Schlüsselwörter
Sekundärdatenanalyse - Geschlechterunterschiede - Versorgungsforschung - pAVK - Krankenkassendaten - Amputation
Key words
secondary data analysis - health claims data - sex differences - LEAD - health service research - amputation
Einleitung
Die Prävalenz der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) hat in
den letzten Jahrzehnten zugenommen und aktuell sind weltweit über 200
Millionen Menschen betroffen [1]. Ursache ist
eine arteriosklerotisch bedingte Verengung oder ein Verschluss der Beinarterien,
was, je nach Schweregrad der Erkrankung, zu Symptomen wie Claudicatio intermittens
(IC), Ruheschmerzen oder Wunden führen und auch eine Amputation der unteren
Extremität zur Folge haben kann [2].
Allein im Jahr 2009 waren 3% aller Krankenhausaufenthalte aufgrund einer
pAVK [3], wodurch der hohe Leidensdruck der
Patienten und die immensen Kosten für das Gesundheitswesen widergespiegelt
werden.
In den letzten Jahrzehnten wurde deutlich, dass Frauen und Männer mit
diagnostizierter pAVK unterschiedliche Symptome aufweisen können und dadurch
eine schnelle und adäquate Diagnose und Therapie teilweise nicht erfolgt.
Vor allem Frauen weisen häufiger asymptomatische Verläufe [4] oder einen grenzwertigen (borderline)
Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial-index, ABI) auf, der auch das
Risiko für kardiovaskulärer Ereignisse erhöht [5]
[6].
Vor allem bei Frauen variiert die Prävalenz der pAVK, je nachdem welche
Faktoren zur Diagnosestellung verwendet werden. Wird der ABI als Grundlage zur
Diagnose genutzt, ist die Prävalenz 4–5-fach höher, im
Vergleich zu den Frauen, die klassische Symptome wie Intermittent Claudication (IC)
angeben [7]. Weitere Studien zeigen sogar,
dass die Prävalenz der pAVK in Frauen höher ist, als bei
Männern [8].
Obwohl eine geschlechtsspezifische Diagnostik und Therapie das Outcome von Patienten
mit pAVK positiv beeinflussen könnte, ist die Rate an weiblichen Patienten
in randomisierten klinischen Studien (randomized clinical trials, RCTs)
weiterhin sehr gering. Ziel unserer Analysen war die Darstellung von
geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Behandlung und dem Outcome von pAVK
Patienten, auf Grundlage von Sekundärdaten. Bei Sekundärdaten
handelt es sich um Verwaltungs- und Abrechnungsdaten, die nicht primär
für Analysen in der Versorgungsforschung erstellt wurden [9] und eine longitudinale Analyse aller
Diagnosen und Einzelleistungen (Prozeduren und/oder
Medikamentenverschreibung) erlauben [10].
Methodik
Das Projekt GenderVasc ist ein Kooperationsprojekt mit dem Wissenschaftlichen
Institut der AOK (Allgemeine Ortskrankenkasse, WIdO) und wird durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss (G-BA) gefördert (Innovationsfond, Nummer: 01VSF18051, [Abb. 1]). Als Grundlage unserer Analysen
werden die anonymisierten Patientendaten der AOK (Allgemeine Ortskrankenkasse)
abgerufen, einem System von elf regionalen Krankenkassen in Deutschland mit mehr als
26 Millionen Versicherten (entsprechend 26.560,559 Versicherungsjahren; Daten von
2018). AOK Versicherte hatten konstant in allen Regionen (bis 2010) einen
niedrigeren soziodemografischen Status (wie zum Beispiel niedrigerer Schulabschluss
oder höheres Alter). Weiterhin ist der Anteil an Rauchern, Patienten mit
Diabetes mellitus (DM), Adipositas oder kardiovaskulären Erkrankungen, sowie
Versicherte mit Migrationshintergrund im Vergleich zu anderen gesetzlichen
Krankenversicherungen (GKVs) in Deutschland höher [11]
[12].
Der Beitritt zur AOK ist unabhängig von Region, Beruf, Einkommen, Alter und
Gesundheitszustand der Versicherten, wodurch diese soziodemografischen und
gesundheitsbezogenenen Unterschiede teilweise in den letzten Jahren angeglichen
werden konnten. Die interne Aufbereitung der Primärdaten erfolgte durch das
WIdO und unterliegt den allgemeinen datenschutzrechtlichen Anforderungen, welche in
der Originalarbeit detailliert erläutert werden [13].
