Key words
CT-spiral - decision analysis - technical aspects - trauma
Einleitung
Das Polytrauma ist, trotz allen Fortschritts in Prävention, Diagnostik und Therapie,
nach wie vor mit einer hohen Mortalität vergesellschaftet. Die WHO spricht von einer
„Global Burden of Disease“ [1]. In Deutschland ist die schwere Verletzung – trotz nahezu stetig sinkender Zahlen
von Verkehrsunfalltoten – die Haupttodesursache für Menschen unter 40 Jahren [2]
[3]. Die Initiierung des TraumaRegisters DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie)
1993, die Publikation des ersten Weißbuchs Schwerverletztenversorgung 2006 und der
ersten S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten–Behandlung 2011 können als Meilensteine
in der Verbesserung der Schwerverletztenversorgung in Deutschland angesehen werden
[4]
[5]
[6]
[7]. Durch die Zertifizierung der traumaversorgenden Kliniken in überregionale, regionale
und lokale TraumaZentren (ÜTZ, RTZ, LTZ) und der Zusammenschluss der Kliniken zu TraumaNetzwerken
DGU konnte die Versorgungsqualität nachhaltig verbessert werden [8]. Die überregionalen TraumaZentren (ÜTZ) stellen hierbei die höchste Versorgungsstufe
für Traumata in Deutschland dar, vergleichbar mit der internationalen Einteilung eines
Level-I-Traumacenters. Die regionalen TraumaZentren (RTZ) sind die zweithöchste Versorgungsstufe.
Das Weißbuch der Schwerverletztenversorgung in seiner ersten und zweiten Auflage schreibt
eine primäre Einlieferung eines Schwerstverletzten entweder in ein ÜTZ oder ein RTZ
vor. Wenn dies nicht zeitgerecht durchgeführt werden kann, muss die Einlieferung in
lokale TraumaZentren (LTZ) erwogen werden, welche meist Regelversorger sind [4]
[9].
Die Basis des Handelns der Traumatologen bei schwerstverletzten Patienten in Deutschland
ist seit der Einführung der ersten Mehrzeilen-Computertomografen (CT) in die klinische
Routine zunehmend die Ganzkörper-CT geworden [10]. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland die Fälle von nahezu 30 000 Schwerverletzten
im TraumaRegister DGU dokumentiert, ca. 80 % erhielten eine Diagnostik mit der Ganzkörper-CT
direkt in der Schockraumphase [6].
Nach dem aktuellen Stand der Literatur hat sich gezeigt, dass sowohl hämodynamisch
stabile als auch instabile schwerstverletzte Patienten von einer Ganzkörper-CT profitieren
und ein signifikant besseres Überleben haben [11]
[12]. Insgesamt kann daher die Ganzkörper-CT in Deutschland als Goldstandard in der Notfalldiagnostik
beim schwerverletzten Patienten betrachtet werden [13]. Dabei scheint in der deutschen Kliniklandschaft eine starke Heterogenität bezüglich
der verfügbaren Infrastruktur, der organisatorischen und logistischen Integration
der Radiologie zur Diagnostik und Therapie des Polytraumas sowie des Angebotes radiologischer
Untersuchungsmöglichkeiten über die CT hinaus zu bestehen.
Um den Ist-Zustand bezüglich der Methodenverfügbarkeit und des Workflows der Radiologie
bei der primären Versorgung der Schwerstverletzten an deutschen Kliniken zu analysieren,
haben wir eine umfassende deutschlandweite Befragung der beteiligten Kliniken durchgeführt.
Wir evaluierten, wie inhaltlich und logistisch an deutschen Kliniken Schwerstverletzte
radiologisch untersucht werden.
Ziel der Studie war es, die Integration der Radiologie in die Schwerstverletztenversorgung
zu untersuchen. Basierend auf den Umfrageergebnissen wurden die Durchführung von Ultraschalluntersuchungen,
CT, MRT und angiografischen Untersuchungen und Interventionen evaluiert. Zusätzlich
wurde der Ist-Zustand der vorhandenen CT-Geräteausstattungen analysiert. Schließlich
wurde erarbeitet, wie das übliche Vorgehen der evaluierten Kliniken bezüglich Befunderstellung
und Workflow der Radiologie innerhalb des Schockraum-Managements der Kliniken war.
Da alle untersuchten Kliniken Teil der TraumaNetzwerk-Initiative der DGU sind, waren
homogene Struktur- und Prozessmerkmale zu erwarten. Diese Hypothese sollte in der
Studie überprüft und relevante Abweichungen herausgearbeitet werden.
Material und Methoden
Die vorliegende Umfrage wurde mit einem positivem Ethikvotum beschieden (Universitätsklinikum
Regensburg, Nr. 17–668–101).
