Schlüsselwörter
Asthmatherapie - COPD-Therapie - pMDI - DPI - CO
2-Fußabdruck
Keywords
Asthma therapy - COPD therapy - CO
2-footprint - pMDI - DPI
Einleitung
Für Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen besteht die Möglichkeit einer direkten medikamentösen Behandlung am Ort des pathogenetischen Geschehens durch die Anwendung von Inhalatoren. Die inhalative Wirkstoffapplikation bei obstruktiven Atemwegserkrankungen kann sowohl mit Dosieraerosolen (pressurized Metered Dose Inhalers, pMDI) als auch mit Pulverinhalatoren (Dry Powder Inhalers, DPI) erfolgen.
Mit dem Montreal-Protokoll von 1987 wurde die Ablösung von die Ozonschicht zerstörenden
Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) durch weniger schädliche Chemikalien beschlossen und in
der Folge umgesetzt. Die seither u.a. als Treibgase in pMDI eingesetzten Hydrofluoralkane
(HFA) werden für ihre gute Lungendeposition geschätzt, tragen jedoch als Treibhausgase zum
Klimawandel bei. So hat Apafluran (Heptafluorpropan, HFA-227ea) im Vergleich zu CO2
ein Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP) von 3.220 über 100 Jahre, während das
GWP für Norfluran (Tetrafluorethan, HFA-134a) 1.430 beträgt [1]. Dabei ist CO2e eine Maßzahl für
die Menge an unterschiedlichsten Treibhausgasen, die durch ihr GWP, d.h. die mittlere
Erwärmungswirkung der Erdatmosphäre über einen definierten Zeitraum auf die Menge an
Kohlendioxid skaliert wird, die eine ähnliche Treibhausgaswirkung hätte [2]. Insgesamt waren HFA,
die neben medizinischen Anwendungen vor allem als Kühlmittel zum Einsatz kommen, für 1,7% der
Treibhausgasemissionen in Deutschland im Jahr 2020 verantwortlich [3]. Gemäß Kigali-Nachtrag zum
Montreal-Protokoll von 2016 soll der Einsatz von HFA in Industriestaaten bis 2024 um 40% und
bis 2036 um 85% im Vergleich zu 2011 bis 2013 reduziert werden. Einsparungen auch im
medizinischen Bereich sind essentiell, um diese Ziele zu erreichen. Bei Inhalativa wirkt die
Anwendung von DPI deutlich weniger klimaschädlich, denn der CO2-Fußabdruck von pMDI
liegt wegen der verwendeten Treibgase um den Faktor 10–37 höher als bei DPI [4]. Im internationalen
Vergleich bestehen große Unterschiede in der Verwendung von pMDI bzw. DPI. So wurden in
England im Jahr 2017 30% DPI eingesetzt, während in Schweden 87% der verwendeten Applikatoren
DPI waren [5]. Im
Sommer 2020 fiel aus ökologischen Gründen, angeregt durch diese Berechnungen in der pGP der
Autoren die Entscheidung zum verstärkten Einsatz von DPI anstelle von pMDI.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Umsetzbarkeit und die Relevanz dieser Umstellung hinsichtlich der Verringerung des CO2-Fußabdrucks in einer pneumologischen Praxis zu untersuchen und eine Kostenabschätzung zu treffen.
Material und Methoden
Datengrundlage
Basis der Verordnungsanalyse waren die bundesweiten krankenkassenübergreifenden
Arzneiverordnungsdaten gemäß § 300 Abs. 2 SGB V, welche alle von den gesetzlich
Krankenversicherten in Apotheken eingelösten Arzneimittelrezepte umfassen. Berücksichtigt
wurden Verordnungen, die vom 01.01.2020 bis 31.03.2020 (I/2020) bzw. 01.01.2021 bis
31.03.2021 (I/2021) von Pneumologen (Zuordnung anhand der 8./9. Stelle der Lebenslangen
Arztnummer) ausgestellt wurden. Anhand der Pharmazentralnummer (PZN) wurden den
Arzneimitteln Wirkstoff (entsprechend der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen
Klassifikation, ATC), Darreichungsform (entsprechend der Klassifikation nach dem
Wissenschaftlichen Institut der AOK), Anzahl an Inhalatoren sowie definierte
durchschnittliche Tagesdosen (DDD) zugeordnet. In der vorliegenden Verordnungsanalyse wurden
„Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen“ (ATC-Code R03) der Darreichungsformen DOS
(Dosieraerosol) bzw. HKP (Hartkapsel), HPI (Hartkapsel mit Pulver zur Inhalation), IHP
(Inhalationspulver), IKA (Inhalationskapsel) und PUL (Pulver) berücksichtigt und den pMDI
bzw. DPI zugeordnet. Die Verordnung von Medikamenten im Respimat (Soft Mist Haler) wurde
wegen der speziellen treibgasfreien Inhalationsform nicht berücksichtigt. Die Zuordnung zu
Wirkstoffklassen erfolgte anhand [Tab. 1].
