Angewandte Nuklearmedizin 2023; 46(01): 82-87
DOI: 10.1055/a-1802-8458
Dosimetrie
Übersicht

Nuklearmedizinische Strahlenexpositionen während der Schwangerschaft

Nuclear medicine radiation exposures during pregnancy
Christian Happel
1   Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Markus Borowski
2   Institut für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin, Städtisches Klinikum Braunschweig gGmbH, Braunschweig, Deutschland (Ringgold ID: RIN39726)
,
Daniel Gröner
1   Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Alexandra Kamp
3   Abteilung für medizinischen und beruflichen Strahlenschutz, Bundesamt für Strahlenschutz, Neuherberg, Deutschland
,
Gunnar Brix
3   Abteilung für medizinischen und beruflichen Strahlenschutz, Bundesamt für Strahlenschutz, Neuherberg, Deutschland
,
Frank Grünwald
1   Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland
,
Martin Fiebich
4   Institut für Medizinische Physik und Strahlenschutz, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen, Deutschland
› Institutsangaben
Preview

Zusammenfassung

In medizinisch begründeten Einzelfällen oder bei unbekannter Frühschwangerschaft kann es durch die Applikation offener radioaktiver Stoffe in der Nuklearmedizin zu einer pränatalen Strahlenexposition kommen. Die von Metabolisierung und Biodistribution abhängende Dosis für das Ungeborene kann messtechnisch nicht ermittelt werden. Eine möglichst valide Abschätzung der Dosis ist daher von großer Relevanz. Die Abschätzung erfolgt üblicherweise mit den biokinetischen und dosimetrischen Modellen der ICRP. Bei der Hybridbilddiagnostik muss zusätzlich auch die Strahlenexposition durch die radiologische Komponente berücksichtigt werden. Die Aktivität der im Rahmen einer nuklearmedizinischen Diagnostik applizierten offenen radioaktiven Stoffe führt üblicherweise zu einer Dosis des Ungeborenen von weniger als 20mSv. Relevante deterministische Strahlenwirkungen sind hier auszuschließen. Es ergeben sich keine praktischen Konsequenzen für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft. Bei höheren Dosiswerten für das Ungeborene, wie sie insbesondere bei der therapeutischen Anwendung offener radioaktiven Stoffe bei unbekannter Schwangerschaft auftreten können, kann jedoch eine Dosis von 100mSv für das Ungeborene überschritten werden, welche als Schwelle für die Induktion von anatomischen Fehlbildungen, Wachstumshemmungen und funktionellen Störungen gilt.

Abstract

In rare medically indicated cases or unknown early pregnancy, incorporation of radionuclides administered for nuclear medicine procedures may lead to prenatal radiation exposure. The dose to the unborn depends on metabolization and biodistribution and cannot be directly measured. A valid estimation of the dose is therefore highly relevant. The estimation is usually performed by means of biokinetic and dosimetric models provided by the ICRP. When hybrid diagnostics are implicated, additional radiation exposure through radiological imaging must be taken into account. The activity administered for standard diagnostic procedures in nuclear medicine results in dose estimates to the unborn below 20mSv. Relevant radiation-induced events are not expected. Dose values beyond 100mSv are expected for administration of therapeutic radiopharmaceuticals, only. This, however, refers to extremely rare situations, when applications are performed without awareness of an existing pregnancy. In these cases induction of anatomical malformation, growth restriction, and functional anomalies cannot be excluded.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
21. März 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany