CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen 2023; 85(03): 165-174
DOI: 10.1055/a-1961-1064
Originalarbeit

Wie verbreitet sind komplementärmedizinische Verfahren in bayerischen Krankenhäusern? Eine Vollerhebung für Bayern mittels Website-Screening

How Common are Complementary Medicine Procedures in Bavarian Acute Care Hospitals? Results of A Bavarian-wide Website Screening
Anne Kollikowski*
1   CCC WERA, Komplementäre Onkologie Integrativ, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
2   Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Germany
,
Lisa Schiffmann*
1   CCC WERA, Komplementäre Onkologie Integrativ, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
2   Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Germany
,
Katharina Gabriel
2   Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Germany
,
Ildikó Gágyor
3   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
,
Peter Heuschmann
2   Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Germany
4   Zentrale für Klinische Studien Würzburg, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
,
Jost Langhorst
5   Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde, Sozialstiftung Bamberg, Bamberg, Germany
6   Stiftungslehrstuhl für Integrative Medizin, Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Bamberg, Germany
,
2   Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg, Germany
7   Landesinstitut Gesundheit I, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Erlangen, Germany
,
Claudia Löffler
8   Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Würzburg , Würzburg, Germany
1   CCC WERA, Komplementäre Onkologie Integrativ, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund In Deutschland werden komplementärmedizinische Verfahren von bis zu 62% der Patienten genutzt, Art und Ausmaß dieser Versorgungsangebote im stationären Sektor sind jedoch nicht bekannt. Die Zielsetzung der Studie war es, eine Statuserhebung zu komplementärmedizinischen Verfahren mittels Screening der Internetauftritte aller bayerischen Akutkrankenhäuser jeglicher Versorgungsstufe durchzuführen, um das Spektrum der angewendeten komplementärmedizinischen Verfahren zu erfassen.

Methoden Im Jahr 2020 wurde nach dem Vier-Augen-Prinzip ein unabhängiges und vollständiges Website-Screening aller bayerischen Akutkrankenhäuser durchgeführt. Angebotene Verfahren aus der Komplementärmedizin wurden in der Gesamtheit sowie getrennt nach Fachgebieten analysiert.

Ergebnisse Von 389 bayerischen Krankenhäusern aus der Akutversorgung boten 82% auf ihrer Website mindestens ein und 66% mindestens drei unterschiedliche komplementärmedizinische Verfahren an. Am häufigsten wurden Entspannungstechniken (52%), Akupunktur (44%), Massagen (41%), Bewegungs-, Kunst- und Musiktherapie (33%, 30% bzw. 28%), meditative Bewegungsverfahren wie Yoga (30%) und Aromatherapie (29%) angeboten. Nach Fachgebieten getrennt fanden sich komplementärmedizinische Verfahren mit 87% am häufigsten in der Psychiatrie/Psychosomatik (primär Entspannungsverfahren 69%, Bewegungs- und Kunsttherapie jeweils 60%), sowie mit 72% in der Gynäkologie/Geburtshilfe (primär Akupunktur 64%, Homöopathie 60% und Aromatherapie 41%).

Schlussfolgerungen Die große Mehrheit der bayerischen Akutkrankenhäuser scheint laut ihrer Internetauftritte auch komplementärmedizinische Verfahren in der Therapie einzusetzen, insbesondere bei psychischen Indikationen sowie in der Geburtshilfe und Gynäkologie. Wie häufig diese im Klinikalltag tatsächlich zur Anwendung kommen und ob dies sich auch an der aktuellen Evidenz orientiert, sollte in weiteren Studien untersucht werden.


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Abstract

Background In Germany, complementary medicine is used by up to 62% of patients, but type and extent of in-patient complementary care are not known. The objective of this study was, therefore, to conduct a survey on complementary medicine procedures in Bavarian acute care hospitals by screening the websites of all respective facilities in order to cover a broad range of complementary procedures.

Methods In 2020, an independent and comprehensive website screening of all 389 Bavarian acute hospitals, including all departments, was conducted by two independent raters. Complementary medicine procedures offered were analysed in total as well as separately by specialty.

Results Among all 389 Bavarian acute care hospitals, 82% offered at least one and 66% at least three different complementary procedures on their website. Relaxation techniques (52%), acupuncture (44%), massage (41%), movement-, art-, and music therapy (33%, 30%, and 28%), meditative movement therapies like yoga (30%), and aromatherapy (29%) were offered most frequently. Separated by specialty, complementary procedures were most common in psychiatry/psychosomatics (relaxation techniques 69%, movement and art therapy 60% each) at 87%, and in gynaecology/obstetrics (most common acupuncture 64%, homeopathy 60%, and aromatherapy 41%) at 72%.

Conclusion The vast majority of Bavarian acute care hospitals also seem to conduct complementary medicine procedures in therapy, especially for psychological indications and in obstetrics and gynaecology, according to the hospital websites. How often these procedures are used in inpatient or outpatient settings as well as evidence on effectiveness of the applied procedures should be investigated in further studies.