Tab. 1 Zuordnung der Wirkstoffklasse der Inhalativa anhand des ATC.
ATC-Code
|
Wirkstoffklasse
|
Abkürzung
|
R03AC
|
Beta2-Adrenorezeptoragonisten
|
BA
|
R03AC02–04
|
kurzwirksame Beta2-Adrenorezeptoragonisten
|
SABA
|
R03AK06–14
|
Kortikosteroide in Kombination mit Sympathomimetika
|
ICS+LABA
|
R03AL01–07
|
Sympathomimetika in Kombination mit Anticholinergika
|
BA+MA
|
R03AL08–12
|
Kortikosteroide in Kombination mit Sympathomimetika und Anticholinergika
|
ICS+LABA+LAMA
|
R03BA
|
Kortikosteroide
|
ICS
|
R03BB
|
Anticholinergika
|
MA
|
Die Verordnungen von zwei Pneumologen einer pGP wurden mit den Ordinationen der sächsischen und aller Lungenärzte in Deutschland verglichen.
CO2-Fußabdruck
Zur Abschätzung des CO2-Fußabdrucks der Inhalatoren wurden pro DPI 1 kg CO2e sowie pro pMDI 10–25 kg CO2e (Inhalatoren mit Norfluran) bzw. 37 kg CO2e (Inhalatoren mit Apafluran) angesetzt [4]. Der Effekt verschiedener Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks wurde anhand [5] und [6] berechnet.
Kostenabschätzung
Die DDD-Kosten wurden auf Basis der von den Apothekenrechenzentren gemeldeten Bruttoverordnungskosten berechnet. Rabatte und Zuzahlungen von Patienten wurden nicht berücksichtigt.
Ergebnisse
Zur Abschätzung des Potentials einer Therapieumstellung von pMDI auf DPI hinsichtlich der
Verringerung des CO2-Fußabdrucks wurden zunächst ausgewählte Patienten einer
pneumologischen Facharztpraxis betrachtet. In [Tab. 2] sind Therapieregime unterschiedlicher Intensität dargestellt.
Patient X erhielt zur Therapie eines kontrollierten allergischen Asthmas zunächst eine
pMDI-basierte ICS-Monotherapie mit SABA-Bedarfsmedikation. Bei Umstellung der ICS-Behandlung
auf DPI oder ICS/LABA-Kombination als DPI können 114 bzw. 117 kg CO2e pro Jahr
eingespart werden ([Abb. 1]
a). Die
Behandlung des teilkontrollierten allergischen Asthmas von Patient Y mit Enerzair plus
SABA-Bedarfsmedikation als DPI statt Flutiform 250 µg/10 µg zusammen mit Spiriva Respimat und
SABA als pMDI führt aufgrund des besonders hohen GWP des in Flutiform enthaltenen Treibgases
Apafluran zur Reduktion der CO2-Belastung um 474 kg CO2e. Durch die
Anwendung von Trimbow Nexthaler zusammen mit Berodual Respimat vermindern sich gegenüber dem
Gebrauch von Trimbow Dosieraerosol zusammen mit Berodual als pMDI die emittierten
CO2e um 266 kg pro Jahr bei Patient Z. Der Effekt der Umstellung auf die
Tagestherapiekosten ist in [Abb. 1]
b
dargestellt. Während sich die Tagestherapiekosten bei den exemplarisch dargestellten
Asthmapatienten um 14–29% verringerten, war durch die Intensivierung der COPD-Therapie bei
Patient Z unabhängig vom Inhalationssystem ein Anstieg der Tagestherapiekosten zu
verzeichnen.
