PiD - Psychotherapie im Dialog 2022; 23(03): 1
DOI: 10.1055/a-1686-1643
Editorial

Mut ist Widerstand gegen die Angst. Sieg über die Angst, aber nicht Abwesenheit von Angst.

(Mark Twain, 1835–1910)
Barbara Stein

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich freue mich sehr, Sie zum ersten Mal in meiner Funktion als Schriftleiterin der PiD begrüßen zu dürfen und diesen Willkommensgruß an Sie zu richten, als kleine Geste an der Eingangstür eines neuen Heftes, mit dem wir Sie in ein neues Themengebäude aus der Perspektive unserer Autor*innen und Heftherausgeber* hineinbitten wollen.

Ein PiD-Heft zum Thema Angst kann zeitlich nicht passender sein! Gerade in diesem Jahr bedrückt uns vieles, macht uns Sorgen und löst Ängste aus. Die Corona-Pandemie und das Risiko einer Infektion mit möglichen längerfristigen gesundheitlichen Folgen, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, aber vor allem die Folgen des Krieges auf die Welternährungssituation, die Energieknappheit, die Inflation und die daraus resultierenden sich verschärfenden sozialen Probleme und Ungleichheiten. Bei all diesen akuten Krisen treten die Klimakrise und die bedrohlichen Folgen des Klimawandels fast in den Hintergrund, konfrontieren uns jedoch mit den Konsequenzen unseres expansiven Lebensstils – nicht nur für uns, sondern für die gesamte Weltbevölkerung.

In Anbetracht dieser ganzen Krisen besteht das Risiko, dass wir mit Ohnmachtsgefühlen, Hilflosigkeit und existenziellen Ängsten reagieren. Nicht nur unsere Patientinnen und Patienten sind vulnerabler, sondern auch wir selbst benötigen ein Mehr an Kraft und Energie, um das Gefühl der Bedrohlichkeit zu kanalisieren und ertragbar zu machen. Wir wünschen uns schnelle Lösungen, die uns als Schutzschild gegen die Ängste beruhigen – und wissen doch, dass es diese nicht gibt.

Verzagen oder nicht hinschauen hilft nicht – zumindest nicht dauerhaft. Und daher lohnt es sich, den Blick zu heben und sich auf unser Repertoire als Psychotherapeut*innen zu beziehen: Was kann uns bei den Lösungen unserer Probleme unterstützen? Wie schon Mark Twain so treffend schreibt: Angst wird erträglicher durch den Mut zum Widerstand. Und ich darf ergänzen: Entschlossenheit, neue Pfade einzuschlagen, gepaart mit Ausdauer und Geduld, die Fäden der Probleme kontinuierlich zu entwirren. Und natürlich Kreativität bei der Entwicklung neuer Visionen für die kleinen und großen Schritte im Umgang mit den Konflikten und Ressourcen unserer Welt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Beherztheit, Beharrlichkeit und Zuversicht! Und natürlich: viele Anregungen durch unser neues Heft.

Barbara Stein



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Article published online:
23 August 2022

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