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Einleitung

Das Interesse an klassischen Naturheilverfahren und komplementärmedizinischen Therapien hat in Deutschland zugenommen [1] [2] [3]. Häufig genannte Gründe für die Inanspruchnahme sind die Verbesserung des allgemeinen, körperlichen und emotionalen Wohlbefindens sowie die Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung. Auch die Linderung von Nebenwirkungen konventioneller Therapien und die Wünsche „nichts unversucht zu lassen“, „nach Heilung“ oder „eine ganzheitliche Behandlung zu erhalten“ werden von Anwendern als Gründe aufgeführt [4]. Insbesondere findet sich eine hohe Akzeptanz bei Frauen mittleren Alters mit höherer Schulbildung [3] [5] [6]. Ein systematisches Review mit 87 Studien aus EU-Ländern zeigte für Deutschland sehr heterogene Ergebnisse (15 meist kleine Studien mit z.T. Limitationen) mit Anwendungshäufigkeiten komplementärmedizinischer Verfahren von 5–62% [7]. Deutsche Patienten gaben an, am häufigsten Akupunktur, Bewegungstherapie, Chirotherapie, Homöopathie, (Reflexzonen-) Massagen und Phytotherapie zu nutzen [8] [9]. Nicht für alle Verfahren existieren aussagekräftige Ergebnisse zur Wirksamkeit aus qualitativ guten Studien. In einigen Leitlinien, wie z. B. für den unspezifischen Kreuzschmerz (Nationale Versorgungsleitlinie), das Reizdarmsyndrom (S3-Leitlinie), Colitis ulcerosa (S3-Leitlinie) oder Mammakarzinom (S3-Leitlinie) sind komplementärmedizinische Methoden aufgrund vorhandener Evidenz etabliert [9] [10]. Als weiterer wichtiger Meilenstein wurde im Juli 2021 die erste S3-Querschnitts-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen“ veröffentlicht [11].

Auch auf der Anbieterseite ist insbesondere unter niedergelassenen Ärzten ein wachsendes Interesse an komplementärmedizinischen Verfahren zu erkennen. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland insgesamt 49.000 Zusatzbezeichnungen in Akupunktur, Balneologie, Homöopathie, Chirotherapie, Naturheilverfahren und/oder physikalischer Therapie registriert [12]. Von 1.471 deutschen Hausärzten wendeten 60% im beruflichen Alltag komplementärmedizinische Verfahren an [13]. Vergleichbare Daten finden sich für niedergelassene Orthopäden, Gynäkologen und Internisten [14] [15].

In Deutschland mangelt es hingegen an repräsentativen Daten zu komplementärmedizinischen Verfahren in der stationären Versorgung. Daher war es das primäre Ziel dieser Studie, das angebotene Spektrum von komplementärmedizinischen Verfahren in bayerischen Akutkrankenhäusern unter Berücksichtigung der verschiedenen Fachabteilungen zu untersuchen. Zusätzlich sollten Informationen zu entsprechenden Qualifikations- und Fortbildungsangeboten, Forschungsprojekten und entsprechende Lehrangebote erfasst, sowie die Häufigkeiten angebotener komplementärmedizinischer Verfahren nach Regierungsbezirken getrennt bestimmt werden.


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Methodik

Studiensetting und Auswahl der Kliniken

Im Zeitraum vom 12.03.2020 bis zum 26.11.2020 wurde nach dem Vier-Augen-Prinzip eine Vollerhebung aller bayerischen Akutkliniken mittels eines Website-Screenings durchgeführt. Entsprechend des bayerischen Krankenhausplanes vom 01.01.2020, wurden 389 Akutkliniken aus allen sieben Regierungsbezirken erfasst. Darunter waren sowohl Häuser, welche nach dem KHG/BayKrG gefördert werden, als auch solche, welche Versorgungsverträge nach §§ 108 Nr. 3, 109 SGB V mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen vorweisen. Nicht eingeschlossen in die vorliegende Studie wurden Rehakliniken und Häuser, die in Planung, im Bau oder bereits geschlossen waren.


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Mehrstufige Suchstrategie

Zwei Gesundheitswissenschaftlerinnen (AK, LS) screenten unabhängig voneinander den gesamten Internetauftritt der Kliniken, inklusive aller Abteilungen. Anschließend wurden in die Suchfunktion der Klinikwebsite die Begriffe „komplementär*“, „naturheilkund*“ und „integrativ*“ eingegeben. Nach einem Abgleich wurde bei unterschiedlichen Ergebnissen über die Funktion Strg+F gezielt auf der Homepage nach den Begriffen gesucht sowie über die Suchmaschine Google die Klinik und die jeweiligen Begriffe gezielt abgefragt. Eingeschlossen wurden Inhalte und/oder Veranstaltungen aus den Jahren 2015 bis 2020.


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Erfassung der komplementärmedizinischen Verfahren sowie weiterer Angaben

Die im Screening berücksichtigten Begriffe und Bezeichnungen der komplementärmedizinischen Verfahren wurden während der ersten Durchführung des Screenings laufend erfasst und ergänzt. In der zweiten Durchführung des Screenings erfolgte die Erfassung der insgesamt 46 komplementärmedizinischen Verfahren anhand der erstellten Liste. Die Erfassung erfolgte ohne eine qualitative Auswertung der Beschreibung oder Darstellung von komplementärmedizinischen Verfahren.

Ergänzend wurden Angaben zur Finanzierung der komplementärmedizinischen Verfahren, Zusatzqualifikationen, Fortbildungsmöglichkeiten und Forschungsprojekte erfasst.


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Statistische Analysen

Die Auswertung erfolgte mit IBM SPSS Statistics 26 rein deskriptiv durch Berechnungen von absoluten und relativen Häufigkeiten. Die Ergebnisse des Screenings wurden für alle 389 bayerischen Akutkliniken zusammen sowie getrennt nach den sieben Regierungsbezirken ausgewertet. In Subgruppenanalysen wurden u. a. Kliniken mit psychiatrischer und/oder psychosomatischer Ausrichtung im Vergleich zu anderen Kliniken getrennt ausgewertet. Ebenso sollten die Ergebnisse der Fachabteilungen mit den häufigsten Treffern getrennt ausgewertet werden. Aufgrund des explorativen Ansatzes dieser Studie, wurde kein formales statistisches Signifikanzlevel definiert.