Tab. 2 Medikation beispielhafter Asthma- und COPD-Patienten.
Therapieregime
|
Präparat
|
Dosierung
|
Inhalationssystem
|
Wirkstoffklasse
|
Inhalatoren/Jahr
|
Pat X – kontrolliertes allergisches Asthma
|
1
|
Junik 100 µg Autohaler
|
2×1 Hub
|
pMDI (Norfluran)
|
ICS
|
4
|
Salbutamol-ratiopharm N
|
bei Bedarf
|
pMDI (Norfluran)
|
SABA
|
2
|
2
|
Budenosid Easyhaler 0,2 mg
|
2×1 Hub
|
DPI
|
ICS
|
4
|
Salbu Easyhaler 0,2 mg
|
bei Bedarf
|
DPI
|
SABA
|
2
|
3
|
Symbicort Turbohaler 160/4,5 µg
|
bei Bedarf
|
DPI
|
ICS+LABA
|
3 (á 60 Hub)
|
Pat Y – teilkontrolliertes allergisches Asthma
|
1
|
Flutiform 250 µg/10 µg
|
2×2 Hub
|
pMDI (Apafluran)
|
ICS+LABA
|
12
|
Spiriva Respimat
|
1×2 Hub
|
Respimat
|
LAMA
|
12
|
Berotec N
|
bei Bedarf
|
pMDI (Norfluran)
|
SABA
|
2
|
2
|
DuoResp 320 µg/9 µg Spiromax
|
2×1 Hub
|
DPI
|
ICS+LABA
|
12
|
Spiriva Respimat
|
1×2 Hub
|
Respimat
|
LAMA
|
12
|
Salbu Easyhaler 0,2 mg
|
bei Bedarf
|
DPI
|
SABA
|
2
|
3
|
Enerzair Breezhaler
|
1×1 Hub
|
DPI
|
ICS+LABA+ LAMA
|
12
|
Ventilastin Novolizer
|
bei Bedarf
|
DPI
|
SABA
|
2
|
Pat Z – COPD GOLD 3B mit Eosinophilie
|
1
|
Anoro Ellipta
|
1×1 Hub
|
DPI
|
LABA+ LAMA
|
12
|
Junik 100 µg Autohaler
|
2×1 Hub
|
pMDI (Norfluran)
|
ICS
|
4
|
Bronchospray Autohaler
|
bei Bedarf
|
pMDI (Norfluran)
|
SABA
|
2
|
2
|
Trimbow 87 µg/5 µg/9 µg
|
2×2 Hub
|
pMDI (Norfluran)
|
ICS+LABA+ LAMA
|
12
|
Berodual N
|
bei Bedarf
|
pMDI (Norfluran)
|
SABA+ SAMA
|
2
|
3
|
Trimbow 88/5/9 µg Nexthaler
|
2×2 Hub
|
DPI
|
ICS+LABA+ LAMA
|
12
|
Berodual Respimat
|
bei Bedarf
|
Respimat
|
SABA+ SAMA
|
3
|
Abb. 1
a CO2-Fußabdruck und b Tagestherapiekosten verschiedener Therapieregime beispielhafter Asthma- und COPD-Patienten sowie Vergleich mit anderen Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks. Pat X: 62 Jahre, kontrolliertes allergisches Asthma; Pat Y: 65 Jahre, teilkontrolliertes allergisches Asthma; Pat Z: 64 Jahre, COPD GOLD 3B mit Eosinophilie. Details zur Medikation sind in [Tab. 2] aufgeführt.
Die pneumologische Facharztpraxis Dres. Bickhardt/Bader, Dresden versorgte im ersten Quartal
2020 und 2021 über 2.600 Patienten (I/2020: 2.610 und I/2021: 2.693), wobei der Anteil
obstruktiver Atemwegserkrankungen bei 77,7% (I/2020) bzw. 74,9% (I/2021) lag. Die Verordnungen
für diese Patienten beliefen sich auf 184.297 bzw. 164.165 DDD pMDI und DPI pro
Quartal.
