Rofo 2022; 194(05): 505-514
DOI: 10.1055/a-1682-7377
Quality/Quality Assurance

Struktur- und Prozessdaten zur radiologischen Bildgebung bei Behandlung schwerstverletzter Patienten – Ergebnisse einer Befragung überregionaler und regionaler TraumaZentren in Deutschland

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Antonio Ernstberger
1   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Osnabrücker Zentrum für muskuloskelettale Chirurgie (OZMC), Klinikum Osnabrück GmbH, Osnabrueck, Germany
,
Stefan Ulrich Reske
2   Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, Heinrich-Braun-Klinikum gemeinnützige GmbH, Zwickau, Germany
,
Alexandra Brandl
3   Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Germany
,
Martin Kulla
4   Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Germany
,
Stefan Huber-Wagner
5   Klinik für Unfallchirurgie, Wirbelsäulenchirurgie, Alterstraumatologie, Diakonie-Klinikum Schwäbisch Hall gGmbH, Schwabisch Hall, Germany
,
Daniel Popp
3   Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Germany
,
Maximilian Kerschbaum
3   Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg, Germany
,
Lena Marie Dendl
6   Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane, Brandenburg a.d. Havel, Germany
,
Rainer Braunschweig
7   Direktor (em.) der Klinik für Bildgebende Diagnostik und Interventionsradiologie BG-Klinik Bergmannstrost Halle/S., Vorstandsmitglied der AG MSK der DRG, BG Klinikum Bergmannstrost Halle, 10587 Berlin, Germany
,
Andreas G. Schreyer
6   Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, Brandenburg Medical School Theodor Fontane, Brandenburg a.d. Havel, Germany
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Ziel Systematische Datenerhebung der Integration der Radiologie sowie von Struktur- und Prozessmerkmalen der primären Diagnostik von schwerstverletzten Patienten in Deutschland.

Material und Methoden Persönliche Kontaktaufnahme mit allen zertifizierten überregionalen (ÜTZ) und regionalen TraumaZentren (RTZ) in Deutschland. Daten zur Infrastruktur, Zusammensetzung des Schockraumteams, Gerätedaten der CT-Scanner und Daten zur Organisation/Durchführung der primären Schwerstverletztendiagnostik wurden mit strukturiertem Fragebogen erfasst.

Ergebnisse Bei einer Teilnehmerquote von 46,9 % (n = 151) aller deutschen TraumaZentren (N = 322) liegt eine solide Datenbasis vor. Bei den Strukturmerkmalen incl. CT-Ausstattung gab es zwischen ÜTZ und RTZ teilweise hochsignifikante Unterschiede: Bei RTZ lag das CT-Gerät in 63,8 % über 50 m vom Schockraum entfernt (ÜTZ 34,2 %). Bei traumatologischen Schockraumaktivierungen war ein Radiologe in 59,5 % der RTZ anwesend (ÜTZ 88,1 %). Ebenfalls hochsignifikant waren die Ergebnisse beim Vergleich der 24-h-Vorhaltung weiterer radiologischer Untersuchungen und Interventionen wie etwa Magnetresonanztomografie (RTZ 44,9 %, ÜTZ 92,8 %) und Angiografie (RTZ 69,2 %, ÜTZ 97,1 %).

Schlussfolgerung Es zeigten sich heterogene Struktur- und Prozessmerkmale der Diagnostik schwerstverletzter Patienten in Deutschland mit hochsignifikanten Unterschieden zwischen ÜTZ und RZT.

Kernaussagen:

  • Erste Studie zur diagnostischen Realität der Radiologie bei Schwerstverletzten in Deutschland. Trotz aller Standardisierung sind deutliche Unterschiede zu verzeichnen.

Zitierweise

  • Ernstberger A, Reske SU, Brandl A et al. Structural and Process Data on Radiological Imaging in the Treatment of Severely Injured Patients – Results of a Survey of Level I and II Trauma Centers in Germany. Fortschr Röntgenstr 2022; 194: 505 – 514


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Einleitung

Das Polytrauma ist, trotz allen Fortschritts in Prävention, Diagnostik und Therapie, nach wie vor mit einer hohen Mortalität vergesellschaftet. Die WHO spricht von einer „Global Burden of Disease“ [1]. In Deutschland ist die schwere Verletzung – trotz nahezu stetig sinkender Zahlen von Verkehrsunfalltoten – die Haupttodesursache für Menschen unter 40 Jahren [2] [3]. Die Initiierung des TraumaRegisters DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie) 1993, die Publikation des ersten Weißbuchs Schwerverletztenversorgung 2006 und der ersten S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten–Behandlung 2011 können als Meilensteine in der Verbesserung der Schwerverletztenversorgung in Deutschland angesehen werden [4] [5] [6] [7]. Durch die Zertifizierung der traumaversorgenden Kliniken in überregionale, regionale und lokale TraumaZentren (ÜTZ, RTZ, LTZ) und der Zusammenschluss der Kliniken zu TraumaNetzwerken DGU konnte die Versorgungsqualität nachhaltig verbessert werden [8]. Die überregionalen TraumaZentren (ÜTZ) stellen hierbei die höchste Versorgungsstufe für Traumata in Deutschland dar, vergleichbar mit der internationalen Einteilung eines Level-I-Traumacenters. Die regionalen TraumaZentren (RTZ) sind die zweithöchste Versorgungsstufe. Das Weißbuch der Schwerverletztenversorgung in seiner ersten und zweiten Auflage schreibt eine primäre Einlieferung eines Schwerstverletzten entweder in ein ÜTZ oder ein RTZ vor. Wenn dies nicht zeitgerecht durchgeführt werden kann, muss die Einlieferung in lokale TraumaZentren (LTZ) erwogen werden, welche meist Regelversorger sind [4] [9].

Die Basis des Handelns der Traumatologen bei schwerstverletzten Patienten in Deutschland ist seit der Einführung der ersten Mehrzeilen-Computertomografen (CT) in die klinische Routine zunehmend die Ganzkörper-CT geworden [10]. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland die Fälle von nahezu 30 000 Schwerverletzten im TraumaRegister DGU dokumentiert, ca. 80 % erhielten eine Diagnostik mit der Ganzkörper-CT direkt in der Schockraumphase [6].

Nach dem aktuellen Stand der Literatur hat sich gezeigt, dass sowohl hämodynamisch stabile als auch instabile schwerstverletzte Patienten von einer Ganzkörper-CT profitieren und ein signifikant besseres Überleben haben [11] [12]. Insgesamt kann daher die Ganzkörper-CT in Deutschland als Goldstandard in der Notfalldiagnostik beim schwerverletzten Patienten betrachtet werden [13]. Dabei scheint in der deutschen Kliniklandschaft eine starke Heterogenität bezüglich der verfügbaren Infrastruktur, der organisatorischen und logistischen Integration der Radiologie zur Diagnostik und Therapie des Polytraumas sowie des Angebotes radiologischer Untersuchungsmöglichkeiten über die CT hinaus zu bestehen.

Um den Ist-Zustand bezüglich der Methodenverfügbarkeit und des Workflows der Radiologie bei der primären Versorgung der Schwerstverletzten an deutschen Kliniken zu analysieren, haben wir eine umfassende deutschlandweite Befragung der beteiligten Kliniken durchgeführt. Wir evaluierten, wie inhaltlich und logistisch an deutschen Kliniken Schwerstverletzte radiologisch untersucht werden.

Ziel der Studie war es, die Integration der Radiologie in die Schwerstverletztenversorgung zu untersuchen. Basierend auf den Umfrageergebnissen wurden die Durchführung von Ultraschalluntersuchungen, CT, MRT und angiografischen Untersuchungen und Interventionen evaluiert. Zusätzlich wurde der Ist-Zustand der vorhandenen CT-Geräteausstattungen analysiert. Schließlich wurde erarbeitet, wie das übliche Vorgehen der evaluierten Kliniken bezüglich Befunderstellung und Workflow der Radiologie innerhalb des Schockraum-Managements der Kliniken war.

Da alle untersuchten Kliniken Teil der TraumaNetzwerk-Initiative der DGU sind, waren homogene Struktur- und Prozessmerkmale zu erwarten. Diese Hypothese sollte in der Studie überprüft und relevante Abweichungen herausgearbeitet werden.


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Material und Methoden

Die vorliegende Umfrage wurde mit einem positivem Ethikvotum beschieden (Universitätsklinikum Regensburg, Nr. 17–668–101).

Im interdisziplinären Konsens wurde ein Fragebogen durch Mitglieder der DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie) und der DRG (Deutschen Röntgengesellschaft e. V.) erstellt, um umfassende Details mit direktem und indirektem Bezug zur Ganzkörper-CT abzufragen. Der Fragebogen (Link Supplement gesamter Fragebogen) enthielt insgesamt 142 Items aus den folgenden Kategorien:

  • Kontaktdaten und Stufe des TraumaZentrums (4 Items)

  • CT-Gerätedaten, Infrastruktur, Schockraummanagement (23 Items)

  • Protokolldesign, Patientenlagerung, Scansettings, Kontrastmittel (72 Items)

  • Bildrekonstruktion (27 Items)

  • Befunderstellung, Verlaufskontrollen, weitere Diagnostik- und Therapieoptionen (16 Items)

Die Datenerhebung wurde zwischen 01.07.2017 und 31.12.2017 durchgeführt. Hierfür wurden alle zertifizierten überregionalen (n = 110) und regionalen (n = 212) TraumaZentren in Deutschland identifiziert (TraumaNetzwerk DGU, www.traumanetzwerk-dgu.de). Aufgrund der Maßgaben des Weißbuches der Schwerverletztenversorgung und der präklinischen Auswahl der Zielkliniken ist die Anzahl der primär in LTZ eingelieferten Schwerstverletzten pro Klinik gering (im Mittel 11 per anno). Im Jahr 2020 wurden lt. TraumaRegister-Jahresbericht 2647 (6,6 %) Schwerstverletzte (ISS ≥ 16) primär in LTZ therapiert, 37 516 (93,4 %) in ÜTZ und RTZ, weshalb wir uns in dieser Studie auf die Untersuchung der ÜTZ und RTZ fokussierten.

Das personalisierte Studiendesign erlaubte jeder teilnehmenden Klinik ausschließlich die Beantwortung genau eines Fragebogens: Es erfolgte zunächst eine persönliche Kontaktaufnahme über E-Mail oder telefonisch zum jeweiligen radiologischen Chefarzt/Leiter der identifizierten Kliniken. Bei der Kontaktaufnahme wurde die Erlaubnis zur Durchführung der Datenerhebung eingeholt sowie ein persönlicher operationaler Kontakt zu Mitarbeitern für die weitere detaillierte Bearbeitung des Fragebogens etabliert. Die genannten Mitarbeiter, die vom jeweiligen Leiter der Radiologie benannt wurden, beantworteten dann einen Fragebogen mit ggf. persönlicher weiterer telefonischer Unterstützung durch die Studienleitung.