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Ergebnisse

Charakteristika der Kliniken

Die Charakteristika der Kliniken (Trägerschaft und Versorgungsstufe (VS)) sind in eTabelle 1 (Online-Supplement) sortiert nach den sieben bayerischen Regierungsbezirken aufgeführt. Die meisten bayerischen Akutrankenhäuser waren in öffentlicher Trägerschaft (58%; n=226). Fast 40% (n=153) aller bayerischen Akutkliniken lagen im Regierungsbezirk Oberbayern (eTabelle 1).


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Allgemeine Häufigkeiten von komplementärmedizinischen Verfahren

In vier von fünf bayerischen Akutkliniken (dem Bayerischen Krankenhausplan vom 01.01.2020 entnommen) konnte mindestens ein komplementärmedizinisches Verfahren identifiziert werden: dies betraf 85% (n=193) der Kliniken öffentlicher Träger, 81% (n=95) der Häuser in privater Hand und 70% (n=32) von freigemeinnützigen Trägern. Während in allen 35 Krankenhäusern der Versorgungsstufe 2 (VS-2) mindestens ein komplementärmedizinisches Verfahren identifiziert wurde, war dies in 94% (n=15 der 16) Kliniken der Versorgungsstufe 3 (VS-3) sowie in jeweils 80% der 186 Fachkrankenhäuser (n=149) und der 152 Kliniken der Versorgungsstufe 1 (VS-1) (n=121) der Fall. Mindestens drei komplementärmedizinische Verfahren wurden in 66% (n=258) aller Kliniken angeboten ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Angebot insgesamt und die 10 häufigsten angebotenen komplementärmedizinischen Verfahren in bayerischen Akutkliniken; a In allen bayerischen Akutkliniken (n=389); b In allen bayerischen Akutkliniken ohne psychiatrische und psychosomatische Akutkliniken (n=292); c In allen bayerischen psychiatrischen und psychosomatischen Akutkliniken (n=97); *Entspannung nicht näher bezeichnet, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation, Imagination, Phantasiereisen und Visualisierung, Atemtherapie, -übungen; **Massagen im Allgemeinen, Fußreflexzonenmassage (am häufigsten genanntes Massageverfahren), Druck-/Reflex-, Kolon-, Bindegewebs-, Reiz-, Periost-, Segmentmassagen

Mindestens ein komplementärmedizinisches Verfahren wurde am häufigsten in den Kliniken des Regierungsbezirks Schwaben identifiziert (90%; n=45) wohingegen Niederbayern (74%; n=31) die meisten Kliniken aufwies, die mindestens drei unterschiedliche Verfahren anboten. Kliniken in Unterfranken (70%; n=28 bzw. 48%; n=19) boten im Vergleich am wenigsten an ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Anteil der Akutkliniken in bayerischen Regierungsbezirken, die mindestens 1 bzw. mindestens 3 komplementärmedizinische Verfahren anbieten, sowie Anteil der Akutkliniken in bayerischen Regierungsbezirken, die Akupunktur; Tai Chi, Qi Gong oder Yoga; Homöopathie; Aromapflege; Fußreflexzonenmassage anbieten. Hellgrau=bis 30%; Dunkelgrau=über 30% (Farbunterschiede zur besseren Sichtbarkeit gewählt); Gesamtanzahl der Kliniken in den Regierungsbezirken: Unterfranken: 40; Oberfranken: 32; Mittelfranken: 41; Oberpfalz: 31; Schwaben: 50; Oberbayern: 153; Niederbayern: 42)

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Häufigkeiten spezifischer komplementärmedizinischer Verfahren

[Abb. 1] zeigt jeweils die zehn häufigsten komplementärmedizinischen Verfahren in allen Kliniken (1a), sowie nochmals differenziert in den 292 nicht-psychiatrisch/nicht-psychosomatischen Kliniken (1b) und in den 97 Kliniken für Psychiatrie/Psychosomatik (1c). Betrachtet man zunächst die Gesamtheit aller Kliniken wurden mit etwa 54% (n=209) am häufigsten nicht näher bezeichnete Entspannungsverfahren, Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training, Meditation, Imagination, Phantasiereisen und Visualisierung, Atemtherapie und -übungen gefunden. Darauf folgen Akupunktur (44%; n=170) und Massagen (41%; n=161, z. B. Klang-, Druck-/Reflex-, Bindegewebs-, Segment-, Periost-, Kolon-, Fußreflexzonenmassage). Etwa ein Drittel der gescreenten Krankenhäuser führten Bewegungstherapie, Kunsttherapie und meditative Bewegungstherapien (Tai Chi, Qi Gong, Yoga) auf.

Bei der Auswertung einzelner Verfahren sortiert nach Regierungsbezirken zeigt sich, dass Akupunktur und Homöopathie am häufigsten in Niederbayern (in 57%; n=24 bzw. 33%; n=14 der Kliniken), Tai Chi, Qi Gong und Yoga mit 30% am häufigsten in Mittelfranken (n=13) und der Oberpfalz (n=10), Fußreflexzonenmassage und Aromapflege/-therapie (je 40%; n=20) am häufigsten in schwäbischen Kliniken angeboten wurden ([Abb. 2]). Bayernweite Häufigkeiten aller identifizierten komplementärmedizinischen Verfahren sind in eTabelle 2 aufgeführt.


