CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82(05): 490-500
DOI: 10.1055/a-1750-9284
GebFra Science
Review/Übersicht

„Corona und Reproduktion“ oder warum die Coronaimpfung nicht unfruchtbar macht

Article in several languages: English | deutsch
Anne-Sophie Braun
1   Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie u. Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
,
Katharina Feil
1   Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie u. Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
,
Elisabeth Reiser
1   Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie u. Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
,
Guenter Weiss
2   Universitätsklinik für Innere Medizin II, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
,
Thore von Steuben
1   Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie u. Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
,
Germar Michael Pinggera
3   Universitätsklinik für Urologie, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
,
Frank-Michael Köhn
4   Andrologicum, München, Germany
,
Bettina Toth
1   Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie u. Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Mit Fortschreiten der COVID-19-Pandemie und der Entwicklung neuer Impfstoffe wächst in der Öffentlichkeit die Sorge, dass sowohl eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus als auch eine Coronaimpfung (mRNA-Impfstoffe) zu einer Infertilität bzw. einer erhöhten Abortrate führen könnten. Besonders junge, in der Reproduktionsphase befindliche Menschen äußern diese Ängste. Der vorliegende Übersichtsartikel fasst die aktuellen Daten zum Einfluss einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. einer Coronaimpfung auf die weibliche und männliche Fertilität am Tiermodell und auf humaner Seite zusammen.

Methoden Anhand der Schlüsselwörter „COVID 19, SARS-CoV-2, fertility, semen, sperm, oocyte, male fertility, female fertility, infertility“ wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt (Pubmed, Embase, Web of Science). Im Anschluss wurden Originalarbeiten von Oktober 2019 bis Oktober 2021 ausgewählt und aufgearbeitet.

Ergebnisse Im Tiermodell war trotz des Einsatzes von sehr hohen Impfdosen kein negativer Effekt auf die Fruchtbarkeit, den Schwangerschaftsverlauf und die fetale Entwicklung nachweisbar. Auf humaner Seite wurde bei infizierten Frauen keine SARS-CoV-2-RNA in Oozyten/Follikelflüssigkeit nachgewiesen; ebenso zeigten sich zwischen Genesenen, Geimpften und Kontrollen keine Unterschiede hinsichtlich Schwangerschaftshäufigkeit und des Anteils gesunder Kinder. Ferner beeinflusste die Impfung auch nicht die Lebendgeburtenrate nach einer assistierten reproduktionsmedizinischen Behandlung. Bei infizierten und noch infektiösen Männern wurde in der Mehrzahl der Fälle keine Virus-RNA im Ejakulat nachgewiesen; allerdings zeigten sich deutliche Einschränkungen im Spermiogramm, insbesondere nach schwerwiegend verlaufender Infektion. Bisherige Studien zeigen keinen negativen Einfluss einer Coronaimpfung auf die männliche Fertilität.

Diskussion Die aktuellen Studien geben weder im Tiermodell noch auf humaner Seite einen Hinweis auf eine Einschränkung der Fertilität nach einer Coronaimpfung. Demgegenüber gibt es zunehmende Hinweise für negative Auswirkungen einer schweren SARS-CoV-2-Infektion auf die männliche Fertilität und klare Evidenz für ein erhöhtes Komplikationsrisiko von Schwangeren bei einer SARS-CoV-2-Infektion. Die Beratung von jungen Menschen sollte daher sowohl die Ängste und Sorgen ernst nehmen als auch die aktuelle Datenlage strukturiert erörtern.


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Einleitung

Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) wird durch das neue Betacoronavirus, welches von der WHO als 2019-nCov und durch das Internationale Komitee zur Taxonomie von Viren als „Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus“ Typ 2 (SARS-CoV-2) bezeichnet wird, verursacht. Die Virusinfektion hat seit Ende 2019 eine weltweite Pandemie ausgelöst mit mindestens 326,3 Mio. Infizierten und 5,53 Mio. Todesopfern (Stand 17.01.2022) [1], [2].

Trotz gleicher Prävalenz besteht sowohl bezüglich der Schwere der Erkrankung als auch der Mortalität ein deutlicher Geschlechter-Bias [3], [4]: Männer weisen ein höheres Risiko für eine Atemwegsintubation und eine längere stationäre Verweildauer als Frauen auf. Zusätzlich besteht bei Männern eine höhere Sterblichkeitsrate, auch im Vergleich der Altersgruppen, der Ethnizitäten und unter Einschluss der Komorbiditäten [5]. In diesem Zusammenhang wird ein möglicher protektiver Einfluss von weiblichen, aber auch männlichen Sexualsteroiden diskutiert [6], [7]. Im Anschluss an die akute Infektion kommt es bei 2,3% der Erkrankten zu langanhaltenden Nebenwirkungen (> 12 Wochen) in Form des sog. Long-/Post-COVID-Syndroms [8], [9]. Dieses ist durch Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Dyspnoe und Anosmie gekennzeichnet und tritt gehäuft im fortgeschrittenen Alter (> 52 Jahre), bei erhöhtem Body-Mass-Index (BMI > 26), nach vorangegangener schwerer COVID-19-Erkrankung und bei Frauen auf [10], [11]. Bei Patienten unter 52 Jahren bedingt eine SARS-CoV-2-Infektion zumeist eine niedrigere Morbidität und Mortalität als bei älteren Infizierten, sodass gemäß dem COVID-19-Score der Anteil der „kritisch“ Kranken mit 25% geringer ist [12], [13], [14]. Allerdings zeigt sich aufgrund der Delta-Variante des Virus auch eine zunehmende Hospitalisierungsrate von jungen Erwachsenen zwischen 18 und 34 Jahren. In diesem Patientenkollektiv benötigen 21% der Patienten eine intensivmedizinische Betreuung. Mit einer Mortalitätsrate von 2,7% ist diese doppelt so hoch wie bei Auftreten eines Myokardinfarktes in der gleichen Altersgruppe [15].