Die Ergebnisse der analogen Fragebögen wurden durch das Studienzentrum zur weiteren Auswertung in IBM SPSS Statistics for Windows 23 (IBM Corp., Armonk, N.Y., USA) übertragen. Fehlende Dateneingaben wurden in den Prozentangaben nicht berücksichtigt, aber als „Missings“ dargestellt (siehe Tabellen). Freitexteingaben wurden gruppiert.

Anschließend wurden zunächst die Häufigkeiten über die Grundgesamtheit aller beteiligten Kliniken berechnet und zudem eine Subgruppenanalyse nach überregionalem (ÜTZ) und regionalem (RTZ) TraumaZentrum durchgeführt.

Zur Berechnung der Signifikanzen der Unterschiede zwischen ÜTZ und RTZ wurde bei den Variablen, die alle nominal waren, der Chi-Quadrat-Test nach Pearson benutzt.

Ein p < 0,05 wurde als signifikant und ein p < 0,001 als hochsignifikant bewertet.


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Ergebnisse

Von den 322 identifizierten TraumaZentren nahmen insgesamt 46,9 % (n = 151) an der Studie teil ([Tab. 1]). Dabei wurde eine Teilnehmerquote von 63,6 % bei den ÜTZ und 38,2 % bei den RTZ erreicht.

Tab. 1

Zusammenfassung der Umfragedaten zu Strukturmerkmalen der Ganzkörper-CT.

Gesamt (n/%)

ÜTZ (n/%)

RTZ (n/%)

p-Wert

Angeschriebene Kliniken

322

110

212

Teilnehmende Kliniken

151/46,9 %

70/63,6 %

81/38,2 %

Strukturmerkmale

Lokalisation CT

< 0,001

CT im Schockraum

19/12,7 %

16/22,9 %

3/3,7 %

CT direkt neben Schockraum

56/37,3 %

30/42,9 %

26/32,5 %

CT weiter vom Schockraum entfernt

75/50,0 %

24/34,2 %

51/63,8 %

Missings

1

0

1

Hersteller CT

0,105

Siemens Healthineers

92/61,3 %

47/67,1 %

45/56,3 %

Philips Healthcare

28/18,7 %

11/15,7 %

17/21,2 %

Toshiba bzw. Canon

17/11,3 %

4/5,7 %

13/16,2 %

GE

13/8,7 %

8/11,4 %

5/6,3 %

Missings

1

0

1

Detektorzeilen CT

0,279

4

1/0,7 %

1/1,4 %

0/0 %

16

24/16,0 %

9/12,9 %

15/18,8 %

20

5/3,3 %

2/2,9 %

3/3,8 %

32

8/5,3 %

4/5,7 %

4/5,0 %

40

5/3,3 %

2/2,9 %

3/3,8 %

64

54/36,0 %

22/31,4 %

32/40,0 %

80

6/4,0 %

1/1,4 %

5/6,3 %

128

30/20,0 %

18/25,7 %

12/15,0 %

192

1/0,7 %

1/1,4 %

0/0 %

256

12/8,0 %

8/11,4 %

4/5,0 %

320

1/0,7 %

0/0 %

1/1,3 %

384

2/1,3 %

2/2,9 %

0/0 %

512

1/0,7 %

0/0 %

1/1,3 %

Missings

1

0

1

Ausfallkonzept (2. CT)

< 0,001

vorhanden

110/73,3 %

67/95,7 %

43/53,8 %

nicht vorhanden

40/26,7 %

3/4,3 %

37/46,3 %

Missings

1

0

1

ÜTZ: Überregionales TraumaZentrum; RTZ: Regionales TraumaZentrum; Missings: Anzahl der nicht beantworteten Items aus dem Fragebogen.

Strukturmerkmale

Entfernung des CT-Geräts vom Schockraum

Bei 50,0 % der Kliniken (ÜTZ 34,3 %; RTZ 63,8 %, p < 0,001) musste vom Schockraum zum Computertomografen eine weitere Strecke als 50 m zurückgelegt werden ([Tab. 1]). Insgesamt wurden dabei Strecken bis zu 150 m zurückgelegt, in 3 Kliniken war das CT auf einem anderen Stockwerk. Bei 37,3 % war der CT-Scanner im Nachbarraum zum Schockraum lokalisiert, während in 12,7 % (ÜTZ 22,9 %, RTZ 3,7 %, p < 0,001) ein CT-Scanner im Schockraum installiert war. Statistisch ergab sich, dass in RTZ hochsignifikant weitere Strecken zurückgelegt werden mussten ([Tab. 1]).


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Gerätedaten der CT-Scanner

Die meisten der untersuchten Kliniken nutzten ein CT der Firma Siemens Healthcare GmbH (61,3 %), gefolgt von Philips Healthcare, Canon Medical System GmbH (früher Toshiba) und GE Healthcare GmbH ([Tab. 1]). Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Versorgungsstufen fand sich dabei weder bei der Herstellerverteilung noch bei der Anzahl der Detektoren. Die Anzahl der Detektorzeilen reichte von 4 bis 512 Zeilen. Die Klinik mit dem 4-Zeiler-CT befand sich in der Neuanschaffung während der Studie. Ein Maximum zeigte sich bei den 64- und 128-Zeilengeräten. 95,7 % der ÜTZ hielten ein zweites CT als Ausfallkonzept vor, dagegen 53,8 % der RTZ (p < 0,001). Bei den Zweit-Scannern waren die 16-Zeiler (neben den 64- und 128-Zeilern) am häufigsten vertreten. Die ÜTZ hatten eine signifikant höhere Detektorzeilenanzahl bei den Ausfallscannern ([Tab. 1]).