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Fachspezifische Auswertungen

Bei der Auswertung nach Fachgebieten zeigte sich, dass die Psychiatrie und/oder Psychosomatik mit 87% (n=125) bzw. 74% (n=106) am häufigsten mind. ein bzw. drei komplementärmedizinische Verfahren aufführten (führend Entspannungsverfahren, Bewegungs- und Kunsttherapie). Es folgten die Gynäkologie/Geburtshilfe (73%; n=99 bzw. 57%; n=78, führend Akupunktur, Homöopathie und Aromapflege/-therapie), sowie die Palliativmedizin (66%; n=45 bzw. 37%; n=25, führend Musiktherapie, Kunsttherapie, Entspannungsverfahren). Deutlich seltener war dies der Fall in der Inneren Medizin (28%; n=60bzw. 11%; n=24, führende Verfahren Entspannungsverfahren, Akupunktur und Massagen) und Chirurgie (16%; n=32 bzw. 3%; n=7, führend Akupunktur, Madenbehandlung, Entspannungsverfahren und Massagen) ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Allgemeine Häufigkeit (linke Seite) und die 10 häufigsten komplementärmedizinischen Verfahren (rechte Seite) in 5 unterschiedlichen Abteilungen bayerischer Kliniken; INN=Innere; CHI=Chirurgie; PSY=Psychiatrie/Psychosomatik; GYN=Gynäkologie und Geburtshilfe; PAL: Palliativstation; *mögliche Entspannungsverfahren: Entspannung nicht näher bezeichnet, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation, Imagination, Phantasiereisen, Visualisierung, Atemtherapie, - übungen; **Massagen im Allgemeinen, Fußreflexzonen-, Druck-/Reflex-, Kolon-, Bindegewebs-, Reiz-, Periost-, Segmentmassagen

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Anwendungsbereiche

Zu den angegebenen Anwendungsbereichen der komplementärmedizinischen Verfahren gehörten der Einsatz als eigenständige Therapie (65%; n=254), zur Prävention (7%; n=27), als Unterstützung einer konventionellen Therapie (7%; n=27) und als Vorbereitung vor einer medikamentösen Therapie bzw. vor operativem Eingriff (5%; n=18). Insgesamt 27% (n=104 Kliniken) gaben an, einen Behandlungsplan für den Einsatz komplementärmedizinischer Verfahren zu führen. Knapp die Hälfte der Kliniken (49%; n=189) gaben an, dass sie komplementärmedizinische Verfahren als zusätzliche Verfahren oder begleitend zur evidenzbasierten Therapie einsetzen würden. Auf 14% (n=55) der Websites fanden wir Angaben zum Potenzial der Verfahren bei Krankheits- und Beschwerdebildern sowie zur Wirksamkeit und/oder Limitationen der Verfahren. Etwa ein Drittel der Kliniken (n=137) griff Inhalte zur Komplementärmedizin z. B. in Flyern oder an Aktionstagen, im Rahmen von Workshops und Zusatzangeboten wie z. B. Lehrküche auf.


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Finanzierung der komplementärmedizinischen Verfahren

Circa 30% (n=116) der Kliniken machten Aussagen zur Finanzierung der komplementärmedizinischen Angebote auf den Websites. Am häufigsten war dies eine Finanzierung über die gesetzlichen Krankenkassen (23%; n=89) und Selbstzahler (15%; n=53), während es sich in 4% (n=14) um für Patienten kostenlose Angebote, die durch Spenden (2%; n=8) oder einen Verein ermöglicht wurden, handelte. Vereinzelt wurde auf IGeL-Leistung, Zusatzversicherung und die Beihilfe hingewiesen.


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Zusatzqualifikationen und Fortbildungsangebote für komplementärmedizinische Verfahren

Angaben zu potentiell relevanten Qualifikationen einzelner Mitarbeiter führten 27% (n=105) der Kliniken auf. Darunter fielen auch Krankenhäuser, welche kein Verfahren auf der Website anboten, aber auf diese Qualifikation ihres Fachpersonals hinwiesen. Am häufigsten wurden Zusatzqualifikationen für Akupunktur (11%; n=43) und Naturheilverfahren (10%; n=37) genannt, während Aromapflege/-therapie und Chiropraxis (jeweils 5%; n=18) sowie Homöopathie (4%; n=16) seltener aufgeführt wurden. Auf knapp 11% (n=42) der Klinikwebsites wurden komplementärmedizinische Fortbildungsangebote für Ärzte, Pflegekräfte, weitere klinische Mitarbeiter und Medizinstudierende sowie Patienten und allgemein Interessierte beworben.


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Forschungsprojekte im Zusammenhang mit komplementärmedizinischen Verfahren

Zur Forschung im Bereich der komplementärmedizinischen Verfahren machten 3% (n=11Kliniken) Angaben, darunter drei Universitätskliniken. Jeweils vier Krankenhäuser waren der VS-3 und den Fachkrankenhäusern zuzuordnen, zwei der VS-2 und eine Klinik der VS-1.