Erste Studien zeigen bei den schwer bzw. kritisch Erkrankten Auswirkungen auf die männliche Fertilität, insbesondere auf die Motilität bzw. Morphologie der Spermien [16], [17], [18]. Bisherige Daten zur Auswirkung auf die weibliche Fertilität und insbesondere auf die Eizellqualität während einer SARS-CoV-2-Infektion liegen nur vereinzelt vor, da im Falle einer akuten Infektion keine Kinderwunschbehandlung und somit keine Untersuchung der Eizellen erfolgt [19].

In Zeiten einer Pandemie stellt die Betreuung von Schwangeren eine große Herausforderung dar. Während man zu Beginn von keiner transplazentaren Übertragung im Falle einer mütterlichen Infektion ausging [20], zeigen neue Daten Veränderungen in der Plazenta von SARS-CoV-2-positiven Müttern wie z. B. vaskuläre Malperfusionen mit vermehrten synzytialen Knoten und fokale perivilläre Fibrinablagerungen [21], [22]. Außerdem konnte eine Reduktion der mtDNA-Werte in der Plazenta bei SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren nachgewiesen werden. Dies steht in signifikantem Zusammenhang mit einem oxidativen DNA-Schaden und zeigt somit einen massiven oxidativen Stress der Plazenta [23]. Zudem weisen schwangere Frauen mit COVID-19 einen schwereren Krankheitsverlauf im Vergleich zu nicht schwangeren auf [24]. So sind die stationäre Verweildauer, die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit einer Beatmungsunterstützung und das Risiko einer Verlegung auf Intensivstation erhöht [25]. Außerdem steigt die Sectio- und Frühgeburtsrate bei schwangeren SARS-CoV-2-positiven Frauen aufgrund von fetalem Stress [26], [27], [28].

Zur Eindämmung der Pandemie wurden in der EU bisher 2 mRNA-Impfstoffe und 2 Vektorimpfstoffe zugelassen. Beide mRNA-Impfstoffe zeigen in der Prävention von schweren COVID-19-Erkrankungen in der Altersgruppe der 12 – 17-Jährigen eine 95%ige, bei den 18 – 39-Jährigen eine 85%ige und ab einem Alter von 40 Jahren eine 86%ige Wirksamkeit [29], [30]. Eine Impfung mit dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca führt im Alter von 18 – 39 Jahren zu einem 61%igen, im Alter von 40 – 59 Jahren zu einem 72%igen und ab dem Alter von 60 Jahren zu einem 80%igen Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion mit schweren Krankheitssymptomen [29], [30], [31], [32].

Die schnelle Entwicklung und Zulassung der Impfstoffe bei gleichzeitiger Verbreitung von Fehlinformationen in sozialen Medien ruft nicht nur bei Impfgegnern Ängste hervor. Diese beinhalten Sorgen bezüglich möglicher Langzeitfolgen, einschließlich der Langzeitauswirkungen auf die Reproduktionsfähigkeit von geimpften Personen [33], [34]. Diesen Ängsten und Sorgen kann nur durch eine detaillierte Darstellung der aktuellen Studienlage strukturiert entgegengewirkt werden. Daher werden in diesem Artikel die aktuellen Daten zu möglichen Auswirkungen einer Coronaimpfung bzw. SARS-CoV-2-Infektion auf die Fertilität am Tiermodell und am Menschen erörtert.


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Verfügbare Impfstoffe und derzeit etablierte Tiermodelle

In der Europäischen Union (EU) sind derzeit 2 verschiedene Arten von Impfstoffen gegen das SARS-CoV-2-Virus zugelassen: 2 mRNA-Impfstoffe (BNT162b2 von BioNTech/Pfizer und mRNA-1273 von Moderna) und 2 Vektorimpfstoffe (AZD1222 von AstraZeneca, JNJ-78436735 von Janssen).

Die Funktionsweise der Vektorimpfstoffe beruht darauf, dass die DNA für das SARS-CoV-2-Virus-Spikeprotein in ein modifizierten Adenovirus eingebaut, in den Zellenkern eingeschleust, zu RNA transkribiert, und in weiterer Folge Spikeproteine produziert werden. Diese werden an die Zelloberfläche transportiert und so eine gerichtete zelluläre und humorale Immunantwort induziert. Hierdurch werden spezifische Antikörper gegen das Spikeprotein auf der Virusoberfläche gebildet. Im Falle einer Infektion werden sohin Spikeproteinepitope des SARS-CoV-2-Virus erkannt und dank verfügbarer Antikörper neutralisiert [32], [35]. Bei den mRNA-Impfstoffen wird die Virus-RNA zur Herstellung des Spikeproteins direkt von den Zellen, welche die Injektionsstelle umgeben, durch Endozytose aufgenommen. Für diese Impfstoffkategorie wird die mRNA zu ihrem Schutz in eine Hülle aus Fetten (Lipid-Nanopartikel) eingepackt, damit sie in Körperzellen gelangen kann und nicht sofort wieder abgebaut wird. Die Virus-RNA wird in Folge dekodiert, via körpereigene Ribosomen in Spikeproteine translatiert, und das Antigen wird an die Zelloberfläche transportiert. Analog zur Immunpräsentation bei Vektorimpfstoffen kommt es auch bei Einsatz von mRNA-Vakkzinen zu einer spezifischen Antikörperbildung [29], [31], [36]. Entscheidend ist, dass bereits nach wenigen Tagen keine Adenoviren bei Verwendung von Vektorimpfstoffen bzw. im Falle der mRNA-Impfstoffe keine Spikeprotein-codierende-mRNA mehr im menschlichen Organismus nachweisbar sind [29], [31], [32].

Es existieren mehrere Tiermodelle, welche mögliche Nebenwirkungen einer Coronaimpfung auf die Fruchtbarkeit und Schwangerschaft sowie den Nachwuchs untersuchten. Bowman et al. analysierten den Einfluss von Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff (BNT162b2) auf die weibliche Fertilität und den Schwangerschaftsverlauf von Ratten ([Abb. 1]). Die Studie wurde an insgesamt n = 88 Ratten im gebärfähigen Alter durchgeführt. Die Kontrollgruppe erhielt Kochsalzinjektionen und die Studiengruppe insgesamt 4 Dosen des mRNA-Impfstoffs (jeweils 30 μg/Impfung). Die Dosierung war analog zu den Verabreichungen beim Menschen gewählt (70 kg) und ist demnach 300 × höher als die auf μg/kgKG basierende Dosis bei Ratten (220 g) [37].

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Abb. 1 Studienaufbau und zeitliche Impfstoffadministration (BNT162b2). Tag 0 = Beginn der Gestationsperiode, Tag 21 = Sectio oder Geburt [37].

Die Injektionen wurden bei allen Tieren sowohl vor der Gestationsperiode (Tag 0) als auch in der Schwangerschaft verabreicht. Von der Kontroll- und Studiengruppe wurden die Hälfte der Ratten (n = 21/Gruppe) als Sectiogruppe euthanasiert. Die restlichen Tiere und ihr Nachwuchs wurden nach der Geburt untersucht. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigen sich trotz 300-facher Dosierung keine Unterschiede bezüglich der Fertilität, der Schwangerschaftsdauer, der Abort- oder der Lebendgeburtenrate. Zusätzlich wiesen alle Tiere und ihre Nachkommen positive Antikörpertiter gegen das SARS-CoV-2-Spikeprotein auf ([Abb. 2]) [37].

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Abb. 2 Studienablauf [37].

Eine weitere Studie analysierte die Sicherheit des Vektorimpfstoffes Vaxzevria der Firma AstraZeneca (AZD1222) bezüglich der Fortpflanzungsfähigkeit und Entwicklung des Nachwuchses am Mausmodell. Die beiden Studienphasen fokussierten sich auf die Entwicklungs- und die postpartale Zeit. In der 1. Phase wurde an Tag 14 die 1. Impfdosis (0,035 ml) injiziert und die zweite an Tag 6. Tag 0 entsprach der Befruchtung, Tag 17 der Sectio. Da die Dosis bei Menschen (70 kg) 0,5 ml beträgt, ist demnach die verabreichte Dosis bei der Maus (30 g) 163 × höher. In der 2. Phase wurden nach der Befruchtung (Tag 0) und an Tag 6 bzw. an Tag 15 die 1. bzw. 2. Impfdosis verabreicht. Postpartal erfolgte anschließend die Untersuchung der Tiere und des Nachwuchses. Der verwendete Vektorimpfstoff zeigte keinen Einfluss auf die Fertilität, den Schwangerschaftsverlauf sowie den Nachwuchs.

Im Anschluss an die Impfung zeigten die Tiere weder eine Appetitlosigkeit noch eine Gewichtsabnahme, die Schwangerschaftsrate (SSR) betrug in der Studiengruppe 92% bei einer Abortrate von 6,8% und unterschied sich somit nicht von der Kontrollgruppe (SSR 94%, Abortrate 7,5%). Der Nachwuchs der Studiengruppe wies in 0,6% Malformationen auf im Vergleich zu 1,8% in der Kontrollgruppe [38].


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Weibliche Fertilität und SARS-CoV-2-Infektion bzw. -Impfung

Um den Einfluss einer Infektion auf einzelne Zelltypen festzustellen, ist zunächst die grundlegende Frage, ob und wie Zellen infiziert werden können, zu klären. Im Fall der weiblichen Fertilität muss eine Wirkung auf die Ovarien, im Speziellen die Oozyten, gegeben sein. Stanley et al. [33] konnten an einer kleinen Studienpopulation (n = 18) zeigen, dass humane Cumuluszellen keine bzw. nur eine minimale RNA-Expression von transmembraner Serinprotease 2 (TMPRSS2), die eine Eintrittspforte für SARS-CoV-2-Viren darstellt, aufweisen.