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#

Prozessmerkmale

Untersuchungsdurchführung und Befundung

Bezüglich der zeitlichen Organisationsstruktur gaben 98,7 % der Kliniken an, dass die CT 24 Stunden an 7 Tagen der Woche zur Verfügung stand ([Tab. 2]).

Tab. 2

Prozessqualität Untersuchungsdurchführung und Befundung.

Gesamt (n/%)

ÜTZ (n/%)

RTZ (n/%)

p-Wert

Teilnehmende Kliniken

151/46,9 %

70/63,6 %

81/38,2 %

Prozessmerkmale

CT-Verfügbarkeit

0,125

ständige Verfügbarkeit 24/7

147/98,7 %

67/97,1 %

80/100 %

Eingeschränkte Verfügbarkeit

2/1,3 %

2/2,9 %

0/0 %

Missings

2

1

1

Vorlaufzeit notwendig

< 0,016

nein

108/85,0 %

55/93,2 %

53/77,9 %

ja

19/15,0 %

4/6,8 %

15/22,1 %

Missings

24

11

13

Teamzusammensetzung – Radiologe im Schockraum anwesend

< 0,001

ja

106/72,6 %

59/88,1 %

47/59,5 %

nein

30/20,5 %

8/11,9 %

22/27,8 %

unterschiedlich/nach Bedarf

10/6,8 %

0/0 %

10/12,7 %

Missings

5

3

2

eFAST-Durchführung

0,357

ja

137/93,8 %

62/91,2 %

75/96,2 %

nein

8/5,5 %

5/7,4 %

3/3,8 %

häufig

1/0,7 %

1/1,5 %

0/0 %

Missings

5

2

3

eFAST-Durchführung durch

0,022

Radiologie

37/27,0 %

22/34,9 %

15/20,3 %

Unfallchirurgie

48/35,0 %

21/33,3 %

27/36,5 %

Allgemeinchirurgie

20/14,6 %

12/19,0 %

8/10,8 %

Innere Medizin

5/3,6 %

2/3,2 %

3/4,1 %

andere

1/0,7 %

1/1,6 %

0/0 %

unterschiedlich

26/19,0 %

5/7,9 %

21/28,4 %

Missings

14

7

7

Zeitpunkt der CT-Durchführung

0,808

innerhalb von 20 min.

52/35,6 %

26/38,2 %

26/33,3 %

nach erster Schockraumphase

89/61,0 %

40/58,8 %

49/62,8 %

situationsabhängig

5/3,4 %

2/3,0 %

3/3,9 %

Missings

5

2

3

Primäre Befundung im Tagdienst

0,063

Assistenzarzt

58/40,6 %

34/51,5 %

24/31,2 %

Facharzt

26/18,2 %

8/12,1 %

18/23,4 %

Assistenzarzt oder Facharzt

46/32,2 %

21/31,8 %

25/32,5 %

Oberarzt

5/3,5 %

1/1,5 %

4/5,2 %

nicht bekannt

8/5,6 %

2/3,0 %

6/7,8 %

Missings

8

4

4

Primäre Befundung im Nachtdienst

< 0,001

Assistenzarzt

60/42,0 %

35/53,0 %

25/32,5 %

Facharzt

19/13,3 %

5/7,6 %

14/18,2 %

Assistenzarzt oder Facharzt

40/28,0 %

24/36,4 %

16/20,8 %

Oberarzt

2/1,4 %

0/0 %

2/2,6 %

Teleradiologie

17/11,9 %

0/0 %

17/22,1 %

nicht bekannt

5/3,5 %

2/3,0 %

3/3,9 %

Missings

8

4

4

Strukturierte Befundung

0,408

ja

85/63,9 %

43/69,4 %

42/59,2 %

nein

42/31,6 %

16/25,8 %

26/36,6 %

unterschiedlich

6/4,5 %

3/4,8 %

3/4,2 %

Missings

18

8

10

ÜTZ: Überregionales TraumaZentrum; RTZ: Regionales TraumaZentrum; Missings: Anzahl der nicht beantworteten Items aus dem Fragebogen.

Bei 15,0 % der Kliniken war dabei eine Vorlaufzeit von bis zu 30 min nötig. 6,8 % der ÜTZ und 22,1 % der RTZ benötigten eine Vorlaufzeit. Die mittlere Vorlaufzeit lag bei 12,3 min. Der Unterschied zwischen ÜTZ und RTZ war statistisch signifikant.


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Teamzusammensetzung Schockraum

Bei traumatologischer Schockraumalarmierung war bei 72,6 % der teilnehmenden Kliniken ein Radiologe als Teammitglied festgelegt ([Tab. 2]). Bei 20,5 % der Kliniken war kein Radiologe im Schockraumteam und bei 6,8 % war die Beteiligung als unterschiedlich („je nach Bedarf“) beschrieben. In ÜTZ waren Radiologen hochsignifikant häufiger im Schockraum vertreten als in RTZ (88,1 % vs. 59,5 %).


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eFAST vor Durchführung der Ganzkörper-CT

Nach dem Eintreffen des Patienten im Schockraum der TraumaZentren führten 93,8 % der Kliniken eine eFAST (extended Focused Assessment with Sonography for Trauma) durch ([Tab. 2]). Bei 35,0 % aller evaluierten TraumaZentren wurde die eFAST durch die Unfallchirurgie und bei 27,0 % durch die Radiologie durchgeführt. Hierbei ließ sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen ÜTZ und RTZ erkennen. Die eFAST wurde in ÜTZ mit 34,9 % statistisch signifikant häufiger als in RTZ mit 20,3 % von Kollegen der Radiologie durchgeführt. Im Gegensatz dazu erfolgte in RTZ die Sonografie mit 36,5 % häufiger durch Mitarbeiter der Unfallchirurgie.