Im interdisziplinären Konsens wurde ein Fragebogen durch Mitglieder der DGU (Deutsche
Gesellschaft für Unfallchirurgie) und der DRG (Deutschen Röntgengesellschaft e. V.)
erstellt, um umfassende Details mit direktem und indirektem Bezug zur Ganzkörper-CT
abzufragen. Der Fragebogen (Link Supplement gesamter Fragebogen) enthielt insgesamt
142 Items aus den folgenden Kategorien:
-
Kontaktdaten und Stufe des TraumaZentrums (4 Items)
-
CT-Gerätedaten, Infrastruktur, Schockraummanagement (23 Items)
-
Protokolldesign, Patientenlagerung, Scansettings, Kontrastmittel (72 Items)
-
Bildrekonstruktion (27 Items)
-
Befunderstellung, Verlaufskontrollen, weitere Diagnostik- und Therapieoptionen (16
Items)
Die Datenerhebung wurde zwischen 01.07.2017 und 31.12.2017 durchgeführt. Hierfür wurden
alle zertifizierten überregionalen (n = 110) und regionalen (n = 212) TraumaZentren
in Deutschland identifiziert (TraumaNetzwerk DGU, www.traumanetzwerk-dgu.de). Aufgrund der Maßgaben des Weißbuches der Schwerverletztenversorgung und der präklinischen
Auswahl der Zielkliniken ist die Anzahl der primär in LTZ eingelieferten Schwerstverletzten
pro Klinik gering (im Mittel 11 per anno). Im Jahr 2020 wurden lt. TraumaRegister-Jahresbericht
2647 (6,6 %) Schwerstverletzte (ISS ≥ 16) primär in LTZ therapiert, 37 516 (93,4 %)
in ÜTZ und RTZ, weshalb wir uns in dieser Studie auf die Untersuchung der ÜTZ und
RTZ fokussierten.
Das personalisierte Studiendesign erlaubte jeder teilnehmenden Klinik ausschließlich
die Beantwortung genau eines Fragebogens: Es erfolgte zunächst eine persönliche Kontaktaufnahme
über E-Mail oder telefonisch zum jeweiligen radiologischen Chefarzt/Leiter der identifizierten
Kliniken. Bei der Kontaktaufnahme wurde die Erlaubnis zur Durchführung der Datenerhebung
eingeholt sowie ein persönlicher operationaler Kontakt zu Mitarbeitern für die weitere
detaillierte Bearbeitung des Fragebogens etabliert. Die genannten Mitarbeiter, die
vom jeweiligen Leiter der Radiologie benannt wurden, beantworteten dann einen Fragebogen
mit ggf. persönlicher weiterer telefonischer Unterstützung durch die Studienleitung.
Die Ergebnisse der analogen Fragebögen wurden durch das Studienzentrum zur weiteren
Auswertung in IBM SPSS Statistics for Windows 23 (IBM Corp., Armonk, N.Y., USA) übertragen.
Fehlende Dateneingaben wurden in den Prozentangaben nicht berücksichtigt, aber als
„Missings“ dargestellt (siehe Tabellen). Freitexteingaben wurden gruppiert.
Anschließend wurden zunächst die Häufigkeiten über die Grundgesamtheit aller beteiligten
Kliniken berechnet und zudem eine Subgruppenanalyse nach überregionalem (ÜTZ) und
regionalem (RTZ) TraumaZentrum durchgeführt.
Zur Berechnung der Signifikanzen der Unterschiede zwischen ÜTZ und RTZ wurde bei den
Variablen, die alle nominal waren, der Chi-Quadrat-Test nach Pearson benutzt.
Ein p < 0,05 wurde als signifikant und ein p < 0,001 als hochsignifikant bewertet.
Ergebnisse
Von den 322 identifizierten TraumaZentren nahmen insgesamt 46,9 % (n = 151) an der
Studie teil ([Tab. 1]). Dabei wurde eine Teilnehmerquote von 63,6 % bei den ÜTZ und 38,2 % bei den RTZ
erreicht.
Tab. 1
Zusammenfassung der Umfragedaten zu Strukturmerkmalen der Ganzkörper-CT.
|
Gesamt (n/%)
|
ÜTZ (n/%)
|
RTZ (n/%)
|
p-Wert
|
|
Angeschriebene Kliniken
|
322
|
110
|
212
|
|
|
Teilnehmende Kliniken
|
151/46,9 %
|
70/63,6 %
|
81/38,2 %
|
|
|
Strukturmerkmale
|
|
Lokalisation CT
|
< 0,001
|
|
CT im Schockraum
|
19/12,7 %
|
16/22,9 %
|
3/3,7 %
|
|
|
CT direkt neben Schockraum
|
56/37,3 %
|
30/42,9 %
|
26/32,5 %
|
|
|
CT weiter vom Schockraum entfernt
|
75/50,0 %
|
24/34,2 %
|
51/63,8 %
|
|
|
Missings
|
1
|
0
|
1
|
|
|
Hersteller CT
|
|
|
|
0,105
|
|
Siemens Healthineers
|
92/61,3 %
|
47/67,1 %
|
45/56,3 %
|
|
|
Philips Healthcare
|
28/18,7 %
|
11/15,7 %
|
17/21,2 %
|
|
|
Toshiba bzw. Canon
|
17/11,3 %
|
4/5,7 %
|
13/16,2 %
|
|
|
GE
|
13/8,7 %
|
8/11,4 %
|
5/6,3 %
|
|
|
Missings
|
1
|
0
|
1
|
|
|
Detektorzeilen CT
|
0,279
|
|
4
|
1/0,7 %
|
1/1,4 %
|
0/0 %
|
|
|
16
|
24/16,0 %
|
9/12,9 %
|
15/18,8 %
|
|
|
20
|
5/3,3 %
|
2/2,9 %
|
3/3,8 %
|
|
|
32
|
8/5,3 %
|
4/5,7 %
|
4/5,0 %
|
|
|
40
|
5/3,3 %
|
2/2,9 %
|
3/3,8 %
|
|
|
64
|
54/36,0 %
|
22/31,4 %
|
32/40,0 %
|
|
|
80
|
6/4,0 %
|
1/1,4 %
|
5/6,3 %
|
|
|
128
|
30/20,0 %
|
18/25,7 %
|
12/15,0 %
|
|
|
192
|
1/0,7 %
|
1/1,4 %
|
0/0 %
|
|
|
256
|
12/8,0 %
|
8/11,4 %
|
4/5,0 %
|
|
|
320
|
1/0,7 %
|
0/0 %
|
1/1,3 %
|
|
|
384
|
2/1,3 %
|
2/2,9 %
|
0/0 %
|
|
|
512
|
1/0,7 %
|
0/0 %
|
1/1,3 %
|
|
|
Missings
|
1
|
0
|
1
|
|
|
Ausfallkonzept (2. CT)
|
< 0,001
|
|
vorhanden
|
110/73,3 %
|
67/95,7 %
|
43/53,8 %
|
|
|
nicht vorhanden
|
40/26,7 %
|
3/4,3 %
|
37/46,3 %
|
|
|
Missings
|
1
|
0
|
1
|
|
ÜTZ: Überregionales TraumaZentrum; RTZ: Regionales TraumaZentrum; Missings: Anzahl
der nicht beantworteten Items aus dem Fragebogen.