Abb. 1 Geschlechtsspezifische Versorgung kardiovaskulärer
Erkrankungen in Deutschland im Rahmen von GenderVasc (Geschlechtsspezifische
reale Versorgungssituation von Patienten mit arteriosklerotischen
kardiovaskulären Erkrankungen)
Eingeschlossen wurden die Daten von 42.197 Patienten mit Hauptdiagnose der
Intermittent Claudication (IC) zwischen dem 01. Januar 2014 und dem 31. Dezember
2015. Die Daten umfassten alle stationären und ambulanten Daten zwei Jahre
vor der Index-Hospitalisierung und einen Follow-up (FU)- Zeitraum bis zum 31.
Dezember 2018. Für die Analysen der Haupt- und Nebendiagnosen wurde die
ICD-10-GM verwendet, während die vaskulären Eingriffen auf Basis des
deutschen Prozedurenklassifikationssystems (OPS), bzw. der Analyse der verordneten
Arzneimittel durch das Anatomisch-Therapeutisch-Chemische Klassifikationssystem
(ATC) erfolgte. Für weitere Informationen, insbesondere der verwendeten
statistischen Methoden, verweisen wir auf die Originalarbeit [13].
Patientenkohorte
Alle Patienten im Alter von≥18 Jahren mit einer Hauptdiagnose pAVK im
Stadium der Intermittend Claudication im Indexzeitraum, wurden für die
weiteren Analysen eingeschlossen. Wurde ein Patient während des
Indexzeitraums wiederholt hospitalisiert, wurde nur die erste Hospitalisierung
als Index-Hospitalisierung verwendet. Patienten mit fragwürdigen oder
unvollständigen Daten, wie unplausiblem Eintritts- oder
Entlassungsdatum, unbekanntem Todes- oder Geburtsdatum, einer Lücke im
Versicherungsschutz während der Baseline oder unbekanntem Geschlecht in
der Patientenakte, wurden ausgeschlossen. Wurden während des FU
unvollständige Daten festgestellt, wurde der Patient von diesem
Zeitpunkt an zensiert ([Abb. 2]). Die
Baseline-Charakteristika, kardiovaskuläre Risikofaktoren,
Komorbiditäten, Durchführung vaskulärer Eingriffe und
verordnete Medikamente wurden für jeden ausgewählten Patienten
zwei Jahre vor der Index-Hospitalisierung abgefragt. ICD-Diagnosen und OPS-Codes
wurden gewertet, wenn sie mindestens einmal im stationären oder
ambulanten Bereich kodiert wurden. Diese Vorgehensweise wurde auch auf den
Index-Zeitraum und im FU angewandt. ATC-Codes wurden im Baseline-Zeitraum
gewertet, wenn sie in mindestens zwei verschiedenen Quartalen kodiert wurden und
im FU ab der ersten Kodierung. Als primäre Endpunkte wurden das
Gesamtüberleben und kritische-Ischämie-freie Überleben
(kombinierter Endpunkt aus Tod, Amputation der unteren Extremität
und/oder Diagnose einer chronischen
Extremitätenischämie) definiert. Darüber hinaus wurden
Komplikationen, wie akuter Myokardinfarkt (AMI), Blutungen, Infektionen oder
akutes Nierenversagen, sowie die Notwendigkeit vaskulärer Eingriffe und
die Verschreibung leitliniengerechter Medikamente als sekundäre
Endpunkte verwendet.
Abb. 2 Identifizierung der Patientenkohorte aus den Routinedaten
der AOK Die Kohorte besteht aus Patienten die aufgrund einer pAVK im
Stadium der Claudicatio intermittens zwischen 2014 und 2015
hospitalisiert wurden. Patienten ≥ 18 Jahre, mit
unplausiblen oder unvollständigen Angaben oder einer Diagnose
der kritischen Extremitätenischämie oder Amputation der
unteren Extremität im Index-Aufenthalt wurden
ausgeschlossen.
Die Ethikkommission wurde informiert und hat die uneingeschränkte Nutzung
der retrospektiven anonymisierten Datensätze, die vom Wissenschaftlichen
Institut der AOK (WIdO) zur Verfügung gestellt wurden, genehmigt
(Aktenzeichen: 2019–212-f-S; Ethikkommission Münster,
Deutschland).