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Diskussion

Hauptergebnisse

Die Kompletterhebung der Websites aller bayerischen Akutkliniken zeigte, dass mit 82% (n=320) der Großteil der bayerischen Akutkrankenhäuser mindestens ein komplementärmedizinisches Verfahren anboten, 66% (n=258) mindestens drei Verfahren, und über die Hälfte der Kliniken boten sogar bis zu fünf Verfahren an. Am häufigsten war dies der Fall in den psychiatrischen und psychosomatischen Abteilungen sowie in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Regionale Unterschiede in der Häufigkeit einzelner komplementärmedizinischer Verfahren waren zu erkennen, zeigten jedoch insgesamt keinen klaren Trend.

Wie häufig die Verfahren bei bestimmten Indikationen auch tatsächlich im klinischen Alltag eingesetzt werden, wurde in dieser Studie nicht untersucht, ebenso wurde keine Bewertung der Evidenz der einzelnen komplementärmedizinischen Verfahren vorgenommen. Auf 14% (n=55) der Websites wurden Angaben zum Potenzial der Verfahren bei Krankheits- und Beschwerdebildern sowie zur Wirksamkeit und/oder Limitationen der Verfahren gefunden.


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Vergleich mit anderen Studien

Die vorliegende explorative Studie ist die erste zu Art und Ausmaß der komplementärmedizinischen Versorgungsangebote im stationären Sektor in Bayern bzw. Deutschland. Vergleichbare Studien in Europa sind rar. In einer Umfrage aus dem Jahr 2013 wurde ein einseitiger Fragebogen an die Klinikdirektoren aller norwegischen Krankenhäuser (n=80) versendet, um mögliche Veränderungen in der Nutzung von komplementärmedizinischen Verfahren in Krankenhäusern im Vergleich zur Vorerhebung aus 2008 zu erfassen. Der Anteil der Krankenhäuser, die ein komplementärmedizinisches Verfahren anboten, war von 50% im Jahr 2008 auf 64% im Jahr 2013 gestiegen, bei einem sehr hohen Rücklauf von 74% (n=59) [16]. Im Vergleich zu diesen Ergebnissen scheint die Häufigkeit dieser Angebote in bayerischen Kliniken aktuell deutlich höher zu liegen.

Insgesamt wurden 46 verschiedene komplementärmedizinische Verfahren auf den Klinikwebsites identifiziert, am häufigsten davon Entspannungsverfahren mit 54% (n=209), gefolgt von Akupunktur (44%; n=170) und Massagen (41%; n=161).

Entspannungsverfahren

Der Sammelbegriff „Entspannungsverfahren“ fasst in der vorliegenden Arbeit verschiedene Techniken zusammen, da die Akutkliniken auf den Websites sowohl Entspannung als Überbegriff aber auch spezifische Methoden aufführten. Im Vergleich zu den vorliegenden Daten aus der stationären Versorgung, zeigen Studien aus dem ambulanten Bereich, die sowohl Anbieter als auch Patienten befragten, eine auffällig häufige Nutzung von Entspannungsverfahren. Über 50% der niedergelassenen Allgemeinmediziner in Deutschland nutzen in einer repräsentativen Erhebung regelmäßig Entspannungsverfahren in der Patientenversorgung [17]. Auch Gynäkologen empfehlen sowohl in der gynäkologischen Versorgung als auch speziell in der Onkologie Entspannungsverfahren in vergleichbarem Ausmaß [14]. Patienten mit Autoimmunerkrankungen nutzten Erhebungen zu Folge in 42% Entspannungsverfahren oder Meditation [6]. Eine repräsentative deutsche Studie zeigte hingegen, dass weniger als 10% der Allgemeinbevölkerung Entspannungsverfahren nutzt, was in knapp 30% der Fälle auf ärztliche Empfehlung hin erfolgte [8].


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Akupunktur

Akupunktur wird im Vergleich zu Studien in anderen Ländern ebenfalls sehr häufig an bayerischen Akutkrankenhäusern angeboten. In skandinavischen Studien wurde Akupunktur zwar insgesamt mit bis zu 97% als häufigstes Verfahren identifiziert, jedoch in Folgeerhebungen nur in 37% der Krankenhäuser angeboten [16] [18]. Die Indikationen für den Einsatz von Akupunktur in diesen Studien waren überwiegend die Behandlung von Schmerzen oder in der Schwangerschaft bzw. während der Geburt. Damit verglichen ist dieses komplementärmedizinische Angebot in bayerischen Krankenhäusern aktuell sehr häufig vertreten. In einer Befragung von 2002 gaben 9% an, Akupunktur in den letzten 12 Monaten genutzt zu haben und 62% davon aufgrund einer ärztlichen Empfehlung [8]. Akupunktur gilt als evidenzbasiertes Therapieverfahren bei Verdauungsbeschwerden, postoperativer Übelkeit und Erbrechen sowie bzgl. Schmerz [19]. Die Wirksamkeit der Akupunktur ist je nach Indikation mit unterschiedlich starker Evidenz belegt [20].