In derselben Studie wurde die RNA-Expression von TMPRSS2 und Angiotensin-Converting Enzyme-2 (ACE2) in ovariellen Zellen von Primaten nachgewiesen. SARS-CoV-2 nutzt das auf dem X-Chromosom kodierte ACE2 als Rezeptor, um in menschliche Zellen einzudringen. Je weiter fortgeschritten das Entwicklungsstadium der Oozyten war, desto eher konnte eine Expression der beiden Proteine nachgewiesen werden. Antrale Follikel wiesen die höchste Expression auf [39]. Das bedeutet, dass Oozyten im Primatenmodell kurz vor der Ovulation bzw. kurz vor dem Zugrundegehen im Rahmen eines physiologischen Zyklus am vulnerabelsten sind. Zu humanen Oozyten gibt es bisher nur Daten von 3 Fallberichten von Frauen mit einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion zum Zeitpunkt einer Follikelpunktion im Rahmen einer ART [19], [40]. Weder in der Follikelflüssigkeit einer symptomatischen Patientin [19] noch in den Oozyten zweier asymptomatischer Patientinnen [40] konnte Virus-RNA nachgewiesen werden. Eine Infektion der Oozyten konnte bei Frauen auch in der laut Tiermodell vulnerabelsten Phase der Follikulogenese nicht gezeigt werden.

Langfristige Einflüsse einer SARS-CoV-2-Infektion auf die Ovarfunktion bzw. die Ovarialreserve wurden bisher nicht nachgewiesen. Wang et al. [35] berichteten von 4043 ART-Zyklen in Wuhan, hiervon bei 70 Patientinnen mit positivem IgG/IgM SARS-CoV-2-Antikörper-Nachweis im Vergleich zu Frauen ohne Antikörpernachweis. Weder das Anti-Müller Hormon (AMH), der Antral Follicle Count (AFC), das follikelstimulierende Hormon (FSH) noch die Anzahl der gewonnenen Oozyten oder die SSR unterschieden sich signifikant in den beiden Gruppen [41].

Auch eine rezent publizierte Studie konnte keinen Unterschied in der Ovarialreserve (gemessen mittels AMH im Verlauf eines Jahres) zwischen Patientinnen mit Zustand nach SARS-CoV-2-Infektion und Patientinnen ohne Infektion feststellen [43].

Eine weitere Studie analysierte neben dem AMH-Wert auch die Serumkonzentrationen von Testosteron, Östradiol, Progesteron, LH und FSH bei Patientinnen nach einer SARS-CoV-2-Infektion und stellte keine Unterschiede zu altersgleichen Kontrollen fest [44]. Auffallend waren jedoch Zyklusveränderungen nach SARS-CoV-2-Infektion, unabhängig vom Schweregrad der Infektion [44].

Der Frage, ob eine Impfung einen signifikanten Einfluss auf die Ovarialreserve nimmt, haben sich 2 weitere Studien gewidmet [42], [45]. Eine verglich das Ergebnis von ART-Zyklen bei Paaren vor einer Impfung sowie nach einer Zweifach-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff und konnte keine Unterschiede in der Anzahl der (reifen) Oozyten, bzw. der Blastozysten feststellen [42]. Auch die 2. Studie konnte keine Unterschiede in der Follikelfunktion im Rahmen von ART-Zyklen zwischen Genesenen, mit einem mRNA-Impfstoff (BNT162b2) geimpften und gesunden Patientinnen ermitteln [45] ([Tab. 1]). Die Auswirkung einer Coronaimpfung auf den Menstruationszyklus sind weitgehend unbekannt. Das Eunice Kennedy Shriver National Institute of Child Health and Human Development hat kürzlich eine Forschungsförderung in der Höhe von 1,67 Millionen US-Dollar gewährt, um mögliche Zusammenhänge zu untersuchen.

Tab. 1 Auswirkung von Coronaimpfungen auf ART-Zyklen.

Bentov et al. [43]

Orvieto et al. [40]

geimpft

genesen

Kontrolle

p-Wert

ante

post

p-Wert

Angaben in mean ± SD, ns = nicht signifikant

Anzahl Patienten

9

9

14

36

36

Alter in Jahren

35,3 ± 3,97

34,1 ± 4,7

32,5 ± 5,3

ns

37,3 ± 17,5

AFC

13,3 ± 4,7

13,6 ± 4,1

15,6 ± 6,7

0,008

Estradiol-Peak (Pmol/l)

8874 ± 2555

10 810 ± 5867

8379 ± 4167

ns

6041 ± 4052

7708 ± 7640

ns

Progesteron-Peak (nmol/l)

3,29 ± 2,09

3,31 ± 1,14

1,64 ± 0,67

ns

2,3 ± 1,8

2,2 ± 1,2

ns

Anzahl Eizellen

12,4 ± 8,7

10,89 ± 4,8

11,2 ± 6,7

ns

9,7 ± 6,7

10,1 ± 8

ns

Anzahl reife Eizellen

7,25 ± 2,77

8,37 ± 4,1

7,75 ± 4,7

ns

7,94 ± 5,7

8,0 ± 6,5

ns

Anzahl Embryonen guter Qualität

0,43 ± 0,5

0,55 ± 0,14

0,72 ± 0,34

ns

2,8 ± 2,7

2,8 ± 3,3

ns

Eine der ersten Impfmythen rankte sich um die Sorge, die Coronaimpfung mache unfruchtbar. Ein Grund dafür war die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen dem SARS-CoV-2-Spikeprotein und Syncytin-1, einem Protein, dass für die Implantation und Plazentabildung eine Rolle spielt, was in sozialen Medien zu Bedenken hinsichtlich eines möglichen Einflusses der Impfung auf die Fruchtbarkeit führte. Allerdings konnte gezeigt werden, dass diese hypothetische Kreuzimmunität jeder Evidenz und funktionellen Basis entbehrt, da die beiden Proteine in ihrer Zusammensetzung und Immunogenität völlig unterschiedlich sind. Ebenso konnte nachgewiesen werden, dass sowohl Antikörper nach einer SARS-CoV-2-Impfung als auch Antikörper nach durchgemachter Infektion nicht an Syncytin-1 binden und somit auch keine Sterilität erzeugen können [46]. Das unterstreichen auch Postmarketing-Beobachtungen der Zulassungsstudien für die mRNA-Impfstoffe, die keinerlei Unterschiede in der Häufigkeit einer komplikationsfreien Schwangerschaft zwischen geimpften und nicht geimpften Frauen aufwiesen [47]. Eine rezente Studie mit n = 993 Schwangeren, die im 2. oder 3. Trimenon mit einem mRNA-Impfstoff geimpft wurden, zeigt keine Unterschiede hinsichtlich des Schwangerschaft- bzw. Geburtsverlaufs im Vergleich zu Nichtgeimpften [48].

Somit zeigen die hier präsentierten Daten, dass die Sorgen, die Coronaimpfung mache Frauen unfruchtbar, unbegründet sind.


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Männliche Fertilität und SARS-CoV-2-Infektion bzw. Coronaimpfung

Aus andrologischer Sicht müssen Auswirkungen der Infektion mit SARS-CoV-2 auf die Hypophysen-Gonadenachse, die Spermatogenese/Spermiogenese oder die Testosteronproduktion berücksichtigt werden [49]. Zudem ist eine Differenzierung zwischen einer Infektion mit SARS-CoV-2 mit oder ohne schwerem Krankheitsverlauf notwendig. Eine schwer verlaufende Infektion mit SARS-CoV-2 und damit COVID-19 gehen mit hohem Fieber und erheblichen Einschränkungen des Allgemeinbefindens einher; daher sind solche unspezifischen Effekte auf die männliche Fertilität, wie sie auch bei anderen Infektionserkrankungen auftreten können, von spezifischen, durch SARS-CoV-2 bedingte Auswirkungen abzugrenzen [50].

Da ein Teil von an COVID-19 erkrankten Männer über Hodenschmerzen klagen, war schon früh eine Beteiligung der Gonaden im Rahmen schwerer Infektionen nicht auszuschließen [55].

Histologische Untersuchungen an Hodengewebe von Männern, die an oder mit COVID-19 verstorben waren, zeigten Schädigungen der Tubuli seminiferi, Sertoli- und Leydig-Zellen [51].

Da ACE2 in Spermatogonien, Sertoli- und Leydigzellen im Hoden exprimiert wird, besteht der Verdacht, dass diese Zellen ein Angriffsziel für das Virus darstellen und so die männliche Fertilität im Rahmen eine Infektion beeinflusst werden könnte [52], [53]. SARS-CoV-2 bindet über seine Spikeproteine an ACE2. Danach spaltet TMPRSS2 das S-Protein in eine S1/S2- und S2-Untereinheit. Die S2-Untereinheit bewirkt die Fusion der Membranen von Virus und Wirtszelle und ermöglicht so den Eintritt der Virus-RNA in die infizierte Zelle [54]. Die Daten zur Expression von TMPRSS2 im männlichen Genitaltrakt sind noch widersprüchlich [54]. Da ACE2-Rezeptoren und TMPRSS-2 unter dem Einfluss von Androgenen stehen, sind mögliche spezifische Effekte einer Infektion mit SARS-CoV-2 auf den männlichen Organismus und Genitaltrakt zu beachten [55] – [61].

Insgesamt konnten 21 Originalarbeiten identifiziert werden, die sich mit der Frage beschäftigen, inwieweit ein SARS-CoV-2-Nachweis im Ejakulat möglich ist bzw. eine SARS-CoV-2-Infektion zu einer Einschränkung der männlichen Fertilität führt [16], [17], [18], [62], [63], [64], [65], [66], [67], [68], [69], [70], [71], [72], [73] ([Tab. 2]). Zwei Originalarbeiten untersuchten Spermiogrammparameter vor und nach einer COVID-19-Impfung [74], [75].

Tab. 2 Zusammenfassung der aktuellen Studien zur SARS-CoV-2-Infektion und männlicher Fertilität.

Autor (Jahr)

COVID-19-Status1

Besonderheiten

Studienpopulation (n =, Patienten/Kontrollen)

Alter (Median)

SARS-CoV-2-RNA-Nachweis im Ejakulat

Spermien: Konzentration (Mio/ml)

Spermien: Motilität, WHO A + B (%)

Spermien: Morphologie (%)

1  Der Schweregrad der SARS-CoV-2-Infektion wurde anhand der COVID-19-Guideline (Xu et al. 2020 [13]) beschrieben. Mild: Die klinischen Symptome sind mild und es kann radiologisch keine Pneumonie festgestellt werden. Moderat: Patienten haben Fieber und respiratorische Symptome. Zudem kann radiologisch eine Pneumonie festgestellt werden. Schwer: Erwachsene Patienten zeigen eines der folgenden Symptome: Atemfrequenz von 30/min, Sauerstoffsättigung ≤ 93% in Ruhe oder einen arteriellen Sauerstoffpartialdruck ≤ 300 mmHg. Kinder zeigen eines der folgenden Symptome: Dyspnoe (außer Weinen), Sauerstoffsättigung ≤ 92% in Ruhe, Atemhilfe, Zyanose, Lethargie, Ohnmacht, Ablehnung von Nahrung oder Dehydratation. Kritisch: Eines der folgenden Symptome trifft zu: respiratorisches Versagen mit Notwendigkeit von mechanischen Atemhilfen, Schock oder Organversagen mit Notwendigkeit von Überwachung und ICU.

2  Als „normwertig“ wurden Spermiogrammparameter oberhalb der WHO-Referenzwerte bezeichnet: Spermienkonzentration ≥ 15 × 106/ml; Spermienmotilität: Prozentsatz der progressiv motilen Spermien ≥ 32%; Prozentsatz der morphologisch unauffälligen Spermien ≥ 4%. Werte darunter wurden mit „pathologisch“ betitelt (Nieschlag et al. 2021 [82], [84]).

3  Bei Studien mit Vergleichen der Spermiogrammwerte vor und nach einer SARS-CoV-2-Infektion wurden nicht signifikante Unterschiede (p > 0,05) mit „nicht signifikant verändert“ und signifikante Verschlechterungen (p < 0,05) mit „signifikant verschlechtert“ beschrieben.

Holtmann N (2020)

keine Infektion

14

33

negativ

normwertig2

normwertig

nicht untersucht

nicht nach Guidelines bestimmbar

genesen; 2 Patienten mit akuter Infektion

14

43

negativ

normwertig

normwertig

nicht untersucht

schwer

4

41

negativ

normwertig

pathologisch2

nicht untersucht

Paoli D (2020)

nicht getestet; keine Symptome

Patienten mit verschiedenen malignen neoplastischen Erkrankungen

10

31

negativ

normwertig

normwertig

normwertig

Gacci M (2020)

nicht nach Guidelines bestimmbar

genesen; nicht hospitalisiert

12

44

negativ

normwertig

normwertig

pathologisch

genesen; hospitalisiert (Normalstation)

26

52

negativ

normwertig

pathologisch

pathologisch

kritisch

genesen; hospitalisiert (Intensivstation)

5

59

eine Person positiv

pathologisch

pathologisch

pathologisch

Temiz MZ (2020)

moderat

Raucher

10

38

negativ

normwertig

normwertig

normwertig

10

37

Maleki BH (2021)

mild

Kortikosteroidtherapie, SG nach Infektion im Verlauf

1

35

nicht untersucht

pathologisch

pathologisch

pathologisch

moderat

23

schwer

27

kritisch

33

Pazir Y (2021)

mild

50% Nikotinabusus, SG vor und nach Infektion

24

35

nicht untersucht

nicht signifikant verändert

nicht signifikant verändert

nicht untersucht

Honggang L (2020)

nicht nach Guidelines bestimmbar

23

41

negativ

pathologisch

nicht untersucht

nicht untersucht

Guo TH (2021)

mild bis schwer

41

26

nicht untersucht

normwertig

normwertig

normwertig

Erbay G (2021)

nicht nach Guidelines bestimmbar

vor und nach COVID-19-Infektion

69

31

nicht untersucht

normwertig

normwertig

normwertig

Koç E (2021)

nicht angegeben

vor und nach COVID-19-Infektion

21

32

nicht untersucht

nicht signifikant verändert

signifikant verschlechtert

signifikant verschlechtert

Best JC (2021)

nicht angegeben

30

40

negativ

pathologisch

nicht untersucht

nicht untersucht

Pan F (2020)

nicht nach Guidelines bestimmbar

50% der Männer BMI > 25; 3 Personen hatten erhöhten Blutdruck

34

37

negativ

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht

Song C (2020)

nicht nach Guidelines bestimmbar

eine Person (Alter: 67) an SARS-CoV-2 verstorben

13

33

negativ

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht

Li D (2020)

nicht nach Guidelines bestimmbar

23 Personen genesen; 15 Personen mit akuter Infektion

38

k. A.

6 Personen positiv

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht

Paoli D (2020)

moderat

Dyslipidämie (Behandlung mit Simvastatin 20 mg/d seit 1 Jahr); androgenetische Alopezie (topisch behandelt mit Finasterid 1 mg/d); Rekonstruktion eines Kreuzbandes

1

31

negativ

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht

Huang C (2020)

nicht angegeben

qualifizierte Samenspender

100

k. A.