Strukturmerkmale
Entfernung des CT-Geräts vom Schockraum
Bei 50,0 % der Kliniken (ÜTZ 34,3 %; RTZ 63,8 %, p < 0,001) musste vom Schockraum
zum Computertomografen eine weitere Strecke als 50 m zurückgelegt werden ([Tab. 1]). Insgesamt wurden dabei Strecken bis zu 150 m zurückgelegt, in 3 Kliniken war das
CT auf einem anderen Stockwerk. Bei 37,3 % war der CT-Scanner im Nachbarraum zum Schockraum
lokalisiert, während in 12,7 % (ÜTZ 22,9 %, RTZ 3,7 %, p < 0,001) ein CT-Scanner im
Schockraum installiert war. Statistisch ergab sich, dass in RTZ hochsignifikant weitere
Strecken zurückgelegt werden mussten ([Tab. 1]).
Gerätedaten der CT-Scanner
Die meisten der untersuchten Kliniken nutzten ein CT der Firma Siemens Healthcare
GmbH (61,3 %), gefolgt von Philips Healthcare, Canon Medical System GmbH (früher Toshiba)
und GE Healthcare GmbH ([Tab. 1]). Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Versorgungsstufen fand
sich dabei weder bei der Herstellerverteilung noch bei der Anzahl der Detektoren.
Die Anzahl der Detektorzeilen reichte von 4 bis 512 Zeilen. Die Klinik mit dem 4-Zeiler-CT
befand sich in der Neuanschaffung während der Studie. Ein Maximum zeigte sich bei
den 64- und 128-Zeilengeräten. 95,7 % der ÜTZ hielten ein zweites CT als Ausfallkonzept
vor, dagegen 53,8 % der RTZ (p < 0,001). Bei den Zweit-Scannern waren die 16-Zeiler
(neben den 64- und 128-Zeilern) am häufigsten vertreten. Die ÜTZ hatten eine signifikant
höhere Detektorzeilenanzahl bei den Ausfallscannern ([Tab. 1]).
Prozessmerkmale
Untersuchungsdurchführung und Befundung
Bezüglich der zeitlichen Organisationsstruktur gaben 98,7 % der Kliniken an, dass
die CT 24 Stunden an 7 Tagen der Woche zur Verfügung stand ([Tab. 2]).
Tab. 2
Prozessqualität Untersuchungsdurchführung und Befundung.
|
Gesamt (n/%)
|
ÜTZ (n/%)
|
RTZ (n/%)
|
p-Wert
|
|
Teilnehmende Kliniken
|
151/46,9 %
|
70/63,6 %
|
81/38,2 %
|
|
|
Prozessmerkmale
|
|
CT-Verfügbarkeit
|
0,125
|
|
ständige Verfügbarkeit 24/7
|
147/98,7 %
|
67/97,1 %
|
80/100 %
|
|
|
Eingeschränkte Verfügbarkeit
|
2/1,3 %
|
2/2,9 %
|
0/0 %
|
|
|
Missings
|
2
|
1
|
1
|
|
|
Vorlaufzeit notwendig
|
< 0,016
|
|
nein
|
108/85,0 %
|
55/93,2 %
|
53/77,9 %
|
|
|
ja
|
19/15,0 %
|
4/6,8 %
|
15/22,1 %
|
|
|
Missings
|
24
|
11
|
13
|
|
|
Teamzusammensetzung – Radiologe im Schockraum anwesend
|
< 0,001
|
|
ja
|
106/72,6 %
|
59/88,1 %
|
47/59,5 %
|
|
|
nein
|
30/20,5 %
|
8/11,9 %
|
22/27,8 %
|
|
|
unterschiedlich/nach Bedarf
|
10/6,8 %
|
0/0 %
|
10/12,7 %
|
|
|
Missings
|
5
|
3
|
2
|
|
|
eFAST-Durchführung
|
0,357
|
|
ja
|
137/93,8 %
|
62/91,2 %
|
75/96,2 %
|
|
|
nein
|
8/5,5 %
|
5/7,4 %
|
3/3,8 %
|
|
|
häufig
|
1/0,7 %
|
1/1,5 %
|
0/0 %
|
|
|
Missings
|
5
|
2
|
3
|
|
|
eFAST-Durchführung durch
|
0,022
|
|
Radiologie
|
37/27,0 %
|
22/34,9 %
|
15/20,3 %
|
|
|
Unfallchirurgie
|
48/35,0 %
|
21/33,3 %
|
27/36,5 %
|
|
|
Allgemeinchirurgie
|
20/14,6 %
|
12/19,0 %
|
8/10,8 %
|
|
|
Innere Medizin
|
5/3,6 %
|
2/3,2 %
|
3/4,1 %
|
|
|
andere
|
1/0,7 %
|
1/1,6 %
|
0/0 %
|
|
|
unterschiedlich
|
26/19,0 %
|
5/7,9 %
|
21/28,4 %
|
|
|
Missings
|
14
|
7
|
7
|
|
|
Zeitpunkt der CT-Durchführung
|
0,808
|
|
innerhalb von 20 min.
