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DOI: 10.1055/a-1802-8305
Dosimetrie
DosimetryDas Feld der Dosimetrie ist zugleich so alt wie die ersten medizinischen Anwendungen ionisierender Strahlung am Menschen als auch so aktuell wie neueste Entwicklungen von Radiotracern, innovativen Therapieansätzen oder Schlagworte wie „individualisierte Medizin“ zeigen. Diese Diversität zeigt sich in ganz vielen Aspekten der Dosimetrie. So gibt es neben der chronologischen Spannbreite auch eine räumliche Varianz, in welcher Dosimetrie betrachtet werden kann.
Angefangen von mikroskopischen Dosisheterogenitäten und unterschiedlichen Strahlensensitivitäten verschiedener Zellorganelle auf Zellebene, ausgeweitet auf tierexperimentelle Größenskalen im Zuge von präklinischer Forschung bis hin zur klinischen Dosimetrie am Patienten adressiert der Begriff „Dosimetrie“ mindestens 6 Größenskalen zwischen Mikrometer und Meter. Während auf zellulärer Ebene im Bereich der präklinischen und radiopharmazeutischen Forschung neue Zielstrukturen erforscht oder die Wirkung von Strahlung auf biologische Strukturen untersucht werden, stehen Tiermodelle zur Untersuchung der Biokinetik von Radiotracern und für therapeutische Studien verschiedener Tumormodelle zur Verfügung. Am Patienten dient die Dosimetrie in erster Linie zur Planung und Evaluation nuklearmedizinischer Therapien.
Bei der Planung der Radionuklidtherapie geht es um das Erreichen einer möglichst hohen Dosis innerhalb des zu behandelnden Gewebes für einen größtmöglichen Effekt. Zugleich muss die Dosis im gesunden Gewebe auf ein tolerables Maß reduziert werden, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens unerwünschter Nebenwirkungen zu minimieren. Hierbei zeigt sich der Gegensatz der Dosimetrie zur Sicherstellung einer gewünschten Wirkung einerseits und zum Schutz andererseits.
Der Schutz gesunden Gewebes steht neben der therapeutischen Anwendung ionisierender Strahlung im Fokus der Dosimetrie für diagnostische Anwendungen. Gemäß dem ALARA-Prinzip muss jede Strahlenanwendung in ihrem Nutzen das korrespondierende Risiko überwiegen. Bereits bei der Entwicklung und Zulassung neuer Radiotracer ist deshalb die Bestimmung der effektiven Dosis bei Anwendung am Menschen erforderlich. Basierend auf neuen Daten zum Strahlenrisiko und dem Optimierungsgebot im Strahlenschutz wurden aktuell neue Diagnostische Referenzwerte für nuklearmedizinische Untersuchungen veröffentlicht.
Besonderer Schutz gilt dem ungeborenen Leben und Kindern. In den meisten Fällen stellen eine Schwangerschaft oder Stillen Kontraindikationen für den diagnostischen oder therapeutischen Einsatz offener Radionuklide dar. Dennoch besteht die Möglichkeit einer Strahlenexposition, entweder aus klinischer Notwendigkeit oder wegen fehlerhafter Kommunikation. Für diese Fälle existieren Empfehlungen, anhand derer die Dosis abgeschätzt und das weitere Vorgehen geplant werden kann.
Als ein großer Unterschied zwischen der strahlentherapeutischen und nuklearmedizinischen Anwendung ionisierender Strahlung zur Behandlung muss neben der Applikationsform vor allem die Dosisleistung benannt werden. Während bei der Bestrahlung mit Linearbeschleunigern eine statische Dosisdeposition innerhalb weniger Minuten erfolgt, führt die Biokinetik und die physikalische Halbwertszeit nuklearmedizinischer Radioisotope zu einer dynamischen Dosisverteilung. In der Folge können die gleichen deponierten Energiedosen im Zielvolumen nur bedingt miteinander verglichen werden, was insbesondere bei der kombinierten internen und externen Radiotherapie von Bedeutung ist.
Trotz der Mannigfaltigkeit von Dosimetrie und der Bedeutung der Kenntnis der Dosisverteilung wird die Notwendigkeit einer regelhaften und patientenspezifischen Dosisbestimmung kontrovers diskutiert. Insbesondere die Unsicherheiten der Eingangsparameter für die Therapieplanung sowie die bedingte Beeinflussbarkeit der Aktivitätsverteilung nach Therapieapplikation, aber auch die aus der Kenntnis der Dosisverteilung abgeleiteten möglichen klinischen Implikationen, stellen das Erfordernis von Dosimetrie in Frage.
Aufgrund aller benannter Aspekte der Dosimetrie wurde der ursprüngliche Gedanke des Strickens eines Roten Fadens für dieses Heft erweitert auf das Weben eines roten Netzes, in welchem möglichst viele interessante Facetten aufgefangen werden sollen. Damit wird Ihnen, liebe Lesende, bestenfalls ein breiter Überblick über einige aktuelle Entwicklungen aus dem weiten Feld der Dosimetrie geboten.
Unterstützt wurde die Erstellung dieses Heftes neben dem persönlichen Beitrag aller Autorinnen und Autoren durch den Ausschuss Dosimetrie der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin, welcher als Gremium der wissenschaftlichen Fachgesellschaft das Ziel hat, die Nuklearmedizin in Grundlagen- und Anwendungsforschung auf den Gebieten von Diagnostik, Therapie und Strahlenschutz insbesondere im Bereich der Dosimetrie zu fördern. Allen Beitragenden gebührt mein herzlichster Dank!
Publication History
Article published online:
21 March 2023
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