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DOI: 10.1055/a-1729-0951
Flächendeckende Versorgung mit radiologisch durchgeführten Verfahren zur interventionell-onkologischen Tumortherapie in Deutschland in den Jahren 2018 und 2019 dargestellt anhand der DeGIR-Registerdaten
Article in several languages: English | deutschZusammenfassung
Ziel In den letzten Jahrzehnten konnte sich die Radiologie durch innovative sowie effiziente onkologische Interventionen neben den „klassischen“ Therapiemöglichkeiten wie Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie in der Tumortherapie etablieren. Mithilfe der Daten aus dem Register der deutschen Gesellschaft für interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR-Register), welches im Rahmen der Qualitätssicherung radiologische Interventionen erfasst, soll evaluiert werden, inwieweit eine deutschlandweite, flächendeckende Versorgung durch interventionell-onkologische Verfahren zur Behandlung von Malignomen erreicht wird.
Material und Methoden Retrospektiv wurden alle Untersuchungszahlen der teilnehmenden Kliniken, welche im Rahmen von Interventionen des Moduls D (onkologische Verfahren inkl. TACE oder andere tumorspezifische Embolisationen, Ablationen, perkutane Tumortherapien) mittels DeGIR-Register zwischen 2018 und 2019 erfasst wurden, ausgewertet. Die erhobenen Interventionszahlen wurden nach Bundesländern sowie Regierungsbezirken aufgeschlüsselt.
Ergebnisse Im Jahr 2018 wurden in 187 Kliniken 11 653 onkologische Interventionen im DeGIR-Register erfasst. 2019 stieg die Anzahl der teilnehmenden Kliniken auf 216 sowie die Anzahl der dokumentierten onkologischen Interventionen bei einem Zuwachs von 6 % auf 12 323. Bei der durchschnittlichen Anzahl der dokumentierten onkologischen Interventionen pro Klinik kam es zu einem leichten Rückgang von 62,3 (2018) auf 57,1 (2019). Als DeGIR-Ausbildungszentrum wurden 2018 116 Kliniken (31 mit mehr als 100 Interventionen) und 2019 129 Kliniken (36 mit mehr als 100 Interventionen) geführt. In allen aufgeschlüsselten Regionen wurden onkologische Interventionen dokumentiert. Insgesamt wurden durchschnittlich 599 Interventionen (Standardabweichung 414) im Zeitraum von 2018 bis 2019 pro Region erfasst.
Schlussfolgerung Die Verteilung der dokumentierten onkologischen Interventionen auf Bundeslandebene sowie innerhalb der aufgeschlüsselten Regionen zeigt eine geografisch unterschiedlich ausgeprägte Versorgung mit interventionellen Tumortherapien, sodass in einzelnen Regionen der Bedarf an interventionell-onkologischen Verfahren noch nicht ausreichend gedeckt sein könnte.
Kernaussagen:
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Interventionell-onkologische Tumortherapien werden deutschlandweit durchgeführt
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Aufgrund von deutlichen geographischen Unterschieden scheint der Bedarf an interventionell-onkologischen Verfahren noch nicht ausreichend gedeckt zu sein.
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Um die flächendeckende Versorgung mit onkologischen Interventionen zu verbessern sollte die Ausbildung von interventionellen Radiologen weiter vorangetrieben werden.
Zitierweise
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Radosa CG, Nadjiri J, Mahnken AH et al. Availability of Interventional Oncology in Germany in the Years 2018 and 2019 – Results from a Nationwide Database (DeGIR Registry Data). Fortschr Röntgenstr 2022; 194: 755 – 762
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Key words
DeGIR registry data - interventional radiology - interventional oncology - quality assuranceEinleitung
In den letzten 30–40 Jahren haben zahlreiche innovative Entwicklungen und Verbesserungen zu einem signifikanten Fortschritt in der interventionell-onkologischen Tumortherapie geführt. Mittlerweile konnte die hohe Effektivität der interventionell-onkologischen Verfahren in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. Dies betrifft mittlerweile ein breites Spektrum von Techniken und deren Anwendung bei verschiedenen Tumorerkrankungen und in verschiedenen Organen wie beispielsweise der Leber, der Niere, der Lunge oder des Knochens [1] [2] [3]. Aus diesem Grund wurde die interventionell-onkologische Tumortherapie neben den „klassischen“ onkologischen Therapieverfahren wie Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie in zahlreichen aktuellen Leitlinien zur Tumortherapie hinzugefügt [4] [5]. In der interventionell-onkologischen Tumortherapie werden lokale sowie lokoregionäre Therapieansätze verfolgt, welche bildgesteuert u. a. durch die Applikation von Embolisationsmaterialien, Chemotherapeutika, Radionukliden oder thermischer Energie über einen transarteriellen oder transkutanen Zugang erreicht werden. Aufgrund der nur sehr geringen systemischen Nebenwirkungen nach onkologischen Interventionen werden diese allerdings in vielen Fällen nicht nur als kompetitive Therapieverfahren eingesetzt, sondern können mit den bestehenden Therapien kombiniert werden [6]. Für mehrere Indikationen hat sich die Indikation von interventionell-onkologischen Verfahren von der „Salvage“-Option bis zur Methode der ersten Wahl gewandelt. Insbesondere für ältere, multimorbide Patienten, bei denen aufgrund ihres Allgemeinzustandes weder eine operative noch eine systemische Therapie infrage kommt, eröffnet die interventionelle Onkologie neue Möglichkeiten zur Lebenszeitverlängerung und -qualitätsverbesserung, da für diese Patienten in der Vergangenheit oft nur noch die „Best Supportive Care“-Option zur Verfügung stand [7] [8].
Neben der hohen Effektivität sowie Etablierung der interventionell-onkologischen Verfahren spielt in der praktischen Patientenversorgung allerdings auch die Verfügbarkeit des Verfahrens sowie die Qualität der Durchführung eine entscheidende Rolle. Um diese zentralen Elemente bei radiologischen Interventionen zu erfassen, hat die deutsche Gesellschaft für interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR) ihr seit 1987 bestehendes dezentrales Datenmanagement im Jahre 2005 zu einem zentralen Register zur Qualitätssicherung umgewandelt, welches seit 2012 durch die Einträge der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) ergänzt wird. Hierbei werden vaskuläre und nicht vaskuläre Interventionen in verschiedene Module eingeteilt: Modul A (gefäßeröffnende und gefäßrekonstruierende Verfahren), Modul B (gefäßverschließende Verfahren), Modul C (diagnostische Punktionen, Drainagen, PTCD, TIPSS), Modul D (onkologische Verfahren inkl. TACE oder andere Tumor-spezifische Embolisationen, Ablationen, perkutane Tumortherapien), Modul E (gefäßeröffnende Neuro-Interventionen) und Modul F (neurovaskuläre Embolisationsbehandlungen). In den jeweiligen Modulen wurden Zertifizierungsmöglichkeiten zur Dokumentation der persönlichen Expertise geschaffen. Zusätzlich können sich Radiologieabteilungen als Ausbildungszentrum zertifizieren lassen.
Anhand der erhobenen Daten aus den Jahren 2018 und 2019 des Moduls D (onkologische Verfahren) soll gezeigt werden, inwieweit die interventionell-onkologische Tumortherapie in Deutschland flächendeckend zur Verfügung steht und ob die Anzahl der im Schnitt durchgeführten Interventionen pro Zentrum auf eine ausreichende praktische Erfahrung schließen lässt.
