NOTARZT 2022; 38(05): 288
DOI: 10.1055/a-1936-4969
Leserbrief

Leserbrief zum Beitrag: „Notfallkoniotomie – Schritt für Schritt“

Peter Uhlig
,
Lars Trenkmann

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Artikel bezüglich der Notfallkoniotomie in der Ausgabe NOTARZT 38/2022 [1] darf nicht unkommentiert bleiben.

Die Kollegen haben eine sehr schöne Übersicht über die gängigen Fertigsets zur Koniotomie dargestellt. Einigen Kernaussagen in dem Artikel muss allerdings entschieden widersprochen werden.

  1. …, da das Ligamentum conicum bei normalen anatomischen Verhältnissen auch ohne bildgebende Verfahren gut tastbar und zu identifizieren ist.“

Tatsächlich ist es nicht so einfach, die relevante Struktur zur Koniotomie zu identifizieren. Schon bei normaler Anatomie betragen die Erfolgsraten zum erfolgreichen Auffinden des Ligamentum conicum bei Frauen bei dem Standardverfahren des Laryngeal Handshakes 56%, beim modifizierten Upward-Verfahren 84% [2]. Übergewicht, schlechte Lagerungsbedingungen, Verletzungen und Verlegungen der Halsanatomie verschlechtern das Ergebnis entsprechend! Die Ergebnisse können wir aus der ärztlichen und studentischen Ausbildung in der Klinik, den Untersuchungen von Patienten in der HNO-Praxis und den Erfahrungen in unseren Atemwegskursen bestätigen.

Daraus ergeben sich entscheidende Restriktionen: Sollten die anatomischen Strukturen falsch bestimmt oder aber die Membran erkannt werden, ohne die Mittellinie sicher identifiziert zu haben, macht dies eine erfolgreiche Punktion fast unmöglich. Damit ist die Punktionstechnik, unabhängig ob „over-the-Needle“- oder Seldinger-Technik, von vorherein gegenüber der chirurgischen Technik erheblich im Nachteil.

  1. „als seltener Notfalleingriff ist die Datenlage zur Koniotomie begrenzt und durch widersprüchliche Ergebnisse gekennzeichnet: …“

Die wesentliche Studie zu dieser Thematik bietet die Arbeit von Aziz et al., bei der in einem Beobachtungszeitraum von 20 Jahren der chirurgische Atemweg in prähospitalen Einsätzen des Londoner HEMS (Helicopter Emergency medical Services) ausgewertet wurde [3]. Die Prozedur wurde dort ohne Fertig-Set nach der Skalpell-Bougie-Tube-Technik durchgeführt. Die Erfolgsrate betrug bei 72 durchgeführten chirurgischen Koniotomien in der dort propagierten Form 97%. Alle drei Nadel-Krikothyroidotomien waren hingegen erfolglos und wurden in chirurgische Verfahren umgewandelt.

Des Weiteren ist die chirurgische Technik mittels vertikalem Hautschnitt die einzige Möglichkeit bei unsicherer Identifikation des Lig. conicum, zum Erfolg zu kommen. Nach stumpfer Präparation kann das Ligament leicht getastet und der Zugang mit dem Skalpell und einem atraumatischen Bougie etabliert werden. Diese Rescue-Möglichkeit besteht bei den Punktionstechniken nicht. Für diese – aus unserer Sicht relativ einfache – Technik ist nicht mal ein Fertig-Set notwendig. Ein 10er-Skalpell, ein Bougie und ein 6er-Tubus sind die notwendigen Materialien, die ohnehin auf jedem Rettungsmittel vorhanden sein sollten.

Entsprechend den hier aufgeführten Punkten positionieren sich immer mehr große Fachgesellschaften, wie die Difficult Airway Society [4] und Canadian Airway Focus Group [5], klar zur Schaffung eines chirurgischen Atemwegs. In den Medien der „Free-Open-Access Medical-Education“ (FOAM) wird seit Jahren diese Technik empfohlen (z. B. NERDfallmedizin-Blog [6]). Auch unsere Teilnehmer, die an unfixierten Körperspendern die Punktions- und Skalpell-Zugänge trainiert haben, sprachen sich im Anschluss einstimmig für die Skalpell-Bougie-Technik aus.

Als Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit großer Expertise und Erfahrung in der Durchführung des elektiven und akuten Front-of-Neck-Access würde ich grundsätzlich auf das chirurgische Verfahren zurückgreifen.

Auf das erhebliche Verletzungsrisiko der Trachea bei Verwendung z. B. der Quicktrach möchte ich dabei nicht noch zusätzlich eingehen.



Publication History

Article published online:
10 October 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany