Dtsch Med Wochenschr 2022; 147(21): 1368-1369
DOI: 10.1055/a-1899-6777
Aktuell publiziert

Kommentar zu „Intravenöse Flüssigkeit bei septischem Schock beeinflusst das Überleben nicht“

Seit vielen Jahren sind immer wieder randomisierte, kontrollierte Studien publiziert worden, die einen Vorteil für die restriktive Volumentherapie bei der Behandlung von Infektionen und/oder Sepsis und septischen Schocks gezeigt haben [1]. Der Vorteil bestand entweder in mehr beatmungsfreien Tagen und/oder einer kürzeren Verweildauer auf der Intensivstation. Was uns aber am meisten interessierte, ist das Ziel einer geringeren Sterblichkeit: Das konnte jedoch keine dieser Studien aufzeigen. Die Hoffnung, in der hier zitierten CLASSIC-Studie (Conservative versus Liberal Approach to Fluid Therapy of Septic Shock in Intensive Care) dies nun endlich zu beweisen, war groß. Aber die Autoren fanden keinen signifikanten Unterschied bei der Sterblichkeit nach 90 Tagen in der Gesamtpopulation (das primäre Ergebnis), bei einem der vordefinierten sekundären Ergebnisse (einschließlich Nierenfunktion) oder in den vordefinierten Untergruppen oder beim Auftreten von ischämischen Ereignissen. Kann man darüber enttäuscht sein? Jein. Ein klares Signal hätte uns sicher gezeigt, wie wir mit dem Flüssigkeitsmanagement umzugehen haben. Man kann aber festhalten, dass viel nicht viel hilft und wir mit weniger nichts falsch machen. Der begonnene Trend, eher restriktiv mit der Flüssigkeit umzugehen, wird sich nicht aufhalten, aber das Management muss differenziert betrachtet werden. Wie in der neuen Sepsis-Leitlinie schon geschrieben, sollte die Flüssigkeitsgabe engmaschig reevaluiert werden [2]. Wenn es hier zu keinem Ansprechen mehr kommt, ist die weitere Gabe von Flüssigkeit obsolet. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Studie negativ ausgefallen ist, trotz der insgesamt guten Planung. Schon jetzt hat sich der „restriktive“ Flüssigkeitsgedanke durchgesetzt und ist auch sicherlich schon so in der Vergleichsgruppe durchgeführt worden. Der Unterschied von nur 2000 ml Flüssigkeit in den beiden Gruppen deutet darauf hin. Die Menge an intravenöser Flüssigkeit, die die Patienten in der Standard-Behandlungsgruppe in dieser Studie erhielten, war wesentlich geringer als die Menge, die in früheren nationalen und internationalen Studien zur frühzeitigen, zielgerichteten Wiederbelebung von Patienten mit septischem Schock und in Kohortenstudien beobachtet wurde [3]. Also was bleibt: Die Ergebnisse zeigen, dass eine hochgradig restriktive Flüssigkeitsmanagement-Strategie sicher ist. Jetzt bedarfs es noch eines Algorithmus, der uns zeigt, wann Flüssigkeit noch sinnvoll ist, und wann nicht mehr. Diese Studie war ein richtiger und wichtiger Schritt.



Publication History

Article published online:
24 October 2022

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  • Literatur

  • 1 Silversides JA, Major E, Ferguson AJ. et al. Conservative fluid management or deresuscitation for patients with sepsis or acute respiratory distress syndrome following the resuscitation phase of critical illness: a systematic review and meta-analysis. Intens Care Med 2017; 43: 155-170
  • 2 Evans L, Rhodes A, Alhazzani W. et al. Surviving Sepsis Campaign: International Guidelines for Management of Sepsis and Septic Shock 2021. Crit Care Med 2021; 49: e1063-e1143
  • 3 Angus DC, Barnato AE, Bell D. et al. A systematic review and meta-analysis of early goal-directed therapy for septic shock: the ARISE, ProCESS and ProMISe Investigators. Intens Care Med 2015; 41: 1549-1560