Zeitschrift für Palliativmedizin 2022; 23(06): 295-299
DOI: 10.1055/a-1948-1131
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Doppelkopf: Gerhild Becker und Susanne Kränzle

Gerhild Becker

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Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Hier gibt es drei Stränge: die Biografie, die Freude am Fortschritt, der Eros der Freiheit.Als Schülerin habe ich in den Schulferien im örtlichen Krankenhaus als Aushilfe gearbeitet, einen Mangel an Pflegekräften gab es auch schon damals. Weil ich als Schülerin ja kaum pflegerische Kenntnisse hatte, hat man mich eingesetzt, um die Patient*innen zu betreuen, die zum Sterben ins Badezimmer der Station geschoben wurden. Das war damals wirklich so. Ohne medizinische Kenntnisse konnte ich eigentlich nichts anderes machen, als mich mit diesen Menschen zu unterhalten. Dabei erlebte ich Gespräche, die mich sehr bewegt haben. Ich realisierte, dass das Sterben eine ganz intensive und wichtige Phase des Lebens ist, in der sich das Leben verdichtet und gebündelt wird wie das Licht unter einem Brennglas. Zur selben Zeit wurde in dem Krankenhaus die Gynäkologie renoviert, der Kreißsaal wurde mit Schlümpfen bemalt und schön gestaltet, da man es als wichtig erachtete, wie ein Neugeborenes hinein in das Leben kommt. Ich fragte mich damals, ob es nicht ebenso wichtig ist, wie man aus dem Leben hinausgeht, und ich konnte nicht verstehen, dass man die Menschen zum Sterben ins Stationsbadezimmer schob. An einem Sommerabend saß ich auf den Stufen der großen Treppe vor dem Haupteingang des Krankenhauses und nahm mir vor, dass ich mich beruflich mit dem Sterben beschäftigen wollte, da ich erlebt hatte, dass dieses ja eine ganz wichtige Phase des Lebens ist. Daher beschloss ich, neben meinem bereits seit meiner Konfirmation fest geplanten Theologiestudium zusätzlich auch ein Medizinstudium und möglichst noch weitere Studien zu absolvieren, um mich möglichst umfangreich mit „den grundlegenden Fragen des Lebens & Sterbens“ zu beschäftigen. Im Nachhinein sehe ich dieses als jugendlich kühne Selbstüberschätzung, zumal ich aufgrund meiner sozialen Situation weder mit einer finanziellen noch mit der moralischen Unterstützung eines Studiums von zu Hause rechnen konnte. Jedoch hatte ich die tiefe innere Zuversicht, dass sich schon irgendwie ein Weg für mich eröffnen würde. In der Tat erhielt ich nach dem Abitur die Chance, mithilfe verschiedener Stipendien wirklich studieren zu dürfen, und sogar mehrere Studiengänge. Bis heute betrachte ich dieses als ein großes Geschenk und eine Hypothek, die ich gern zurückzahlen möchte, indem ich Wissen an andere weitergebe.Neben dem biografischen Strang gibt es noch einen weiteren Aspekt, der mich in die Palliativmedizin geführt hat. Hier geht es um die Wissenschaft. Ich wollte in der Medizin immer gerne „vorne dran sein“. Dort, wo Erkenntnisse generiert und neue Wege beschritten werden. Manche Wege entstehen ja erst beim Gehen. Darum war ich und bin ich noch immer ein echter Fan der universitären Medizin. Hier kann man immer wieder neue Fragen stellen und gemeinsam versuchen, fundierte Antworten zu finden. Schon während des Medizinstudiums wurde mir bewusst, dass sich die Medizin an der Schwelle zu einem wichtigen Paradigmenwechsel befindet. Der ungebremste Fortschrittsoptimismus des „Größer, Schöner, Weiter“ kommt – wie in anderen Gesellschaftsbereichen auch – an seine Grenzen; das Optimum ist nicht das Maximum, sondern das Adäquate. Die Palliativmedizin ist in besonderer Weise eine personalisierte Medizin. Personalisierte Medizin umfasst dabei nicht nur molekulargenetische und molekulartechnisierte Diagnostik und Therapieentwicklung, sondern vor allem eine holistische Betrachtung des Patienten als erkranktes Individuum und als geschwächter Knotenpunkt eines sozialen Netzwerkes. Dieses beinhaltet nicht nur Aspekte körperlichen, sondern eben auch psychischen, sozialen und spirituellen Leidens. Analog zum molekulargenetischen Profiling erhebt die Palliativmedizin eine gezielte Bedarfsanalyse der individuellen Belastungen und ergänzt die diagnoseorientierte organspezifische Betreuung klassischer Prägung (vertikale Achsen) durch eine