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Massagen

Massagen fielen ebenfalls unter die drei am häufigsten angebotenen Verfahren. Ähnlich wie bei den Entspannungsverfahren konnten die genauen Techniken und Anwendungen oft nur allgemein und nicht immer spezifisch erfasst werden. Das reduziert insbesondere die Trennschärfe bzgl. der Anwendung der Massage, ob diese im klassischen Sinne (usual-care) oder als ergänzende komplementärmedizinische Maßnahme eingesetzt wird. Eine Analyse von Querschnittsdaten einer nationalen Gesundheitsbefragung aus dem Jahr 2012 in den USA ergab eine Inanspruchnahme von Massagen durch Patienten von 7% in den letzten 12 Monaten [21]. Für Massagen liegen aussagekräftige Studien bei verschiedenen Arten von Schmerz, Autoimmun- und Immunerkrankungen, Hypertonie sowie bei pränataler und postnataler Entwicklung von Frühgeborenen und Neugeborenen vor. Die Evidenz wird dabei unterschiedlich bewertet [22]. Im Hinblick auf mögliche Indikationen finden sich nationale und internationale Studienergebnisse zur Prävention und Therapie zum Beispiel bei onkologischen Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates oder in der Schwangerschaft (11,9–18,2%) [8] [23] [24] [25]. Die Nennung der Massagen als Therapieverfahren in der Komplementärmedizin fällt deutlich seltener aus als im Screening. Ursächlich könnte das individuelle Verständnis der Befragten hinsichtlich der Zuordnung von Massageverfahren als komplementärmedizinische Verfahren sein. In der Zusammenschau erscheint die Häufigkeit mit knapp 40% dennoch überdurchschnittlich hoch.


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Fachabteilungen

Insbesondere in Kliniken bzw. Abteilungen für Psychosomatik und Psychiatrie sind Verfahren, die häufig zu den komplementärmedizinischen Verfahren gezählt werden bzw. in anderen Fachgebieten eine eher untergeordnete Rolle zu spielen scheinen, oftmals fester Bestandteil der Behandlungskonzepte. Aufgrund dieser Tatsache wurde in der vorliegenden Studie auch eine Auswertung im Hinblick auf diese Besonderheit durchgeführt und die Ergebnisse aufgeteilt nach psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken im Vergleich zu allen anderen Kliniken erneut berechnet.

Die Akupunktur und Massagen fallen in den psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken nicht mehr unter die drei häufigsten angebotenen Verfahren, dafür folgen nach den Entspannungsverfahren die Bewegungs- und Kunsttherapie. Diese und weitere im Fachbereich der Psychiatrie und Psychosomatik etablierte Verfahren (wie z. B. Musiktherapie, achtsamkeitsbasierte Verfahren oder meditative Bewegungstechniken) werden aufgrund ihrer hohen Evidenz häufig eingesetzt und werden entsprechend in den verschiedenen Leitlinien für z. B. Depression, Essstörungen, Psychoonkologie oder auch Demenzerkrankungen als Therapieoptionen aufgeführt. Demnach erscheint es nachvollziehbar, dass diese speziellen Verfahren in diesen Fachrichtungen nicht zwangsläufig den Komplementärverfahren zugerechnet werden, da sie inzwischen zunehmend fester Bestandteil der konventionellen Behandlungskonzepte geworden sind.

Akupunktur, Homöopathie und Aromapflege waren besonders häufig in der Gynäkologie/Geburtshilfe zu finden. Diese Ergebnisse fanden sich auch in zwei Fragebogen-basierten Studien. In einer bundesweiten Befragung aller deutschen geburtshilflichen Abteilungen waren bei einer Rücklaufquote von 40%, Akupunktur (97%), Homöopathie (93%) und Aromatherapie (77%) ebenfalls am häufigsten vertreten [26]. Eine weitere Umfrage in allen nordrhein-westfälischen Abteilungen für Geburtshilfe, mit einer Rücklaufquote von 73% zeigte ebenfalls, dass Akupunktur (100%), Homöopathie (96%) und Aromatherapie (51%) sehr häufig eingesetzt werden [27]. Die komplementärmedizinischen Verfahren werden hierbei sowohl von Gynäkologen, als auch von Hebammen häufig angewendet und sind, sowohl im ambulanten, wie auch stationären Setting zum Teil fest implementiert [14] [27] [28]. Eine Erklärung hierfür könnte neben der bekanntermaßen hohen Nachfrage bzw. Inanspruchnahme durch Frauen auch sein, dass insbesondere die Akupunktur Bestandteil gynäkologischer Leitlinien wie z. B. der S3-Leitlinie Mamma CA ist.

Sowohl in Abteilungen für Innere Medizin, als auch in der chirurgischen Versorgung wurden komplementärmedizinische Verfahren im Vergleich deutlich seltener aufgeführt. Eine deutsche nicht-repräsentative Patientenbefragung in der Orthopädischen- und Unfallchirurgie zeigte, dass 76% der Patienten bereits Erfahrungen mit komplementärmedizinischen Verfahren insbesondere mit Bewegungstherapie (44%) und Nahrungsergänzungsmitteln (31%) hatten [29]. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten dagegen, dass nur 16% der chirurgischen Abteilungen mindestens ein komplementärmedizinisches Verfahren anboten, am häufigsten Akupunktur und Madentherapie (je 4%). Die Evidenz für den Einsatz einzelner Verfahren, z. B. perioperativ zur Unterstützung der Rekonvaleszenz ist aber bereits vorhanden. Gleiches gilt für bestimmte internistische Erkrankungen wie z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED). In zwei Studien von Patienten mit CED wurden Erfahrungen mit komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden erfasst. In einer Fragebogenstudie gaben 51% der Befragten an, bereits Erfahrungen zu haben, wobei dies mehr Patienten mit Colitis ulcerosa (59,8%) als Patienten mit Morbus Crohn (48,3%) betraf [30]. In einer Befragung von Patienten mit CED, die an einer nationalen Tagung zu Komplementärmedizin der Deutschen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) teilnahmen, gaben 47% der 112 Befragten an, entsprechende Verfahren bereits einmal genutzt zu haben. Verglichen wurde dies mit einer zufällig gewählten Stichprobe, ebenfalls bestehend aus CED Patienten, bei der sogar 51% der 684 Befragten angegeben haben, Erfahrungen mit komplementärmedizinischen Verfahren zu haben [31].