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Material und Methoden
Datenerfassung
Die Erfassung der Daten des DeGIR-Registers aus den Jahren 2018 und 2019 erfolgte über die browserbasierte Software der Firma samedi (samedi GmBH, Berlin, Deutschland). Alle Daten zu den an dem Register teilnehmenden Kliniken wurden bis auf den Standort verblindet. Aus den erhobenen Daten wurde die Anzahl an interventionell-onkologischen Tumortherapien, welche unter Modul D zusammengefasst wurden, verwendet. Zusätzlich wurde anhand der durchgeführten Eingriffe pro Jahr überprüft, welches Zentrum die Anforderung der DeGIR zum zertifizierten Ausbildungszentrum erfüllen könnte oder bereits erfüllt. Die notwendigen Voraussetzungen für eine DeGIR-Zertifizierung des Zentrums im Modul D sind hierbei die Durchführung und Dokumentation von mindestens 20 interventionell-onkologischen Verfahren pro Jahr sowie das Vorhandensein eines interventionellen Radiologen mit der DeGIR-Stufe-2-Zertifizierung im Modul D [9]. Zentren mit besonders hohen Eingriffszahlen (mindestens 100 Eingriffe pro Jahr) wurden als „High Volume“-Zentrum definiert.
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Analyse zur Flächendeckung
Die teilnehmenden Zentren wurden zunächst nach Bundesländern aufgeteilt. Um einen detaillierteren Überblick über die Verteilung der einzelnen Zentren zu erhalten, wurde eine weitere Unterteilung in 40 kleinere Regionen vorgenommen. Zur regionalen Aufteilung wurden die Bundesländer wiederum in bestehende Regierungsbezirke sowie ehemalige Regierungsbezirke aufgeteilt. Bundesländer, bei denen nie eine Unterteilung in Regierungsbezirke vorlag, wurden weiterhin als Bundesland eingeschlossen. Hierbei ergab sich für die Regionen folgende Aufteilung: Arnsberg, Berlin, Brandenburg, Braunschweig, Bremen, Chemnitz, Darmstadt, Dessau, Detmold, Dresden, Düsseldorf, Freiburg, Gießen, Halle, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kassel, Koblenz, Köln, Leipzig, Lüneburg, Magdeburg, Mecklenburg-Vorpommern, Mittelfranken, Münster, Niederbayern, Oberbayern, Oberfranken, Oberpfalz, Rheinhessen-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein, Schwaben, Stuttgart, Thüringen, Trier, Tübingen, Unterfranken, Weser-Ems.
Die Anzahl der 2018 und 2019 vorhandenen Krankenhäuser auf Bundes- und Länderebene sowie die Bevölkerungsdaten wurden mittels Daten des statistischen Bundesamts ermittelt [10]. Die Erfassung der onkologischen Zentren und ihre Aufschlüsselung nach Bundesländern erfolgte anhand der Jahresberichte der zertifizierten onkologischen Zentren der deutschen Krebsgesellschaft aus den Jahren 2018 und 2019 [11].
Um einen Eindruck über die Abweichungen zwischen tatsächlich in Deutschland durchgeführten interventionell-onkologischen Tumortherapien und den im DEGIR-Register freiwillig erfassten Interventionen zu erhalten, wurde die im DeGIR-Register erfasste Anzahl der im Jahr 2019 durchgeführten Ablationen mit der im deutschen Krankenhausverzeichnis anhand des entsprechenden Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) für Ablationen (Leber, Niere, Lunge sowie Knochen) erfassten Anzahl verglichen [12].
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Statistik und Grafikerstellung
Die deskriptive Statistik wurde mittels R Statistics (R version 3.5.3 – „Great Truth“) durchgeführt. Die Berechnung des Korrelationskoeffizienten erfolgte nach Pearson. Zur Grafikerstellung wurde folgende Software verwendet: Creative Commons Attribution 3.0 License (www.geonames.org), Geojson Deutschland (https://github.com/isellsoap/deutschlandGeoJSON). Die teilnehmenden Zentren wurden in den Grafiken auf Kommunalebene zusammengefasst, sodass ein Punkt teilweise mehreren Zentren entsprechen kann.
Basisdaten:
© EuroGeographics (2013) Staatsgrenzen Europas 2013 im Maßstab 1:3000 000
© GeoBasis-DE/BKG (2018) Verwaltungsgrenzen Deutschlands 2017 im Maßstab 1:250 000
© GeoBasis-DE/BKG (2018) WebAtlasDE Genesis-Online; Datenlizenz dl-de/by-2–0), Folium/Geopandas/Shapely/Python (Kartenerstellung).