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Zeitpunkt der CT-Durchführung

35,6 % der Kliniken gaben an, immer innerhalb der ersten 20 min. nach Einlieferung des Patienten zuerst die Computertomografie durchzuführen. Die Mehrheit der Kliniken mit 61,0 % führte die Ganzkörper-CT standardmäßig nach der ersten Schockraumphase (Primary Survey) durch. Bei 3,4 % der Kliniken wird das Vorgehen situationsabhängig entschieden. Statistisch gab es dabei keinen signifikanten Unterschied zwischen ÜTZ und RTZ.


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Befunderstellung Ganzkörper-CT

Alle endgültigen Befunde wurden durch einen radiologischen Facharzt/Oberarzt validiert. Während der Regelarbeitszeit fand die initiale Befundung der Ganzkörper-CT vor Ort am häufigsten (40,6 %) primär durch Weiterbildungsassistenten statt ([Tab. 2]). Bei 32,2 % der Kliniken wurde je nach Verfügbarkeit die Initialdiagnose durch einen Weiterbildungsassistenten oder einen Facharzt gestellt und bei 21,7 % wurde primär nur durch Fachärzte oder Oberärzte befundet ([Tab. 2], 1. Spalte). Statistisch gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen ÜTZ und RTZ. Die Ausprägung „Weiterbildungsassistent oder Facharzt“ wurde zusätzlich, geschuldet der klinischen Routine und der Beantwortung des Fragebogens, als Antwortmöglichkeit angeboten.

Prinzipiell gab es ein ähnliches Bild bei der initialen Befundung im Nacht- und Wochenenddienst, die zu 42,0 % primär von Weiterbildungsassistenten, zu 28,0 % je nach Verfügbarkeit von Weiterbildungsassistenten oder Fachärzten und zu 14,7 % durch Oberärzte oder Fachärzte durchgeführt wurde. Hier zeigten sich statistisch hochsignifikante Unterschiede zwischen ÜTZ und RTZ. Dabei fand die Primärbefundung durch einen Weiterbildungsassistenten bei ÜTZ bei 53,0 % und bei RTZ lediglich bei 32,5 % statt. Bei den RTZ wurde dabei mit 20,8 % signifikant häufiger eine initiale Befundung durch einen Ober- oder Facharzt durchgeführt, was bei ÜTZ lediglich bei 7,6 % stattfand. Ein großer Unterschied zeigte sich zwischen ÜTZ und RTZ bei der Anwendung der Teleradiologie, die ausschließlich in RTZ mit 11,9 % durchgeführt wurde und in keinem der ÜTZ Routine war.


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Verfügbarkeit weiterer radiologischer Diagnostik und Therapie

Die ständige Verfügbarkeit einer Magnetresonanztomografie wurde von 67,3 % der Kliniken angegeben ([Tab. 3]). Die Vorlaufzeit betrug dabei im Durchschnitt 26,5 min. Der Unterschied bei der Verfügbarkeit der MRT war dabei zwischen ÜTZ (92,8 %) und RTZ (44,9 %) statistisch hochsignifikant.

Tab. 3

Erweiterte radiologische Untersuchungen und Interventionsmöglichkeiten.

Gesamt (n/%)

ÜTZ (n/%)

RTZ (n/%)

p-Wert

Teilnehmende Kliniken

151/46,9 %

70/63,6 %

81/38,2 %

MRT

< 0,001

ständige Verfügbarkeit

99/67,3 %

64/92,8 %

35/44,9 %

keine ständige Verfügbarkeit

48/32,7 %

5/7,2 %

43/55,1 %

Missings

4

1

3

Angiografie diagnostisch 24/7

< 0,001

ja

120/82,2 %

66/97,1 %

54/69,2 %

nein

26/17,8 %

2/2,9 %

24/30,8 %

Missings

5

2

3

Angiografie-Intervention 24/7

< 0,001

ja

103/71,0 %

60/89,6 %

43/55,1 %

nein

29/20,0 %

2/3,0 %

27/34,6 %

meistens

13/9,0 %

5/7,5 %

8/10,3 %

Missings

6

3

3

ÜTZ: Überregionales TraumaZentrum; RTZ: Regionales TraumaZentrum; Missings: Anzahl der nicht beantworteten Items aus dem Fragebogen.

Die Möglichkeit einer angiografischen Diagnostik war bei 82,2 % aller antwortenden Kliniken jederzeit gegeben mit einer mittleren Vorlaufszeit von 32 min. Die maximal benötigte Vorlaufzeit für Interventionen betrug 60 min. Angiografische Interventionen wurden insgesamt von 71,0 % der Kliniken zu jeder Tageszeit angeboten. Auch hier war der Unterschied zwischen ÜTZ (89,6 %) und RTZ (55,1 %) hochsignifikant. Zusätzlich waren interventionelle Angiografien je nach Personalbesetzung („meistens“) bei 7,5 % der ÜTZ und 10,3 % der RTZ möglich ([Tab. 3]).


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Diskussion

Nach unserer Kenntnis ist dies die erste Studie, in der die Integration der Radiologie sowie die Struktur- und Prozessmerkmale der Diagnostik bei schwerstverletzten Schockraumpatienten in Deutschland systematisch evaluiert wurde.

Mit einer Teilnehmerquote von 46,9 % von insgesamt 322 identifizierten überregionalen und regionalen TraumaZentren (TraumaNetzwerk DGU) können wir auf eine solide Datenbasis mit repräsentativen Ergebnissen zurückgreifen.