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Qualifikation

Auf 27% der Krankenhauswebsites wurden Angaben zur Qualifikation für komplementärmedizinische Verfahren einzelner Mitarbeiter genannt. Wenn diese Zahlen auch tatsächlich die Versorgungsrealität wiederspiegeln zeigt dies, dass entsprechende Zusatzqualifikationen im stationären Bereich nicht so verbreitet sind wie bei Versorgern im ambulanten Setting. In einer repräsentativen Befragung gaben z. B. 61% der Hausärzte eine Zusatzqualifikation in Komplementärmedizin an. Im Speziellen waren dies: Akupunktur 38%, Naturheilverfahren 26%, Manuelle Medizin 17%, Homöopathie 10% [32]. Ähnliche Häufigkeiten zeigen sich bei den allgemeinmedizinischen Weiterbildungsassistenten [33]. Die in der vorliegenden Arbeit am häufigsten gefundene Qualifikation Akupunktur wurde vor allem in den Abteilungen für Gynäkologie und Geburtshilfe aufgeführt. Dies passt zu den Ergebnissen aus einer deutschlandweiten Erhebung, die eine Anwendungshäufigkeit der Akupunktur durch Ärzte und Hebammen in geburtshilflichen Abteilungen von bis zu 97% ergab [26]. In Nordrhein-Westfalen wird in 66% der Fälle durch die Hebamme, in weniger als 5% durch ÄrztInnen und in 29% gemeinsam Akupunktur in der Geburtshilfe durchgeführt [27].


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Stärken und Limitationen

Bisherige Studien zur Häufigkeit von komplementärmedizinischen Verfahren basierten auf Befragungen in schriftlicher, telefonischer und persönlicher Form mit den entsprechenden Vor-und Nachteilen [16] [18] [26] [27]. Zu den Stärken dieser Studie zählt die Einbeziehung der kompletten Klinik-Homepages aller Akutversorger, was unserer Kenntnis nach für die Komplementärmedizin erstmalig so umfassend durchgeführt worden ist. Dadurch, dass die Websites aller zu dem Zeitpunkt im Landeskrankenhausplan aufgeführten 389 Akutkliniken Bayerns (ohne Reha-Kliniken) gesichtet wurden, können die vorliegenden Ergebnisse als repräsentativ für Bayern angesehen werden. Eine weitere Stärke war die umfassende abgestufte Sichtung, sowie die Datenextraktion durch zwei Wissenschaftlerinnen standardisiert und unabhängig voneinander nach dem 4-Augen-Prinizp für eine bestmögliche Qualität der auszuwertenden Daten.

Diese Studie hat jedoch auch potenzielle Limitationen. Die Häufigkeit und das Spektrum der komplementärmedizinischen Verfahren könnte auf den Websites nicht vollständig abgebildet sein, sodass diese Erhebung eine Unterschätzung der Versorgungsrealität darstellen könnte, wenn Kliniken über die Angaben im Internet hinaus weitere komplementärmedizinische Verfahren anbieten. Es ist jedoch auch nicht auszuschließen, dass komplementärmedizinische Verfahren erwähnt wurden, die im klinischen Alltag der Einrichtung keine Rolle spielen oder auch zwischenzeitlich gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Sollten Websites diesbezüglich nicht mehr aktuell sein, könnte dies zu einer möglichen Überschätzung der Häufigkeiten von komplementärmedizinischen Angeboten in Kliniken führen. Validierungen durch Kontakt mit den Klinikmitarbeitenden zur Überprüfung der Verfahren konnten im Rahmen dieses Projekts nicht durchgeführt werden.

Da derzeit weder national noch international eine einheitliche Definition bzw. eindeutige Abgrenzung zwischen den Begriffen alternativ- und komplementärmedizinischen Therapien existiert, orientierten wir uns an den Empfehlungen von Volger et al. für die ärztliche Weiterbildung auf diesem Gebiet in Deutschland sowie an der vom NCCAM vorgeschlagenen Klassifikation [34] [35]. Die identifizierten Komplementärverfahren wurden daher z. B. nach Methoden der klassischen Naturheilverfahren aber auch nach komplementären Verfahren aus eigenständigen Medizinsystemen wie z. B. der Traditionellen Chinesischen Medizin oder der Homöopathie aufbereitet [35]. Auch diagnostische und therapeutische Verfahren, die weder den Säulen der klassischen Naturheilkunde noch einem eigenständigen Medizinsystem (whole medical systems, Ethnomedizinformen u. a.) zugeordnet werden können [35], wurden aufgegriffen, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten. Der breite Ansatz in dieser Studie führte jedoch auf der anderen Seite dazu, dass im Einzelfall auch Verfahren der Komplementärmedizin zugeordnet wurden, die in einigen Fachbereichen eher den konventionellen Verfahren zugeordnet werden. Mögliche inhaltliche Überschneidungen dieser Art betreffen in den psychiatrischen und psychosomatischen Abteilungen/Kliniken beispielswiese Entspannungsverfahren, Bewegungstherapie, Kunsttherapie und Musiktherapie.