problem- und ressourcenorientierte Betreuungsstruktur, die sich an dem sich im Krankheitsverlauf verändernden individuellen Unterstützungsbedarf der Patient*innen ausrichtet (horizontale Matrix). Der vielfach praktizierte „one size fits it all“-Ansatz, der für dieselbe Erkrankung auch automatisch vergleichbare Patientenbedürfnisse unterstellt, wird weder der Vielfalt noch der Dynamik individueller Bedürfnisse gerecht. Wir behandeln ja keine Krankheiten, sondern erkrankte Persönlichkeiten. Patient*innen bringen immer auch ihre individuellen Erfahrungen, sozialen Hintergründe und Wertvorstellungen mit ein, sodass keine einfachen Zusammenhänge zwischen erlittener Erkrankung und daraus resultierenden Belastungen und Bedürfnissen abgeleitet werden können. In der Palliativmedizin bündeln sich so beständig aktualisiertes medizinisches Know-how und Erfahrungswissen mit der philosophischen Dimension der Medizin als Beziehungswissenschaft zu einer Handlungswissenschaft. Hier wird die Brückenfunktion der Medizin zwischen den Naturwissenschaften und den Geistes- und Sozialwissenschaften in besonderer Weise (er)lebbar und es bieten sich vielfache Anknüpfungspunkte zu einer fakultätenübergreifenden transdisziplinären Forschung.Palliativmedizin – und hier spreche ich bewusst die umfassende ethymologische Bedeutung des Wortes Medizin im Sinne von meditari an, also nicht nur die ärztliche Berufsgruppe, sondern alle im Bereich Palliative Care engagierten Berufsgruppen und Ehrenamtlichen, die gemeinsam im Sinne von meditari als klug ermessende Ratgeber wirken – ist also ein ausgesprochen interessantes (inter esse!) Tätigkeitsfeld, in dem wegweisende Entwicklungen angestoßen werden. Avantgarde im besten Sinne.Der dritte Strang ist etwas schwieriger zu erklären, aber ich will es versuchen. Die Palliativmedizin hat im klassischen Medizinsystem in gewissem Sinne die Rolle eines „Narren“. Die Institution des Narren ist ja ideengeschichtlich ein ganz frühes Motiv, das sich mit unterschiedlichen Attribuierungen durchzieht durch die gesamte Kulturgeschichte. Unter anderem steht die Narrenfigur für die Erinnerung an die Vergänglichkeit. Schon im antiken Rom gab es die Tradition, dass hinter dem im Triumphzug nach Rom einziehenden bejubelten Feldherrn ein Sklave ging, der die Aufgabe hatte, dem siegreichen Feldherrn einen Lorbeerkranz über den Kopf zu halten, dabei jedoch beständig memento mori (bedenke, dass du sterben wirst) zu flüstern. An den Fürstenhöfen war der sog. „Hofnarr“ ein fester Bestandteil des Hofstaates und hatte die Aufgabe, den Herrschenden einerseits als Spaßmacher zu belustigen und aus dem belastenden Alltag resultierende trübe Gedanken zu vertreiben, andererseits sollte er aber auch die Herrschenden an die Vergänglichkeit ihres irdischen Daseins erinnern. Der Narr war zuständig für die „Metaebene“, könnte man sagen. Bewusst stand der Narr mit seiner bunten Kleidung außerhalb der ständischen Ordnung und die gesellschaftliche Norm billigte ihm einen besonders großen Handlungsspielraum, die sprichwörtliche „Narrenfreiheit“ zu. Der Narr hatte das Mandat für Kritik; er durfte es sich erlauben, als kritischer Beobachter des Zeitgeschehens dem herrschenden Fürsten Impulse zum Nachdenken und ggf. auch konträre Einschätzungen zu übermitteln. Die Botschaft des Narren konnte dann ggf. als Narretei abgetan werden, bis die Herrschenden doch ein Einsehen hatten oder aber ihre falsche Einschätzung überholt wurde von der gesellschaftspolitischen Realität.Das ideengeschichtlich alte Motiv des „Narren“ erklärt vielleicht ein wenig das immer wieder erlebbare „Nicht-ganz-ernst-Nehmen“ bis hin zu einer gezielten Abwertung, die wir als Vertreter der Palliativmedizin zuweilen erfahren (hier spreche ich jetzt bewusst von der Palliativmedizin als Teil der Schulmedizin, die Hospizbewegung als geschätztes bürgerschaftliches Engagement ist hiervon meist ausgenommen). Wir stehen für memento mori und stellen durch unser Tun das Paradigma von Größer-Schöner-Weiter infrage. Dieser Bezug zur Metaebene und, das will ich nicht verleugnen, auch die gewisse „Narrenfreiheit“, die wir haben in unserem Fach, machen die Palliativmedizin meiner Meinung nach zu etwas ganz Besonderem.

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Da gibt es viele. Ich liebe Werkzeug und bin begeisterte Handwerkerin. Ab und an betätige ich mich in Freiburg und anderen Orten genussvoll als Fremdenführerin. Sehr talentiert bin ich in der Beratung für Campinggerätschaften und Wohnmobile; manchmal träume ich davon, nach meiner Emeritierung einen Campingplatz zu pachten.

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Espresso, zwei von drei Tageszeitungen, Morgengebet. Alles drei im Bett. Dann stehe ich auf und gehe noch im Schlafanzug langsam und bewusst mit einem Staubtuch durch meine Behausung. Für mich ist dies ein ganz wichtiges Morgenritual. Hier versuche ich, meine Sinnesorgane zu schärfen, denn über diese verbindet sich ja unsere Innenwelt mit der Außenwelt. Diese komplett unintellektuelle sinnliche Wahrnehmung genieße ich sehr. Geprägt durch das protestantische Arbeitsethos verbinde ich die Sinnlichkeit zwar mit dem Staubwischen, aber im Kern geht es um Aisthesis, also die sinnliche Wahrnehmung, bevor dann in der Klinik angekommen klassisch die Noesis, also das Denken dominiert.

Leben bedeutet für mich …

Ein Geschenk.

Sterben bedeutet für mich …

Etwas, das unweigerlich auf mich zukommen wird. Trost gibt mir persönlich der Gedanke, dass wir nicht tiefer fallen können als in Gottes Hand.

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Ich habe viele Ideen und manche Pläne. Aber es gibt kein Ziel, dass ich unbedingt noch erreichen möchte oder gar erreichen müsste. Für diese tiefe Freiheit bin ich sehr dankbar. Je älter ich werde, desto mehr denke ich, dass das Leben gar nicht so linear und teleologisch ausgerichtet ist, wie wir in jungen Jahren denken.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

Träume können wahr werden.

Was würden Sie gern noch lernen?