Strukturmerkmale der radiologischen Versorgung schwerstverletzter Patienten

Zeitliche und räumliche Organisationsstruktur der Ganzkörper-CT

Bei Durchführung von Ganzkörper-CT-Untersuchungen schwerstverletzter Patienten in Deutschland ist von einer nahezu vollständigen zeitlichen Verfügbarkeit in ÜTZ und RTZ auszugehen.

Bei der Hälfte der untersuchten Klinken war das CT-Gerät entweder door-to-door oder direkt im Schockraum installiert.

In einer bereits 1998 veröffentlichten Studie wurde festgestellt, dass eine Installation des CT-Geräts außerhalb des Schockraums eine Verzögerung der Umlagerungs- und Transportprozesse verursacht, was wiederum die Diagnostik und Behandlungsprozesse mit einem Zeitverlust von durchschnittlich 14,5 Minuten belastet [14].

In einer Studie von Hilbert und Kollegen wurde nach Installation eines CT-Scanners im Schockraum die benötigte Zeit mit retrospektiven Daten der gleichen Klinik verglichen; es konnte gezeigt werden, dass die Installation des CT-Scanners im Schockraum die Aufenthaltsdauer des Patienten im Schockraum signifikant reduziert [15]. In einer Studie von Lee und Kollegen konnte ebenso gezeigt werden, dass sich durch die Installation des CT-Scanners im Schockraum die Zeit zwischen Bildgebung und Operation signifikant verkürzt. Ein Einfluss auf durchschnittliche Verweildauer oder Mortalität konnte nicht nachgewiesen werden [16]. Ähnliche Ergebnisse zeigten die Studien von Gross sowie von Saltzherr [17] [18].

Eine Publikation von Huber-Wagner aus dem Jahre 2014 zeigte jedoch, dass eine CT-Lokalisation im Umkreis von 50 m um den Schockraum eine signifikant bessere Überlebenswahrscheinlich schwer verletzter Patienten bedingt. In der Publikation wurde bei einer Transportstrecke von über 50 m eine signifikant schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit nachgewiesen [19]. In der Praxis zeigt sich nach unserer Meinung ein CT-Scanner im Schockraum bzw. im Nebenraum, insbesondere bei instabilen Patienten, vorteilhaft. Ist der Scanner deutlich weiter entfernt, können potenziell Probleme beim Transport und insbesondere bei der Materialbereitstellung für die Anästhesie entstehen.

Insgesamt muss also festgestellt werden, dass die Integration eines CT-Scanners im Schockraum die Zeit des Patienten im Schockraum reduziert, es jedoch, basierend auf der aktuellen Studienlage, keinen signifikanten Einfluss auf die Mortalität des Patienten gibt. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es häufig für radiologische Abteilungen problematisch, ein eigenes CT-Gerät außerhalb der Abteilung innerhalb der Notaufnahmen installiert zu haben, welches häufig nicht optimal vom radiologischen Stammpersonal für Routineaufgaben genutzt werden kann. Es sollte bei der Planung von Kliniken darauf geachtet werden, dass ein CT-Scanner möglichst weniger als 50 m vom Schockraum entfernt vorhanden sein sollte.


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Detektorzeilenanzahl und Ausfallkonzepte

Bei den evaluierten Kliniken waren mindestens CT-Geräte mit 16 Detektorzeilen vorgesehen, die meisten Kliniken nutzen Geräte mit 64 Zeilen. Prinzipiell sollten alle CT-Scanner mit einer Zeilenanzahl von mindestens 16 als diagnostisch ausreichend betrachtet werden. Nach unserer Erkenntnis liegen keine umfassenden vergleichenden Studien zur diagnostischen Genauigkeit basierend auf der Anzahl der Detektorzeilen bei Ganzkörper-Polytrauma-CT vor. Eine monozentrische Studie konnte jedoch zeigen, dass bei stumpfen zerebrovaskulären Verletzungen, wie etwa Dissektionen der Carotiden oder Aa. vertebrales, die Sensitivität der Mehrzeilen-CT von 51 % bei einem 32-Zeilen-CT-Scanner auf 68 % bei 64-Zeilen-Geräten anstieg [20].


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Prozessmerkmale der radiologischen Versorgung polytraumatisierter Patienten

Anwesenheit Radiologie im Schockraum

Bezüglich der Zusammensetzung des Schockraumteams war in der Mehrheit der evaluierten Kliniken ein Radiologe im Schockraum anwesend. Dies war in ÜTZ häufiger als in RTZ der Fall, was mit hoher Wahrscheinlichkeit an der 24-stündigen Anwesenheit eines Radiologen, welcher ggf. auch die sonografische Evaluation mit eFAST durchführt, liegen dürfte. Der Radiologe als Ansprechpartner für die chirurgischen Fächer und als direkter klinischer Partner im Schockraum bietet unserer Meinung nach große Vorteile durch eine Minimierung von möglichen Übertragungs- und Kommunikationsfehlern und der Möglichkeit dezidierter direkter Nachfragen in beide Richtungen. Der Einsatz der Teleradiologie in den RTZ ist wirtschaftlich bei häufig nicht ausreichendem Personalschlüssel nachvollziehbar, birgt aber in Einzelfällen Risiken durch fehlende persönliche Integration der Radiologie in das Schockraumteam. Wissenschaftliche Auswertung einer persönlichen Untersuchungsdurchführung durch die Radiologie vor Ort bezüglich des Einflusses auf Prozess- und Ergebnisqualität liegen unseres Wissens nicht vor.


