Z Gastroenterol 2022; 60(09): 1433
DOI: 10.1055/a-1902-1430
Der bng informiert

Editorial – Umweltschutz durch Innovation – ein Denkansatz für kluge Köpfe

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 29. Juli 2021 trat das „Europäische Klimagesetz“ in Kraft. Das Gesetz ist eine Reaktion auf den im Dezember 2019 von der europäischen Kommission vorgestellten „Green Deal“. Dieser hat das Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen und die Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 umzusetzen. Mit dem Gesetzespaket „Fit for 55“ hat die europäische Kommission hierzu auch einen konkreten Plan auf den Weg gebracht.

Das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie hat im Auftrag der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen ein Gutachten und darin Vorschläge vorgelegt, wie Krankenhäuser bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden können. Konkret werden Maßnahmen genannt, wie die Kliniken durch energetische Sanierung der Gebäudehüllen die Emissionen senken können. Zudem klären die Wissenschaftler auf, wie indirekte Emissionen gesenkt werden können, indem Maßnahmen getroffen werden wie z. B. Einsatz alternativer Klimatechnik, Einsatz von Photovoltaik und Umstellung auf LED-Beleuchtung und eine möglichst autofreie Mobilität. Auch sei es wichtig, große Mengen an Verbrauchsmaterialien zu reduzieren.

Lassen Sie uns ehrlich sein – dies betrifft nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch unsere Praxen!

Neben den Vorschlägen für bauliche Modifikationen zur Senkung der Kohlendioxidemission hat insbesondere der zuletzt genannte Punkt eine große Bedeutung für unsere alltägliche Arbeit: Verbrauchsmaterialien.

Da es uns ein großes Anliegen ist, ALLES für die Sicherheit unserer Patient*innen zu investieren, haben wir schon früh erkannt, dass die Aufbereitung von Medizinprodukten nicht bedingungslos einfach ist. Immer wieder hatten wir – die Mitglieder der Fachgruppe Hygiene des bng e. V. – argumentiert, dass für die Reinigung und Desinfektion von wiederverwendbaren Schlingen, Zangen und Co. kein validiertes Verfahren veröffentlicht ist.

Nach vielen Diskussionen und durch zahlreiche Gespräche haben letztlich die Anbieter ihre wiederverwendbaren Produkte vom Markt genommen und somit der Erstattung des Einmalmaterials Vorschub geleistet. Auch die Reinigung und Desinfektion proktologischer Untersuchungsinstrumente ist nicht trivial, sodass auch hier Einmalprodukte für bestimmte Indikationen im Gebrauch sind. Und auch Komponenten thermolabiler Endoskope wie Ventile, Wasserflaschen und Distalkappen werden als Einmalmaterial angeboten.

Scheinbar wird also das Material „Einmalplastik“ als eine „saubere und effiziente Lösung“ präsentiert, dennoch sind es aber die Einmalprodukte, die mehr denn je in der Kritik stehen. Eine gemeinnützige Organisation namens Practice Greenhealth titelte 2019, dass 25 % des anfallenden Abfalls in Krankenhäusern aus Plastik besteht – der Anteil in der Niederlassung wird hier nicht genannt, wird aber zumindest nach Schätzungen vergleichbar hoch sein.

China hatte sich in der Vergangenheit darum gekümmert, das Plastikaufkommen der Welt zu recyceln, beendete seine Bemühungen darum aber im Jahr 2018. Seither wird das Plastikaufkommen in Verbrennungsanlagen oder auf Müllkippen entsorgt, was u. a. zur Entstehung gefährlicher Chemikalien führt.

Nach Aussage des Gutachtens des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie liegt der deutsche Gesundheitssektor mit 5,2 % des bundesweiten Kohlendioxid-Ausstoßes knapp hinter der Stahlindustrie. Anders als die Kohlenstoffemission ist Plastik ein Stoff, der jedem ins Auge springt. Ein Fazit sollte sein, dass medizinische Einrichtungen daher auch den Plastikmüll reduzieren müssen, um umweltfreundlicher zu werden.

Wir müssen zurück zur Gesundheit, zurück zur Natur – als Förderer der Gesundheit.

Alleine können wir dies jedoch nicht schaffen – wir sind angewiesen auf kluge Köpfe, die uns Alternativen schaffen. Was spricht also dagegen, Schlingen, Zangen und Co. wie auch Komponenten von thermolabilen Endoskopen nach dem Gebrauch in den Biomüll oder auf den praxiseigenen Komposthaufen zu entsorgen? Aus dem Lebensmittelbereich und der Bekleidungsindustrie sind uns doch vergleichbare Beispiele im Gedächtnis.

Also frage ich die Hersteller von endoskopischem Instrumentarium und die Zulieferer von Komponenten thermolabiler Endoskope: Wann darf ich mit dem ersten biodegradierbaren Produkt meine Patient*innen untersuchen und behandeln?!

Es gibt viel zu tun – packen wir es gemeinsam an!



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Article published online:
13 September 2022

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