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Ergebnisse
Im Jahr 2018 wurden von 187 Kliniken onkologische Interventionen im Modul D des DeGIR-Registers auf freiwilliger Basis erfasst. Die Anzahl der teilnehmenden Kliniken stieg im Jahr 2019 auf 216 an. Bei einer Gesamtzahl von 1925 (2018) sowie 1914 (2019) Krankenhäusern in Deutschland können somit in 9,7 % (2018) sowie 11,2 % (2019) der Krankenhäuser onkologische Interventionen dokumentiert werden. Im Vergleich zu den durch die deutsche Krebsgesellschaft zertifizierten onkologischen Zentren (im Jahr 2018 118 Kliniken und im Jahr 2019 120 Kliniken) wurden in deutlich mehr Kliniken onkologische Interventionen dokumentiert. Insgesamt wurden 2018 11.653 onkologische Interventionen und 2019 12 323 onkologische Interventionen dokumentiert, was einem Zuwachs von 6 % entspricht. Gleichzeitig verringerte sich allerdings die durchschnittliche Anzahl der onkologischen Interventionen pro Klinik um 8 % von 62,3 im Jahr 2018 auf 57,1 im Jahr 2019 ([Abb. 1a, b]). Hinsichtlich der Vergleichbarkeit zwischen der im DeGIR-Register erhobenen Interventionen und der tatsächlich in Deutschland durchgeführten Interventionen ergab sich für das Jahr 2019 eine Anzahl an erhobenen Ablationen im DeGIR-Register von 2250 sowie 2388 durchgeführte Ablationen im deutschen Krankenhausverzeichnis, was einem Unterschied von 5,8 % entspricht.


Eine ausreichende Anzahl an onkologischen Interventionen, um die Zertifizierung als DeGIR-Ausbildungszentrum im Modul D zu erhalten, erreichten im Jahr 2018 116 Kliniken sowie 2019 129 Kliniken. Die Anzahl der „High Volume“-Zentren stieg von 31 Kliniken im Jahr 2018 auf 36 im Jahr 2019.
Versorgungslage
Interventionell-onkologische Tumortherapien aus dem Modul D wurden in allen Bundesländern sowie aufgeschlüsselten Regionen durchgeführt. Hierbei zeigten sich allerdings teils deutliche regionale Unterschiede in der Erfassung der durchgeführten Interventionen. Der Mittelwert der dokumentierten onkologischen Interventionen im Zeitraum von 2018 bis 2019 pro Region lag bei 599 Interventionen (Standardabweichung 414). Die geringste Anzahl an onkologischen Interventionen wurden in der Region Bremen (n = 17) dokumentiert, in der Region Rheinhessen-Pfalz (n = 1499) wurde die höchste Anzahl dokumentiert ([Abb. 1c, d]).
Im Durchschnitt wurden 291 onkologische Interventionen pro einer Million Einwohner in den Jahren 2018 und 2019 in Deutschland durchgeführt (SD 184), der Median betrug 269, der Minimalwert wurde mit 25 in Bremen, der Maximalwert mit 773 im Saarland erreicht ([Abb. 2], [3]). Eine Korrelation zwischen Anzahl an onkologischen Interventionen und Anzahl der von der deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten onkologischen Klinken (onkologische Zentren) pro Bundesland ließ sich nicht nachweisen (Korrelationskoeffizient r = –0,001). Auch eine Korrelation der onkologischen Interventionen mit den 17 durch die Deutsche Krebshilfe (DKH) anerkannten Comprehensive Cancer Center (Organkrebszentren der Unikliniken) fand sich nicht (Korrelationskoeffizient r = 0,049).




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Diskussion
Die Wichtigkeit einer flächendeckenden Versorgung ist durch die COVID-Pandemie nochmals eindrücklich belegt worden. Neben der notwendigen Versorgung mit ausreichender Impfkapazität durch die niedergelassenen Ärzte ist insbesondere auch die flächendeckende Versorgung im onkologischen Bereich essenziell, da onkologische Krankheitsbilder keinen Aufschub einer Therapie erlauben.