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Sonografie

Entsprechend der S3-Leitlinie wird bei stumpfen oder penetrierenden Verletzungeneine eFAST-Sonografie durchgeführt. Bezüglich der Qualifikation oder Zertifizierung des Arztes, der die Ultraschalluntersuchung durchführt, gibt es in der Leitlinie keine Vorgaben. In den Kliniken mit CT-First-Protokoll wird dieses Vorgehen der primären eFAST kontrovers diskutiert.

Der Stellenwert der eFAST bei schwerverletzten Patienten muss insgesamt, je nach Verletzungsschweregrad, differenziert betrachtet werden. In einer Studie von Becker et. al. wurde bei 3181 Patienten die Wertigkeit des eFAST im Vergleich zur Computertomografie evaluiert [21]. Dabei wurden die Patienten in 3 Gruppen anhand der Verletzungsschwere (nach Injury-Severity-Score; ISS) eingeteilt, wobei Gruppe 1 die leichtesten Verletzungen mit ISS-Werten zwischen 1 und 14, Gruppe 2 zwischen 16 und 24 und die Gruppe 3 ISS-Werte ≥ 25 hatte. In der leicht verletzten Gruppe hatte die eFAST dabei die besten Sensitivitäten von 86 %, Gruppe 2 hatte eine etwas geringere Sensitivität mit 80 % und Gruppe 3 mit den höchsten ISS-Werten eine Sensitivität von lediglich 65,1 %. In weiteren vergleichenden Studien konnten Sensitivitäten zwischen 75 % und 87 % bei hohen Spezifitäten erreicht werden [22] [23]. Über alle Veröffentlichungen hinweg wurde festgestellt, dass intraabdominelle Verletzungen nicht durch ein negatives Ergebnis in der eFAST bzw. FAST-Sonografie ausgeschlossen werden können.

Dagegen zeigen die erwähnten Studien eine Spezifizität von mindestens 97 %. Im Falle des instabilen Traumas kann die Sonografie bei zeitkritischen Entscheidungen richtungsweisend und therapieentscheidend sein. Daher sollte unserer Meinung nach die eFAST auch zur Sicherung einer künftig routinierten Durchführung in der Schwerverletzten-Versorgung beibehalten werden. Wie bei den meisten sonografischen Untersuchungen liegen die Limitationen der Ergebnisse in der Abhängigkeit von der Qualifikation und dem Ausbildungsstand des Untersuchers sowie den Untersuchungsbedingungen im Schockraum. Zusätzlich wird die Untersuchungsqualität von physiologischen Gegebenheiten der Patienten wie Darmgasüberlagerungen oder Adipositas bestimmt [24]. Soweit uns bekannt, existieren keine vergleichenden Studien zwischen der Ergebnisqualität der eFAST-Sonografie zwischen radiologischen und unfallchirurgischen Untersuchern.


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Befunderstellung Ganzkörper-CT

Alle Endbefunde wurden von einem Facharzt validiert, wobei die Primärbefundung häufig durch Weiterbildungsassistenten durchgeführt wurde.

Eine teleradiologische Befundung der Ganzkörper-CT fand bei 11,9 % der RTZ in der Nacht statt, was der häufig nicht vorhandenen 24-Stunden-Anwesenheit von Radiologen in RTZ geschuldet sein dürfte. Im Tagdienst und bei ÜTZ wurde nicht teleradiologisch befundet. Außerhalb der regulären Dienstzeit wurde an ÜTZ die Primärbefundung in 53,0 % durch einen Weiterbildungsassistenten durchgeführt, bei RTZ hingegen lediglich bei 32,5 %. Der Grund für die höhere Anzahl der Primärbefundung durch Weiterbildungsassistenten in ÜTZ dürfte wohl daran liegen, dass diese in größeren Kliniken eher als Ausbildungskliniken fungieren und die Primärbefundung im Anwesenheitsdienst aus diesem Grund eher von Weiterbildungsassistenten durchgeführt wird. Bei allen Kliniken haben jedoch den freigegebenen endgültigen Befund immer ein Facharzt bzw. Oberarzt noch einmal überprüft. In der Literatur zeigt sich, dass es insgesamt von Nutzen ist, wenn ein Facharzt in der Radiologie die Befunde noch einmal reevaluiert. In einer Studie von Hillier et al. 2004 wird an 331 Patienten mit Polytrauma der CT-Befund von Weiterbildungsassistenten mit dem Befund von radiologischen Fachärzten verglichen; insgesamt lag bei den Weiterbildungsassistenten bei der Studie eine Fehlerrate von 21,5 % vor, wobei insgesamt 7 % der falschen Befunde einen signifikanten medizinischen Fehler zur Folge gehabt hätten [25]. In einer Studie von Briggs und Kollegen zeigen sich bei 137 evaluierten Polytrauma-CT im Vergleich zwischen Weiterbildungsassistenten und Fachärzten geringere Differenzen [26]. Bei dieser Studie gab es bei 25 % der Patienten Diskrepanzen mit 18 % übersehenen Diagnosen, wobei hier lediglich in 6 Fällen der 130 Patienten diese übersehenen Befunde von schwerwiegenderer klinischer Bedeutung waren. Eine Studie von Terreblanche untersucht die Auswertung von 1477 CT-Untersuchungen eines Level-1-Traumazentrums in Johannisburg, Südafrika, die insgesamt eine Fehlerrate von 17,1 % mit einer Fehlerrate von schwerwiegenden Diskrepanzen von 7,7 % fand [27]. Hier wurde gezeigt, dass bei Weiterbildungsassistenten vor allem zwischen 2. und 3. Ausbildungsjahr eine signifikante Verbesserung der Befundqualität eintritt.


