Monate postpartal abzubilden und die Versorgungsqualität über die Sektorengrenzen hinweg zu erfassen.
Das ICHOM-Standardset für Schwangerschaft und Geburt – Übersetzung und sprachliche Anpassung für Deutschland
Claudia Hartmann, Matthias Rose, Alexander Weichert et al.
Geburtsh Frauenheilk 2022; 82: 747–754
10.1055/a-1666-0429
online publiziert: 07.07.2022
Im oben genannten Artikel ist im Literaturverzeichnis die Literaturstelle 19 nicht richtig angegeben. Korrekt ist: Hollins-Martin CJ, Martin C. Development and psychometric properties of the
Birth Satisfaction Scale-Revised (BSS-R). Midwifery 2014; 30: 610–619. Die Korrektur wurde in der Onlineversion des Artikels ausgeführt am: 22.07.2022