Zahnmedizin up2date 2022; 16(03): 245-265
DOI: 10.1055/a-1886-2653
Endodontologie

Pulpotomie beim bleibenden Zahn – Möglichkeiten und Grenzen

Florin Eggmann
,
Thomas Connert
,
Roland Weiger

Die Vitalerhaltung der Pulpa hat sich über die letzten Jahre zunehmend als zuverlässige Behandlungsmaßnahme etabliert. Neben dem allgemeinen Trend zu weniger invasiven Therapiemaßnahmen ist dies auf ein umfassenderes Verständnis der Pathophysiologie der Pulpitis und Entwicklungen im Bereich der biokompatiblen Überkappungsmaterialien zurückzuführen. Bei gegebener Indikation erlauben sowohl die partielle als auch die vollständige Pulpotomie, Zähne mit noch funktionsfähigen Pulpaanteilen mit hoher Erfolgssicherheit vital zu erhalten.

Kernaussagen

Die Vitalerhaltung der Pulpa bleibender Zähne ist bei gegebener Indikation immer anzustreben. Bei Kronenfrakturen mit Pulpabeteiligung und bei Zähnen mit kariöser Pulpaexposition erlauben es die partielle Pulpotomie oder die vollständige Pulpotomie oftmals, das verbleibende Pulpagewebe funktionsfähig zu erhalten. Dies hat insbesondere bei wurzelunreifen Zähnen zahlreiche Vorteile. Die Prognose der partiellen und vollständigen Pulpotomie ist als günstig zu bewerten, sofern die Diagnostik und die endodontischen und restaurativen Behandlungsschritte adäquat ausgeführt werden.

  • Die Pulpotomie bietet eine hohe Erfolgssicherheit bei kariesbedingter Pulpaexposition bei vitalen Zähnen, die symptomfrei sind oder eine Symptomatik im Sinne einer reversiblen Pulpitis aufweisen.

  • Bei Zähnen mit tiefer Karies und irreversibler Pulpitis ist die Wurzelkanalbehandlung eine etablierte Methode mit einer langfristig günstigen Prognose. Die aktuelle Datenlage weist darauf hin, dass die vollständige Pulpotomie bei jugendlichen Zähnen mit einer irreversiblen Pulpitis eine mögliche Behandlungsalternative zur Wurzelkanalbehandlung darstellt.

  • Bei traumatischer Pulpaeröffnung weist die partielle Pulpotomie – unabhängig vom Patientenalter und der Größe der Pulpawunde – hohe Erfolgsaussichten auf.

  • Neben der korrekten Indikationsstellung beeinflusst die sorgfältige Durchführung der notwendigen Behandlungsschritte den Erfolg der partiellen und vollständigen Pulpotomie. Dazu gehören die absolute Trockenlegung, die Einhaltung steriler Kautelen und die Verwendung von Vergrößerungshilfen.

  • Farbstabile Kalziumsilikatzemente sind das bevorzugte Material zur Überkappung der Pulpa. Kalziumhydroxid kann jedoch bei der partiellen Pulpotomie bei Kronenfrakturen mit Pulpabeteiligung weiterhin als Überkappungsmaterial verwendet werden.

  • Die adhäsive Restauration gewährleistet einen bakteriendichten Verschluss, weshalb empfohlen wird, sie in derselben Sitzung wie die Pulpotomie zu machen.

  • Bei Oberkiefermolaren kommt vor einem parodontal-chirurgischen Eingriff mit einer Wurzelamputation die vollständige Pulpotomie als valide Behandlungsalternative zur Wurzelkanalbehandlung in Frage.

  • Bei der Kontrolle von Zähnen nach vollständiger Pulpotomie ist die eingeschränkte Aussagekraft thermischer Sensibilitätstests zu berücksichtigen.



Publication History

Article published online:
22 August 2022

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