Die Evidenz der gefundenen Verfahren war nicht Gegenstand der Erhebung, da es zunächst um eine Bestandsaufnahme der angebotenen Verfahren und nicht um eine inhaltliche oder gar qualitative Bewertung ging. Ferner kann die Studie nicht beantworten wie hoch die Inanspruchnahme durch PatientInnen tatsächlich ist und wie die Behandlungsqualität und der Behandlungserfolg einzuschätzen sind, was in Folgestudien untersucht werden sollte.


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Schlussfolgerung

Die große Mehrheit der bayerischen Akutkrankenhäuser bietet laut Internetauftritt begleitend zur regulären Versorgung auch komplementärmedizinische Verfahren an, insbesondere bei psychiatrisch/psychosomatischen Indikationen sowie in der Geburtshilfe und Gynäkologie. Regionale Besonderheiten führen offenbar ebenso wie fachspezifische Gegebenheiten zu unterschiedlichen Häufigkeiten im Angebot der einzelnen Verfahren.

Zukünftige Studien, z. B. durch Befragungen von Klinik- und Abteilungsleitungen, sollten untersuchen, wie häufig die auf den Websites aufgeführten komplementärmedizinischen Verfahren im stationären und ambulanten Klinikalltag bei welchen Indikationen zum Einsatz kommen. Unabhängig hiervon sollte es das Ziel künftiger Bemühungen sein, insbesondere auf die Verfahren zu fokussieren, für die bereits Evidenz bis hin zu Leitlinienempfehlungen vorhanden ist.


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Interessenkonflikt

JL: erhielt für dieses Projekt eine Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege; Weitere Forschungsunterstützung: Steigerwald Arzneimittelwerke GmbH, Falk Foundation; TechLab, Dr. Willmar Schwabe; Repha GmbH biologische Arzneimittel; Vortragshonorare: Falk Foundation, Repha GmbH biologische Arzneimittel; Celgene GmbH; Dr. Willmar Schwabe; Medice Arzneimittel, Galapagos Biopharma; Berater/Gutachtertätigkeit: Medizinverlage Stuttgart; Steigerwald Arzneimittelwerke GmbH; Repha GmbH; Ferring Arzneimittel GmbH; Dr. Willmar Schwabe TK: erhielt für dieses Projekt eine Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, darüber hinaus bestehen keine weiteren Interessenkonflikte CL: Vortragshonorare: Celgene GmbH, Roche GmbH, Novartis Pharma GmbH, BMS GmbH & Co. KGaA, Mundipharma GmbH Co. KG, Merck KGaA.

Danksagung

Wir bedanken uns bei A. Grau, U. Selig, J. Börner, J. Grütjen und I. Lindner für die Unterstützung beim Website-Screening sowie bei der Datenerfassung und Datenbankbereitstellung. Außerdem möchten wir uns bei Frau Dr. Corina Güthlin (Frankfurt/Main) bedanken für den sehr hilfreichen und konstruktiven wissenschaftlichen Austausch in der Planungsphase dieses Projekts.

* A. Kollikowski und L. Schiffmann trugen gleichermaßen zu dieser Arbeit bei.


Zusätzliches Material

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Korrespondenzadresse

Dr. Claudia Löffler
Universitätsklinikum Würzburg Medizinische Klinik und Poliklinik II
Innere Medizin
Josef-Schneider-Str. 6
97080 Würzburg
Germany   

Publication History

Article published online:
21 December 2022

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Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Angebot insgesamt und die 10 häufigsten angebotenen komplementärmedizinischen Verfahren in bayerischen Akutkliniken; a In allen bayerischen Akutkliniken (n=389); b In allen bayerischen Akutkliniken ohne psychiatrische und psychosomatische Akutkliniken (n=292); c In allen bayerischen psychiatrischen und psychosomatischen Akutkliniken (n=97); *Entspannung nicht näher bezeichnet, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation, Imagination, Phantasiereisen und Visualisierung, Atemtherapie, -übungen; **Massagen im Allgemeinen, Fußreflexzonenmassage (am häufigsten genanntes Massageverfahren), Druck-/Reflex-, Kolon-, Bindegewebs-, Reiz-, Periost-, Segmentmassagen
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Abb. 2 Anteil der Akutkliniken in bayerischen Regierungsbezirken, die mindestens 1 bzw. mindestens 3 komplementärmedizinische Verfahren anbieten, sowie Anteil der Akutkliniken in bayerischen Regierungsbezirken, die Akupunktur; Tai Chi, Qi Gong oder Yoga; Homöopathie; Aromapflege; Fußreflexzonenmassage anbieten. Hellgrau=bis 30%; Dunkelgrau=über 30% (Farbunterschiede zur besseren Sichtbarkeit gewählt); Gesamtanzahl der Kliniken in den Regierungsbezirken: Unterfranken: 40; Oberfranken: 32; Mittelfranken: 41; Oberpfalz: 31; Schwaben: 50; Oberbayern: 153; Niederbayern: 42)
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Abb. 3 Allgemeine Häufigkeit (linke Seite) und die 10 häufigsten komplementärmedizinischen Verfahren (rechte Seite) in 5 unterschiedlichen Abteilungen bayerischer Kliniken; INN=Innere; CHI=Chirurgie; PSY=Psychiatrie/Psychosomatik; GYN=Gynäkologie und Geburtshilfe; PAL: Palliativstation; *mögliche Entspannungsverfahren: Entspannung nicht näher bezeichnet, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation, Imagination, Phantasiereisen, Visualisierung, Atemtherapie, - übungen; **Massagen im Allgemeinen, Fußreflexzonen-, Druck-/Reflex-, Kolon-, Bindegewebs-, Reiz-, Periost-, Segmentmassagen