Ergebnisse
In unseren Analysen der Sekundärdaten konnten insgesamt 42.197
stationär behandelte pAVK-Patienten im Stadium der IC eingeschlossen werden,
davon waren 13.677 (32%) Frauen, die im Median 6 Jahre älter waren,
als die männlichen Patienten (female: 72,6 Jahre vs. Male: 66,4 Jahre,
P<0,001). Die Analyse des Risikoprofils zeigte, dass Männer
häufiger die typischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie DM,
Rauchen, Koronare Herzkrankheit, Zerebrovaskukläre Erkrankung,
vorangegangener Herzinfarkt und Schlaganfall aufweisen, während Frauen
öfter an Bluthochdruck, Übergewicht und chronischer
Niereninsuffizienz litten. Die Prävalenz anderer Komorbiditäten wie
Dyslipidämie, Vorhoffflimmern/oder -flattern und Herzinsuffizienz, zeigte
keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern ([Tab. 1]).
Tab. 1 Darstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren
und Komorbiditäten, sowie vaskulärer Eingriffe und
Komplikationen während des IndexAufenthaltes.
|
Total
|
Frauen
|
Männer
|
p-Wert
|
Patienten: n (%)
|
42.197
|
13.677 (32,4)
|
28.520 (67,6)
|
<0,001
|
Alter (median): Jahre (interquartile range)
|
68,3 (16,1)
|
72,6 (15,8)
|
66,4 (15,6)
|
<0,001
|
Kardiovaskuläre Risikofaktoren
|
Diabetes mellitus: n (%)
|
17.579 (41,7)
|
5.482 (40,1)
|
12.097 (42,4)
|
<0,001
|
Dyslipidämie: n (%)
|
32.263 (76,5)
|
10.460 (76,5)
|
21.803 (76,5)
|
0,945
|
Hypertonie: n (%)
|
37.152 (88,0)
|
12.356 (90,3)
|
24.796 (86,9)
|
<0,001
|
Aktiver Raucherstatus: n (%)
|
20.031 (47,5)
|
5.586 (40,8)
|
14.445 (50,7)
|
<0,001
|
Übergewicht: n (%)
|
10.749 (25,5)
|
3.656 (26,7)
|
7.093 (24,9)
|
<0,001
|
Kardiovaskuläre Komorbiditäten
|
Vorhofflimmern/-flattern: n (%)
|
5.589 (13,3)
|
1.815 (13,3)
|
3.774 (13,2)
|
0,915
|
Zerebrovaskuläre Erkrankung: n (%)
|
12.382 (29,3)
|
3.878 (28,4)
|
8.504 (29,8)
|
0,002
|
Koronare Herzkrankheit: n (%)
|
19.312 (45,8)
|
5.557 (40,6)
|
13.755 (48,2)
|
<0,001
|
Herzinsuffizienz: n (%)
|
9.843 (23,3)
|
3.187 (23,3)
|
6.656 (23,3)
|
0,935
|
Chronische Niereninsuffizienz: n (%)
|
11.449 (27,1)
|
3.998 (29,2)
|
7.451 (26,1)
|
<0,001
|
Vorangegangener Herzinfarkt: n (%)
|
4.873 (11,6)
|
1.229 (9,0)
|
3.644 (12,8)
|
<0,001
|
Vorangegangener Schlaganfall: n (%)
|
5.333 (12,6)
|
1.524 (11,1)
|
3.809 (13,4)
|
<0,001
|
Andere Komorbiditäten
|
Krebserkrankung: n (%)
|
8.174 (19,4)
|
2.649 (19,4)
|
5.525 (19,4)
|
0,992
|
Vaskuläre Prozeduren im Index Aufenthalt
|
Diagnostische Angiographie der Beinarterien: n (%)
|
29.363 (69,6)
|
9.578 (70,0)
|
19.785 (69,4)
|
0,169
|
Revaskularisation der Beinarterien: n (%)
|
34.945 (82,8)
|
11.187 (81,8)
|
23.758 (83,3)
|
<0,001
|
Komplikationen im Index Aufenthalt
|
Akute Nierenschädigung: n (%)
|
210 (0,5)
|
74 (0,5)
|
136 (0,5)
|
0,380
|
Herzinfarkt: n (%)
|
162 (0,4)
|
56 (0,4)
|
106 (0,4)
|
0,557
|
Schlaganfall: n (%)
|
112 (0,3)
|
31 (0,2)
|
81 (0,3)
|
0,284
|
Infektion: n (%)
|
108 (0,3)
|
35 (0,3)
|
73 (0,3)
|
0,999
|
Blutung: n (%)
|
1.819 (4,3)
|
744 (5,4)
|
1.075 (3,8)
|
<0,001
|
Die Darstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren,