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Verfügbarkeit weiterer radiologischer diagnostischer und therapeutischer Methoden

Die Möglichkeit, zu jeder Tageszeit eine MRT bei polytraumatisierten Patienten zu erhalten, zeigte statistisch hochsignifikante Unterschiede zwischen überregionalen (92,8 %) und regionalen Zentren (44,9 %). Die akute bzw. subakute Verfügbarkeit von MRT-Geräten zur Behandlung polytraumatisierter Patienten ist klinisch in speziellen Fällen nötig. Prinzipiell wird eine MRT-Untersuchung bei fraglichen CT-Befunden, wie etwa der traumatischen Dissektion von Vertebralarterien oder Pathologien der Wirbelsäule im Sinne einer Rückenmarksschädigung angefordert. Vergleichende multizentrische prospektive Studien konnten in einer selektionierten Patientenpopulation nachweisen, dass durch eine MRT in 23,6 % der Fälle bei unauffälligem CT der Halswirbelsäule zusätzliche pathologische Befunde entdeckt wurden, ohne die klinische Signifikanz der Verletzungen zu evaluieren [28]. Gegenwärtig ist das Vorhalten von MRT-Untersuchungen zu jeder Tageszeit jedoch keine Bedingung, die im aktuellen Weißbuch der Schwerverletztenversorgung als Anforderung für TraumaZentren vorgeschrieben ist [9].

Das Vorhandensein angiografischer Diagnostik und vor allem angiografischer Interventionen war bei etwa 1/3 der befragten Kliniken zu jeder Tageszeit möglich. Der Unterschied zwischen den überregionalen (97,1 %) und regionalen Zentren (69,2 %) waren statistisch signifikant. Die S3-Leitlinie diskutiert verschiedene, interventionsradiologische Therapieverfahren für Polytraumapatienten, insbesondere bei Verletzung der parenchymatösen Oberbauchorgane und bei Beckenfrakturen als primären oder als ergänzenden Therapieansatz, welche jedoch nur bei entsprechender Expertise angewandt werden sollten. Systematische Studien zur klinischen Relevanz einer akut verfügbaren Angiografie existieren unseres Wissens nicht. Lediglich eine retrospektive Analyse von 2 Traumazentren in den USA zeigen eine im Vergleich zur Angiografie niedrigere Sensitivität der CT bei penetrierenden zerebrovaskulären Verletzungen [29]. Das logistische Vorhalten von hochspezialisierten interventionellen Radiologen zu jeder Tageszeit ist jedoch aus wirtschaftlichen Gründen gerade an weniger spezialisierten Zentren, wie es die RTZ repräsentieren, häufig nicht möglich. Nach unserem Wissen existiert auch keine systematische Outcome-Analyse hinsichtlich des permanenten Angebotes einer Angiografie bei polytraumatisierten Patienten.


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Limitationen

Durch die freiwillige Studienteilnahme und Bearbeitung eines ausführlichen und zeitintensiven Fragebogens konnten nicht alle regionalen und überregionalen TraumaZentren vollständig erfasst werden. Dennoch sehen wir in einer Teilnehmerquote von nahezu 50 % eine solide Basis unserer Evaluation. Obgleich durch die persönliche Betreuung jedes ausgefüllten Fragebogens durch die Studienleitung die Anzahl von Missverständnissen bei einzelnen Items reduziert werden konnte, war es dennoch nicht bei allen Teilnehmern möglich, eine absolute Vollständigkeit aller abgefragten Punkte zu erreichen. Zusätzlich mussten wir uns bezüglich der inhaltlichen Korrektheit auf die Sorgfalt und das korrekte Verständnis bei den teilnehmenden Kliniken verlassen.

Eine weitere detaillierte Aufarbeitung der angewendeten CT-Protokolle wird von der Arbeitsgruppe gesondert publiziert werden, da sie den Umfang der vorgelegten Arbeit überschreitet.


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Fazit

Es zeigte sich sowohl in den Struktur- als auch in den Prozessmerkmalen in einzelnen Bereichen eine deutliche Heterogenität zwischen überregionalen und regionalen TraumaZentren vor allem bezüglich der Entfernung der CT-Scanner zum Schockraum sowie den Hauptbeteiligten der Versorgung beim Ultraschall und der Teamzusammensetzung des Schockraumteams. Insgesamt ist jedoch von einer hohen Leistungsfähigkeit der Radiologie in deutschen TraumaZentren auszugehen.

Klinische Relevanz der Studie
  • Die Studie erfasst erstmals die Realität der radiologischen Diagnostik der Schwerstverletzten in Deutschland.

  • Es fand sich eine Heterogenität bezüglich der Strukturen und der Prozesse mit teilweise signifikanten Unterschieden zwischen überregionalen und regionalen TraumaZentren.

  • Weitere Studien auf der Basis dieser Ergebnisse werden die Frage klären, ob sich hieraus ein diagnostischer Unterschied und ein Unterschied in der Ergebnisqualität ergibt.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.

Danksagung

Die Erstellung des Fragebogens war eine gemeinschaftliche Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG). Auf Seiten der DGU darf der Sektion Notfall-, Intensivmedizin und Schwerverletztenversorgung (NIS) gedankt werden, auf Seiten der DRG der AG Muskuloskelettale Radiologie (MSK).

Ergänzendes Material/Supplementary Material


Correspondence

Herr Dr. Antonio Ernstberger
Department of Trauma Surgery, Klinikum Osnabrück GmbH
Am Finkenhuegel 1
49076 Osnabrueck
Germany   
Telefon: +49/5 41/4 05 62 10   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 01. Februar 2021

Angenommen: 30. September 2021

Artikel online veröffentlicht:
15. Dezember 2021

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