|
52/35,6 %
|
26/38,2 %
|
26/33,3 %
|
|
|
nach erster Schockraumphase
|
89/61,0 %
|
40/58,8 %
|
49/62,8 %
|
|
|
situationsabhängig
|
5/3,4 %
|
2/3,0 %
|
3/3,9 %
|
|
|
Missings
|
5
|
2
|
3
|
|
|
Primäre Befundung im Tagdienst
|
0,063
|
|
Assistenzarzt
|
58/40,6 %
|
34/51,5 %
|
24/31,2 %
|
|
|
Facharzt
|
26/18,2 %
|
8/12,1 %
|
18/23,4 %
|
|
|
Assistenzarzt oder Facharzt
|
46/32,2 %
|
21/31,8 %
|
25/32,5 %
|
|
|
Oberarzt
|
5/3,5 %
|
1/1,5 %
|
4/5,2 %
|
|
|
nicht bekannt
|
8/5,6 %
|
2/3,0 %
|
6/7,8 %
|
|
|
Missings
|
8
|
4
|
4
|
|
|
Primäre Befundung im Nachtdienst
|
< 0,001
|
|
Assistenzarzt
|
60/42,0 %
|
35/53,0 %
|
25/32,5 %
|
|
|
Facharzt
|
19/13,3 %
|
5/7,6 %
|
14/18,2 %
|
|
|
Assistenzarzt oder Facharzt
|
40/28,0 %
|
24/36,4 %
|
16/20,8 %
|
|
|
Oberarzt
|
2/1,4 %
|
0/0 %
|
2/2,6 %
|
|
|
Teleradiologie
|
17/11,9 %
|
0/0 %
|
17/22,1 %
|
|
|
nicht bekannt
|
5/3,5 %
|
2/3,0 %
|
3/3,9 %
|
|
|
Missings
|
8
|
4
|
4
|
|
|
Strukturierte Befundung
|
0,408
|
|
ja
|
85/63,9 %
|
43/69,4 %
|
42/59,2 %
|
|
|
nein
|
42/31,6 %
|
16/25,8 %
|
26/36,6 %
|
|
|
unterschiedlich
|
6/4,5 %
|
3/4,8 %
|
3/4,2 %
|
|
|
Missings
|
18
|
8
|
10
|
|
ÜTZ: Überregionales TraumaZentrum; RTZ: Regionales TraumaZentrum; Missings: Anzahl
der nicht beantworteten Items aus dem Fragebogen.
Bei 15,0 % der Kliniken war dabei eine Vorlaufzeit von bis zu 30 min nötig. 6,8 %
der ÜTZ und 22,1 % der RTZ benötigten eine Vorlaufzeit. Die mittlere Vorlaufzeit lag
bei 12,3 min. Der Unterschied zwischen ÜTZ und RTZ war statistisch signifikant.
Teamzusammensetzung Schockraum
Bei traumatologischer Schockraumalarmierung war bei 72,6 % der teilnehmenden Kliniken
ein Radiologe als Teammitglied festgelegt ([Tab. 2]). Bei 20,5 % der Kliniken war kein Radiologe im Schockraumteam und bei 6,8 % war
die Beteiligung als unterschiedlich („je nach Bedarf“) beschrieben. In ÜTZ waren Radiologen
hochsignifikant häufiger im Schockraum vertreten als in RTZ (88,1 % vs. 59,5 %).
eFAST vor Durchführung der Ganzkörper-CT
Nach dem Eintreffen des Patienten im Schockraum der TraumaZentren führten 93,8 % der
Kliniken eine eFAST (extended Focused Assessment with Sonography for Trauma) durch
([Tab. 2]). Bei 35,0 % aller evaluierten TraumaZentren wurde die eFAST durch die Unfallchirurgie
und bei 27,0 % durch die Radiologie durchgeführt. Hierbei ließ sich ein statistisch
signifikanter Unterschied zwischen ÜTZ und RTZ erkennen. Die eFAST wurde in ÜTZ mit
34,9 % statistisch signifikant häufiger als in RTZ mit 20,3 % von Kollegen der Radiologie
durchgeführt. Im Gegensatz dazu erfolgte in RTZ die Sonografie mit 36,5 % häufiger
durch Mitarbeiter der Unfallchirurgie.
Zeitpunkt der CT-Durchführung
35,6 % der Kliniken gaben an, immer innerhalb der ersten 20 min. nach Einlieferung
des Patienten zuerst die Computertomografie durchzuführen. Die Mehrheit der Kliniken
mit 61,0 % führte die Ganzkörper-CT standardmäßig nach der ersten Schockraumphase
(Primary Survey) durch. Bei 3,4 % der Kliniken wird das Vorgehen situationsabhängig
entschieden. Statistisch gab es dabei keinen signifikanten Unterschied zwischen ÜTZ
und RTZ.