Komorbiditäten, vaskulären Eingriffe und Komplikationen
während des Index Aufenthaltes, werden als bivariater Vergleich der
Anteile nach Geschlecht dargestellt Qualitative Merkmale wurden mit einem
zweiseitigen Chi-Quadrat-Test und quantitative Merkmale mit einem
zweiseitigen Wilcoxon-Test getestet; Abkürzung: n=Anzahl
Während des Index-Aufenthaltes lag die Durchführungsrate einer
diagnostischen Angiographie bei 70%, während ca. 80% sich
einer Revaskularisierung unterzogen haben (endovaskulär oder offen
chirurgisch). Die Rate der diagnostischen Angiographie war in beiden Geschlechtern
gleich, während die der Revaskularisierung bei Frauen niedriger war (81,8
vs. 83,3%, P<0,001). Die Komplikationsrate wie akute
Nierenschädigung, Herzinfarkt, Schlaganfall, und Infektionen zeigte
während des Index-Aufenthaltes keinen Unterschied zwischen den
Geschlechtern, Blutungen hingegen waren bei Frauen häufiger vertreten (5,4
vs. 3,8%, P<0,001).
In den zwei Jahren nach dem Index-Aufenthalt mussten sich 35% der Patienten
einer weiteren Revaskularisierung unterziehen und erneut war die Rate bei Frauen
geringer (33,0 vs. 36,3%, P<0,001). Die Amputationsrate im
zwei-Jahres-Follow-up lag bei 1,8%. Männer erhielten häufige
reine Minor Amputation (0,7 vs. 1,2%, P<0,001), während die
Major Amputation mit knapp 1% keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern
zeigte. Eine akute Nierenschädigung, Herzinfarkt und Schlaganfall betrafen
im Follow-up häufiger männliche pAVK Patienten ([Tab. 2]). Die Verschreibungsrate von Statinen,
liegt 2 Jahre nach dem Index-Aufenthalt bei nur 74%, mit geringeren
Verschreibungsraten bei Frauen (72,3 vs. 74,9%, P<0,001). Die
Verschreibungsrate der oralen Antikoagulation lag bei 18%, während
75% einen Thrombozytenaggregationshemmer zwei Jahre nach dem Index
Aufenthalt bekamen ([Tab. 2]).
Tab. 2 Vaskuläre Prozeduren, Komplikationen und
Verschreibung von Medikamenten im Zwei-Jahres-Follow-up.
|
Total
|
Frauen
|
Männer
|
p-Wert
|
Vaskuläre Prozeduren im 2-Jahres-Follow-up
|
Diagnostische Angiographie der Beinarterien: n (%)
|
12,448 (29,5)
|
3,852 (28,2)
|
8,596 (30,1)
|
<0,001
|
Revaskularisation der Beinarterien: n (%)
|
14,868 (35,2)
|
4,515 (33,0)
|
10,353 (36,3)
|
<0,001
|
Komplikationen im 2-Jahres-Follow-up
|
Amputation der unteren Extremität: n (%)
|
748 (1,8)
|
201 (1,5)
|
547 (1,9)
|
<0,001
|
Minor Amputation der unteren Extremität: n
(%)
|
454 (1,1)
|
99 (0,7)
|
355 (1,2)
|
<0,001
|
Major Amputation der unteren Extremität: n
(%)
|
387 (0,9)
|
124 (0,9)
|
263 (0,9)
|
0,491
|
Akute Nierenschädigung: n (%)
|
2,756 (6,5)
|
783 (5,7)
|
1,973 (6,9)
|
<0,001
|
Herzinfarkt: n (%)
|
5,362 (12,7)
|
1,381 (10,1)
|
3,981 (14,0)
|
<0,001
|
Schlaganfall: n (%)
|
5,346 (12,7)
|
1,564 (11,4)
|
3,782 (13,3)
|
<0,001
|
Medikamente im 2-Jahres-Follow-up
|
Statine: n (%)
|
31,248 (74,1)
|
9,884 (72,3)
|
21,364 (74,9)
|
<0,001
|
Orale Antikoagulation (VKA, NOAC): n (%)
|
7,622 (18,1)
|
2,482 (18,2)
|
5,140 (18,0)
|
0,084
|
Thrombozytenaggregationhemmer: n (%)
|
31,796 (75,4)
|
10,129 (74,1)
|
21,667 (76,0)
|
0,009
|
Die Zwei-Jahres-Ereignisraten für vaskuläre Eingriffe,
