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DOI: 10.1055/a-1917-5524
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
beim Erscheinen des aktuellen Heftes liegt ein turbulenter Sommer hinter uns. Turbulent nicht nur in Bezug auf eine unerwartet heftige Welle der nun schon fast drei Jahre andauernden Pandemie, sondern auch im Hinblick auf den Rettungsdienst.
Wie selten zuvor demaskieren die Personalausfälle infolge von Erkrankungen oder Quarantänemaßnahmen einen Personalmangel in vielen Bereichen des Rettungsdienstes sowie des Gesundheitswesens im Allgemeinen.
Gerade der Rettungsdienst ist dabei in vielerlei Hinsicht besonders gebeutelt. Unfähigkeit zur Selbsthilfe und gestiegene Erwartungshaltung seitens der Bürger führen zu immer weiter steigenden Einsatzzahlen. Lücken in der hausärztlichen Versorgung, Veränderungen in der Krankenhauslandschaft und abgemeldete Notfallaufnahmen steigern die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes sowie die Bindungszeiten der Rettungsmittel zusätzlich und führen so zu einer weiteren Verknappung. Die Folge sind Besetzungsprobleme. Die Schlagzeilen, die wir in den letzten Wochen immer häufiger und intensiver in den Medien lesen konnten, verdeutlichen dies in besonderer Weise. Es muss etwas passieren!
Um eine weitere Schwächung des Systems abzufedern, braucht es intensives Engagement in Veränderungen. Die in der letzten Legislatur angestoßene, überfällige Reform der Notfallversorgung muss nachgebessert und neu auf den Weg gebracht werden.
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Zur Professionalisierung der Entscheidungsfindung, welcher Sektor des Gesundheitswesens im individuellen Fall für eine adäquate Versorgung sinnvoll ist, muss Patientinnen und Patienten eine einheitliche Anlaufstelle als Lotse im Gesundheitswesen geboten werden.
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Um nicht erforderliche Krankenhausbehandlungen zu vermeiden und Notfallaufnahmen zu entlasten, könnten Heimärzte in Pflegeeinrichtungen und ein erleichterter Zugang zum ambulanten Sektor auch außerhalb der Sprechstundenzeiten einen wichtigen Beitrag leisten.
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Der Notarztindikationskatalog der Bundesärztekammer muss nicht nur eine bessere Trennschärfe ermöglichen, sondern neben der physischen Hilfe für Patientinnen und Patienten durch Notärztinnen, Notärzte und Rettungsfachpersonal auch Hinweise geben, wann eine telemedizinische Unterstützung überbrückend oder als einzige ärztliche Hilfe geboten ist.
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Im gleichen Zuge brauchen Leitstellen neben den klassischen Rettungsmitteln mehr Optionen wie Gemeindenotfallsanitäter, Palliativteams oder sozialpsychiatrische Einsatzkräfte sowie eine Verzahnung mit der Disposition der Kassenärztlichen Notdienste, um gezielter situationsgerechte Hilfe entsenden zu können.
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Es müssen nicht nur mehr Anstrengungen unternommen werden, um Notfallsanitäterinnen und -sanitätern (NotSan) eine möglichst gebietsübergreifend einheitliche Anwendung realistisch erlernbarer und trainierter Fertigkeiten im Wege der Delegation zuzugestehen, sondern vor allem, um die Ausbildungskapazitäten für NotSan deutlich auszubauen und die Qualifizierungsvorgaben für Rettungssanitäter bundeseinheitlich so zu gestalten, dass sie den NotSan eine bessere Unterstützung sind.
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Grundsätzlich nachvollziehbare Maßnahmen wie die mancherorts ermöglichte Absenkung der Qualifikationsvorgaben dürfen allenfalls Mittel zu einer vorübergehenden Entlastung, aber niemals die dauerhafte Lösung sein.
Wir brauchen also einen Ruck im Rettungsdienst und in der gesamten Notfallversorgung, lassen Sie uns daher durch gemeinsame Anstrengungen versuchen, zu einer nachhaltigen Verbesserung zu kommen.
Bei der Lektüre des Hefts wünsche ich Ihnen viel Freude, neue Inputs und Denkanstöße.
Publication History
Article published online:
10 October 2022
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Georg Thieme Verlag KG
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