Befunderstellung Ganzkörper-CT
Alle endgültigen Befunde wurden durch einen radiologischen Facharzt/Oberarzt validiert.
Während der Regelarbeitszeit fand die initiale Befundung der Ganzkörper-CT vor Ort
am häufigsten (40,6 %) primär durch Weiterbildungsassistenten statt ([Tab. 2]). Bei 32,2 % der Kliniken wurde je nach Verfügbarkeit die Initialdiagnose durch
einen Weiterbildungsassistenten oder einen Facharzt gestellt und bei 21,7 % wurde
primär nur durch Fachärzte oder Oberärzte befundet ([Tab. 2], 1. Spalte). Statistisch gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen ÜTZ und
RTZ. Die Ausprägung „Weiterbildungsassistent oder Facharzt“ wurde zusätzlich, geschuldet
der klinischen Routine und der Beantwortung des Fragebogens, als Antwortmöglichkeit
angeboten.
Prinzipiell gab es ein ähnliches Bild bei der initialen Befundung im Nacht- und Wochenenddienst,
die zu 42,0 % primär von Weiterbildungsassistenten, zu 28,0 % je nach Verfügbarkeit
von Weiterbildungsassistenten oder Fachärzten und zu 14,7 % durch Oberärzte oder Fachärzte
durchgeführt wurde. Hier zeigten sich statistisch hochsignifikante Unterschiede zwischen
ÜTZ und RTZ. Dabei fand die Primärbefundung durch einen Weiterbildungsassistenten
bei ÜTZ bei 53,0 % und bei RTZ lediglich bei 32,5 % statt. Bei den RTZ wurde dabei
mit 20,8 % signifikant häufiger eine initiale Befundung durch einen Ober- oder Facharzt
durchgeführt, was bei ÜTZ lediglich bei 7,6 % stattfand. Ein großer Unterschied zeigte
sich zwischen ÜTZ und RTZ bei der Anwendung der Teleradiologie, die ausschließlich
in RTZ mit 11,9 % durchgeführt wurde und in keinem der ÜTZ Routine war.
Verfügbarkeit weiterer radiologischer Diagnostik und Therapie
Die ständige Verfügbarkeit einer Magnetresonanztomografie wurde von 67,3 % der Kliniken
angegeben ([Tab. 3]). Die Vorlaufzeit betrug dabei im Durchschnitt 26,5 min. Der Unterschied bei der
Verfügbarkeit der MRT war dabei zwischen ÜTZ (92,8 %) und RTZ (44,9 %) statistisch
hochsignifikant.
Tab. 3
Erweiterte radiologische Untersuchungen und Interventionsmöglichkeiten.
|
Gesamt (n/%)
|
ÜTZ (n/%)
|
RTZ (n/%)
|
p-Wert
|
|
Teilnehmende Kliniken
|
151/46,9 %
|
70/63,6 %
|
81/38,2 %
|
|
|
MRT
|
< 0,001
|
|
ständige Verfügbarkeit
|
99/67,3 %
|
64/92,8 %
|
35/44,9 %
|
|
|
keine ständige Verfügbarkeit
|
48/32,7 %
|
5/7,2 %
|
43/55,1 %
|
|
|
Missings
|
4
|
1
|
3
|
|
|
Angiografie diagnostisch 24/7
|
< 0,001
|
|
ja
|
120/82,2 %
|
66/97,1 %
|
54/69,2 %
|
|
|
nein
|
26/17,8 %
|
2/2,9 %
|
24/30,8 %
|
|
|
Missings
|
5
|
2
|
3
|
|
|
Angiografie-Intervention 24/7
|
< 0,001
|
|
ja
|
103/71,0 %
|
60/89,6 %
|
43/55,1 %
|
|
|
nein
|
29/20,0 %
|
2/3,0 %
|
27/34,6 %
|
|
|
meistens
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13/9,0 %
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5/7,5 %
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8/10,3 %
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Missings
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6
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3
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3
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ÜTZ: Überregionales TraumaZentrum; RTZ: Regionales TraumaZentrum; Missings: Anzahl
der nicht beantworteten Items aus dem Fragebogen.
Die Möglichkeit einer angiografischen Diagnostik war bei 82,2 % aller antwortenden
Kliniken jederzeit gegeben mit einer mittleren Vorlaufszeit von 32 min. Die maximal
benötigte Vorlaufzeit für Interventionen betrug 60 min. Angiografische Interventionen
wurden insgesamt von 71,0 % der Kliniken zu jeder Tageszeit angeboten. Auch hier war
der Unterschied zwischen ÜTZ (89,6 %) und RTZ (55,1 %) hochsignifikant. Zusätzlich
waren interventionelle Angiografien je nach Personalbesetzung („meistens“) bei 7,5 %
der ÜTZ und 10,3 % der RTZ möglich ([Tab. 3]).
Diskussion
Nach unserer Kenntnis ist dies die erste Studie, in der die Integration der Radiologie
sowie die Struktur- und Prozessmerkmale der Diagnostik bei schwerstverletzten Schockraumpatienten
in Deutschland systematisch evaluiert wurde.
Mit einer Teilnehmerquote von 46,9 % von insgesamt 322 identifizierten überregionalen
und regionalen TraumaZentren (TraumaNetzwerk DGU) können wir auf eine solide Datenbasis
mit repräsentativen Ergebnissen zurückgreifen.