Das Ausmaß der Umstellungen von pMDI auf DPI wurde für das erste Quartal 2021 im Vergleich zum
ersten Quartal 2020 ermittelt. Im Vergleichszeitraum 2020 betrug der Anteil der DPI (gemessen
in DDD) 49,1% und lag damit sowohl unter dem sachsen- als auch bundesweiten Durchschnitt der
Pneumologen von 59,6 bzw. 57,0%. Der Anteil konnte im Interventionszeitraum 2021 auf 77,8% der
verordneten DDD gesteigert werden und übertraf die annähernd konstant gebliebenen Werte für
Sachsen und die Bundesrepublik von 60,2 bzw. 56,2% deutlich ([Abb. 2]
a). Noch klarer wird dieser Effekt bei
ausschließlicher Betrachtung der am häufigsten verordneten Wirkstoffklassen, der
Beta2-Adrenorezeptoragonisten (BA), und ICS sowie der Kombinationen dieser Wirkstoffe ([Tab. 3]). Während hier die sachsen- und
bundesweiten Werte ebenfalls konstant blieben, konnte der Anteil der DPI in der pGP von 40,6
auf 75,6% gesteigert und damit fast verdoppelt werden ([Abb. 2]
b).
Abb. 2 Anteil der von Pneumologen verordneten DPI innerhalb aller Inhalatoren (DPI und pMDI),
gemessen in DDD im jeweils 1. Quartal 2020 (rot) und 2021 (grün). (a) alle Wirkstoffe, (b) nur BA, ICS, ICS+BA.
Tab. 3 Anzahl der in der pGP verordneten Inhalatoren und Anteil der DPI nach Wirkstoffklassen.
|
ICS+LABA
|
ICS
|
BA
|
davon SABA
|
BA+MA
|
MA
|
ICS+LABA+LAMA
|
Anzahl Inhalatoren
|
I/2020
|
2.042
|
1.204
|
1.007
|
937
|
928
|
229
|
77
|
I/2021
|
1.658
|
962
|
759
|
682
|
857
|
166
|
355
|
Anteil DPI
|
I/2020
|
77,2%
|
19,8%
|
8,0%
|
1,4%
|
85,3%
|
99,6%
|
10,4%
|
I/2021
|
88,0%
|
74,1%
|
52,3%
|
47,1%
|
90,2%
|
100,0%
|
63,7%
|
Zur Berechnung der CO2-Einsparungen wurden im Folgenden statt der verordneten DDD
die Anzahl der Inhalatoren betrachtet. Auch hier wurde der Anteil der DPI von 53,3 auf 78,5%
und bei ausschließlicher Betrachtung der am häufigsten verordneten Wirkstoffklassen von 44,6
auf 76,0% gesteigert. Die Differenzen zur Analyse der DDD ergaben sich dadurch, dass es bei
DPI bei einigen Präparaten Packungen mit gleicher Zahl an Inhalatoren aber unterschiedlicher
Packungsgröße und damit DDD gab. Dennoch war der Effekt der Intervention sowohl bei
Betrachtung der verordneten DDD als auch der Anzahl der Inhalatoren vergleichbar groß.
Im Vergleichszeitraum 2020 wurden insgesamt 2.564 pMDI, davon 325 mit Apafluran, sowie 2.923
DPI verordnet. Das entsprach 37.000–71.000 kg CO2e. Im Interventionszeitraum 2021
betrug die Anzahl verordneter pMDI 1.023, davon 115 mit Apafluran. Die Anzahl verordneter DPI
lag bei 3.734. Damit fielen 17.000–30.000 kg CO2e an. Die absolute Einsparung von
CO2e betrug demnach 20.000–40.000 kg innerhalb eines Quartals. Unter
Berücksichtigung der um ca. 15% geringeren Gesamtzahl verordneter Inhalatoren im
Interventionszeitraum war der Effekt auf den CO2-Fußabruck pro Verordnung
entsprechend geringer und betrug dann 17.500–35.000 kg CO2e.
Die ambulant tätigen Pneumologen verordneten bundesweit in I/2021 79,6 Millionen DDD
Inhalativa. Bei Ordination von etwa 75% als DPI wäre eine Einsparung von 11.650 Tonnen
CO2e pro Quartal, respektive etwa 46.600 Tonnen CO2e pro Jahr
möglich.
Zum genaueren Verständnis der Umstellungen von pMDI auf DPI wurden die einzelnen
Wirkstoffklassen detailliert betrachtet. Im Vergleichszeitraum 2020 wurden bei
Anticholinergika sowie Kombinationen aus BA und Anticholinergika bzw. aus ICS und LABA bereits
hauptsächlich DPI verordnet. Im Unterschied dazu war der Anteil der DPI bei Verordnungen von
ICS und BA als Monotherapie sowie den mengenmäßig eine untergeordnete Rolle spielenden
Dreifachkombinationen niedrig ([Tab. 3]). Im Interventionszeitraum 2021 konnte der Anteil der DPI in allen
Wirkstoffklassen zum Teil sehr deutlich gesteigert werden und lag zwischen 52,3 und 100%
([Abb. 3]). Innerhalb der
Kombinationen aus ICS und LABA konnte die Steigerung des Anteils der DPI v.a. durch den
Verzicht auf ein Fluticason-Formoterol-Kombinationspräparat als pMDI (325 versus 115
Inhalatoren im Vergleichs- und Interventionszeitraum) erzielt werden. Dies war besonders
bedeutsam, da einzig dieses Präparat in den untersuchten Wirkstoffklassen das deutlich
klimaschädlichere Apafluran als Treibmittel enthält. Bei ICS-Monotherapie erfolgte eine
Umstellung von beclometasonhaltigen pMDI als Autohaler auf meist budenosidhaltige DPI. In der
pGP wurden im Bereich der ICS im Beobachtungszeitraum die pMDI-Verordnungen von 965 auf 249
(–74%) reduziert und die Ordination von DPI von 239 auf 713 (+66%) erhöht. Bei den SABA wurden
die DPI-Verordnungen von 1,4 auf 47% erhöht.
Abb. 3 Anteil der in der pGP verordneten DPI innerhalb aller Inhalatoren (DPI und pMDI) nach
Wirkstoffklassen, gemessen in Anzahl im jeweils 1. Quartal 2020 (rot) und 2021
(grün).
Schließlich wurde der Effekt der bevorzugten Verwendung von DPI auf die Therapiekosten betrachtet. Im Vergleichszeitraum 2020 lagen die Kosten für Inhalativa sowohl in der pGP als auch in Sachsen mit 1,28 bzw. 1,27 €/DDD unter dem Bundesdurchschnitt der Pneumologen von 1,33 €/DDD. Im Interventionszeitraum 2021 stiegen die Kosten in Sachsen sowie in der Bundesrepublik auf 1,32 bzw. 1,38 €/DDD, obwohl der Anteil der DPI unverändert blieb. In der pGP war ein stärkerer Anstieg der DDD-Kosten auf 1,38 €/DDD und damit auf den bundesweiten Durchschnitt zu verzeichnen. Betrachtet man jedoch ausschließlich die am häufigsten verordneten Wirkstoffklassen, bei denen in der pGP auch der größte Zuwachs an DPI zu verzeichnen war, so sanken die DDD-Kosten 2021 sogar leicht von 1,10 auf 1,08 €/DDD und lagen sowohl unter dem bundes- als auch sachsenweiten Durchschnitt von 1,16 bzw. 1,13 €/DDD. Damit ist die Umstellung von pMDI auf klimafreundlichere DPI nicht per se mit einer Kostensteigerung verbunden und daher ökologisch von Vorteil ohne negative ökonomische Auswirkungen.
Diskussion
Seit mehreren Jahren und aktuell sind die Wechselwirkung zwischen Klimaveränderungen und der
Gesundheitssituation auf Bevölkerungsebene und in nahezu allen Fachbereichen der Medizin
beschrieben [7]
[8]
[9]. Im Klimaschutzabkommen
von Paris haben sich 191 Staaten verpflichtet, die Erderwärmung durch Reduzierung der
Treibhausgasemissionen (gegenüber 1990 um 40% bis 2030 und um 80–95% bis 2050) auf deutlich
unter 2 °C , möglichst 1,5 °C zu senken [10]. Eine Anfang 2021 in Lancet Planetary
Health veröffentlichte Studie hat aufgezeigt, dass in Deutschland bis zum Jahr 2040 etwa
150.000 Menschenleben pro Jahr gerettet würden, wenn dieses Ziel eingehalten wird [11].
Inzwischen sind auch auf Deutschland bezogene spezifische Empfehlungen erschienen, die den im
deutschen Gesundheitssystem entstehenden CO2-Emissionen von etwa 70 Millionen
Tonnen CO2e, entsprechend 5,2% der gesamten nationalen Emissionen, Rechnung tragen
[8]
[12]. In aktuellen Studien
wird auf den Beitrag der in der Pneumologie verordneten treibgashaltigen Inhalatoren am
CO2-Fußabdruck verwiesen. Innerhalb von 12 Monaten bis Juni 2019 wurden weltweit
480 Millionen Packungen an pMDI verkauft, das entspricht etwa 2.400 Inhalationshüben pro
Sekunde [13]. Der
Effekt von DPI auf den CO2-Fußabdruck ist etwa 10- bis 40-fach geringer.
Nach Janson et al. wird in England 70% der inhalativen Therapie als pMDI verordnet, während in
Schweden der Anteil der pMDI nur bei 17% liegt. Hochgerechnet könnte eine Änderung der
Behandlungsstrategie in England entsprechend dem Verordnungsmuster von Schweden 550.000 Tonnen
CO2e pro Jahr sparen [5]. Eine solche Therapieänderung erscheint sicher und kostenneutral. In
einer englischen Studie wurde bei 1.958 Asthmapatienten die Umstellung der inhalativen
Behandlung auf Easyhaler als DPI mit der Beibehaltung der vorherigen Therapie verglichen. Die
Umstellung erfolgte bei 62,3% von pMDI und bei 18,6% von pMDI als atemzuggesteuerten DA. Ein
Unterschied hinsichtlich Parametern der Asthmakontrolle und der Exazerbationsrate war nicht
festzustellen. Eine Kostensteigerung ist nicht eingetreten [14]. In offenen, nicht randomisierten Studien
ergab sich die klinische Nichtunterlegenheit der Anwendung von DPI bei Wechsel von
verschiedenen Inhalatoren sowohl bei der Kombination von Budesonid/Formoterol als auch
Salmeterol/Fluticason [15]
[16]. Umgekehrt zeigte sich allerdings auch die Umstellung der Behandlung
von DPI auf pMDI bei kombinierter ICS/LABA-Therapie als klinisch effektiv [17], sodass die in
solchen Untersuchungen nachgewiesene höhere Adhärenz durch intensivierte Patienteninstruktion
und durch Übung der korrekten Nutzung des Inhalationsgerätes für den Effekt ausschlaggebend
sein dürfte [18]. Auch
wenn von verschiedenen Autoren für sehr junge Patienten sowie für ältere Menschen oder auch
Patienten mit sehr schlechter Lungenfunktion die Notwendigkeit der Verfügbarkeit von pMDI
gesehen wird, so sind doch DPI auf dem Markt, bei denen bei einem Atemfluss von etwa 30 l/min
noch eine effektive Dosisabgabe möglich ist [19].
Ausgehend von diesen Arbeiten erschien eine Umstellung der inhalativen Therapie hin zu einem höheren Anteil an DPI für die Patienten unserer pGP mit vergleichbarem klinischen Outcome bei erheblicher Reduktion des GWP möglich. Die Analyse von Therapiestrategien bei konkreten Patienten ergab ein erhebliches Einsparpotential von 115–480 kg CO2e pro Patient und Jahr. Im Vergleich zu anderen Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen ist die Umstellung der Inhalatoren relevant ([Abb. 1]
a). Die in den Leitlinien zur Behandlung von Patienten mit Asthma und COPD empfohlenen Wirkstoffe stehen sämtlich als DPI, meist in verschiedenen Geräten zur Verfügung [20]
[21]. Die Möglichkeiten zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks sind bei inhalativen Kortikoiden (als Mono- oder Kombinationspräparate) und bei kurzwirksamen Bronchodilatatoren am höchsten. Neben der Anwendung von SABA als DPI ist nach den aktuellen Empfehlungen bei Asthmapatienten die bedarfsweise Inhalation eines Kombinationspräparates aus ICS und Formoterol zu propagieren. Dies ist therapeutisch und sowohl bezüglich der Treibhausgasreduktion als auch hinsichtlich der Kosten sinnvoll ([Abb. 1], Patient X) [20]. Bei ICS/LABA-Kombinationstherapie sollte auf die bezüglich des GWP besonders ungünstige Ordination von apafluranhaltigen pMDI verzichtet werden. Die einmal tägliche Anwendung eines DPI mit ICS, LABA und Anticholinergikum ist hinsichtlich CO2e und der Kosten für Patienten der Therapiestufe vier am günstigsten ([Abb. 1], Patient Y). Die bei COPD-Patienten angewendeten LABA/LAMA-Kombinationspräparate sind überwiegend als DPI auf dem Markt. Wenn neben der bronchodilatativen Behandlung bei COPD ICS indiziert sind, kann durch die Wahl einer Tripletherapie als DPI eine deutliche Reduktion der CO2-Belastung gegenüber der Verwendung von Dosieraerosolen erreicht werden ([Abb. 1], Patient Z).