negativ

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht

Ruan Y (2021)

nicht nach Guidelines bestimmbar

positiv getestet durch RT-PCR und vollständig genesen

55

31

negativ

normwertig

normwertig

nicht untersucht

Burke CA (2021)

positiv getestet

niemand hospitalisiert

19

32

negativ

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht

Kayaaslan B (2020)

nicht nach Guidelines bestimmbar

alle hospitalisiert

16

34

negativ

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht

Ma L (2021)

nicht nach Guidelines bestimmbar

11 bereits genesen

12

32

negativ

normwertig

normwertig

normwertig

Pavone C (2020)

positiv getestet

niemand hospitalisiert

9

42

negativ

nicht untersucht

nicht untersucht

nicht untersucht


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SARS-CoV-2-Infektion

Zu Beginn der Pandemie stand die Frage einer möglichen sexuellen Übertragung des SARS-CoV-2 im Vordergrund. Die meisten der 21 Studien, welche sich dieser Fragestellung widmeten, konnten belegen, dass keine SARS-CoV-2-RNA im Ejakulat nachweisbar ist [16], [17], [18], [62], [63], [65], [69], [70], [71], [72], [73], [76], [77], [78], [79], [80], [81] ([Tab. 2]). Lediglich in 2 Studien zeige sich ein positiver Befund [16], [72]. In der Studie von Baldi et al. [13] war bei einem Patienten mit kritischer Symptomatik die RT-PCR-Analyse auf SARS-CoV-2 im Ejakulat positiv. Bei diesem Patienten wurde jedoch auch im Harn SARS-CoV-2 nachgewiesen, sodass von einer Verunreinigung des Ejakulats ausgegangen wird. Auch bei der Studie von Li et al. [57], in welcher 6 Patienten eine positive RT-PCR aufwiesen, können Verunreinigungen nicht ausgeschlossen werden, da der Zeitpunkt der letzten Miktion nicht dokumentiert wurde. Ebenso werden in dieser Studie methodische Fehler diskutiert. Daher wird international derzeit von keiner Infektiosität des Ejakulats von SARS-CoV-2 positiven Männern ausgegangen.

Die männliche Fertilität während bzw. nach einer SARS-CoV-2-Infektion wurde in den vorliegenden Studien anhand einzelner Spermiogramm-Parameter gemäß der 2010 publizierten 5. Auflage des „WHO Laborhandbuchs zur Untersuchung und Aufarbeitung des menschlichen Ejakulates“ bestimmt [82]. Aufgrund möglicher RNA-Genom-Interaktionen wurde in einigen Studien zusätzlich eine Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) zum Nachweis von SARS-CoV-2 im Ejakulat durchgeführt. Wenige Studien analysierten zusätzlich Zytokine und weitere Immunparameter im Ejakulat [18], [65].

In 13 der ausgewerteten Originalarbeiten wurde ein Spermiogramm bei den Patienten durchgeführt [16], [17], [18], [62], [63], [64], [65], [66], [67], [68], [69], [77], [80]. In 4/13 zeigten sich Auffälligkeiten bezüglich der Spermienkonzentration (Millionen/ml) [16], [18], [65], [69]. In 11/13 wurde bei der Auswertung des Spermiogramms die Motilität der Spermien untersucht, wobei in 4/11 Einschränkungen nachweisbar waren analysiert, wobei sich in 3 Studien eine erhöhte Rate an morphologisch auffälligen Spermien nachweisen ließen [16], [18], [68]. Von allen 13 analysierten Originalarbeiten wurden in 2 Studien die Spermiogramme von Patienten vor und nach einer Erkrankung mit COVID-19 verglichen. In einer dieser beiden Studien ließ sich nach der Erkrankung eine signifikante Verschlechterung der Motilität und Morphologie aufzeigen [64], [68].

Zusammengefasst muss berücksichtigt werden, dass die Gesamtzahl der bislang in Originalarbeiten aufgeführten Ejakulatanalysen bei mit SARS-CoV-2 infizierten Männern < 500 beträgt. In einem Drittel der Studien zeigten sich bei allen 3 relevanten Spermiogrammparametern teilweise deutliche Einschränkungen. Insbesondere eine schwere COVID-19-Erkrankung führte zu einer Verminderung der Konzentration und Beweglichkeit sowie einer Erhöhung der morphologischen Auffälligkeiten. Dennoch sind insbesondere bei den schwer an COVID-19 erkrankten Männern zusätzliche Effekte auf die Spermato- und Spermiogenese durch die erheblichen Einschränkungen des Allgemeinbefindens und die Notwendigkeit einer Hospitalisierung auf Intensivstation einschließlich der lebenserhaltenden Maßnahmen zu bedenken.


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Coronaimpfung

Die Datenlage bezüglich der Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Impfung auf die männliche Fertilität umfasst 2 Publikationen, in welchen der mRNA-Impfstoff BNT162b2 ausgewertet wurde. Safrai et al. untersuchten die Spermienqualität von n = 43 Männern (37,1 ± 6 Jahre) vor und nach erfolgter Impfung [74]. Das Ejakulat wurde vor und 33,6 ± 20,2 Tage nach der 1. Impfung untersucht. Die Spermienkonzentration war vor und nach der Impfung unbeeinträchtigt (43,6 ± 58 × 106/ml vs. 47 ± 54,8 × 106/ml; p = 0,7); auch die Motilität wies keine signifikanten Veränderungen auf (Prozentsatz an motilen Spermien × 106: 48,5 ± 83,4 vs. 61,7 ± 92,9; p = 0,4). Eine 2. Studie schloss insgesamt n = 45 Männer (28 ± 3 Jahre) jeweils vor und nach 2 Verabreichungen von BNT162b2 ein [75]. Das Ejakulat wurde vor und im Mittel 75 Tage (70 – 86 Tage) nach Erhalt der 2. Impfdosis überprüft. Die Spermienkonzentration war vor und nach der Impfung unbeeinträchtigt (jeweils Median mit Interquartilsabstand: 26 [19,5 – 34] × 106/ml vs. 30 [21,5 – 40,5] × 106/ml; p = 0,2). Die Motilität zeigte sich ebenfalls unbeeinträchtigt (jeweils Median mit Interquartilsabstand des Prozentsatzes an motilen Spermien × 106: 58 [52,5 – 65] vs. 65 [58 – 70]; p = 0,001). Beide Studien belegen, dass sich die Spermienqualität nach erfolgter Coronaimpfung nicht verschlechtert.