Minimal-invasive Verfahren der interventionellen Onkologie haben sich zunehmend neben den „klassischen“ Therapieverfahren der Chirurgie, Onkologie sowie Strahlentherapie etabliert [13] [14] [15]. Sie stellen bei Patienten im therapiefähigen Allgemeinzustand einen komplementären, teilweise allerdings auch kompetitiven Therapieansatz dar und sind insbesondere bei multimorbiden Patienten häufig eine der letzten Optionen vor der Entscheidung zur „Best Supportive Care“ [13] [16] [17]. In der praktischen Patientenversorgung ist allerdings neben der evidenzbasierten Therapieempfehlung häufig die Verfügbarkeit des vorgesehenen Verfahrens ein entscheidendes Kriterium für die auf den Patienten abgestimmte optimale Therapie. Hier zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die steigende Anzahl an Leitlinien, die je nach Tumorentität und -stadium eine interventionell-onkologische Tumortherapie empfehlen, die Notwendigkeit der Auswertung hinsichtlich des Vorhandenseins einer flächendeckenden Versorgung mit onkologischen Interventionen [18]. Dies gilt umso mehr, da die onkologischen Therapieformen zunehmend ambulant durchgeführt werden, was optimalerweise eine wohnortnahe Versorgung erfordert. Neben der flächendenkenden Verfügbarkeit von evidenzbasierten Therapieverfahren nimmt die Erfassung sowie Kontrolle der erbrachten Qualität eines Therapieverfahrens einen zunehmenden Stellenwert ein. Beispielsweise fordert die deutsche Krebsgesellschaft im Rahmen ihrer Zertifizierung zum onkologischen Zentrum ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem [19]. In der interventionellen Radiologie erfolgt die Qualitätssicherung in Deutschland zum einen durch das DeGIR-Qualitätsregister sowie zum anderen durch ein modulares Ausbildungsprogramm mit verschiedenen Zertifizierungsstufen. Hierbei wird zwischen einer Zertifizierung für Einzelpersonen und Zentren unterschieden. Für Einzelpersonen werden 2 Zertifizierungsstufen angeboten: die DeGIR-Stufe 1, welche eine Basisqualifizierung in der Interventionsradiologie bescheinigt sowie die DeGIR-Stufe 2, welche die Spezialisierung in der interventionellen Radiologie/Neuroradiologie nachweist und in die aus dem DeGIR-Register bekannten Module unterteilt wird. Diese modularen Zertifikate zur DeGIR-Stufe 2 konnten bis 2020 durch die Erfüllung der Mindestzahlen für Eingriffe (100 durchgeführte Interventionen in dem gewünschten Modul) und mindestens 30 CME-Punkte nach Bestehen einer kombiniert schriftlichen und mündlichen Fachprüfung der DeGIR erworben werden. Seit 2021 kooperiert die DeGIR mit der Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE) und führt eine separate Fachprüfung nach UEMS-Standards gemeinsam mit der CIRSE durch. Dadurch erwerben alle Prüflinge automatisch auch ein europäisches Interventionszertifikat mit internationaler UEMS-Anerkennung [9]. Des Weiteren können sich Kliniken in den verschiedenen Modulen je nach Vorrausetzung als DeGIR-Zentrum oder DeGIR- Ausbildungszentrum zertifizierten lassen. Die Ergebnisse der Analyse der onkologischen Interventionen des Moduls D aus dem DeGIR-Qualitätssicherungsregister der Jahre 2018 und 2019 lassen auf eine geografisch unterschiedlich ausgeprägte Versorgung mit interventionell-onkologischen Tumortherapien schließen. Diese werden zwar sowohl auf Länderebene als auch auf regionaler Ebene deutschlandweit durchgeführt, zeigen in den einzelnen Regionen allerdings teils deutliche Unterschiede. Der geringe prozentuale Anteil von 9,7 % bzw. 11,2 % an Krankenhäusern, die onkologische Interventionen durchführen, gemessen an der Gesamtzahl an Krankenhäusern in Deutschland zeigt, dass die nötige Expertise, die solche Verfahren benötigen, weiterhin ein Hindernis darstellt, um sie in Kliniken ohne ausgewiesenen onkologischen Schwerpunkt zu etablieren. Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen „kleineren“ Kliniken die radiologischen Abteilungen durch Kooperationen mit radiologischen Praxen, welche keine interventionellen Therapien anbieten, ersetzt wurden. Ein weiterer Grund für den eher geringen Prozentsatz an Kliniken mit interventionell-onkologischen Tumortherapien ist die geringe Patientenpopulation. Gemessen an der Gesamtzahl aller Tumorpatienten kommen nur wenige infrage, welche von onkologischen Interventionen profitieren, da diese Interventionen meist bei Patienten mit Oligometastasierung bzw. bei weniger häufigen Primärtumoren, wie z. B. dem hepatozellulären Karzinom (HCC) angewandt werden. Vergleicht man allerdings die Anzahl der Kliniken, die onkologische Interventionen durchführen, mit der Anzahl an zertifizierten onkologischen Zentren, zeigt sich, dass wesentlich mehr Kliniken (58,4 % bzw. 80 %) onkologische Interventionen anbieten können. Ein Grund für die geringe Anzahl an zertifizierten onkologischen Zentren im Vergleich zu den Kliniken mit onkologischen Interventionen sind in erster Linie die strengen Anforderungen für die Zertifizierung. Unter anderem beinhalten die Anforderungen der deutschen Krebsgesellschaft für die Zertifizierung als onkologisches Zentrum in vielen Bereichen, wie beispielsweise für die Zertifizierung als viszeralonkologisches Zentrum, das Vorhandensein einer interventionellen Radiologie. Explizit wird hier mindestens ein Facharzt für Radiologie mit Nachweis des DeGIR/DGNR-Stufe 2-Zertifikates gefordert [19]. Diese Anforderung sowie die steigende Anzahl an onkologischen Interventionen von 2018 auf 2019 (6 %) verdeutlicht nochmals den Stellenwert der interventionellen Radiologie in der modernen Tumortherapie. Analog zu der deutschen Krebsgesellschaft findet auch durch die DeGIR/DGNR eine Zertifizierung zur Qualitätssicherung statt. Diese Voraussetzung von mindestens 20 durchgeführten onkologischen Interventionen pro Jahr konnten in den Jahren 2018 und 2019 mehr als die Hälfte (62 % bzw. 59,7 %) der Kliniken erfüllen. 16,5 % bzw. 16,6 % der Kliniken konnten als „High Volume“-Zentren jeweils mehr als 100 onkologische Interventionen durchführen. Dieser hohe Anteil an zertifizierten bzw. zertifizierungsfähigen Kliniken lässt auf einen hohen Qualitätsstandard der durchgeführten Interventionen schließen und erlaubt die qualitativ hochwertige Ausbildung von Radiologen in interventionell-onkologischen Eingriffen [20]. Insbesondere die Ausbildung von zertifizierten interventionellen Radiologen kann in Zukunft die weitere Verbreitung von interventionell-onkologischen Tumortherapien vorantreiben, was aufgrund der dargestellten geografisch unterschiedlichen Versorgung mit teilweise deutlichem Abfall der Versorgung in strukturärmeren Regionen weiterhin notwendig ist. Dies zeigt auch die absolute Verteilung der im Jahr 2018 und 2019 durchgeführten onkologischen Interventionen. Hier lag der Mittelwert der dokumentierten Interventionen pro Regierungsbezirk bei 599. Mit Bremen (17), Dessau (38), Halle (28) sowie Magdeburg (43) lagen einzelne Regierungsbezirke mehr als eine Standardabweichung (414) unterhalb des Mittelwerts. Um Verzerrungen der Ergebnisse durch Regionen mit unterschiedlicher Bevölkerungsdichte zu vermeiden, wurden auf Bundeslandebene die onkologischen Interventionen aus den Jahren 2018 und 2019 auf eine Million Einwohner genormt. Auch hier fanden sich mit Brandenburg (85), Bremen (25) sowie Sachsen-Anhalt (49) Bundesländer, die um mehr als eine Standardabweichung (184) von dem Mittelwert von 291 abwichen. Ähnliche regionale Schwankungen konnten auch schon in der ebenfalls auf den