Komplikationen und Medikation wurden mit Modellen für konkurrierende
Ereignisse über die kumulative Inzidenz geschätzt, wobei der
Tod als konkurrierendes Ereignis betrachtet wurde; Abkürzungen:
n=Anzahl; VKA=vitamin K antagonist; NOAC=neue orale
Antikoagulantien; PAI=Platelet aggregation inhibitor;
CI=confidence interval; CLTI=chronic limb-threatening
ischemia
Aufgrund des unterschiedlichen Alters und dem sehr divergenten
kardiovaskulären Risikoprofil haben wir eine multivariate Cox
Regression-Analyse durchgeführt und auf das Alter, kardiovaskuläre
Risikofaktoren, Komorbiditäten und durchgeführte vaskuläre
Prozeduren adjustiert. Hier zeigt sich, dass das weibliche Geschlecht protektiv
gegenüber dem Gesamtüberleben (female Hazard ratio (HR) 0,75;
95%-Confidence intervall (CI) 0,72–0,79, p<0,001) und
Voranschreiten der pAVK zu einer Kritischen Ischämie (chronic limb
threatening ischemia, CLTI; Kritische-Ischämie-freies
Überleben; female HR 0,89; 95%-CI 0,86–0,92,
p<0,001) war ([Abb. 3]).
Abb. 3 Multivariate Cox Regression-Analyse Die Modelle enthielten
Risikoprofile der Patienten bei Studienbeginn (Alter, Vorangegangener akuter
Myokardinfarkt, vorangegangener Schlaganfall, vorherige Revaskularisierung,
Vorhofflimmern/ – flattern, Dyslipidämie,
Übergewicht, Rauchen Krebserkrankungen) und zusätzlich
zeitabhängig auftretene Komorbiditäten (Chronische
Extremitäten Ischämie, Herzinsuffizienz, Chronische
Niereninsuffizienz, Diabetes Mellitus) oder Eingriffe im FU
(Revaskularisierungen und Amputationen der unteren Extremität).
Geplottet sind die female Hazard Ratios (male sex ist die Referenz).
Abkürzungen: HR = Hazard Ratio; CI=Confidence
Intervall
Diskussion
Nach unserem Kenntnisstand ist GenderVasc derzeit das einzige Projekt in Deutschland,
welches gezielt die geschlechtsabhängige Versorgung von
kardiovaskulären Erkrankungen in Sekundärdaten untersucht. In den
vorliegenden Analysen wurden geschlechtsspezifische Unterschiede in der Diagnostik,
Therapie und dem Verlauf von pAVK Patienten im Stadium der IC untersucht. Die
Eventraten nach zwei Jahren zeigen, dass ca. ein Drittel eine erneute
Revaskularisierung benötigen, ein Viertel eine CLTI entwickeln und
2% amputiert wurden. Insbesondere Männer hatten ein höheres
Risiko für Tod und den Progress zu einer CLTI, trotz der statistisch
signifikanten geringeren medikamentösen und interventionellen Versorgung von
Frauen.
Um die Versorgungsrealität von Frauen und Männern darzustellen, waren
die Abrechnungsdaten von allen GKV-Versicherten der AOK Grundlage unserer Analysen
und alle stationären Patienten mit einer Hauptdiagnose pAVK im Stadium der
IC wurden eingeschlossen, wodurch wir annehmen, dass bei allen Patienten eine
behandlungsbedürftige pAVK vorlag. Insgesamt waren ca. ein Drittel der
Patienten Frauen, die im Durchschnitt 6 Jahre älter waren, als die
männlichen Patienten. Die höhere Anzahl an männlichen IC
Patienten, kann nicht an einer nicht ausgewogenen Geschlechterverteilung im
Grunddatensatz liegen, da der Anteil an weiblichen AOK Versicherten höher
ist im Vergleich zu den Männern [12].
