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DOI: 10.1055/a-1711-8621
Einsamkeit
Wem „gehört“ die Einsamkeit oder wo gehört sie hin?
Nun haben Sie ein ganzes Heft zum Thema Einsamkeit hinter sich. Wir hoffen, dass Sie sich gut informiert und angeregt fühlen. Sollten Sie sich erschöpft und mutlos fühlen, möchten wir Sie bitten, sich vielleicht noch einmal zurück zu den Beiträgen zur Selbsthilfe oder zum Interview zu begeben: „Verlieren Sie nie die Hoffnung! Durch manche schwere Zeit muss man durch. Nicht verzweifeln!“ gibt uns Sebastian Schröer mit auf den Weg.
Deutlich ist geworden, was sich bereits im Editorial abzeichnete: Einsamkeit ist kein primär medizinisches Thema, und Einsamkeit ist genauso subjektiv, wie sie zu objektiven Konsequenzen führt – für einzelne Menschen wie auch für soziale Systeme, also Kommunen, Regionen und offensichtlich auch für ganze Nationen. Spätestens mit der gesellschaftspolitischen Positionierung in Großbritannien hat die Einsamkeit als potenzielle nationale Aufgabe in westlich orientierten Gesellschaften eine Bedeutung erlangt, die auch in Deutschland bereits umfangreiche Schriftstücke hervorgebracht hat [1]. Wir hoffen, Ihnen auch hierzu einen guten Überblick zur Verfügung gestellt zu haben. Die medizinischen Folgen sind am Beispiel kardiovaskulärer Erkrankungen in diesem Heft eindrucksvoll dargestellt worden. Und nur selten ist so deutlich greifbar, welche unglaublich positiven Kräfte gelingende Beziehungen entfalten können.
Dabei haben wir in den verschiedenen Beiträgen dieses Heftes erfahren, dass das Thema „Einsamkeit“ die medizinischen Disziplinen, gleichgültig ob somatisch oder sprechend, in ähnlicher Weise zu betreffen scheint. Dennoch: Nur allzu oft haben wir vielleicht Ideen über die Lebenswelt unser Patient*innen, sprechen aber immer noch vergleichsweise selten Menschen direkt darauf an, ob sie einsam sind. Möglicherweise haben wir bisher das Risiko, das daraus entsteht, nicht ausreichend bedacht. Vielleicht befürchten wir, Peinlichkeitsgefühle und Scham auszulösen, wenn wir offen danach fragen, sorgen uns, zu intrusiv zu sein, über etwas zu sprechen, was uns nichts angeht. Oder sollte es uns einfach etwas angehen?
Sowohl aus religiöser Perspektive als auch im Bemühen um Hilfsangebote wie einer Spezialsprechstunde wird deutlich, dass betroffene Menschen wohl immer auch darum ringen, ihr subjektives Erleben von Einsamkeit zunächst einmal mit sich selbst auszumachen, bevor sie sich mit diesem Thema anderen Menschen in Glaubensgemeinschaften oder sonstigen sozialen Räumen zumuten.
Die Beiträge dieses Heftes lassen sich zu dieser Frage gut auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Wenn Sie denken, dass Ihr Gegenüber einsam ist, dann greifen Sie zum Äußersten: Sprechen Sie Ihre Patient*innen darauf an und reden Sie darüber!
Bettina Wilms
Silke Wiegand-Grefe
Publication History
Article published online:
17 November 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen. Hrsg. Einsamkeit. Landtagsdrucksache 17/16750. Köln: Landtag NRW; 2022