Strukturmerkmale der radiologischen Versorgung schwerstverletzter Patienten
Zeitliche und räumliche Organisationsstruktur der Ganzkörper-CT
Bei Durchführung von Ganzkörper-CT-Untersuchungen schwerstverletzter Patienten in
Deutschland ist von einer nahezu vollständigen zeitlichen Verfügbarkeit in ÜTZ und
RTZ auszugehen.
Bei der Hälfte der untersuchten Klinken war das CT-Gerät entweder door-to-door oder
direkt im Schockraum installiert.
In einer bereits 1998 veröffentlichten Studie wurde festgestellt, dass eine Installation
des CT-Geräts außerhalb des Schockraums eine Verzögerung der Umlagerungs- und Transportprozesse
verursacht, was wiederum die Diagnostik und Behandlungsprozesse mit einem Zeitverlust
von durchschnittlich 14,5 Minuten belastet [14].
In einer Studie von Hilbert und Kollegen wurde nach Installation eines CT-Scanners
im Schockraum die benötigte Zeit mit retrospektiven Daten der gleichen Klinik verglichen;
es konnte gezeigt werden, dass die Installation des CT-Scanners im Schockraum die
Aufenthaltsdauer des Patienten im Schockraum signifikant reduziert [15]. In einer Studie von Lee und Kollegen konnte ebenso gezeigt werden, dass sich durch
die Installation des CT-Scanners im Schockraum die Zeit zwischen Bildgebung und Operation
signifikant verkürzt. Ein Einfluss auf durchschnittliche Verweildauer oder Mortalität
konnte nicht nachgewiesen werden [16]. Ähnliche Ergebnisse zeigten die Studien von Gross sowie von Saltzherr [17]
[18].
Eine Publikation von Huber-Wagner aus dem Jahre 2014 zeigte jedoch, dass eine CT-Lokalisation
im Umkreis von 50 m um den Schockraum eine signifikant bessere Überlebenswahrscheinlich
schwer verletzter Patienten bedingt. In der Publikation wurde bei einer Transportstrecke
von über 50 m eine signifikant schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit nachgewiesen
[19]. In der Praxis zeigt sich nach unserer Meinung ein CT-Scanner im Schockraum bzw.
im Nebenraum, insbesondere bei instabilen Patienten, vorteilhaft. Ist der Scanner
deutlich weiter entfernt, können potenziell Probleme beim Transport und insbesondere
bei der Materialbereitstellung für die Anästhesie entstehen.
Insgesamt muss also festgestellt werden, dass die Integration eines CT-Scanners im
Schockraum die Zeit des Patienten im Schockraum reduziert, es jedoch, basierend auf
der aktuellen Studienlage, keinen signifikanten Einfluss auf die Mortalität des Patienten
gibt. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es häufig für radiologische Abteilungen problematisch,
ein eigenes CT-Gerät außerhalb der Abteilung innerhalb der Notaufnahmen installiert
zu haben, welches häufig nicht optimal vom radiologischen Stammpersonal für Routineaufgaben
genutzt werden kann. Es sollte bei der Planung von Kliniken darauf geachtet werden,
dass ein CT-Scanner möglichst weniger als 50 m vom Schockraum entfernt vorhanden sein
sollte.
Detektorzeilenanzahl und Ausfallkonzepte
Bei den evaluierten Kliniken waren mindestens CT-Geräte mit 16 Detektorzeilen vorgesehen,
die meisten Kliniken nutzen Geräte mit 64 Zeilen. Prinzipiell sollten alle CT-Scanner
mit einer Zeilenanzahl von mindestens 16 als diagnostisch ausreichend betrachtet werden.
Nach unserer Erkenntnis liegen keine umfassenden vergleichenden Studien zur diagnostischen
Genauigkeit basierend auf der Anzahl der Detektorzeilen bei Ganzkörper-Polytrauma-CT
vor. Eine monozentrische Studie konnte jedoch zeigen, dass bei stumpfen zerebrovaskulären
Verletzungen, wie etwa Dissektionen der Carotiden oder Aa. vertebrales, die Sensitivität
der Mehrzeilen-CT von 51 % bei einem 32-Zeilen-CT-Scanner auf 68 % bei 64-Zeilen-Geräten
anstieg [20].
Prozessmerkmale der radiologischen Versorgung polytraumatisierter Patienten
Anwesenheit Radiologie im Schockraum
Bezüglich der Zusammensetzung des Schockraumteams war in der Mehrheit der evaluierten
Kliniken ein Radiologe im Schockraum anwesend. Dies war in ÜTZ häufiger als in RTZ
der Fall, was mit hoher Wahrscheinlichkeit an der 24-stündigen Anwesenheit eines Radiologen,
welcher ggf. auch die sonografische Evaluation mit eFAST durchführt, liegen dürfte.
Der Radiologe als Ansprechpartner für die chirurgischen Fächer und als direkter klinischer
Partner im Schockraum bietet unserer Meinung nach große Vorteile durch eine Minimierung
von möglichen Übertragungs- und Kommunikationsfehlern und der Möglichkeit dezidierter
direkter Nachfragen in beide Richtungen. Der Einsatz der Teleradiologie in den RTZ
ist wirtschaftlich bei häufig nicht ausreichendem Personalschlüssel nachvollziehbar,
birgt aber in Einzelfällen Risiken durch fehlende persönliche Integration der Radiologie
in das Schockraumteam. Wissenschaftliche Auswertung einer persönlichen Untersuchungsdurchführung
durch die Radiologie vor Ort bezüglich des Einflusses auf Prozess- und Ergebnisqualität
liegen unseres Wissens nicht vor.