Zum anderen ist bekannt, dass weibliche pAVK Patienten häufig
längere symptomfreie Phasen, bzw. atypische Beschwerden aufweisen, was zu
einer späteren Vorstellung beim Facharzt und somit zu einer
verzögerten Diagnosestellung führen kann. In der Literatur wird die
Prävalenz der pAVK zwischen den Geschlechtern sehr unterschiedlich
beschrieben [14]
[15]
[16],
wobei gezeigt werden konnte, dass Frauen häufiger an einer CLTI leiden. Es
wurden weder asymptomatische, noch Patienten im Stadium der CLTI in unseren Analysen
eingeschlossen und die beste etablierte Untersuchung zur Diagnosestellung einer pAVK
erfolgt über die Messung des Knöchel-Arm-Index (ABI). Einige
Veröffentlichungen geben an, dass die Prävalenz der pAVK zwischen
Männern und Frauen gleich ist, wenn die Diagnosestellung aufgrund des ABI
gestellt wird [4]
[6]
[16],
jedoch sind keine Daten über ABI Messungen, Dauer oder Art der Symptomatik
und Diagnosestellung in den Sekundärdaten hinterlegt. Ein weiterer wichtiger
Punkt in unseren Analysen war die mögliche Unterversorgung von Frauen, bei
der Durchführung von vaskulären Prozeduren und Verschreibung von
leitlinienempfohlenen Medikamenten. Bei Patienten mit IC stellt ein
vaskulärer Eingriff keine zwingende Therapieoption dar und dient meist nur
der Symptomlinderung [17]. Die Rate an
vaskulären Prozeduren war bei Frauen signifikant niedriger im
Krankenhausaufenthalt, der zum Einschluss führte. Die gleiche Tendenz war im
Zwei-Jahres-Follow-up zu sehen. Ein höherer Leidensdruck bei
männlichen IC Patienten könnte die Rate an Hospitalisierungen und
die Behandlung mittels Revaskularisation erhöhen. Weiterhin sind
Kathetereingriffe und Gefäßoperationen invasive Maßnahmen,
die vor allem für ältere Patienten sehr belastend sein
können. In der Analyse von Sekundärdaten können die
Gründe, die eventuell gegen eine durchgeführte vaskuläre
Prozedur sprechen, nicht dargestellt werden, wir können die
Durchführung einer vaskulären Prozedur nur deskriptiv erfassen. Auch
ist nicht bekannt, ob der Eingriff erfolgreich war oder warum ein Arzt sich eher
für eine kathetergestützte Behandlung oder offen-chirurgische
entschieden hat. Beides hat Auswirkungen auf folgende im Follow-up
durchgeführte vaskuläre Prozeduren. Eine
Sensitivitätsanalyse (altersadjustiert) lässt jedoch vermuten, dass
das höhere Alter der weiblichen Patienten ein Faktor der niedrigeren
Durchführungsrate war [siehe Originalpublikation 13]. Weiterhin erhalten
weibliche IC-Patienten im Follow-up seltener leitlinienempfohlene Medikamente wie
Statine oder Blutverdünner, was mit anderen Studien vergleichbar ist [18]. Als Grundlage dieser Aussage wird die
Verschreibung eines Medikamentes, jedoch nicht die tatsächliche Einnahme
durch den Patienten genutzt. In unserer Kohorte, wie auch in anderen Studien, wurde
beschrieben, dass die meisten pAVK Patienten an mindestens einem weiteren
kardiovaskulären Risikofaktor und/oder einer Komorbidität
leiden [3]
[19]
[20]
[21]. In unserer Kohorte wurden Männer
vor allem häufiger mit weiteren arteriosklerotischen Manifestationen
diagnostiziert (wie Koronare Herzerkrankung, Zerebrovaskuläre Erkrankung),
was vermuten lässt, dass Männer eher als kardiovaskuläre
Risikopatienten eingeschätzt werden. Inwieweit nach dem Index-Aufenthalt und
der sicheren Diagnose einer pAVK ein Facharzt aufgesucht wurde, was die
Wahrscheinlichkeit einer leitliniengerechten Verschreibung von Statinen und
Blutverdünnern erhöhen würde, war nicht Teil dieser Analyse
und bedarf weiterer Untersuchungen. Weiterhin stellt die Therapie von multimorbiden
Patienten und das Auftreten von Nebenwirkungen Mediziner immer wieder vor
Herausforderungen.
Interessanterweise ist das weibliche Geschlecht in der multivariaten Cox
Regressionsanalyse protektiv gegenüber dem Langzeitüberleben und
Voranschreiten der pAVK zu einer CLTI. Die Sterblichkeit ist bei pAVK Patienten bei
gleichzeitiger Diagnose von DM oder Koronarer Herzerkrankung erhöht [22]. Unsere Analysen zeigten, dass
Männer, häufiger einen DM und/oder eine koronarer
Herzerkrankung aufweisen, was zu einem schlechterem Outcome der männlichen
pAVK Patienten im Stadium der IC beitragen kann. Unsere Analysen zeigten, dass
Männer häufiger rauchen an zerebrovaskulärer Erkrankung
leiden und auch häufiger im Vorfeld einen Herzinfarkt oder Schlaganfall
aufwiesen. Ähnliche Ergebnisse konnten wir bei Patienten, die im Stadium der
CLTI hospitalisiert wurden, zeigen [23].
Die Prognose von pAVK Patienten im Stadium der IC ist erheblich
beeinträchtigt und insbesondere Männer, die zwei Drittel der Kohorte
ausmachen, weisen ein hohes Mortalitätsrisiko und das Risiko eines
Progresses der pAVK auf. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um
geschlechtsspezifische Unterschiede in der pAVK-Therapie und der Prognose dieser
Patientengruppe besser verstehen zu können.
Stärken und Limitationen
Die Stärke unserer Analyse liegt in der großen Anzahl von pAVK
Patienten, da die AOK-Krankenkasse fast 32% der deutschen
Bevölkerung erfasst. Die AOK besteht aus 11 unabhängigen, regionalen
Krankenkassen, die die Gesundheitsversorgung in Deutschland flächendeckend
abdecken. Neben einem über alle Regionen niedrigeren
sozioökonomischen Status, ist der Migrationshintergrund und das Auftreten
von kardiovaskulären Risikofaktoren bei den AOK Versicherten höher,
im Vergleich zu anderen Krankenkassen [11]
[12]. Diese Unterschiede
könnten, je nach regionaler Krankenkasse, zu einer unterschiedlichen
Gesundheitsversorgung führen und somit die Daten beeinflussen. Das FU war
bis zu 5 Jahre lang, ohne dass es zu einem relevanten Verlust der Nachbeobachtung
kam, da ein Wechsel der Krankenkasse, insbesondere im höheren Alter, ein
seltenes Ereignis ist.
Im Gegensatz zu randomisierten Studien, Beobachtungsstudien und Registern,
unterliegen die untersuchten Sekundärdaten der GKV keiner Selektion durch
den Auftraggeber oder der durchführenden Person, sowie ist eine Ablehnung
von Seiten des Pateinten nicht möglich, was eine Verzerrung der Daten
minimiert. Weitere wichtige Vorteile in der Nutzung von Sekundärdaten ist,
dass auch verstorbene Personen und Patienten die aufgrund ihres Alters oder
Erkrankung nicht an Befragungen oder Studien teilnehmen können, inkludiert
werden können [9]. Jedoch weisen die
hier vorgestellten Analysen allgemeine Einschränkungen bei der Verwendung
von Krankenkassendaten auf (z. B. fehlende Informationen über
medizinische Untersuchungen, wie ABI Messungen, Laborparameter, Fragebögen
zur Lebensqualität, Erfolg oder Misserfolg von vaskulären
Prozeduren, Compliance der Patienten bei der Medikamenteneinnahme, etc.). Dies liegt
vor allem daran, dass die Daten routinemäßig für einen
anderen Grund erstellt werden und eine geringe Flexibilität aufweisen.
Darüber hinaus bildeten die Diagnosecodes, die aus
Validierungsgründen verwendet wurden, die Grundlage unserer analysierten
Daten. Das bedeutet, dass nicht abrechenbare Diagnosen oder Behandlungen oft nicht
vorhanden waren und daher nicht in unsere Analysen einbezogen wurden. Im Hinblick
auf kardiovaskuläre Ereignisse (z. B. Myokardinfarkt) oder die
Überlebensrate sind die Gesundheitsdaten aber sehr gut validiert.
Außerdem können Faktoren, die ein Ereignis während der
Nachbeobachtung beeinflussen, identifiziert und statistisch ausgewertet werden.