Eine weitere Studie von Carto et al. untersuchte den Zusammenhang zwischen den bisher zugelassenen COVID-19-Impfungen und dem Auftreten einer Orchitis und/oder Epididymitis innerhalb von 1 – 9 Monaten nach der Impfung. Insgesamt wurden n = 663 774 Männer mit mindestens einer Impfung n = 9 985 154 ohne Impfung gegenübergestellt. Dabei wiesen die Männer mit stattgefundener Impfung signifikant seltener eine Orchitis und/oder Epididymitis auf (OR = 0,568; 95%-KI: 0,497 – 0,649; p < 0,0001) [83].


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Bedeutung für männliche Patienten

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 beeinträchtigt bei einem Teil der Männer die Spermaqualität in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung. Die Impfung gegen SARS-CoV-2 führt zu keiner Verschlechterung der Spermaqualität. Sie ist den Männern daher auch unter andrologischen Aspekten zu empfehlen, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass auch andere testikuläre Funktionen wie die Leydig-Zell-Funktion durch eine SARS-CoV-2-Infektion beeinträchtigt werden können.


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Fazit

Im Tiermodell zeigten die Impfungen mit BNT162b2 bzw. AZD1222 im Vergleich zu Placebo keine Veränderung der Fertilität bzw. keine negativen Auswirkungen auf bestehende Schwangerschaften [38]. Ebenso konnte der Nachweis von Antikörpern gegen das SARS-CoV-2-Spikeprotein bei den Neugeborenen im Tiermodell erreicht werden [37]. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Vergleich zur humanen Seite wesentlich höhere Dosen der Impfstoffe eingesetzt wurden, bemerkenswert.

Bisher konnte weder ein Nachweis von SARS-CoV-2-RNA in Oozyten noch in der Follikelflüssigkeit von Frauen mit einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion erbracht werden [19], [40]. Ebenso zeigte sich bei Frauen nach einer überstandenen Infektion keine Veränderung der Ovarialreserve, bzw. konkret konnte keine Änderung der AMH-Konzentration nachgewiesen werden [32], [43]. Ebenso führte auch eine Coronaimpfung mit den mRNA-Impfstoffen zu einem unveränderten Ansprechen der Ovarien bzw. einer guten Erfolgsrate im Falle einer ART [42], [45].

Zahlreiche Studien konnten keine SARS-CoV-2-RNA im Ejakulat infizierter Männer nachweisen [16], [17], [62], [63], [65], [69], [70], [71], [73], [76], [78], [79], [80], [81]. Bezüglich der beiden Studien mit positivem Virus-RNA-Nachweis im Ejakulat werden international methodische Fehler diskutiert [16], [72]. Demgegenüber konnte im Vergleich der Spermiogrammparameter vor und nach einer Coronaimpfung kein negativer Einfluss auf die männliche Fertilität durch eine Coronaimpfung nachgewiesen werden [74], [75], [83]. Die männliche Fertilität wird hingegen im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion, insbesondere bei einem schweren Verlauf, zumindest vorübergehend geschädigt, sodass in mehr als einem Drittel der Studien Einschränkungen in allen 3 relevanten Spermiogrammparametern dargestellt wurden.

Die immer wiederkehrende Frage, ob eine COVID-Impfung unfruchtbar macht, kann nach der aktuellen Datenlage mit einem klaren „Nein!“ beantwortet werden. Bei vielen jungen Menschen mit noch bestehenden bzw. zukünftigen Kinderwunsch hat sich leider der Irrglaube an eine aus der Impfung resultierende Unfruchtbarkeit in das Gedächtnis eingebrannt. Um ein Umdenken zu bewirken, ist einerseits die Vermittlung von faktenbasiertem Wissen von großer Bedeutung, andererseits muss auf die Ängste und Sorgen der Zielgruppe im Detail eingegangen werden. Hierfür würden sich zum Beispiel Social-Media-Kanäle mit großer Reichweite, die speziell bei unter 30-jährigen intensiv genutzt werden, eignen.


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Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Katharina Feil
Medizinische Universität Innsbruck
Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie u. Reproduktionsmedizin
Anichstr. 35
6020 Innsbruck
Austria   

Publication History

Received: 20 November 2021

Accepted after revision: 25 January 2022

Article published online:
06 May 2022

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Study design and timing of administration of the vaccine (BNT162b2). Day 0 = start of gestation period, Day 21 = C-section or delivery [37].
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Fig. 2 Course of the study [37].
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Abb. 1 Studienaufbau und zeitliche Impfstoffadministration (BNT162b2). Tag 0 = Beginn der Gestationsperiode, Tag 21 = Sectio oder Geburt [37].
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Abb. 2 Studienablauf [37].