Klin Monbl Augenheilkd 2024; 241(07): 837-844
DOI: 10.1055/a-1806-2474
Übersicht

Auswirkung der COVID-19-Pandemie auf die Therapie der nAMD in einer portalbasierten Kooperation

Artikel in mehreren Sprachen: deutsch | English
1   Retinologie, Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital, Münster, Deutschland
,
Kristina Kintzinger
1   Retinologie, Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital, Münster, Deutschland
,
Britta Heimes-Bussmann
1   Retinologie, Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital, Münster, Deutschland
,
Henrik Faatz
1   Retinologie, Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital, Münster, Deutschland
,
Albrecht Peter Lommatzsch
1   Retinologie, Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital, Münster, Deutschland
2   Universitätsaugenklinik, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Deutschland
3   Achim Wessing Institut für Ophthalmologische Diagnostik, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Deutschland
› Institutsangaben

Zusammenfassung

Hintergrund Unter dem Einfluss der COVID-19-Pandemie und dem Lockdown in Deutschland kam es zu deutlich weniger Arztbesuchen in fast allen medizinischen Fachdisziplinen. Besonders bei der notwendigen konsequenten Therapie und Kontrolle von nAMD-Patienten kann das weitreichende Folgen für die Sehfunktion gerade bei älteren Patienten haben.

Methode In einer retrospektiven Analyse von nAMD-Patienten wurde die Zahl der Visiten (IVOM oder Kontrolle), der durchgeführten OCT, Anzahl der durchgeführten IVOM und der im Mittel schlechteste Visus für den Zeitraum vor und nach dem Lockdown beim Pandemiebeginn in einer portalbasierten Kooperation von 50 Augenpraxen verglichen. Die Patienten wurden nach einem Pro-re-nata-Schema (PRN) behandelt, das die intravitreale Injektion von VEGF-Hemmern aufgrund von Aktivitätskriterien bei der Befundung einer OCT-Kontrolle vorsieht.

Ergebnisse Es konnten 34 660 Visiten aus 55 Monaten in die Auswertung einbezogen werden. Vor dem Lockdown (16.03.2020) wurden durchschnittlich 81,8% ± 2,1% der Patienten regelmäßig (alle 4 bis 5 Wochen) kontrolliert bzw. behandelt. Mit Beginn des Lockdowns fiel der Anteil optimal therapierter Patienten auf 64,0%. Dabei sank zunächst der Anteil von OCT-Kontrollen von 48,4% auf 30,9% und mit Verzögerung der Anteil der Injektionen von 57,5% auf 45,8%. Dies zeigte sich auch an den werktäglich durchgeführten OCT-Kontrollen: 15,5 vor, 11,4 während und 17,2 nach dem Lockdown (p < 0,001). Bei 29% der Fälle konnte eine individuelle Verschlechterung des Visus um mehr als 0,1 logMAR nach Ende des Lockdowns im Vergleich zu vor dem Lockdown beobachtet werden. Durchschnittlich sank der mittlere Visus um 0,054 logMAR signifikant (p < 10−11). Diese signifikante Verschlechterung stieg im weiteren Beobachtungszeitraum nicht wieder an, obwohl in den folgenden 12 Monaten die Anzahl der Visiten, Zahl der OCT-Untersuchungen und Zahl der IVOM auf dem Vor-Lockdown-Niveau lagen.

Schlussfolgerungen Der pandemiebedingte Lockdown führte bei nAMD-Patienten unter IVOM-Therapie zu ungewollten Behandlungspausen. Der Rückgang der Visiten sowie der Zahl durchgeführter IVOM verursachte einen Verlust an Sehfunktion im Beobachtungskollektiv. Trotz konsequenter Behandlung von nAMD-Patienten zeigte sich nach Ende des Lockdowns zwar eine sofortige Normalisierung der Anzahl der OCT-Kontrollen und IVOMs, jedoch ein bleibender Verlust an Sehfunktion, der sich in unserem Beobachtungskollektiv 1 Jahr nach Lockdown-Ende nicht verbessert hat. Diese Erkenntnis muss zu einem noch besseren Case-Management und damit einer verbesserten Adhärenz der Patienten bei weiteren Infektionswellen oder anderen Pandemien führen.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 08. Februar 2022

Angenommen: 22. März 2022

Artikel online veröffentlicht:
04. August 2022

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