Da gibt es so viel, dass ich es hier gar nicht aufzählen kann.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Aus meinem Glauben und aus Begegnungen mit Menschen.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Über diese Frage habe ich lange nachgedacht, aber es ist mir keine Person eingefallen. Es mag an meiner protestantischen Sozialisation liegen, ich kann mit Personenkult wenig anfangen. Einen gemeinsamen Abend würde ich gern wieder einmal verbringen mit dem Team unserer Klinik für Palliativmedizin und mit den Studierenden unseres Masterstudienganges. Es fasziniert mich immer wieder, welch großartige Arbeit alle diese Menschen leisten, wie die Gedanken und Ideale von historischen Persönlichkeiten wie z. B. Cicely Saunders mutig weiter entwickelt werden. Respekt kommt ja von re-spicere, wörtlich bedeutet das zurückschauen oder nochmals hinsehen, also ein Modus der Wahrnehmung, mit der wir einer anderen Person begegnen und aktiv uns mit ihr auseinandersetzend ihre Bedeutung erkennen. Insofern bedeutet Respekt vor dem Wirken von Cicely Saunders und anderen Gründungsmüttern und -vätern der Palliativbewegung nicht, Heldinnen und Helden zu verehren, sondern die von ihnen entzündete Flamme weiterzutragen. Ich bin immer wieder berührt davon, was sich aus dieser Energie heraus entwickelt. Manchmal stehe ich abends vor dem Heimgehen eine Weile still vor meiner Klinik und versuche, innezuhalten und ganz bewusst „von außen draufzuschauen“ und die in mir wahrzunehmende Resonanz zu spüren. Immer wieder bin ich dabei in einer tiefen Weise berührt von dem, was die Menschen in meiner Klinik leisten, was sie gemeinsam schaffen. „Schaffen“ sowohl im Sinne von Erreichen und Bewältigen wie auch im Sinne eines schöpferischen Schaffens und Erschaffens einer Atmosphäre, die Räume eröffnet für tiefe Begegnungen zwischen Menschen; in der sich eine Beziehung von Subjekt zu Subjekt entfalten kann, in der ein/e Patient*in, wie Martin Buber es formuliert hat, am Du zum Ich werden kann. Unser pflegendes und ärztliches Handeln erschöpft sich ja nicht in der korrekten Anwendung medizinischer Faktenwahrheiten, sondern es geht auch um Wahrhaftigkeit, um eine intersubjektive Korrespondenz, die charakterisiert ist durch Personalität und Begegnung. Und an diesem Schaffen von örtlichen und zeitlichen Räumen der Begegnung sind nicht nur die in der direkten Krankenversorgung tätigen Menschen beteiligt, sondern auch die vielen Menschen, die nicht direkt am Bett sichtbar sind, aber mit ihrer Arbeit die Arbeit am Bett ermöglichen und die Atmosphäre einer Klinik mitgestalten. Und hier sind wirklich nicht nur alle Berufsgruppen – auch die nicht direkt am Bett sichtbaren (!) – wichtig, sondern jeder einzelne Mensch trägt mit seiner individuellen Persönlichkeit und seinem jeweiligen konkreten Tun bei zu diesem „ökologischen Gesamtkontext“. Wenn ich versuche, bewusst von außen zu schauen auf die Menschen in unserer Klinik für Palliativmedizin oder auch auf die Studierenden in unserem Masterstudiengang, dann spüre ich bei mir einen hohen Respekt vor diesen und eine tiefe Dankbarkeit für diese Menschen … Und ehrlich gesagt: ich bin bannig stolz, sowohl auf unsere Studierenden wie auf das gesamte bunte Team meiner Klinik in Freiburg.Neben diesen etwas tiefsinnigeren Gedanken als basso continuo gibt es aber auch eine ganz hell klingende und ausgesprochen fröhliche Melodiestimme. Auch das gehört sozusagen konstitutiv zur Palliativmedizin: das Lachen, der Humor. Humor ist ja eine Form von Selbsttranszendenz.Gern würde ich daher den erfragten Abend auch verbringen mit unserer Forschungsgruppe, um zusammen mit meinen Wissenschaftler*innen Studienideen für einen Lehrstuhl für inspirierenden Blödsinn zu entwickeln. Dieses ungezwungene und kreative Zusammensein konnte ich früher oft erleben. Leider inzwischen selten, da man als Chefin in einer besonderen Rolle betrachtet wird, die Distanz schafft. Umso wertvoller erlebe ich daher unsere Team-Retreats, an denen wir alle gemeinsam uns an schöne Orte im Schwarzwald zurückziehen. Die gemeinsamen Abende dort sind legendär.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

… mich nicht anders verhalten als wenn ich sichtbar wäre.

Wie können Sie Frau Kränzle beschreiben?

Susanne Kränzle ist für mich ein political animal im besten Sinne. Lehrstühle für Palliativmedizin und viele andere Entwicklungen wären ohne die Hospizbewegung und die beharrliche Graswurzelarbeit vieler ehrenamtlich engagierter Menschen nicht möglich gewesen. Die ehrenamtlich geprägte Hospizbewegung und die Palliativmedizin sind ja beide als Kinder der Hospizidee gewissermaßen Geschwister, Palliativmedizin ist die Integration der Hospizidee in die Schulmedizin. Wie im richtigen Leben auch ist ein Geschwisterverhältnis dabei manchmal nicht ganz frei von Rivalitäten. Susanne Kränzle als Vorsitzender des Hospiz- und PalliativVerbandes Baden-Württemberg gelingt es in einer hervorragenden Weise, Brücken zu bauen zwischen Hospizbewegung und Palliativmedizin. Durch ihr engagiertes und kluges politisches Agieren leistet sie eine ganz wichtige und ausgesprochen erfolgreiche Lobbyarbeit für die Hospizidee, sowohl in Baden-Württemberg wie auch darüber hinaus auf Bundesebene. Die Arbeit, die Susanne Kränzle und andere in der DGP engagierte Menschen in ganz unterschiedlichen Gremien leisten, hat dazu beigetragen, dass die Hospizbewegung aus dem bürgerschaftlichen Engagement heraus zu einer inzwischen deutlich hörbaren Stimme im gesellschaftlichen Diskurs geworden ist. Wenn ich Susanne Kränzle in Gremien erlebe, denke ich oft an Plutarch. Während Epikur mit seinem „Lebe im Verborgenen“ darauf verweist, in einer gewissen Distanz und unabhängig vom äußerlichen Trubel die Seelenruhe im Inneren und im Kreise seelenverwandter Freunde zu suchen, setzt Plutarch dem Individualismus Epikurs ja bewusst die platonisch-aristotelische Lebensauffassung vom Menschen als einem Gemeinschaftswesen (zoon politikon heißt es bei Aristoteles, political animal nennt man es heute) entgegen und den Appell, sich für das Gemeinwohl der polis, aus dem sich ja unser Wort Politik ableitet, zu engagieren.Ich durfte Susanne Kränzle erleben in verschiedenen Gremien und bin immer wieder beeindruckt von ihrer Persönlichkeit; von ihrem Charme, ihrem Humor und ihrem klugen Agieren, mit dem sie für die Umsetzung der Hospizidee in unserer Gesellschaft sehr viel erreicht hat und hoffentlich weiter erreichen wird. Hier fühle ich mich Susanne Kränzle ebenso wie anderen political animals in der DGP zu großem Dank verpflichtet. Es ist ja auch Lebenszeit, die für Gremienarbeit investiert wird …

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Je nach Tagesverlauf mit Bach, Oper oder gut abgehangenem Jazz. Aber eigentlich immer mit Musik. Musik ist eine ganz wichtige Kraftquelle für mich. Sie kann die Seele direkt berühren und einen transzendenten Erlebnisraum eröffnen, eine Welt jenseits von Raum und Zeit, die sich nicht durch den Intellekt erschließen lässt. Musik vermag meine Seele wieder neu zu stimmen. Verschiedene Weisheitslehrer haben ja den Menschen mit der Saite eines Instrumentes verglichen; hat die Saite zu wenig Spannung, klingt sie ausgeleiert, hat sie zu viel Spannung, tönt sie schrill. Meinen Tag zu beenden mit Musik hilft mir, mich zu sammeln, meinen Geist zu reinigen von den Einflüssen des Tages und über berührende Klänge manchmal – das ist nicht herstellbar, sondern ein Geschenk – offen zu werden für ein Unsagbares, das die raumzeitliche Welt überschreitet.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

„Hätten Sie Lust, nebenberuflich eine Lehre zur Kfz-Mechanikerin zu absolvieren?“ Diese Frage müsste aber bitte von einem richtigen „Schrauberbetrieb“ gestellt werden.

Zur Person

Zu meiner Freude gehöre ich zu den drei Lehrstuhlinhaber*innen für Palliativmedizin, die alle an einem 9. Juli geboren wurden (wer die anderen beiden sind, verrate ich hier nicht): in meinem Falle 1962 in Frankfurt am Main. Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf nahe Flensburg, am Meer und an der dänischen Grenze. Das Studium führte mich nach Bethel, Tübingen, Kiel, Hamburg, Freiburg, London, Boston. Studienabschlüsse in Evangelischer Theologie, Medizin, Caritaswissenschaft, Medizinischer Ethik und ein Masterabschluss in Palliative Care bündeln sich in der aktuellen Tätigkeit als Lehrstuhlinhaberin und Ärztliche Direktorin der Klinik für Palliativmedizin an der Universität Freiburg. Die Möglichkeit, Palliative Care gemeinsam mit meinem Team konsequent multiprofessionell und transdisziplinär zu denken und zu leben, sowohl wissenschaftlich wie auch auf der Begegnungs- und Betreuungsebene, empfinde ich als ein großes Geschenk. Diesen Prozess gemeinsam mit ganz unterschiedlichen Menschen weiter voranzubringen ist Lust, ehrlicherweise manchmal auch Last, aber fast immer Erfüllung und innere Zufriedenheit schenkend.

In meinem Tun profitiere ich von Impulsen aus einem bunten Strauß von Weiterbildungen, aus der Tätigkeit in verschiedenen Gremien auf Landes- und Bundesebene und nicht zuletzt aus meiner Position als ordinierte Pfarrerin im Ehrenamt der Evangelischen Landeskirche in Baden.

Neben Patientenbetreuung und Forschung ist mir die Lehre in jedweder Form ein großes Vergnügen. Der Kontakt zu Studierenden – sowohl zu Medizinstudierenden wie auch zu den von mir als Vertrauensdozentin betreuten ganz unterschiedliche Fächer studierenden Stipendiat*innen des Evangelischen Studienwerkes Villigst und zu den Studierenden unseres Freiburger Masterstudienganges Palliative Care für alle in der Palliativmedizin engagierten Berufsgruppen – lässt mich immer wieder auch zu einer selbst Lernenden werden; wenngleich ich immer noch nicht gelernt habe, kürzere Sätze zu schreiben.



Publication History

Article published online:
11 November 2022

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