Da der Anteil der in der pGP verordneten DPI sowohl im Vergleich zum Anteil in Sachsen als
auch deutschlandweit und insbesondere in Schweden niedrig war, erfolgte ab Sommer 2020
fortlaufend die Intervention in der pGP, die hier im Vergleich zweier Quartale gemessen wurde.
Die Umstellung der inhalativen Therapie in unserer Erhebung erfolgte im
Routinesprechstundenablauf und beachtete neben den dargestellten ökologischen auch
pharmakologische Gesichtspunkte. Ausgangslungenfunktion, Anwenderfreundlichkeit, Vorhandensein
eines Dosiszählers, persönliche Präferenz des Patienten und Rabattverträge waren weitere
Kriterien, die in die Therapieentscheidung einbezogen wurden. Das Vorgehen wurde mit den
Patienten offen besprochen, inklusive der ökologischen Aspekte. Die ausgewählten DPI wurden
demonstriert und die Anwendung geübt. Wenn Patienten einen frühen kräftigen Atemstrom nicht
aufbringen konnten, wurde die Verordnung der pMDI beibehalten oder ein äquivalentes Präparat
im Respimat verordnet. Die initial insbesondere bei ICS-Monotherapie bestehenden niedrigen
Verordnungsraten an DPI gehen auf pMDI mit Autohalertechnik zurück, die daher und wegen der
feinen Teilchen eine hohe periphere Deposition aufweisen [22]. Patienten, die im 1. Quartal 2021 zur
Ausstellung eines Wiederholungsrezepts gekommen sind, konnten aus Zeitgründen nicht immer auf
DPI umgestellt werden. Dies betrifft v.a. die Verordnung von SABA.
Im 1. Quartal 2021 war ein Rückgang der absoluten Verordnungen in unserer pGP zu verzeichnen. Ursächlich sind hier fallzahlrelevante telefonische Beratungen zur COVID-19-Erkrankung ohne Ausstellung eines Rezeptes, aber auch der häufigere Einsatz von bedarfsweiser Fixkombinationen nach der Arbeit von O’Byrne et al. sowie den Empfehlungen der GINA und der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma bei der Behandlung von Asthmapatienten in der Stufe I und II [20]
[23]
[24]. Weiterhin wirkte sich die Zusammenführung von Kombinationsbehandlungen mit ICS/LABA und Anticholinergika in die nunmehr verfügbare Therapie mit Einzelinhalator aus.
Insgesamt ist bereits bei Betrachtung der Verordnungen nur eines Quartals eine erhebliche Reduktion der CO2e gelungen. Unter der Annahme, dass im Flugverkehr 10,5 kg CO2e pro 100 Personenkilometer verbraucht werden [25], entsprechen die in der pGP erzielten jährlichen Einsparungen etwa 100–220 Flügen von Frankfurt/Main nach New York. Die bundesweit möglichen Einsparungen der ambulant tätigen Pneumologen von 46.600 Tonnen CO2e pro Jahr würden demnach etwa 200 mit 364 Personen vollbesetzten Jumbo-Jet-Flügen von Frankfurt/Main nach New York entsprechen.
Wilkinson et al. untersuchen die Verordnungen von Inhalativa in England im Jahr 2017 und
stellen fest, dass der Wechsel von pMDI zu DPI nicht nur ökologisch nachhaltiger, sondern auch
ökonomisch sinnvoll ist. Die Autoren empfehlen für diejenigen Patienten, bei denen die
Notwendigkeit eines pMDI besteht, die Verwendung von Inhalatoren mit HFA-134a statt HFA-227ea,
das einen deutlich stärkeren Treibhauseffekt hat [4]. In Italien wird an weniger
klimaschädlichen Treibgasen für medizinische Inhalatoren (z.B. HFA-152a) gearbeitet, die ab
2025 eingesetzt werden sollen und bezüglich des CO2-Fußabdrucks in der gleichen
Größenordnung wie DPI liegen [26]. Allerdings sind für dieses Treibgas strenge, bisher nicht vollständig
realisierte Sicherheitsanforderungen u.a. bezüglich der Entflammbarkeit zu erfüllen [13].
Bezüglich der Kostenentwicklung der inhalativen Therapie ist zu berücksichtigen, dass durch die deutliche Reduktion von Treibgasen im nichtmedizinischen Bereich eine etwa 5-fache Preissteigerung der pMDI in den kommenden Jahren zu erwarten ist. Nach aktuellen Erhebungen sind derzeit bei Umstellung der Inhalativa auf DPI in Deutschland bei den SABA Kostensteigerungen und bei den ICS Kostensenkungen zu erwarten [13]. In der eigenen Erhebung sind die Kosten der inhalativen Therapie geringfügig angestiegen und haben im 1. Quartal 2021 den Bundesdurchschnitt der Pneumologen erreicht. Dabei lag in der pGP der Anteil der verordneten DPI deutlich höher als bundesweit. Insofern ist davon auszugehen, dass durch die Anhebung des Anteils der DPI zulasten der pMDI letztlich keine relevante Kostensteigerung eintritt.
Bei allen Überlegungen zur Treibhauswirkung von inhalativen Behandlungen bei Patienten mit
Asthma oder COPD muss die Stabilität des klinischen Verlaufs im Vordergrund stehen. Dies ist
nicht nur medizinisch geboten, sondern auch bzgl. der Kosten und des
CO2-Fußabdrucks erforderlich. Es wird davon ausgegangen, dass eine stationär
behandlungspflichtige Exazerbation (mit einer Verweildauer von 3,3 Tagen) inklusive
notärztlicher Einweisung, selbständiger Heimfahrt und einem zusätzlichen Termin poststationär
beim Hausarzt einen größeren CO2-Fußabdruck hinterlässt als ein halbes Jahr
täglicher pMDI-Anwendung eines typischen HFA-134a-pMDI [27]. So betonen auch Keeley et al., dass
Asthmapatienten im kontrollierten Status und COPD-Patienten ohne Exazerbationen durch den
reduzierten Gebrauch an Akutspray nicht nur klinisch, sondern auch ökologisch und ökonomisch
am besten gestellt sind. Intensive Unterweisung im Gebrauch der Inhalatoren und
Patientenschulung zu besserem Krankheitsverständnis tragen zusätzlich wesentlich zur
Stabilität der Patienten bei [28]. Bei Wechsel des Inhalationssystems besteht zur Erzielung einer guten
Adhärenz vor allem bei Patienten unter 50 Jahren, Berufstätigen und Patienten, die generell zu
ihrer Erkrankung und der Wirkungsweise der Medikamente subjektiv zu wenig informiert sind, ein
hoher Gesprächsbedarf [29]. Es ist zu empfehlen, mittels aut idem-Kennzeichnung die Abgabe
desjenigen Inhalators durchzusetzen, auf den der Patient geschult ist, mit dem nach
Lungenfunktion und Handhabung die beste Deposition zu erreichen ist, der eine gute Adhärenz
erwarten lässt und der die geringste Treibhausgaswirkung entfaltet [30].
Die gesetzlichen Krankenkassen werden aufgefordert, ihre Rabattverträge bezüglich der Umweltverträglichkeit der inhalativen Therapie zu überprüfen, da so eine weitere Verbesserung der Kosten inhalativer Medikamente und Reduktion des Treibhausgasanteils der Inhalativa möglich ist.
Schlussfolgerung
Die Umstellung der inhalativen Behandlung von Patienten mit Asthma bronchiale und COPD von pMDI auf DPI ist leitliniengerecht im Praxisalltag umsetzbar und ohne Kostensteigerung in Relation zum Bundesdurchschnitt realisierbar. Die dabei erzielte Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen liegt für eine pneumologische Gemeinschaftspraxis mit etwa 2.600 Behandlungsfällen im Quartal bei 35.000–40.000 kg CO2e.