Sonografie
Entsprechend der S3-Leitlinie wird bei stumpfen oder penetrierenden Verletzungeneine
eFAST-Sonografie durchgeführt. Bezüglich der Qualifikation oder Zertifizierung des
Arztes, der die Ultraschalluntersuchung durchführt, gibt es in der Leitlinie keine
Vorgaben. In den Kliniken mit CT-First-Protokoll wird dieses Vorgehen der primären
eFAST kontrovers diskutiert.
Der Stellenwert der eFAST bei schwerverletzten Patienten muss insgesamt, je nach Verletzungsschweregrad,
differenziert betrachtet werden. In einer Studie von Becker et. al. wurde bei 3181
Patienten die Wertigkeit des eFAST im Vergleich zur Computertomografie evaluiert [21]. Dabei wurden die Patienten in 3 Gruppen anhand der Verletzungsschwere (nach Injury-Severity-Score;
ISS) eingeteilt, wobei Gruppe 1 die leichtesten Verletzungen mit ISS-Werten zwischen
1 und 14, Gruppe 2 zwischen 16 und 24 und die Gruppe 3 ISS-Werte ≥ 25 hatte. In der
leicht verletzten Gruppe hatte die eFAST dabei die besten Sensitivitäten von 86 %,
Gruppe 2 hatte eine etwas geringere Sensitivität mit 80 % und Gruppe 3 mit den höchsten
ISS-Werten eine Sensitivität von lediglich 65,1 %. In weiteren vergleichenden Studien
konnten Sensitivitäten zwischen 75 % und 87 % bei hohen Spezifitäten erreicht werden
[22]
[23]. Über alle Veröffentlichungen hinweg wurde festgestellt, dass intraabdominelle Verletzungen
nicht durch ein negatives Ergebnis in der eFAST bzw. FAST-Sonografie ausgeschlossen
werden können.
Dagegen zeigen die erwähnten Studien eine Spezifizität von mindestens 97 %. Im Falle
des instabilen Traumas kann die Sonografie bei zeitkritischen Entscheidungen richtungsweisend
und therapieentscheidend sein. Daher sollte unserer Meinung nach die eFAST auch zur
Sicherung einer künftig routinierten Durchführung in der Schwerverletzten-Versorgung
beibehalten werden. Wie bei den meisten sonografischen Untersuchungen liegen die Limitationen
der Ergebnisse in der Abhängigkeit von der Qualifikation und dem Ausbildungsstand
des Untersuchers sowie den Untersuchungsbedingungen im Schockraum. Zusätzlich wird
die Untersuchungsqualität von physiologischen Gegebenheiten der Patienten wie Darmgasüberlagerungen
oder Adipositas bestimmt [24]. Soweit uns bekannt, existieren keine vergleichenden Studien zwischen der Ergebnisqualität
der eFAST-Sonografie zwischen radiologischen und unfallchirurgischen Untersuchern.
Befunderstellung Ganzkörper-CT
Alle Endbefunde wurden von einem Facharzt validiert, wobei die Primärbefundung häufig
durch Weiterbildungsassistenten durchgeführt wurde.
Eine teleradiologische Befundung der Ganzkörper-CT fand bei 11,9 % der RTZ in der
Nacht statt, was der häufig nicht vorhandenen 24-Stunden-Anwesenheit von Radiologen
in RTZ geschuldet sein dürfte. Im Tagdienst und bei ÜTZ wurde nicht teleradiologisch
befundet. Außerhalb der regulären Dienstzeit wurde an ÜTZ die Primärbefundung in 53,0 %
durch einen Weiterbildungsassistenten durchgeführt, bei RTZ hingegen lediglich bei
32,5 %. Der Grund für die höhere Anzahl der Primärbefundung durch Weiterbildungsassistenten
in ÜTZ dürfte wohl daran liegen, dass diese in größeren Kliniken eher als Ausbildungskliniken
fungieren und die Primärbefundung im Anwesenheitsdienst aus diesem Grund eher von
Weiterbildungsassistenten durchgeführt wird. Bei allen Kliniken haben jedoch den freigegebenen
endgültigen Befund immer ein Facharzt bzw. Oberarzt noch einmal überprüft. In der
Literatur zeigt sich, dass es insgesamt von Nutzen ist, wenn ein Facharzt in der Radiologie
die Befunde noch einmal reevaluiert. In einer Studie von Hillier et al. 2004 wird
an 331 Patienten mit Polytrauma der CT-Befund von Weiterbildungsassistenten mit dem
Befund von radiologischen Fachärzten verglichen; insgesamt lag bei den Weiterbildungsassistenten
bei der Studie eine Fehlerrate von 21,5 % vor, wobei insgesamt 7 % der falschen Befunde
einen signifikanten medizinischen Fehler zur Folge gehabt hätten [25]. In einer Studie von Briggs und Kollegen zeigen sich bei 137 evaluierten Polytrauma-CT
im Vergleich zwischen Weiterbildungsassistenten und Fachärzten geringere Differenzen
[26]. Bei dieser Studie gab es bei 25 % der Patienten Diskrepanzen mit 18 % übersehenen
Diagnosen, wobei hier lediglich in 6 Fällen der 130 Patienten diese übersehenen Befunde
von schwerwiegenderer klinischer Bedeutung waren. Eine Studie von Terreblanche untersucht
die Auswertung von 1477 CT-Untersuchungen eines Level-1-Traumazentrums in Johannisburg,
Südafrika, die insgesamt eine Fehlerrate von 17,1 % mit einer Fehlerrate von schwerwiegenden
Diskrepanzen von 7,7 % fand [27]. Hier wurde gezeigt, dass bei Weiterbildungsassistenten vor allem zwischen 2. und
