Aktuelle Ernährungsmedizin 2022; 47(04): 280-288
DOI: 10.1055/a-1741-5329
Originalarbeit

Ernährungsmedizinischer Bedarf und reale Versorgung von Brustkrebspatientinnen

Nutritional Medical Needs and the Actual Care of Breast Cancer Patients
Jasmin Ostermann
1   Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Lübeck, Germany
,
Martin Smollich
1   Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Lübeck, Germany
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Zusammenfassung

Einleitung Für die Primärtherapie und Rezidivprävention des Mammakarzinoms sind der Ernährungsstatus und mögliche Effekte von Nahrungsergänzungsmitteln von großer klinischer Relevanz. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Beantwortung der Frage, ob es eine Diskrepanz zwischen dem ernährungsmedizinischen Bedarf von Brustkrebspatientinnen und der realen Versorgungssituation gibt.

Methoden Von Dezember 2019 bis März 2020 wurden Brustkrebspatientinnen mittels eines Online-Fragebogens zu den persönlichen Erfahrungen während ihrer onkologischen Therapie befragt. Die erhobenen Daten wurden statistisch ausgewertet und kritisch diskutiert.

Ergebnisse Von den befragten Brustkrebspatientinnen (n=166) gaben 64,5% an, keine Ernährungsberatung erhalten zu haben, wobei sich von diesen Frauen 71,8% eine Ernährungsberatung gewünscht hätten. 56% der Frauen gaben an, keinerlei Beratung bezüglich der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln erhalten zu haben; gleichzeitig hatten aber 80,8% der Frauen während ihrer onkologischen Therapie Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. 83,7% der Frauen informierten sich selbstständig über mögliche therapiebegleitende Ernährungstherapien, wobei die Informationen mit 71,2% am häufigsten von Internetseiten und Online-Foren stammten.

Diskussion Die Ergebnisse zeigen eine erhebliche Diskrepanz zwischen ernährungsmedizinischem Bedarf und realer Beratungssituation von Frauen mit Brustkrebs. Trotz des mehrheitlich artikulierten Bedarfs einer individuellen Ernährungsberatung wird diese in der Regel nicht angeboten. Die strukturelle Implementierung einer qualifizierten Ernährungsberatung für alle Brustkrebspatientinnen wäre dringend notwendig, um durch einen optimierten Ernährungsstatus die Wirksamkeit und Verträglichkeit der onkologischen Therapie zu verbessern und potenziell gefährliche Wechselwirkungen mit Nahrungsergänzungsmitteln zu vermeiden.

Abstract

Introduction For the primary therapy and recurrence prevention of breast cancer, the nutritional status and possible effects of nutritional supplements are of great clinical relevance. The aim of the present study was to answer the question of whether there is a discrepancy between the nutritional needs of breast cancer patients and the actual care situation.

Methods From December 2019 to March 2020, breast cancer patients were surveyed via an online questionnaire about their personal experiences during their oncological therapy. The collected data were statistically analysed and critically discussed.

Results Of the breast cancer patients surveyed (n=166), 64.5% stated that they had not received any nutritional counselling, although 71.8% of these women would have liked to receive nutritional counselling. 56% of the women stated that they had not received any advice regarding the intake of dietary supplements; at the same time, however, 80.8% of the women had taken dietary supplements during their oncological therapy. 83.7% of the women informed themselves about possible concomitant nutritional therapies, whereby the information (71.2%) most frequently came from websites and online forums.

Conclusion The results show a considerable discrepancy between nutritional medical need and the actual care situation of women with breast cancer. Despite the majority articulated need for individual nutritional counselling, this is usually not offered. The structural implementation of qualified nutritional counselling for all breast cancer patients would be urgently necessary to improve the effectiveness and tolerability of oncological therapy through an optimised nutritional status and to avoid potentially dangerous interactions with dietary supplements.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 17. September 2021

Angenommen: 13. Januar 2022

Artikel online veröffentlicht:
15. August 2022

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