DeGIR-Qualitätsregisterdaten basierenden Studie zu gefäßverschließenden Maßnahmen gefunden werden [21]. Ein annehmbarer Zusammenhang, dass das erhöhte Vorkommen von zertifizierten onkologischen Zentren zu einem Anstieg der onkologischen Interventionen führt, konnte nicht nachgewiesen werden. Auch die umgekehrte Annahme, dass durch die Zunahme an anderen Therapieoptionen in ausgewiesenen onkologischen Schwerpunktzentren primär weniger onkologische Interventionen erfolgen könnten, ließ sich bei fehlender Korrelation zwischen onkologischen Interventionen pro Bundesland und dem Vorhandensein der Comprehensive Cancer Center nicht nachweisen. Die Ursachen für diese teilweise erheblichen Schwankungen bleiben weiterhin unklar. Die Hauptursache für die Unsicherheit bei der Interpretation der Daten liegt in der Art der Datenerfassung. Die Erfassung der Leistungszahlen mittels DeGIR-Qualitätsregister erfolgt auf freiwilliger Basis bzw. im Rahmen der Zertifizierung. Beispielsweise ist es denkbar, dass Kliniken mit geringen Interventionszahlen ohne Aussicht auf eine Zertifizierung aufgrund des fehlenden Anreizes und des erhöhten Zeitaufwands es ablehnen, ihre Interventionen in das Qualitätsregister einzutragen. Insbesondere die ähnliche Verteilung der regionalen Unterschiede hinsichtlich der Versorgung mit interventionellen Verfahren in der aktuellen Studie sowie der DeGIR-Studie zu gefäßverschließenden Maßnahmen lässt auf einen systemischen Fehler schließen [21]. Im Hinblick auf die ähnliche Verteilung der regionalen Unterschiede in den beiden Studien wäre es auch denkbar, dass sich einzelne „High Volume“-Zentren nicht an der Datenerfassung beteiligen und dies in strukturarmen Regionen mit niedriger Krankenhausdichte zu deutlichen Verzerrungen der erhobenen Daten führt. Dies konnte aufgrund der Anonymität der erhobenen Daten leider nicht genauer untersucht werden. Allerdings wäre dieses Verteilungsphänomen auch durch generelle regionale Unterschiede hinsichtlich Krankenhausdichte, geografischer Lage sowie unterschiedlicher Versorgungstrukturen zu erklären [21]. Dass die erhobenen Daten jedoch einen verlässlichen Überblick über die aktuelle Versorgunglage mit onkologischen Interventionen geben, zeigt der Unterschied zwischen den im DeGIR-Register erfassten Ablationen und den nach Angaben des deutschen Krankenhausverzeichnisses durchgeführten Ablationen, welcher mit 5,8 % eher gering ausfällt.
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Schlussfolgerung
Anhand der Daten des DeGIR-Qualitätsregisters konnte eine deutschlandweite Versorgung mit interventionell-onkologischen Tumortherapien nachgewiesen werden. Diese Versorgung weist allerdings geografisch teilweise deutliche Unterschiede auf, sodass davon auszugehen ist, dass in einzelnen Regionen der Bedarf an interventionell-onkologischen Verfahren noch nicht ausreichend gedeckt ist. Aus diesem Grund sollte die Ausbildung von onkologisch tätigen interventionellen Radiologen weiter vorangetrieben werden sowie interventionell tätige Radiologen unterstützt bzw. fortgebildet werden, um onkologische Verfahren anbieten zu können. Um in Zukunft die Versorgungslage mit interventionellen Verfahren noch genauer abschätzen zu können, sollten möglichst alle durchgeführten Interventionen im DeGIR-Qualitätsregister erfasst werden.
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Conflict of Interest
The authors declare that they have no conflict of interest.
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Correspondence
Publication History
Received: 13 June 2021
Accepted: 16 December 2021
Article published online:
24 February 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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