3. Ausbildungsjahr eine signifikante Verbesserung der Befundqualität eintritt.
Verfügbarkeit weiterer radiologischer diagnostischer und therapeutischer Methoden
Die Möglichkeit, zu jeder Tageszeit eine MRT bei polytraumatisierten Patienten zu
erhalten, zeigte statistisch hochsignifikante Unterschiede zwischen überregionalen
(92,8 %) und regionalen Zentren (44,9 %). Die akute bzw. subakute Verfügbarkeit von
MRT-Geräten zur Behandlung polytraumatisierter Patienten ist klinisch in speziellen
Fällen nötig. Prinzipiell wird eine MRT-Untersuchung bei fraglichen CT-Befunden, wie
etwa der traumatischen Dissektion von Vertebralarterien oder Pathologien der Wirbelsäule
im Sinne einer Rückenmarksschädigung angefordert. Vergleichende multizentrische prospektive
Studien konnten in einer selektionierten Patientenpopulation nachweisen, dass durch
eine MRT in 23,6 % der Fälle bei unauffälligem CT der Halswirbelsäule zusätzliche
pathologische Befunde entdeckt wurden, ohne die klinische Signifikanz der Verletzungen
zu evaluieren [28]. Gegenwärtig ist das Vorhalten von MRT-Untersuchungen zu jeder Tageszeit jedoch
keine Bedingung, die im aktuellen Weißbuch der Schwerverletztenversorgung als Anforderung
für TraumaZentren vorgeschrieben ist [9].
Das Vorhandensein angiografischer Diagnostik und vor allem angiografischer Interventionen
war bei etwa 1/3 der befragten Kliniken zu jeder Tageszeit möglich. Der Unterschied
zwischen den überregionalen (97,1 %) und regionalen Zentren (69,2 %) waren statistisch
signifikant. Die S3-Leitlinie diskutiert verschiedene, interventionsradiologische
Therapieverfahren für Polytraumapatienten, insbesondere bei Verletzung der parenchymatösen
Oberbauchorgane und bei Beckenfrakturen als primären oder als ergänzenden Therapieansatz,
welche jedoch nur bei entsprechender Expertise angewandt werden sollten. Systematische
Studien zur klinischen Relevanz einer akut verfügbaren Angiografie existieren unseres
Wissens nicht. Lediglich eine retrospektive Analyse von 2 Traumazentren in den USA
zeigen eine im Vergleich zur Angiografie niedrigere Sensitivität der CT bei penetrierenden
zerebrovaskulären Verletzungen [29]. Das logistische Vorhalten von hochspezialisierten interventionellen Radiologen
zu jeder Tageszeit ist jedoch aus wirtschaftlichen Gründen gerade an weniger spezialisierten
Zentren, wie es die RTZ repräsentieren, häufig nicht möglich. Nach unserem Wissen
existiert auch keine systematische Outcome-Analyse hinsichtlich des permanenten Angebotes
einer Angiografie bei polytraumatisierten Patienten.
Limitationen
Durch die freiwillige Studienteilnahme und Bearbeitung eines ausführlichen und zeitintensiven
Fragebogens konnten nicht alle regionalen und überregionalen TraumaZentren vollständig
erfasst werden. Dennoch sehen wir in einer Teilnehmerquote von nahezu 50 % eine solide
Basis unserer Evaluation. Obgleich durch die persönliche Betreuung jedes ausgefüllten
Fragebogens durch die Studienleitung die Anzahl von Missverständnissen bei einzelnen
Items reduziert werden konnte, war es dennoch nicht bei allen Teilnehmern möglich,
eine absolute Vollständigkeit aller abgefragten Punkte zu erreichen. Zusätzlich mussten
wir uns bezüglich der inhaltlichen Korrektheit auf die Sorgfalt und das korrekte Verständnis
bei den teilnehmenden Kliniken verlassen.
Eine weitere detaillierte Aufarbeitung der angewendeten CT-Protokolle wird von der
Arbeitsgruppe gesondert publiziert werden, da sie den Umfang der vorgelegten Arbeit
überschreitet.
Fazit
Es zeigte sich sowohl in den Struktur- als auch in den Prozessmerkmalen in einzelnen
Bereichen eine deutliche Heterogenität zwischen überregionalen und regionalen TraumaZentren
vor allem bezüglich der Entfernung der CT-Scanner zum Schockraum sowie den Hauptbeteiligten
der Versorgung beim Ultraschall und der Teamzusammensetzung des Schockraumteams. Insgesamt
ist jedoch von einer hohen Leistungsfähigkeit der Radiologie in deutschen TraumaZentren
auszugehen.
Klinische Relevanz der Studie
-
Die Studie erfasst erstmals die Realität der radiologischen Diagnostik der Schwerstverletzten
in Deutschland.
-
Es fand sich eine Heterogenität bezüglich der Strukturen und der Prozesse mit teilweise
signifikanten Unterschieden zwischen überregionalen und regionalen TraumaZentren.
-
Weitere Studien auf der Basis dieser Ergebnisse werden die Frage klären, ob sich hieraus
ein diagnostischer Unterschied und ein Unterschied in der Ergebnisqualität ergibt.